Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Lastenausgleichsgesetz kann man — es ist bisher schon mit Hecht geschehen — als das Zentralproblem der Innenpolitik für unsere Zeit betrachten. Es gewinnt gerade im gegenwärtigen Augenblick deswegen eine besondere Bedeutung, weil es die Aufgabe und die Bestimmung hat, der wichtigste Damm gegen die Radikalisierung breitester Massen unseres Volkes zu werden. Es ist heute von der großen Schar der Flüchtlinge, der Heimatvertriebenen gesprochen worden. Die Zahl wurde wiederholt mit rund 8 Millionen angegeben. Es ist bisher nicht von der Zahl der Ausgebombten und der um ihre Ersparnisse gebrachten Sparer gesprochen worden, und die Zahl ist sicherlich nicht geringer. Wenn wir alles in allem zusammenzählen, ist es mehr als der dritte Teil, vielleicht sogar die Hälfte unseres ganzen Volkes, die unter der Last dieses Krieges aufs schwerste zu leiden hat, und zwar sind das die Erstbetroffenen. Es dreht sich jetzt um die Frage, inwieweit sie, nur durch den Zufall ausgewählt, endgültig auf diesen Schäden hängen bleiben sollen.
Das Gesetz hat deswegen weiter eine besondere Bedeutung, weil das Ansehen unserer jungen Demokratie davon abhängt, das Ansehen unseres Bundes und das Vertrauen einer so großen Zahl von Einwohnern unserer Heimat in die neue Staatsform und unseren neuen Staat. Wenn hier das Vertrauen, das die breitesten Massen unseres Volkes dem Staatswesen entgegengebracht haben und auch weiter entgegenzubringen bereit sind, mißbraucht werden sollte, dann würde es infolge der Enttäuschung furchtbar umschlagen können in radikale Strömungen von unübersehbarer Konsequenz, in Neigungen und politischen Reaktionen, deren Auswirkungen schlechterdings nicht abzusehen wären. Es dreht sich hier um die Frage, ob
die Gerechtigkeit oder die große Zahl, die Gerechtigkeit oder die Majorisierung sich durchsetzt. Es dreht sich hier um die Frage, ob bei diesem Kernproblem der Gedanke der nationalen Solidarität ernstlich durchgesetzt wird oder nicht. Die Solidarität ist eine zweiseitige Angelegenheit. Der Staat kann nicht bei jeder Gelegenheit an seine Burger, an deren Gefühl der Solidarität mit den übrigen Massen unseres Volkes appellieren und gleichzeitig bei einer solchen Kernfrage zeigen, daß es in vielen wichtigen Fällen unter Umständen nicht der Wille der Mehrheit wäre, sich solidarisch mit denen zu fühlen — und entsprechend zu handeln —, die bisher so schwere Opfer für die Gesamtheit im voraus haben bringen müssen.
Diese Zweiseitigkeit der Solidarität zu betonen, ist besonders jetzt notwendig, da man sich anschickt, dem deutschen Volk ganz besonders schwere Auflagen zu machen und ihm besonders schwere Pflichten aufzubürden. Man spricht von der Verteidigung, von der Bereitwilligkeit zur Verteidigung. Ja, können wir denn glauben, daß, wenn ungefähr die Hälfte unseres Volkes in einer Art und Weise um ihren Besitz gebracht worden ist, wie es zum mindesten gegen die Grundgedanken des Grundgesetzes von dem Schutz des Privateigentums verstößt, die Geschädigten dann auch noch bereit sind, diese Zustände zu verteidigen? Sie haben allerdings das Recht, wegen solcher Ungerechtigkeiten laut ihre Stimme zu erheben, darüber zu schimpfen und zu klagen. Aber was nutzt das? Wundern wir uns nicht, wenn die, die durch ein falsches Gesetz, das den Namen „Lastenausgleich" nicht verdient, enttäuscht sind, das Kind mit dem Bade ausschütten und sagen: Wir haben nichts zu verteidigen, und schlechter, als es uns jetzt geht, kann es uns nicht mehr gehen.
