Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die grundsätzlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff werden von meiner Fraktion weitgehend gebilligt, so daß ich mich kurz fassen kann.
Auch wir stehen auf dem Standpunkt, daß, wenn der Finanzbedarf auch nur annähernd so stark ist und durch das erhöhte Mehraufkommen von Steuern, das ja erst im letzten Vierteljahr eingesetzt hat, nicht gedeckt werden kann und wenn die in einem gewissen Umbruch befindliche allgemeine Wirtschaftspolitik nicht überhaupt alle Berechnungen über den Haufen wirft, die Regierungsparteien gehalten sind, dem Bund die Mittel zu geben, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Mich hat allerdings an der Einleitungsrede des Herrn Bundesfinanzministers ein wenig befremdet, daß er versuchte, die Sache so darzustellen, als ob jeder Steuergroschen, der aufgebracht wird, ausschließlich der Verteidigung des Heimatlandes diene. Das ist, insofern durch Bundesmittel soziale Leistungen bewirkt werden, indirekt richtig; soweit wir einen „Verteidigungsbeitrag" — wie heute wohl euphemistisch die Formel für Besatzungsausgaben lauten soll —leisten, können wir das nach den bisherigen Erfahrungen der letzten 5 Jahre keineswegs anerkennen. Unkosten für Luxuskegelbahnen und Ähnliches haben mit der Verteidigung unseres Gebietes gar nichts zu tun, und insofern müssen wir diesen — wie soll ich sagen — an unser Ehrgefühl gerichteten Appell des Herrn Bundesfinanzministers für heute zurückweisen. Dieser Appell wird deshalb auch für mich und meine Fraktion um so unerfreulicher, weil wir uns mit gewissen Argumenten der Begründung dieser Vorlage, über die offensichtlich viele Kollegen bisher völlig hinweggelesen haben, überhaupt nicht einverstanden erklären können.
Wir geben zwar zu, daß sich die Wirtschaftspolitik infolge der zugespitzten Weltlage des mittlerweile beinahe schon warmen Krieges, der geführt wird und der sich auch auf uns auswirkt, zwangsläufig geändert hat und daß daher die freie Wirtschaft, zu der wir entschlossen waren, sich nicht mehr durchführen läßt. Aber dennoch geht uns die Begründung, die gegeben ist und die auch aus den Worten des Herrn Ministers hervorklang, teilweise wesentlich zu weit. Aus dem Memorandum der Bundesregierung in Drucksache Nr. 1982 darf ich nur einen Passus zitieren. Es heißt unter Ziffer 12 auf Seite 24:
Die Notwendigkeit einer Steuererhöhung ergibt sich nicht allein aus haushaltspolitischen, sondern auch aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Erwägungen.
Und dann wird die Nutzanwendung hieraus gezogen:
Zu dieser unvermeidlichen Umlenkung der finanziellen Mittel aus der privaten in die öffentliche Sphäre ist die Steuererhöhung der einzige im Augenblick gangbare Weg.
Das bedeutet doch offenbar, daß sich die Regierung
anschickt, nicht mehr die Privatinitiative als den
Impuls in der Wirtschaft anzusehen, sondern eine
gelenkte sozialistische Planwirtschaft einzuführen.
Es müßte doch weiterhin heißen: „von der Konsumin die Investitionssphäre". Oder was soll das Geld in der öffentlichen Hand? Als wenn die öffentliche Hand nicht ebenfalls Fehlinvestitionen genug gemacht hätte, wofür wir ja wohl in allen Ländern heute hinreichende Beispiele haben.
Ich muß also diese Begründung, die hier meines Erachtens nur durch so etwas wie ein Büroversehen stehengeblieben sein kann, auf das entschiedenste beanstanden und muß dazu erklären: So sehr wir eine Verflechtung — bedauerlicherweise — der Steuer- mit der Wirtschaftspolitik für unser schweres Schicksal halten, so wenig sind wir gesonnen, durch eine Steuererhöhung im geringsten die öffentliche Hand in den Stand zu setzen, mit dén sauer verdienten Geldern der Staatsbürger eigene Investitionen vorzunehmen.
Das möchte ich ganz deutlich aussprechen. Ich glaube, daß der Hinweis auf einen „Verteidigungsbeitrag", den wir hier angeblich leisten, und diese Nutzanwendung in praxi miteinander in einem recht peinlichen Zusammenhang stehen.
Im übrigen wird es der Prüfung im Ausschuß bedürfen, ob die Wirtschaft wirklich so radikal, wie es jetzt geschehen soll, Selbstinvestitionen entbehren kann. Diese Zweifel sind insbesondere bei der Industrie heute noch angebracht, ganz besonders bei der Flüchtlingsindustrie. Ich meine, daß man insoweit doch wohl einen allmählicheren Übergang finden müßte. Die übrigen Einzelbemerkungen, die ich zu machen hätte, decken sich im im wesentlichen mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Höpker-Aschoff.
