Rede von
Dr.
Hubertus
von
Golitschek
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich den Ausführungen meiner beiden Kollegen Nöll von der Nahmer und Atzenroth bezüglich der Ausgleichsleistungen noch einige Bemerkungen hinzufüge. Wir erwarten entschieden als Ergebnis des definitiven Lastenausgleichsgesetzes, daß der Geschädigte — sei es der Bombengeschädigte, sei es der Heimatvertriebene - nach fünf Jahren endlich einmal Klarheit darüber haben muß, was er aus einem Lastenausgleich zu erwarten hat, damit er sich einen Plan darüber machen kann, wie er seine Existenz, die Existenz seiner Familie wieder sicherstellen kann. Andererseits müssen wir darauf achten, daß mit diesem Gesetz nicht falsche Hoffnungen erweckt werden.
Ich befürchte, daß diese beiden Grundbedingungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht ganz befriedigend erfüllt sind. Einerseits ist in wesentlichen Punkten der Entschädigung auf weitere Gesetze hingewiesen, andererseits ist die Klarstellung sämtlicher Ansprüche dadurch noch immer fraglich, daß der von der FDP eingebrachte Entwurf zur Feststellung der Kriegsschäden noch immer nicht Gesetz geworden ist. Wir müssen uns fragen, warum eigentlich das Finanzministerium in Kenntnis dessen, daß sich der Bundestag seit vier Monaten mit einem Schadensfeststellungsgesetz befaßt, vollkommen parallele Bestimmungen in dieses Lastenausgleichsgesetz eingebaut hat. Allerdings sind die Bestimmungen im Lastenausgleichsgesetz wesentlich anderer Natur. Es wird wohl auf Sachschäden, die durch verlorene Betriebe, durch ausgebombte Häuser und durch verlorene Grundstücke entstanden sind, Bezug genommen. Der Hausratsverlust wird nicht als Vermögensschaden gewertet. Wir sehen gerade darin eine wesentliche Verschlechterung des Standes der etwa 60 % Heimatvertriebener, die nicht Grundbesitzer oder Hausbesitzer waren und daher an einer Hauptentschädigung, von der das Gesetz spricht, nicht teilhaben können. Wir werden uns in den Ausschüssen bemühen müssen, hier eine wesentliche Änderung herbeizuführen.
Ein zweiter Punkt, der, glaube ich, noch ausschlaggebender ist, ist der Umstand, daß in diesem Lastenausgleichsgesetz Maßnahmen getroffen werden, die nun mit einem wirklichen Lastenausgleich aber auch gar nichts zu tun haben. Ich denke hier an die Formulierung der Bestimmungen über die Wohnraumhilfe, zu deren Gunsten für Nicht-Geschädigte — entweder Personen oder Personengruppen — nach dem Plan des Finanzministeriums 300 Millionen DM jährlich abgezweigt werden sollen. Man denkt offensichtlich an gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen. In deren Besitz soll Wohnraum geschaffen und den Geschädigten dann als Entschädigung ein Mietvertrag in die Hand gedrückt werden. Man ist sich gar nicht bewußt, daß auf diese Weise der Geschädigte durch seinen Mietzins diese Lastenausgleichsgelder selbst zurückzahlen muß, daß also hier der Lastenausgleich vom Geschädigten aus der eigenen Tasche gezahlt wird. Wenn im Anfang der Debatte darauf verwiesen wurde, daß eine Unzahl von heimatvertriebenen Existenzen in der Umgebung von Augsburg gerade durch diese Wohnraumhilfe ansässig gemacht werden könnte, so ist, glaube ich, gerade dieses Beispiel sehr unglücklich gewählt. Denn Augsburg hat selber genug zerbombten Wohnraum, so daß hier der Schaden im Wege des Lastenausgleichs zugunsten der geschädigten ehemaligen Hausbesitzer ausgeglichen werden könnte.
Diese Wohnraumhilfe mit ihren 330 Millionen DM gehört daher in die Eingliederungshilfe hinein, so daß der Betrag von 375 Millionen DM, wie ihn der Herr Finanzminister nannte, sich noch um 330 Millionen DM erhöht, d. h. daß für die Eingliederungshilfe 700 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden.
Eine andere Bestimmung in dem Gesetz, die uns sehr große Sorge macht, ist die, wonach der Geschädigte nicht nur sechs Jahre zu warten hat, bis er endlich weiß, was ein definitiver Lastenausgleich für ihn bedeutet, sondern dazu noch bei der Beurteilung, ob sein Fall sozial und volkswirtschaftlich vordringlich ist oder nicht, der Bürokratie ausgeliefert ist. Dadurch, daß das Gesetz hier nur ganz allgemein die These der sozialen und volkswirtschaftlichen Vordringlichkeit aufstellt, wird meiner Meinung nach die Ungewißheit bei dem Geschädigten noch weiter erhöht, denn er wird nie wissen, wann eine Bürokratie zu der Erkenntnis kommt, daß ihm für seine Eingliederung tatsächlich die Entschädigungsbeträge zur Verfügung gestellt werden sollten.
Wir sind daher der Auffassung, daß wesentliche Punkte in diesem Gesetz noch zu ändern sind, und werden unsere Arbeit im Ausschuß auch danach richten. Eines muß jedenfalls erreicht werden: daß aus der Ausschußarbeit ein erstes Lastenausgleichsgesetz und nicht ein zweites Soforthilfegesetz herauskommt.