Diese politische Verpflichtung, den Lastenausgleich ernst zu nehmen, auch wenn er Opfer von uns fordert, entspricht aber auch einem Gebot der Moral und einem Gebot des Rechtes. Die moralische Verpflichtung kann gar nicht deutlich genug betont werden. Aber darüber soll nicht die rechtliche Verpflichtung und der Rechtsanspruch der Geschädigten vergessen werden. Man soll hier nicht so tun, als wenn es sich um eine Art von Regelung auf dem Wohlfahrtswege handeln dürfte und als wenn deswegen nur soviel gegeben werden dürfte oder gegeben zu werden brauchte, wie gerade nötig ist, um die Betroffenen vor dem Hungern oder Verhungern zu bewahren. Nein, es geht darum, daß im Rahmen des Tragbaren eine echte und gerechte Entschädigung für die Gesamtheit der erlittenen Schäden gewährt wird.
Es besteht auch eine rechtliche Verpflichtung auf Grund des positiven Rechts; denn kein Mensch kann sagen, daß die in der Kriegszeit erlassenen Gesetze über die Entschädigung irgendwie unmoralisch gewesen wären. Sie sind von den Alliierten nicht aufgehoben, sondern nur suspendiert. Wenn wir also jetzt dazu übergehen sollten, diese Verpflichtungen wesentlich abzuändern, so würde das eine Abänderung bestehender Rechte bedeuten im Sinne einer entschädigungslosen Enteignung, welche das Grundgesetz verbietet. Im Prinzip muß man also eine Verpflichtung anerkennen, und im Prinzip muß man auch den Rechtsanspruch zunächst anerkennen. Es kann sich nur um die Frage handeln, wieweit für die gegenwärtigen Verhältnisse unseres Staates den Verpflichtungen eine Unmöglichkeit gegenübersteht.
Wenn man in solchem Sinne die Frage: quotaler oder sozialer Lastenausgleich überlegt, so ergibt sich, daß der Gedanke vom sozialen Lastenausgleich ungerecht, unmoralisch und auch politisch hochst unklug ist. Das Wort „sozialer Ausgleich" ist eine Tarnung, es ist ein heuchlerischer Mißbrauch mit dem Begriff des Sozialen, und er soll nur das verdecken, was er in Wirklichkeit darstellt, nämlich ein potenziertes Unrecht, das in Wirklichkeit alle Schichten, nicht bloß die Reichen trifft, sondern auch gerade die, die am Ende ihres Lebens ein Anrecht darauf hätten, von ihren Ersparnissen zu leben, und die man jetzt darum bringt. Tun wir doch nicht so, als wenn es sich lediglich um Millionäre handelte. Es handelt sich bei den Leuten, die geschädigt worden sind und die jetzt zu ihrem Recht kommen sollen, zum weitaus größten Teil um die Leute, die zum zweiten Male in ihrem Leben um ihre Ersparnisse in irgendwelcher Form vom Staat betrogen worden sind. Und jetzt schickt sich ein Teil des Hauses leider dazu an, sich dafür einzusetzen, daß sie nun endgültig ihren Verlust behalten, daß sie also endgültig betrogen werden sollen.
Mit größter Aufmerksamkeit verfolgen natürlich diese Kreise, um deren Existenz es geht, das Schicksal dieses Gesetzes und seine Beratungen. Ich wiederhole deswegen, daß es für das Schicksal der Demokratie, für ihr Ansehen und für das Ansehen unseres eigenen neuen Staates bei der eigenen Bevölkerung von ausschlaggebener Bedeutung ist, wie jetzt die Entscheidung fällt.
Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob erlittener Schaden mit dem Besitz von heute gemessen werden soll oder nicht. Diese Frage wird von unserer Fraktion bejaht. Der Schaden muß mit dem heutigen Besitz verglichen werden. Aber damit ist nicht genug geschehen. Der Besitz von heute ist weder in der Lage, noch hat er allein die Verpflichtung, den Schaden auszugleichen, den der Krieg verursacht hat. Daneben muß die gesamte Leistungsfähigkeit unserer Nation zugrunde gelegt werden, und zwar die Leistungsfähigkeit der gesamten Nation nicht bloß für den heutigen Tag. Denn wenn wir so handelten, dann würden wir uns so verhalten wie ein böswilliger Schuldner, der sieht, daß sich nach einigen Jahren sein Geschäft aufwärts entwickeln wird, und der gerade dann einen Zwangsvergleich oder Konkurs abschließt, wenn sein Stand der schlechteste ist, in der Hoffnung, daß er auf diese Art und Weise in der Zukunft besser über seine Einnahmen verfügen könne, ohne sie den bösen Gläubigern zur Verfügung stellen zu müssen. Die Lastenausgleichs-Gläubiger sind Gläubiger unseres Landes, unseres Volkel und unseres Staates! Wir können uns also nicht allein auf das berufen, was heute da ist oder nicht da ist.
