Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war nicht meine Absicht, während der Debatte das Wort zu ergreifen, aber es ist so oft in der Debatte eine Anspielung auf die Steuerbewilligungsmaschine gefallen, daß ich mich genötigt sehe, auf dieses Thema zu sprechen zu kommen.
Die Anspielungen waren Gott sei Dank in einem Ton gehalten, daß ich annehme, daß die Pressenachricht nicht von vornherein als völlig glaubwürdig übernommen worden 'ist; ich möchte Ihnen versichern, daß es ja auch das Gegenteil der Wahrheit und Wirklichkeit wäre, wenn man wirklich eine solche Behauptung aufstellen wollte. Ich darf
Ihnen den Zusammenhang ganz ruhig erklären und bitten, es rein menschlich zu nehmen.
Wenn ich so im Bayerischen Wald
in meinem Grenzlandausschuß bin und spreche, dann faßt mich halt eine gewisse Liebe und Sehnsucht nach der Gegend, in der die Wiege meiner Eltern stand, und man bekommt so etwas wie Sehnsucht, zu erklären, wie man so töricht sein kann, ein so schönes Land zu verlassen und woanders tätig zu sein.
Da man selbst bei all denen, in deren Kreis man
sitzt, merkt, daß sie sagen: mich brächte keiner
hinaus, warum bist Du — zoologisches Beiwort —
hinaus gegangen? —, muß man mit einem Gegenwort antworten. Und ich werbe um Mitleid. Wenn ich um Mitleid werbe, schildere ich das Los des Finanzministers als solches. Ich habe Ihnen deshalb gesagt, es sei in allen Parlamenten der Welt so, daß die Parlamente gerne Ausgaben bewilligten, weil jede Ausgabebewilligung irgendeine Bevölkerungsschicht finde, bei der sie populär sei, und es wäre in allen Parlamenten der Welt so, daß die Parlamente ungern die Deckung, die Einnahmen bewilligten; denn jede Einnahme, die man bewillige, und jede Steuer finde eine Bevölkerungsschicht, bei der sie unpopulär sei. Der Finanzminister habe aber leider die Aufgabe, gegen Ausgaben vielleicht deswegen zu reden, weil er an den Steuerzahler denkt, den er zu schützen hat. Infolgedessen muß er sich manchmal gegen eine populäre Forderung stellen, wenn er ihre Durchführung für unnötig hält. Wenn die Ausgabe bewilligt ist, bleibt dem Finanzminister auf der anderen Seite gar nichts anderes übrig, als, um das Gleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen wiederherzustellen und damit der Allgemeinheit, dem Sparer, dem sozial Schwachen zu dienen, auch die Einkünfte zu verantworten und den Steuervorschlag zu machen. So sei er leider Gottes immer in der Rolle des Unpopulären. Das geschehe ihm ganz recht; warum hat er seine Heimat verlassen?
So ungefähr war die Rede, und insofern muß ich dann erklären, warum ich gerade heute wieder als der Mann dastehe, der seine schöne Heimat verläßt, um mit recht unpopulären Steuervorschlägen an seine eigenen Landsleute heranzutreten. Ich bitte, meine menschliche Rolle zu verstehen und zu entschuldigen. Ich habe wirklich nicht das Hohe Haus als eine Steuerbewilligungsmaschine bezeichnet oder bezeichnen wollen.
Ich habe nur in meiner Heimat aus meinem Herzen keine Mördergrube gemacht und um Entschuldigung gebeten, daß ich sie verlassen habe.
Jetzt darf ich auf das Sachliche eingehen, aber ich möchte nicht über jeden einzelnen Punkt sprechen, der hier erörtert worden ist.
— Ja, ganz richtig. Ich möchte nicht auf die einzelnen Punkte eingehen. Ich nehme an, daß wir uns über die Einzelheiten im Ausschuß unterhalten. Es ist ja der Zweck des Ausschusses und meiner dort zu haltenden ersten Einführungsrede, auf all die Spezialpunkte, die im Plenum geäußert worden sind, im Ausschuß zu antworten. Ich darf nur die allgemeinen Gesichtspunkte herausgreifen.
