Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im September 1949 war es, da hat uns die Bundesregierung erklärt, daß das Problem des Lastenausgleichs eines der wichtigsten für sie sei
und daß hier unverzüglich Maßnahmen getroffen würden. Wir haben unterdessen Januar 1951, und jetzt erst kommt ein Entwurf. Da kann man schon bald nicht mehr sagen: Spät kommst du, doch du kommst!, denn unterdessen haben sich Vermögensverschiebungen in unserer Wirtschaft ergeben, die es immer schwerer machen, zugunsten der Heimatvertriebenen und der Ausgebombten die Übergewinne abzufischen, die durch die Währungsabwertung gemacht worden sind.
Meine Damen und Herren, wenn nur jetzt wenigstens etwas käme, was den Heimatvertriebenen und den einheimischen Ausgebombten, von denen leider viel zu wenig gesprochen wird, etwas bringen würde! Aber wir bezweifeln das sehr. Der Entwurf der Regierung so, wie er uns vorliegt, bringt nichts oder fast nichts für weiteste Schichten der Heimatvertriebenen und der Ausgebombten. Österreichisch sagt man für sowas so schön: eine Augenauswischerei. Sehen Sie, diese Summen, die hier für den Lastenausgleich aufgebracht werden, genügen noch nicht; darüber sind sich wohl alle einig, die den Kreis der Lastenausgleichsberechtigten der statistischen Zahl nach kennen. Antworte man uns bitte nicht: Ja, wo wollt ihr denn das Geld dazu hernehmen! Diese Beträge sind da!
Sie werden aber leider nicht für die Heimatvertriebenen herangezogen.
Darf ich Sie bitte nur daran erinnern, welch gigantische Gewinne in den letzten Jahren gemacht worden sind. Gewisse Aktien, die im Oktober 1948 auf 17 DM pro 100 Mark Aktie standen, stehen heute bereits auf 150 DM. Was hindert uns, durch eine Erhöhung des Aktienkapitals bei diesen betreffenden Unternehmungen — es sind nicht alle so — zwei Fliegen mit einem Schlage zu treffen: erstens Geld für den Lastenausgleich zu bekommen und zweitens eine sehr ungünstige Blutverdickung bei diesen betreffenden Aktiengesellschaften zu verhindern? Oder wollen Sie etwa weiter zusehen, wie diese Aktien Tag für Tag und Woche für Woche hinaufklettern?
Hier könnte man durch eine entsprechende Beteiligung zugunsten des Lastenausgleichsfonds verhindern, daß diese Kurse ins Ungemessene steigen, was volkswirtschaftlich gar nicht günstig ist, wie jeder Volkswirtschaftler weiß.
Man könnte weiterhin folgendes tun, was auch ein positiver Vorschlag ist — ich verweise auf das, was Graf Westarp in seiner Broschüre geschrieben hat, die Ihnen zum Teil vielleicht schon bekannt ist —: man könnte Kredite gewähren vor allem an die Unternehmungen, die sich verpflichten würden, über den jetzigen Stand ihrer Arbeiterschaft hinaus zusätzlich Arbeit zu schaffen und zu diesem Zweck Heimatvertriebene und einheimische Ausgebombte zusätzlich einzustellen. Man hätte genügend Möglichkeiten, etwa Mehrwertsteuern usw. usw., hier Summen zusammenzubringen, die man für den Lastenausgleich benötigt.
Was heute im Lastenausgleichsgesetz drin steht, hat zum großen Teil leider eine Belastung kleiner und kleinster Schichten des Mittelstandes zur Folge.
Ich bezweifle sehr, ob da auf diese Art und Weise viel zusammenkommen wird. Wir haben schon heute bei der Soforthilfe die Erscheinung, daß in Tausenden und aber Tausenden von Fällen die Kosten der Einhebung und der Beitreibung höher sind als das, was noch beigetrieben werden kann. Darum sagen wir: Hände weg vom kleinen Mittelstand und Hände drauf auf diejenigen, die ungeheure Gewinne durch die Währungsreform gemacht haben und heute durch die Exportkonjunktur noch weitere phantastische Gewinne machen, während Millionen von Lastenausgleichsberechtigten immer noch auf die Erfüllung ihrer Ansprüche warten.
Es muß ein System im Lastenausgleich kommen, das beide Dinge vereinigt, nämlich auf der einen Seite eine Globalabfindung und auf der anderen Seite eine produktive Unterstützung der Lastenausgleichsberechtigten. Die globale Abfindung wird in Zehntausenden von Fällen nicht das richtige sein. In vielen Fällen wird sie das richtige sein. Wenn man durch Schaffung zusätzlicher Arbeitsgelegenheit, durch Schaffung von Wohnstätten usw. möglichst viele Heimatvertriebene in Arbeit und Brot bringen kann, so ist der letztere Weg sicher dei bessere. Ich will Ihnen nur ein praktisches Beispiel aus der Umgebung von München sagen, die Gablonzer Industrie. Sie kennen die ungeheure Bedeutung dieser Industrie, deren Erzeugnisse auf dem Weltmarkt immer noch stürmisch begehrt werden. Wenn man dieser Industrie ein paar Millionen D-Mark an Krediten geben würde, wenn man durch ein Bauprogramm, das gar nicht sehr umfangreich zu sein braucht, die in ganz Westdeutschland zerstreut wohnenden und dort im Norden und im Westen arbeitslosen Gablonzer um die Zentrale, die sich um Kaufbeuren und Markt Oberdorf herum gebildet hat, zusammenführen würde, könnte der Export der Gablonzer Industrie um Millionen und Millionen von D-Mark gesteigert werden; und so geht es in vielen anderen Fällen. Diese produktive Arbeitsbeschaffung für die Heimatvertriebenen ist das Wichtigste. Soweit es sich um alte Leute handelt, die nicht mehr in den Wirtschaftsprozeß eingegliedert werden können, wird selbstverständlich auf dem Wege über Rentengewährung oder Globalabfindung vorgegangen ,werden müssen. Die Gelder, die man dazu braucht, sind vorhanden.
Wir haben Ihnen in Stichworten einiges gezeigt. Es wird Aufgabe der Ausschüsse sein, durch die das Gesetz durchzuwandern hat, hier im einzelnen noch Mittel und Wege sichtbar werden zu lassen, wie die Leistungen aus dem Lastenausgleichsgesetz entsprechend erhöht werden können. Mit der uns heute vorliegenden Form des Entwurfs sind wir nicht einverstanden. Das kann ich Ihnen bereits jetzt im Namen der Fraktion der WAV sagen.
— Ich hoffe aber, meine sehr verehrten Herren von der CDU, daß sich auch bei Ihnen soviel christliches Mitgefühl für das Schicksal der Ärmsten der Armen zeigen wird, daß Sie mit uns zusammen diejenigen Verbesserungen in das Gesetz über den Lastenausgleich hineinbringen, die im Interesse Deutschlands unbedingt nötig sind, das genau so aus Einheimischen wie aus Heimatvertriebenen besteht!