Wenn man mit solcher Überlegung an die Frage herangeht, dann ergibt sich schon aus den Zahlen, die heute genannt worden sind, daß der vorliegende Entwurf längst nicht das der Regierung und dem Parlament Mögliche vorsieht. Wir haben gehört, daß die Sondersteuer — und es ist vorläufig nur eine Sondersteuer in Betracht gezogen worden - noch nicht einmal zwei Milliarden im Jahre aufbringen soll. Die Besatzungskosten allein haben aber bisher über 4 1/2 Milliarden DM jährlich betragen und sollen noch erhöht werden. Dabei bauen sich diese Besatzungskosten — das sollte man doch mit Sicherheit annehmen — in Zukunft ab. Es muß also doch in Zukunft das Freiwerdende für die Zwecke des Lastenausgleichs zur Verfügung gestellt werden können. Mehr als das Doppelte dieser Lastenausgleichsleistungen wird also schon zur Zeit von den Besatzungslasten verschlungen; und dabei muß man sich vor Augen halten, daß unter den
1 Besatzungskosten so komische Ausgaben, wie die für die geheizten Klosettbrillen sind, die also, wenn man sie mit unserer Not vergleicht, geradezu Empörung in unserem Volke hervorrufen müssen. Es ist die Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, daß die Besatzungskosten, bei denen sich solch überflüssige Ausgaben durchaus vermeiden ließen, entsprechend herabgeschraubt werden.
Daneben schickt sich aber jetzt die Regierung an, uns Vorlagen zu unterbreiten, wonach Milliarden für die Rustung, für Wiederaufrüstung, für die verschiedenen Arten von Polizei ausgegeben werden sollen. Da muß man sich sagen: Wenn das möglich ist, dann wäre es schon in der Vergangenheit sehr wohl möglich gewesen, mehr für die Opfer des Krieges aufzubringen, als es bisher geschehen ist.
Unsere Fraktion schlägt zusätzlich zu den Wegen, die der vorliegende Gesetzesantrag bisher aufgezeigt hat, andere Wege vor, und zwar verlangen wir in erster Linie, daß ein Vermögensvergleich stattfindet, wie er in anderen Ländern — ich verweise hier auf Holland — stattgefunden hat und mit
rfolg durchgeführt worden ist. Den Einwand des Ministers, das sei nicht möglich, da die Unterlagen fehlen, lassen wir nicht gelten. Es ist bekannt, daß 90% der Vermögensteuer-Unterlagen aus der Vorkriegszeit noch vorhanden sind; etwa 10% fehlen. Diese 10% lassen sich bei gutem Willen sehr wohl rekonstruieren. Wir verlangen, daß der gute Wille von der Verwaltung aufgebracht wird. Man muß dabei aber berücksichtigen, daß es auf die kleinen Fische gar nicht ankommt. Die kleinen Vermögen brauchte man bei dieser Gelegenheit nicht zu besteuern; worauf es aber wesentlich ankommt, das ist — und das verlangen wir außerdem —, daß ein Vermögensvergleich vor allen Dingen die Kriegsgewinne und die Rüstungsgewinne erfaßt; denn das scheint die wesentliche Triebfeder dabei zu sein, daß man an einen solchen Gedanken nicht herangegangen ist, daß gerade die Großindustrie, die 1 : 1 umgewertet, also für sich privatim schon ihren Lastenausgleich vollzogen hat - die 1 : 1 und sogar darüber hinaus umgestellt hat —, daß diese Kreise kein Interesse an einem Vermögensvergleich haben. Dieser Vermögensvergleich muß stattfinden, wenn wir nicht in unserem Volk das Gefühl von bitterer
Enttäuschung über mangelnden guten Willen sich endgültig festigen lassen wollen, das sich allein schon durch die Verschleppung des Lastenausgleichsgesetzes und seiner Vorlage in weitesten Kreisen verbreitet hat.
