Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(WAV)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der WAV mochte ich die Erklärung abgeben, daß wir uns von dem vorliegenden Steuerprojekt aufs schärfste distanzieren und diese Steuererhöhungen unter allen Umständen ablehnen müssen.
Ganz besonders verhängnisvoll wird sich die Erhöhung der Umsatzsteuer auswirken. Sehr verehrter Herr Vorredner von der DP, es ist sehr bemühend, wenn man hier hören muß, daß Sie genau so wie wir diese verhängnisvolle Auswirkung der Umsatzsteuererhöhung auf die Volkswirtschaft, auf die Verbraucherschaft, auf den Mittelstand usw. erkennen, aber dann trotzdem hergehen und namens Ihrer Parteifreunde diese Erhöhung der Umsatzsteuer empfehlen. So geht das natürlich nicht, daß man auf der einen Seite sagt, und zwar mit Recht sagt, daß volkswirtschaftlich gesehen eine Umsatzsteuer von 4 °/o. ein Wahnsinn ist, andererseits aber nichts tut, um die Regierung zu Fall zu bringen, die jetzt wieder eine solche Steuererhöhung vorschlägt und die uns demnächst noch weitere Steuererhöhungen vorschlagen will; denn Sie haben ja heute schon aus dem Munde des Herrn Finanzministers gehört, daß er sagte, daß der Verteidigungsbeitrag, der von uns gewünscht wird, so hoch ist, daß dieser das ganze Budget aus dem Gleichgewicht zu bringen droht. Und der Herr Finanzminister sagte wörtlich, daß man im Ausland schon ungehalten darüber ist, daß wir angeblich zu wenig Verteidigungsbeitrag leisten wollen bzw. nicht gleich in 0,5 Sekunden mit den dazu nötigen Steuererhöhungen bereitstehen.
Sehr verehrter Herr Bundesfinanzminister, es wird wohl die Zeit kommen müssen — sie wäre schon lange gekommen —, daß wir dem Ausland gegenüber endlich erklären, daß Deutschland doch nicht immer wieder auf Kommando wie ein Pudel durch jeden Reifen, den man ihm vorhält, hin-durchspringen muß und daß die Belastungen, die Deutschland trägt — denken Sie nur an die Auswirkungen des Yalta- und des Potsdamer Abkommens —, so sind, daß wir weitere Verteidigungsbeiträge angesichts dieser ungeheueren Mehrbelastung durch die Heimatvertriebenen und so fort heute schon kaum mehr aufzubringen in der Lage sind. Das muß dem Ausland gegenüber sehr deutlich gesagt werden. Es muß ohne Rücksicht auf Parteischattierungen von jedem in diesem Hause gesagt werden, und es muß von der Regierung mit aller Deutlichkeit unterstrichen werden!
Diese Umsatzsteuererhöhung wird selbstverständlich voll und ganz auf den letzten Verbraucher abgewälzt werden. Darüber sind sich alle Volkswirtschaftler im klaren. Diese Umsatzsteuererhöhung kann man nicht dadurch minimisieren, daß man von seiten der Regierungsbank wiederum hergeht und sagt: Pro Ei bringt das nur eine Belastung von Null Komma soundsoviel Pfennig, pro Pfund Butter von Null Komma soundsoviel Pfennig. Diese Milchmädchenrechnerei machen wir von der WAV-Fraktion nicht mit! Das
möchte ich mit aller Entschiedenheit sagen. Denn immer wieder kommen neue Steuererhöhungen, und immer wieder bemüht man sich, uns die NullKomma-Soundsoviel-Pfennig-Rechnung zu produzieren, um damit weitere Steuererhöhungen schmackhaft zu machen. In Wirklichkeit aber sieht es ganz anders aus. Eine Umsatzsteuererhöhung von 3 auf 4 % wird sich in dem betreffenden Warenpreis mehrfach auswirken, weil ja bei soundsoviel Artikeln des täglichen Bedarfs vielerlei Umsätze in Frage kommen. Ich brauche Ihnen das wohl nicht im einzelnen noch zu schildern.
— Um Gottes willen nicht? Herr Kollege, es wäre vielleicht für Sie manchmal sehr gut, wenn Sie auf die Stimmen der Opposition etwas mehr achten würden, als Sie das tun.
Meine Damen und Herren, diese neue Umsatzsteuererhöhung wird mit Sicherheit ein weiteres Steigen des ohnehin schon überhöhten Preisniveaus bedeuten. Wir haben heute schon aus dem Munde von Rednern hier im Hause gehört, daß das deutsche Preisniveau teilweise bereits höher ist als das umliegender Länder. Das wird sich noch in der übelsten Art und Weise auf unsere ganze Volkswirtschaft auswirken.
Was die Einkommensteuererhöhungen betrifft: diese Streichungen, die hier jetzt zum Teil wieder rückgängig gemacht worden sind, waren ja seinerzeit das „Verdienst" des Herrn Bundesfinanzministers. Freut uns, wenn er sie jetzt wenigstens teilweise wieder rückgängig machen will. Er soll aber nicht mit seiner Erzählung von dem Sommer-und dem Wintermantel daherkommen. Zu dem Zeitpunkt, als diese Einkommensteuerermäßigung den Großeinkommen in den Schoß geworfen wurde, wußte bereits jeder, wie sich die Lage entwickeln wird.