Erstens ist von den allzu reichen Ermächtigungen gesprochen worden. Es gibt heute noch einen § 12 der Reichsabgabenordnung. Nach meiner Überzeugung gilt dieser Paragraph in der Form, in der er vor 1933 bestanden hat, eigentlich heute noch. Manche Juristen bestreiten das. Infolgedessen verlangen sie wegen der Fassung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, daß jede einzelne Möglichkeit, für die überhaupt eine Durchführungsverordnung notwendig werden kann, von A bis Z aufgezählt wird. Früher war es eine Selbstverständlichkeit, in das Gesetz hineinzuschreiben: Der Herr Reichsminister der Finanzen erläßt die notwendigen Durchführungsvorschriften. Wenn heute versäumt wird, irgendeinen Begriff anzuführen, dann bestreiten die Juristen dem betreffenden Ressortminister das Recht, eine ganz kleine Durchführungsverordnung zu erlassen. Dieser Katalog muß so lange aufgestellt werden, als wir uns nicht zu der Erkenntnis durchringen, daß § 12 der Reichsabgabenordnung in dem Sinne wirksam ist, wie er damals gedacht war, daß man nämlich die not wendigen Durchführungsvorschriften, die man nicht in der ersten Minute alle vorausbedenken kann, erlassen kann. Bei all diesen Verordnungen kann das Parlament, wenn es mit den Durchführungsvorschriften nicht einverstanden ist, sofort deren Aufhebung verlangen. Das also war früher der einfache Weg. Warum aber soll man's einfach machen, wenn's umständlich auch geht. Eine rein formalistische Auslegung des Art. 80 des Grundgesetzes zwingt uns zu einem umständlichen Weg, zu einer Aufzählung aller Einzelheiten, die überhaupt je einmal Gegenstand einer Durchführungsverordnung sein können. Ich bitte, einmal unter diesem Gesichtspunkt die sogenannten Ermächtigungsbestimmungen zu lesen.
Zweitens. Was das Thema „Schätzung des Bedarfs" anlangt, so ist hier gesagt worden, die Besatzungskosten seien vielleicht zu hoch eingeschätzt. Die Damen und Herren haben zugegeben, das Vertrauen zu haben, daß sich im eigenen Interesse und um des deutschen Volkes willen Bundesregierung und Bundesminister der Finanzen bemühen werden, diesen Ausgabeposten auf das notwendigste Maß einzuhalten. Ich kann heute keine bestimmte Zahl über die Höhe dieser Besatzungskosten angeben, und zwar deswegen nicht, weil erst in den nächsten Tagen bei den Hohen Kommissaren Entscheidungen über diese Zahlen fallen, über die zu reden sein wird, und weil erst von dieser Stunde an die Möglichkeit zu Verhandlungen besteht. Selbstverständlich nehme ich ohne weiteres an, daß man über diesen Posten gleich zu gleich verhandelt und nicht etwa befohlen wird. Ich mußte aber von vornherein mit einem Posten rechnen, und wenn der Wunsch, den wir haben, in Erfüllung geht, daß nämlich die deutsche Grenze durch Söhne der Mütter anderer Länder geschützt wird, dann wird allerdings nach meinem Dafürhalten insgesamt ein Bedarf, wie ich ihn gekennzeichnet habe, notwendig sein. Er wird unter der Voraussetzung ausreichen, daß die Besatzungskosten nicht mehr dem alten System dienen, sondern alles einem einheitlichen Zweck dient, nämlich der echten Verteidigung der demokratischen Welt und damit in erster Linie des an den Eisernen Vorhang stoßenden deutschen Bodens.
Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß ich in die Ausgaben und in den Mehrbedarf nicht die Fortsetzung der Subventionen eingerechnet
hatte. Ich muß Ihnen heute schon gestehen —es ist j a ein öffentliches Geheimnis —: so, wie sich der Weltmarkt entwickelt hat, wäre es unmöglich, ohne unerträgliche Rückwirkungen auf Preis- und Lohngebiet die ganzen Auswirkungen des Weltmarkts auf die notwendigsten Nahrungsmittel losprellen zu lassen. Voraussichtlich wird Ihnen bald die Entscheidung darüber vorgelegt werden, daß die Subventionspolitik — auf das Notwendigste beschränkt — fortgeführt werden muß. Wer das Kapitel „Subventionen" kennt, der weiß, daß mit diesem Posten ein sehr großer Mehrbedarf an den Bundeshaushalt herangetragen wird. Dieser neue Posten wird durch die Steuervorschläge voraussichtlich nicht voll gedeckt werden können.