Es besteht weiter durchaus die Möglichkeit einer eigens für diese Zwecke zu dokumentierenden inneren Verschuldung. Es gibt kaum einen Staat auf der Welt, der nicht eine erhebliche Last innerer Schulden mit sich trägt. Diese Last von inneren Schulden besteht bei uns auch, und zwar ist es unsere Verpflichtung gegenüber den Anspruchsgläubigern aus dem Lastenausgleich. Sie ist aber nirgendwo dokumentiert, nirgendwo verbrieft und nirgendwo niedergelegt. Und das zumindest können die Gläubiger verlangen; es ist eine andere Frage, wann die Auszahlung erfolgen kann. Wenn man die Verbriefung in der Form von Wertpapieren vornimmt, in der Form von Urkunden, die in den Besitz der Gläubiger gelangen, so läßt sich die Gefahr nicht so leicht bannen, daß damit eine Entwertung des Geldes, eine zusätzliche Kaufkraft, die keine Verwendung hätte, geschaffen würde. Sie ließe sich aber sehr leicht dann vermeiden, wenn man diese innere Verschuldung auf dem Wege vornimmt, daß man Staatsschuldbücher anlegt und die Forderungen darin verbrieft. Es wäre dann nur notwendig, so viel an Verpflichtungen jeweils zu
mobilisieren, wie sich aus zwei Umständen ergibt.
Der eine Faktor dabei ist der Notbedarf der Gläubiger. Dieser Notbedarf muß auf alle Fälle befriedigt werden, und zwar kann er auch befriedigt werden in besserer Art und Weise, als es bei der Soforthilfe geschehen ist, die weder sofort kam, noch eine Hilfe brachte, sondern nur die Sozialetats der Gemeinden in dem gleichen Maße entlastete wie den Gläubigern gegeben wurde. Diese Möglichkeit, so viel aufzubringen, wie die Soforthilfe und der Notbedarf der Gläubiger betragen, besteht ohne Zweifel. Darüber hinaus könnte man aber in regelmäßigen Abständen sehr wohl feststellen, wieviel nach dem jeweiligen Stand unserer Volkswirtschaft, nach dem Sozialprodukt, dem Volkseinkommen unserem Staate zu leisten möglich wäre, und dementsprechend müßte die Blokkierung gelöst werden, die bis dahin für die verbrieften Forderungen Platz zu greifen hätte.
Man hat bisher außerdem davon gesprochen; daß die Industrie eine Selbstfinanzierung nötig hätte und daß sie deswegen steuerlich geschont werden mußte. Von der Möglichkeit einer Selbstfinanzierung der Kriegslastenausgleichsgläubiger hat bisher niemand gesprochen, obwohl doch der Gedanke außerordentlich naheliegt. Wir verlangen deswegen gerade, daß den Gläubigern die Möglichkeit gegeben wird, sich aus eigener Kraft wieder emporzuarbeiten, eben durch Steuervergünstigungen, die auf ihre Forderungen natürlich angerechnet werden können und angerechnet werden sollen. Aber wenn man so wie bisher fortfährt, daß man zwar die große Industrie begünstigt, aber die kleinen Gläubiger aus diesem Krieg so behandelt, daß es ihnen einfach unmöglich ist, aus eigener Kraft wieder auf die Füße zu kommen, dann darf man sich nicht wundern, daß sie sich treiben lassen und kein Interesse daran haben, sich selber zu helfen, sondern die Hilfe des Staates in einem Maße in Anspruch nehmen, wie es sich vermeiden ließe, wenn man ihre eigene Hilfe förderte. Diese Selbstfinanzierung, so wie sie die Industrie bisher genossen hat, ist eine der wichtigsten Forderungen, und wir verlangen, daß sie berücksichtigt wird, andernfalls werden wir uns mit diesem Gesetz nicht zufrieden geben können.