Und nun zur Umsatzsteuer! Ich muß ehrlich gestehen, daß es mich als Angehörigen einer Regierungspartei sehr befremdet, daß, nachdem vor etwa einem Dreivierteljahr der Bundestag nach sehr langen und eingehenden Ausschuß- und Plenarberatungen den Beschluß gefaßt hat, es im Gegensatz zu dem damaligen Regierungsantrag bei der bisherigen Regelung des § 7 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes zu belassen — wogegen die Opposition opponiert hatte — hier bei der neuen Vorlage noch einmal der Versuch gemacht wird, dasselbe — ich hätte beinahe gesagt: „klamheimlich" — einzuführen; denn in der Begründung der Vorlage der Drucksache Nr. 1983 heißt es auf Seite 6 in dem Absatz vor der Überschrift „Zu Abschnitt I § 1 Ziffer 5" nur, daß gleiche Erwägungen, nämlich solche zur Verhütung von Preisverteuerungen, dazu geführt hätten, ausgerechnet die Großbetriebe nur sehr mäßig anzufassen und nicht mit einer besonderen Steuer zu belegen. Das war keine Begründung; das schien eigentlich eher fast sinnlos.
Heute ist uns ja nun ab er erklärt worden, was das heißen soll. Die Dinge liegen da wie folgt: Nimmt man einen Großbetrieb an, der im Großhandel und Einzelhandel durch einen einzigen Wirtschaftsvorgang 1 Million DM umsetzt und von dieser 1 Million DM 10 %, also 100 000 DM, in Teigwaren und Mehl umsetzt, dann ergibt sich bei einer genauen Berechnung, daß dieser Betrieb, der bisher auch für Teigwaren und Mehl die erhöhte Umsatzsteuer zahlen mußte, überhaupt keinen Pfennig mehr Umsatzsteuer als vorher zu zahlen hat. Diese Betriebe zahlen de facto also genau die gleiche Umsatzsteuer wie bisher. Bei dem Beispiel des Umsatzes von 1 Million DM, wenn davon 10 % auf Teigwaren entfallen, trifft es genau zu; ist der Umsatz in Teigwaren und Mehl größer, dann machen diese Betriebe sogar erhebliche Einsparungen an Umsatzsteuer. Das ist die Situation.
Nun will der Herr Bundesfinanzminister wie folgt argumentieren. Diese Großbetriebe haben also bei dieser Gesetzesgestaltung nicht den geringsten Anlaß, auf Grund der Erhöhung der Umsatzsteuer, die sie ja in Wirklichkeit gar nicht trifft, die Preise zu erhöhen. Sie können sie vielleicht sogar verbilligen und entfalten dann in den Städten als Warenhäuser, Filialbetriebe oder Konsumvereine eine nachhaltige Werbungskraft, indem sie die Kundschaft mit Riesenplakaten auf ihr billiges Angebot hinweisen und die Massen an sich ziehen. Wie soll denn damit der Kleingewerbetreibende, der durch die Umsatzsteuer doch in der Tat eine Unkostensteigerung erfährt, konkurrieren — er soll nach der Absicht des Finanzministers veranlagt werden, seinerseits unter allen Umständen diese erhöhte Umsatzsteuer voll zu tragen, so daß die Mehrsteuer also auf seine eigenen Kosten geht —, wenn er gegenüber dem Konsumverein, dem Warenhaus und dem Großfilialbetrieb, die bei gleichen Preisen durchaus keine Mehrsteuer zu tragen haben, überhaupt wettbewerbsfähig bleiben will? Das heißt also auf deutsch: Versuche machen auf dem Buckel der kleinen selbständigen Existenzen. Solchen Versuch müssen wir auf das allerentschiedenste zurückweisen. Wir sind durchaus der Meinung, daß in sehr wesentlichen Artikeln eine Umsatzsteuerhöhung von 1°/o von der Wirtschaft mit einkalkuliert werden kann, ohne daß die Preise erhöht zu werden brauchen. Bei denjenigen Artikeln, bei denen die Handelsspanne sehr gering ist, geht es vielleicht nicht, aber bei den meisten Konsumartikeln sollte es sich ermöglichen lassen. Ich bin aber davon überzeugt, daß die Warenhäuser unter allen Umständen deshalb, weil sie auf billige Massenartikel Wert legen, mit gutem Beispiel vorangehen, auch wenn sie die einzig gerechte Sondersteuer für ihre zwei Umsätze im eigenen Betrieb zahlen müssen.
Wir treten also mit aller Entschiedenheit dafür ein, daß der Beschluß des Bundestags auch jetzt wieder durchgeführt wird und die Sondersteuer des § 7 Abs. 4, die von Brüning eingeführt ist, bleibt.
Im übrigen ist es selbstverständlich für jede politische Partei und Richtung eine außerordentlich schwere Zumutung, überhaupt einer Umsatzsteuererhöhung zuzustimmen. Das ist in der Tat nur denkbar, wenn wir uns davon völlig überzeugt halten, daß der Bund, der ja bedauerlicherweise allein auf indirekte Steuern für den Eigenbedarf angewiesen ist, sonst vor der Unmöglichkeit steht, die sozialen Verpflichtungen zu erfüllen, die ihm durch das Kriegsende erwachsen sind. Sobald wir der Überzeugung sind, daß das der Fall ist, werden wir uns der Notwendigkeit der Steuererhöhung nicht entziehen, wenn wir sie auch theoretisch und grundsätzlich durchaus ablehnen; aber wir sind der Meinung, daß die Erfüllung der Verpflichtungen auf dem sozialen Sektor in der Tat das vordringlichste Gebot ist.