Meine Damen und Herren, es ist dann über die Exportförderung gesprochen worden. Selbstverständlich ist die Bundesregierung bereit, alles zu tun, was der Exportförderung dienen kann. Sie wird daher auch auf dem Gebiet der Einkommensteuer — nicht nur der Umsatzsteuer — konkrete Vorschläge vorlegen, die bereits ausgearbeitet und mit den Ländern, die j a verantwortlich sind, da es um ihre Steuererträge geht, vereinbart sind. Ich glaube, Ihnen bestimmt versprechen zu können, Ihnen diesen Gesetzesvorschlag als Material so rasch zugehen zu lassen, daß Sie vielleicht schon im Ausschuß die Möglichkeit haben, ihn in Initiativform zu übernehmen und bereits in das neue Einkommensteuergesetz einzubauen. Damit wird Zeit gewonnen, wofür ich Ihnen sehr dankbar wäre. Denn das Ausland macht uns Vorwürfe, daß wir uns auch in der Steuergesetzgebung und in den finanzpolitischen Maßnahmen zu langsam an die Änderung der Verhältnisse angleichen würden. Wir haben dem Ausland unsere Pläne Mitte Dezember 1950 mitgeteilt. Sie wissen: wenn wir heute, am 7. März, die Ausarbeitung der Gesetzentwürfe, die Vorlage an das Kabinett, die Vorlage an den Bundesrat, die Beratung im Bundesrat, die Äußerung des Bundesrats und die Gegenäußerung der Bundesregierung — verfassungsrechtlich vorgeschriebene Stadien — überwunden und heute die erste Lesung dieser Steuergesetze haben, dann haben wir im Rahmen des Grundgesetzes rasch gearbeitet. Das Ausland versteht das nicht. Wenn ich also eine Unterstützung dahin erfahre, daß solche Gesetzentwürfe auf dem Weg der Initiative eine Beschleunigung erhalten, dann bin ich selbstverständlich dafür dankbar und werde Ihnen die Möglichkeit dazu geben.
Eine Frage darf ich noch aufwerfen, nachdem Herr Kollege Höpker-Aschoff sie vorhin erwähnt hat — ich hoffe, ihm damit keinen Kummer zu bereiten —, nämlich die der Tabaksteuer. Eine Tabaksteuerreform im Sinne einer Steuersenkung könnte dann überlegt werden, wenn die Senkung der Tarifsätze nicht gleichzeitig eine wesentliche Senkung des Aufkommens bedeuten müßte. Ich sage es absichtlich: es schadet nichts, die deutsche Öffentlichkeit an den Ernst der Situation zu erinnern. Eine Senkung der Tabaksteuer würde zur Voraussetzung haben, daß der Tabakkonsum um wenigstens 60 % steigt. Ich frage, ob wir die notwendigen Devisen haben, um uns diese nicht unvermeidbare Einfuhr im Laufe des Jahres leisten zu können. Diese Frage müßte zuerst geklärt werden, bevor wir an eine Reform der Tabaksteuer herantreten könnten.