Ich weise darauf hin, daß unsere Fraktion schon vor langer Zeit den Antrag gestellt hat, den Kriegsgeschädigten mit Hilfe von Steuergutscheinen die Möglichkeit zu geben, sich selber zu helfen. Damals sind wir vertröstet worden mit dem Hinweis auf die jetzt in Rede stehenden Verhandlungen über den Lastenausgleich. Man ist aber jetzt nicht darauf zurückgekommen. Deswegen halten wir uns für verpflichtet, erneut auf diesen Weg hinzuweisen.
Es sind endlich Aufbaukredite gegeben worden; es sind Industriekredite gegeben worden, die zurückgezahlt und verzinst werden müssen. Soweit diese Kredite und Zuwendungen aus Marshallplangeldern gegeben worden sind, liegen sie fest; aber längst nicht alle sind aus solchen Mitteln gegeben worden. Eine große Summe Geldes ist in die Industrie und in andere Schuldnerhände geflossen, ohne daß ihre Verwendung von vornherein festlag. Der Rücklauf dieser Gelder muß dem Lastenausgleichfonds zugute kommen. Denn es ist für die Wirtschaft, in welcher diese Gelder umlaufen, vollkommen gleichgültig, wer der Gläubiger dieser Gelder ist. Aber weder die deutschen Länder noch der Bund haben das Recht, diese Steuergelder zur Bereicherung des Staates zu benutzen.
— Machen Sie bessere Vorschläge! Ich habe eine ganze Reihe gemacht und ich werde mich freuen und werde Ihnen zustimmen, wenn Sie bessere und mehr Vorschläge wissen, meine Damen und Herren.
Ich erinnere weiter daran, daß ich kürzlich hier in diesem Hause unter Beifall aller Parteien darauf hingewiesen habe, daß die Nazidotationen im größten Teil Deutschlands in den Händen der damals damit Beglückten geblieben sind, und gerade diese haben kaum Kriegsverluste gehabt. Ich habe auch darauf hingewiesen, daß die Witwe des Postdefraudanten Lutze noch in sehr großer Höhe — es handelt sich um einen Wert von ungefähr 35 000 DM — Ansprüche gegen den Bund stellte wegen der Besatzungsschäden, auf die sie sich berief. Ähnliche Ansprüche und ähnliche Rechte und ähnliche Vermögen gibt es noch in großer Menge, ohne daß bisher jemand daran gedacht hat, sich darum zu kümmern. Wir hoffen, daß in Verbindung mit dem Lastenausgleich auch diese Vermögen zur Verfügung gestellt werden, damit die Gläubiger befriedigt werden können.
Ferner haben wir eine negative Kritik an das Gesetz zu legen. Bisher habe ich davon gesprochen, was man zusätzlich noch an Mitteln dem Lastenausgleichsfonds hinzufügen könnte, dem Ausgleichsfonds hinzufügen könnte, der jetzt zur Verteilung zur Verfügung steht; aber das, was bisher im Gesetzentwurf vorgesehen ist, kann auch nicht in der Art und Weise bleiben, wie es bisher war. Ich erinnere beispielsweise daran, daß es völlig untragbar ist, die Saldierung erst bei 400% des eigenen Schadens zur vollen Auswirkung zu bringen. Bei der laufenden Vermögensteuer, die dazu dienen soll, den Ausgleichsfonds zu speisen, wird sie dagegen überhaupt nicht berücksichtigt. Das bedeutet praktisch, daß einer, der große Verluste erlitten hat, zwei Drittel verloren, ein Drittel behalten hat, mit seinem kleinen Restvermögen noch herangezogen werden soll. Das ist eine Ungerechtigkeit, die von den beteiligten Kreisen auch als himmelschreiendes Unrecht empfunden wird, zumal der Betreffende leisten muß, bevor er überhaupt irgend etwas bekommen hat.
