Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident, Meine Damen und Herren! Nach der im Auftrag der Berliner Militärregierung erlassenen West-Berliner Durchführungsbestimmung Nr. 19 vom 23. Dezember 1949 sind die sogenannten Uraltguthaben bei Groß-Berliner Kreditinstituten, d. h. Guthaben aus der Zeit vor dem 9. Mai 1945, im Verhältnis 20 zu 1 auf D-Mark umgestellt, wenn der Gläubiger entweder am 1. Oktober 1949 seinen Wohnsitz oder Sitz in West-Berlin hatte oder am 1. Oktober 1949 Angehöriger der Vereinten Nationen oder eines neutralen Staates war. Das auf D-Mark umgestellte Guthaben wird nach Wahl des Anspruchsberechtigten bei einem zum Geschäftsbetrieb zugelassenen West-Berliner Geldinstitut gutgeschrieben. Den Geldinstituten wird in Höhe der dadurch entstehenden Verbindlichkeiten eine mit 3 % jährlich verzinsliche Ausgleichsforderung gegen das Land Berlin zugeteilt. Die Guthaben werden in drei gleichen Jahresraten fällig, und zwar die erste Rate einen Monat nach Gutschrift, die weiteren Raten jeweils am 1. April 1951 und am 1. April 1952.
Berlin beabsichtigt, unter den gleichen Bedingungen, die für die bisherige Umwertung gelten, die Umwertung der Uraltguthaben auf die Konteninhaber auszudehnen, die am 1. Oktober 1949 ihren Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet hatten. Die zuständigen Berliner Stellen sind an das Bundesministerium der Finanzen mit der Bitte herangetreten, daß der Bund zu 90°/o die Verzinsung der zur Bedeckung dieser Verbindlichkeiten erforderlichen Ausgleichsforderungen übernimmt.
Ferner erbittet Berlin gleichfalls zu 90 % die Übernahme der Verzinsung derjenigen Ausgleichsforderungen durch den Bund, die aus der Bedeckung der der Durchführungsbestimmung Nr. 19 bereits unterliegenden Guthaben überlokaler Art entstehen. Bei den Konteninhabern überlokaler Art handelt es sich um Ausländer und um solche Organisationen, deren Wirkungsbereich sich nicht auf Berlin beschränkte, sondern sich auf das ganze frühere Reichsgebiet ausdehnte. Es sind dies die Sozialversicherungsträger, die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft, der Reichsnährstand und gewisse überlokale Handelsunternehmen wie z. B. die der IG-Farben und der UFA.
Die Bundesregierung ist sich mit den zuständigen Stellen Berlins darüber einig, daß die bisherige Rechtslage, die für Deutsche die Umwertung auf solche Berliner Guthaben beschränkt, die am 1. Oktober 1949 in West-Berlin ansässigen Konteninhabern zustehen, für die im Bundesgebiet wohnenden Konteninhaber eine gewisse Härte darstellt. Wenn seinerzeit die Umwertung der Berliner Uraltguthaben in dem gekennzeichneten Sinne beschränkt wurde, so beruhte das darauf, daß nur solche Guthaben berücksichtigt werden sollten, deren Umwertung der Berliner Wirtschaft zugute kam. An dieser Voraussetzung fehlte es bei denjenigen Konteninhabern, die ihren Wohnsitz im Bundesgebiet haben. In der Einleitung zu der Durchführungsbestimmung Nr. 19 war jedoch die Regelung der bisher noch nicht berücksichtigten Guthaben einer späteren Entscheidung vorbehalten worden. Diese Entscheidung soll jetzt getroffen werden.