Meine Damen und Herren, zum Schluß noch ein wesentliches Thema! Es ist davon gesprochen worden, daß die Steuergesetze nicht beraten erden könnten, solange nicht feststünde, wem das Mehraufkommen eigentlich zufließe. Nun darf ich zunächst folgendes sagen. Ein Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 verlangt die Zustimmung des Bundesrates. Dieses Gesetz dem Bundesrat vorzulegen, bevor der Bundesrat weiß, was das Gesetz für ihn wirklich bedeutet, bevor ich ihm also mit Ziffern sagen kann — Art. 106 Abs. 3 setzt ja nichtgedeckte Ausgaben des Bundes voraus —, worin die nichtgedeckten Ausgaben des Bundes bestehen, bevor ich ihm nicht sagen kann, wie tief ziffernmäßig der Eingriff in die Ländermittel ist, wie hoch er infolgedessen prozentual bei den Steuern ist, erscheint mir ganz aussichtslos. Ich halte die Voraussetzungen erst dann für gegeben, wenn ich dem Bundesrat sagen kann, in welcher Zwangslage das gesamte deutsche Volk ist, wenn ich ihm sagen kann: ich schaffe den Ländern Mehreinnahmen; ich schaffe die Mehreinnahmen aber praktisch nicht für die Länder, sondern ich muß sie auf diesem Wege dem Bund zuleiten; infolgedessen können die Länder ihre alten Einnahmen, ziffernmäßig gerechnet, ungefähr behalten. Dann habe ich Aussicht auf Erfolg.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, daß über dieses Thema bereits Besprechungen zwischen Länderregierungen und Bundesfinanzministerium stattgefunden haben. Diese Besprechungen von Land zu Land haben dazu geführt, daß die Mehrheit der Länderregierungen für die vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagene Lösung eintritt. Ich freue mich, feststellen zu können, daß hier zum erstenmal ein Weg friedlich beschritten wird, von dem ich früher gedacht habe, daß er nur unter schärfsten politischen Konflikten zwischen Bund und Ländern würde beschritten werden können. Heute ist die Sachlage anders. Die Länderregierungen sind überzeugt, daß der Mehraufwand, den wir haben, anfällt, und sind überzeugt, daß der Mehraufwand gedeckt werden muß. Sie sehen bei dieser Sachlage, daß man mit dem alten System der Interessenquoten nicht durchkommt; denn dieses System bringt Ungleichheiten unter den Ländern mit sich, und eine Verdoppelung der Interessenquoten würde diese Ungleichheiten verdoppeln und zu unmöglichen Ungerechtigkeiten werden lassen. Infolgedessen haben sich die Länder in ihrer Mehrheit bisher grundsätzlich bereit erklärt, den Weg des Art. 106 Abs. 3 zu beschreiten, obwohl sie wissen, daß die selbstverständliche Schlußfolgerung daraus die Anwendung des Art. 108 Abs. 2 ist. d. h. „insoweit" geht die Verwaltung auf den Bund über.
Es war, um Art. 106 Abs. 3 mit Aussicht auf Erfolg anzuwenden, notwendig, gleichzeitig mit den Ländern zu vereinbaren, wie die Vorschrift, daß insoweit die Verwaltung auf den Bund übergeht, zu verstehen und zu handhaben ist. Ich freue mich, feststellen zu können, daß auch hier die große Mehrheit der Länder für die Vorschläge des Bundesfinanzministers volles Verständnis gezeigt hat und selbstverständlich anerkennt, daß damit gesagt ist, daß der Bundesfinanzminister soviel Einfluß auf die Verwaltung haben muß, daß er das Aufkommen, mit dem er rechnet. auch prozentual sichern kann. Die Gesetzentwürfe, und zwar einer über die Anwendung des Art. 106 Abs. 3 und ein zweiter zum Vollzug des Art. 108 Abs. 2, sind ausgearbeitet und gehen dem Kabinett dieser Tage zu, so daß ich sie Ihnen demnächst werde vorlegen können. Ich freue mich, wenn ich dabei sagen kann: im Einvernehmen mit der großen Mehrheit der Länder. Die Länder wissen,
daß sie damit, von einem rein egoistischen und einem rein doktrinären Standpunkt aus betrachtet, ein großes Entgegenkommen beweisen müssen. Die Länder wissen aber auch, daß dieses Entgegenkommen notwendig ist, und ich glaube, sagen zu dürfen: es ist ein Vertrauensbeweis zwischen Bund und Ländern, daß es im Wege der Einigung erfolgt ist. So wie ich den Föderalismus verstehe und wie er überhaupt verstanden werden sollte, bedeutet er die Zusammenarbeit Gleichberechtigter zum Wohle des Ganzen,
und in diesem Falle haben Gleichberechtigte zum Wohle des Ganzen den Egoismus zurückgestellt und nach meiner Überzeugung dem Ganzen gedient.