Die Vermögensveränderungsklausel des § 67 dieses Gesetzentwurfs wirft ein Schlaglicht auf den Geist des Gesetzes und läßt erkennen, in welcher Mentalität man an die Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs herangegangen ist. Man hat in dem § 67 die Bestimmung wörtlich übernommen, die sich im Bewertungsgesetz vorfindet. Es heißt dort, daß anzumelden ist, sobald sich das Vermögen um ein Fünftel des bisherigen Bestandes vergrößert hat. Das bedeutet also: wenn jemand ein Vermögen von 10 000 Mark hat und 2 500 Mark dazu erworben hat, dann werden die 2500 Mark zusätzlich vermögensversteuert. Wenn jemand dagegen ein Vermögen von 1 Million hat, darf er danach 250 000 hinzuerwerben, ohne daß er dieses Vermögen vermögenversteuern muß. Man hat hier nun eine Höchstgrenze von 100 000 DM vorgesehen. Das bedeutet, daß 99 999 DM dem reichen Manne ohne zusätzliche Vermögensbesteuerung bleiben, während der Besitzer von 10 000 DM Vermögen, der 2500 DM zusätzlich erworben hat, dies vermögenversteuern muß. Daß man es in einem Lastenausgleichsgesetz wagt, eine solche Bestimmung vorzuschlagen, halte ich für kennzeichnend.
Weiterhin ist ebenso kennzeichnend wie diese Bestimmung, die verschwinden muß, die Begünstigung der Zinsen und Tilgungsbeträge, die der § 98 für die Wiederherstellung zerstörter Häuser aus der eigenen Arbeit vorsieht. Geliehene Gelder, für die die Banken die Zinsen und die Amortisationsbeträge fordern, dürfen berücksichtigt werden. Aber dem Sparer einen Anreiz zu geben, seinerseits die eigene Verzinsung und die Aufwendungen, die er für Zwecke der Selbsthilfe macht, abziehen zu dürfen, hat man nicht für notwendig gehalten.
Nun noch kurz zu der Bewertung! Die Bewertung nach dem Einheitswert bezüglich der Schäden, die eingetreten sind, ist nach unserer Auffassung vollkommen unerträglich. Man muß berücksichtigen, auf welchen Zufälligkeiten die Einheitsbewertung beruht. Man unterschied zum Beispiel beim städtischen Hausbesitz die Bewertung der Grundstücke nach dem Baujahr, und zwar deswegen, weil die vor dem ersten Weltkrieg erbauten Häuser mit der Hauszinssteuer belastet wurden, die nachher gebauten Häuser nicht. Dabei war die Hauszinssteuer durch zweimalige Kapitalisierung längst bezahlt worden, so daß nunmehr bei der letzten maßgeblichen Einheitsbewertung der Grund für die unterschiedliche Bewertung zwischen den Neubauten und den Altbauten aus der Vorkriegszeit ga nicht mehr bestanden hat. Soll man das nun aufrechterhalten und dem einen, weil er sein 1914 oder 1915 fertig gewordenes Haus hatte, so wesentlich weniger für die Zerstörung anrechnen, als wenn er erst 1919 oder 1920 gebaut hätte? Dabei hat er 1920 womöglich mit wesentlich schlechterer Mark bezahlt. Eine absolute Ungerechtigkeit, so zu verfahren.
Es kommt noch hinzu, daß man beim städtischen Hausbesitz einen Zuschlag für größere Grundstücke machte. Dabei spielt das gar keine Rolle, da nicht das Grundstück, sondern im allgemeinen das Haus zerstört worden ist.
Was nun aber die Bewertung für die Abgabenberechnung selbst angeht, so muß man darauf hinweisen, daß kein Mensch in ganz Deutschland seine Besitzung, gleich, welcher Art sie sei, jemals zum Einheitswert verkauft hat. Beim Einheitswert handelt es sich lediglich um technische Vorschriften. Weil man den Hundertsatz wechselte, kam es auf die objektive Höhe nicht an. Die Preisbehörden, die den richtigen Preis feststellten, haben jedenfalls immer einen höheren Satz gelten lassen. So lange es überhaupt einen Einheitswert gibt, ist. man nie dazu übergegangen, den Einheitswert als n o r malen Maßstab zugrunde zu legen.
Eine andere Frage ist, was tragbar ist. Wenn bei richtiger Bewertung die sich dann ergebenden Sätze nicht tragbar sein sollten, muß das bei der Ratenhöhe berücksichtigt werden.