Wenn auch zu betonen ist, daß die Ausdehnung der Umwertung auf solche Konteninhaber, die im Bundesgebiet wohnen, ausschließlich durch einen Berliner Gesetzgebungsakt erfolgen kann, so ist sich die Bundesregierung doch von Anfang an darüber klar gewesen, daß sie die Verpflichtung trifft, für die berechtigten Belange der Angehörigen des
Bundesgebiets einzutreten. Dies ist dadurch geschehen, daß schon im vergangenen Jahr über eine angemessene Regelung dieser Frage Verhandlungen mit der Berliner Zentralbank geführt worden sind. Bei diesen Verhandlungen hat sich mein Ministerium von der Erwägung leiten lassen, daß der von Berlin ausgesprochenen Bitte, die Verzinsung der Ausgleichsforderungen zu übernehmen, die aus der Umwertung der überlokalen Guthaben und der Guthaben im Bundesgebiet wohnender Gläubiger entstehen, eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist. Es ist zu berücksichtigen, daß das aus der Umwertung der Konten im Bundesgebiet wohnender Gläubiger und der überlokalen Konten den Konteninhabern auszuzahlende Geld zum überwiegenden Teil nach dem Bundesgebiet abfließen und deshalb der Berliner Wirtschaft nicht zugute kommen wird. Andererseits mußte bedacht werden, daß durch eine neunzigprozentige Beteiligung des Bundes an der Verzinsung dieser Ausgleichsforderungen der Bund eine nicht unerhebliche Belastung übernimmt. Während von vornherein feststand, daß für die Einbeziehung der im Bundesgebiet wohnenden Konteninhaber in die Umwertung etwa 80 bis 100 Millionen DM Ausgleichsforderungen benötigt werden, stand die Höhe der für die Bedeckung der überlokalen Guthaben erforderlichen Ausgleichsforderungen nicht von Anfang an fest. Hier mußte zunächst bezüglich der Guthaben ausländischer Banken in Besprechungen zwischen der Berliner Zentralbank und meinem Ministerium erst die rechtlich schwierige Frage geklärt werden, welche ausländischen Banken nach den von Berlin erlassenen gesetzlichen Bestimmungen eine Umwertung verlangen können. Diese Frage war für den Bund deshalb von großer Wichtigkeit, weil eine Anerkennung aller von den ausländischen Banken angemeldeten Guthaben zu einer nicht tragbaren Belastung des Bundes geführt hätte. Nach den auf Grund dieser Besprechungen vorgenommenen Berechnungen werden für die überlokalen Guthaben einschließlich der ausländischen Banken etwa 112,5 Millionen DM an Ausgleichsforderungen benötigt, so daß bei Hinzurechnung der Guthaben der im Bundesgebiet wohnenden Gläubiger etwa 210 Millionen DM zu 90°/o vom Bund zu verzinsen wären. Das würde eine jährliche Belastung des Bundes von 5,67 Millionen DM ergeben.
Angesichts dessen, daß die Regelung der finanzrechtlichen und finanzwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Berlin und dem Bundesgebiet durch eine Verwaltungsvereinbarung erfolgt ist, erscheint es nicht zweckmäßig, eine solche Belastung außerhalb des Rahmens dieser Vereinbarung zu übernehmen. Die zur Zeit geltende Verwaltungsvereinbarung läuft am 31. März dieses Jahres ab. Die Verhandlungen über die Neuregelung der finanziellen Beziehungen zu Berlin werden in Kürze beginnen. Im Rahmen dieser Verhandlungen wird die Übernahme einer Zinserstattungsverpflichtung des Bundes in Höhe von 90 % der gesamten Zinsverpflichtung einer endgültigen Lösung zugeführt werden.
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung in der Frage der Berliner Uraltguthaben nicht untätig geblieben ist. Sie werden aber verstehen, daß die Übernahme einer Zinserstattungspflicht des Bundes für die aus der Umwertung entstehenden Ausgleichsforderungen notwendig im Rahmen der allgemeinen Regelung der finanziellen Beziehungen zu Berlin erfolgen muß. Nur wenn diese Regelung alle vom Bund übernommenen Verpflichtungen umfaßt, ist die Gewähr gegeben, daß die zuständigen Stellen den notwen-
digen Überblick behalten und dieser Überblick nicht durch eine Fülle von Einzelregelungen verloren geht.