Ja, meine Herren, wenn heute von dem sehr verehrten Herrn Kollegen Neuburger gesagt wird, im August sei die Kohle auf dem Inlandsmarkt nicht abzusetzen gewesen und deswegen habe man damals die 600 000 t exportiert, die uns jetzt fehlen, so sage ich Ihnen: Im August war bereits der Koreakrieg da. Jeder mußte sich sagen, daß dieser Krieg nur mit einem völligen Prestigezusammenbruch entweder der einen, der roten, oder der anderen Seite enden kann und daß aus diesen Gründen dieser Konflikt sehr lange dauern wird.
Hier wäre es Sache der Regierung gewesen, Vorrite anzulegen. Das sind die Vorratslager, von denen ich das letzte Mal gesprochen habe. Damals hat der Kollege Horlacher, meine Ausführungen völlig mißverstehend, gea twortet, das würde den großen Geldbeutel begünstigt haben. In der Schweiz hat man große Kohlenlager rechtzeitig von Regierungsseite her angelegt. Selbstverständlich, der Mittelstand kann das nicht machen. Bei uns hat man im August, zwei Monate nach Ausbruch des Koreakrieges, noch nichts dergleichen oder fast nichts gemacht. Das möchte ich den Herren Vorrednern doch zu bedenken geben, bevor sie hergehen und dem Hause gegenüber mit allgemeinen Redewendungen die vollkommen falsche Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung zu rechtfertigen versuchen.
— Unsere Wirtschaftspolitik?
— Wenn Sie sich die Mühe gegeben hätten, Herr Kollege, zu verfolgen, was wir damals schon gesagt haben und wobei ich hier von Ihnen verlacht worden bin, — —
Wir haben damals bereits erklärt, daß die Regierung Vorräte anlegen soll. Das hatten wir Ihnen damals bereits erklärt. Hätten Sie das getan, dann brauchten Sie heute statt der einen Milliarde DM, die Sie jetzt für wichtigste Lebensmittel und sonstige Grundrohstoffe auszugeben gezwungen sind, höchstens 600 Millionen DM auszugeben. Wenn Sie diese Lebensmittel und Grundrohstoffe heute überhaupt noch auf dem Weltmarkt bekommen — ich fürchte, Sie werden sie zum großen Teil nicht mehr bekommen —, dann werden Sie dadurch die Preise auf den Weltmärkten nur noch mehr hinauftreiben.
— Meine Damen und Herren, wo die Geldsummen waren? Sie waren da, wo sie jetzt auch sind. Jetzt müssen Sie sie ja auch aufbringen und haben sie auch aufgebracht.
Was die Einkommensteuer betrifft: es ist unser Ziel, die kleinen Einkommen möglichst pfleglich zu behandeln und die größten und großen Einkommen entsprechend stark heranzuziehen. Das ist — um auf Ihren Zwischenruf einzugehen — unsere Einkommensteuerpolitik. Bei dem Verhältnis zwischen direkter und indirekter Besteuerung muß man sich darüber klar werden, daß gerade ein verarmtes Volk das Verhältnis zwischen direkter und indirekter Steuer anders festlegen muß als ein reiches Volk, aber nicht so, wie ,der Herr Bundesfinanzminister argumentiert, sondern gerade umgekehrt. Ein verarmtes Volk kann sich nur ganz geringe Umsatzsteuern leisten.
— Ja, Herr Kollege, wenn Sie sich die Mühe nehmen würden, in ersten ausländischen Finanzzeitschriften — siehe z. B. die Handelsbeilage der „Neuen Zürcher Zeitung" oder andere — einmal nachzulesen, wie hoch die Summen sind, die von großen Exportindustrien heute verdient und teilweise ins Ausland verschoben werden, dann würden Sie wohl anders reden. Die Summe wurde von dem Finanzreferenten der „Neuen Zürcher Zeitung" auf 3 Milliarden DM für das Jahr 1950 beziffert. Wenn Sie das Exemplar dieser Zeitung einsehen wollen, dann kann ich es aus unserem Archiv sofort bringen und Ihnen zur Verfügung stellen.
— Nein, wir haben keine solche guten Beziehungen wie Ihre Leute, die alle Augenblicke dort sind, teilweise sogar zum Sommeraufenthalt, wie der Herr Bundeskanzler, statt in einem deutschen Kurort Aufenthalt zu nehmen. Das, mein Lieber, auf Ihren Zwischenruf!
Wir von der WAV sehen mit größter Bestürzung eines: Die Preis-Lohn-Spirale ist in Bewegung gekommen und wird sich, wenn es so weitergeht, nicht mehr aufhalten lassen, sondern wird alles zerdrücken und zermalmen. Das ist bedauerlich genug. Eine Schutzwand gegen die Gefahr aus dem Osten, mit der der Herr Bundesfinanzminister diese Steuererhöhungen uns heute schmackhaft zu machen versucht, können Sie nur dann aufrichten, wenn Sie unsere deutsche Volkswirtschaft nicht zertrümmern und kaputtschlagen.
Zu diesem Zweck müssen Sie ein Steuersystem und ein Wirtschaftssystem haben, .das dem heute von der Regierung praktizierten diametral entgegengesetzt ist. Dieses fehlerhafte Wirtschaftssystem, das so sehr gegen das Wort Talleyrands verstößt: „Gouverner c'est prévoir", weil diese Regierung eben nichts vorausgesehen hat, werden wir von der WAV bei solchen Steuererhöhungen nicht mitmachen. Deswegen lehnen wir die heutige Regierungsvorlage mit aller Entschiedenheit ab!