Die Höhe der Eingliederungshilfe läßt in etwa darauf schließen, was für Gedanken sich das Ministerium bezüglich der endgültig in Betracht kommenden Beträge gemacht hat. Daraus ergibt sich gerade, daß man den Gedanken des Lastenausgleichs gar nicht ernst genommen hat, erst recht, wenn man berücksichtigt, wie schlecht die Saldierung dabei wegkommt, und wenn man berücksichtigt, was man sonst im Interesse der Schonung gerade des Großkapitals alles unternommen hat. Die Höhe der Eingliederungsbeihilfe, die beispielsweise bei einem Wert von 40 000 Mark — das ist kein allzu großes Haus gewesen — nur 7 000 Mark vorsieht, ist absolut undiskutabel.
Vollends die Krone setzt diesem Hohn auf den Lastenausgleich die Regelung der Hausratsentschädigung auf. Wir sind der Ansicht, daß man den Hausrat nicht für die Bemessung der aufzubrin-
genden Abgabe heranziehen soll. Man soll nicht nach der Art des berüchtigten Gesetzes des Wirtschaftsrates in den einzelnen Haushalt hineinschnüffeln wollen. Aber da der Hausrat für die meisten unserer Mitbürger das wesentliche Kapital gewesen ist und da zahlreiche Gläubiger nie wieder in ihrem Leben Gelegenheit haben werden, sich einen vernünftigen Hausrat aus neuen Ersparnissen anzuschaffen — dafür sorgen die gegenwärtigen Verhältnisse schon —, ist es um so wichtiger, daß dieser Hausrat, der von so ungeheurer Bedeutung und für manchen das ganze Vermögen gewesen ist, einigermaßen angemessen entschädigt wird. Als eine solche einigermaßen angemessene Entschädigung kann man die Sätze, die die Vorlage vorsieht, nicht ansehen. 400 Mark, die Höchstgrenze, das ist ein Kochherd. Für 200 Mark kann man noch nicht einmal für ein Bett alles an Matratze, Kissen, Bettzeug und Holz Notwendige bekommen. Und 100 Mark ist ein- dreiviertel Anzug von der Stange. So etwas als Entschädigung anzubieten, wenn einer Familie der ganze Hausrat einschließlich Kleider und Wäsche verbrannt ist, das ist unerhört und erdient nicht mehr den Namen Lastenausgleich.
Man soll nicht glauben, daß die Menschen inzwischen Ersatz an Hausrat bekommen hätten. Es liegt offenbar bei der langsamen und schleppenden Bearbeitung dieses Gesetzes in der Vergangenheit der Gedanke vor, es könnte sich einiges durch Liegenlassen erledigt haben. Aber dem ist nicht so. Wenn Sie in das Volk hineinhorchen und jeden Tag von der bitteren Not gehört haben, die Tatsachen kennen, die an uns Abgeordnete immer wieder herangetragen werden — ich bin überzeugt, daß es den Kollegen aus allen Fraktionen so gegangen ist, die sich jemals damit befaßt haben —, dann würden Sie verstehen, daß man im Volk kein Verständnis für solche mehr als unbilligen Angebote aufbringen kann.
Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß der Hausrat vielfach die Existenzgrundlage abgegeben hat, daß der Hausrat vielen alleinstehenden alten Leuten überhaupt erst das Leben ermöglicht hat, weil sie mit den kargen Sätzen ihrer Renten und mit ihren kargen Ersparnissen nicht auskommen konnten. Die Zahl dieser Personen ist um so größer geworden, je mehr unser Volk infolge dieses Krieges verarmt ist.
Endlich müßten wir berücksichtigen, daß die Renten, die gezahlt werden müssen, nicht an eine Höchstgrenze des eigenen Einkommens geknüpft werden dürfen, wie das bisher vorgesehen ist.
In allen diesen Richtungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bereitet das Zentrum eigene Anträge vor, und wir behalten uns vor, in den Ausschußberatungen in dieser Hinsicht Gedanken zu Anträgen formuliert vorzubringen. Wir hoffen dann auf Ihre Zustimmung, damit dieses Gesetz, das den Namen „Lastenausgleich" bis jetzt nicht verdient, wirklich das wird, was die Bevölkerung von ihm erwartet: ein gerechter Ausgleich und eine gerechte Verteilung der Folgen dieses Krieges auf die Schultern derer, die leisten können, also eine Abbürdung für die, die nach dem rohen Gesetz des blinden Zufalls als erste getroffen worden sind und die zum größten Teil diejenigen waren, die am wenigsten in der Lage waren, diese Lasten zu tragen.