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ID0111503500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951 4335 115. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1951. Glückwünsche zum Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten Heuss 4335D Begrüßung des Abg. Morgenthaler nach seiner Genesung 4336A Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4336A, 4365C Zugehörigkeit des Abg. Paschek zur Fraktion der WAV 4336B Aufnahme des Abg. Dr. Freiherrn von Fürstenberg in die Fraktion der CDU . . . 4336B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800 der Drucksachen) 4336B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4336C Kunze (CDU) 4343D Kriedemann (SPD) 4347D, 4381C Dr. Kather (CDU) 4353A Dr. Horlacher (CSU) 4357B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4359A Tichi (BHE-DG) 4361A Wartner (BP) 4362D Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 4363D Kuhlemann (DP) 4365C Farke (DP) 4366C Dr. Atzenroth (FDP) 4367D Frommhold (DRP) 4369C Kohl (Stuttgart) (KPD) 4370C Wittmann (WAV) 4374A Loritz (WAV) 4375D Dr. von Golitschek -(FDP) 4377A Dr. Reismann (Z) 4377D Ausschußüberweisung 4383B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) (Nr. 1799 der Drucksachen) 4383C Ausschußüberweisung 4383C Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Nr. 252 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) (Nr. 1802 der Drucksachen) . . . 4383C Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 4383D Lücke (CDU) (zur Geschäftsordnung) 4390D Ewers (DP) 4391B Abstimmungen 4391A, D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Frau Dr. Probst, Dr. Laforet, Dr. Solleder u. Gen. betr. Koordinierung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau (Nrn. 1803, 1096 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Zusammenfassung der öffentlichen Finanzierungsmittel für den Wohnungsbau (Nrn. 1804, 1352 der Drucksachen) mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder (Nrn. 1805, 1540 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Wohnungsbauprogramme 1950 und 1951 (Nr. 1795 der Drucksachen) . . . . 4392B Wirths (FDP), Berichterstatter . . . 4392C Huth (CDU), Berichterstatter . . . . 4392D Kalbfell (SPD), Berichterstatter . 4392D Beschlußfassung 4393C Ausschußüberweisung 4393C Nächste Sitzung 4393C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Rudolf Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im April vergangenen Jahres anläßlich der Beratung einer Änderung des Soforthilfegesetzes von mir die Behauptung aufgestellt worden war, daß der Lastenausgleich erst im Jahre 1951, vielleicht Mitte 1951, zur Verabschiedung kommen werde, wurde mir von seiten der CDU — damals des Herrn Kollegen Kunze — auf das energischste widersprochen. Wir haben heute die Tatsache zu verzeichnen, daß der endgültige Lastenausgleich dem Bundestag Ende Januar 1951 zur Beratung vorliegt, und wenn ein günstiger Zeitpunkt angenommen werden soll, so wird Mitte des Jahres 1951 vielleicht mit dessen Abschluß zu rechnen sein.
    Die Vertreter der Regierungsparteien haben in einer Unmenge von Erklärungen den Anspruchsberechtigten wiederholt versichert, daß sie alles tun werden, um einen gerechten Lastenausgleich im Bundestag zu verabschieden. Der nun vorliegende Gesetzentwurf, das sogenannte Lastenausgleichgesetz, kann nach unserer Meinung keinen Anspruch darauf erheben, als gerechter Lastenausgleich beurteilt zu werden. Vielmehr sollte er den Namen führen „verwässerter Lastenausgleich".

    (Zuruf rechts: Na, na!)

    Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Dieses Gesetz ist nicht darauf abgestellt, die furchtbare Notlage der Masse der Geschädigten zu lindern und ihnen die Möglichkeit zu geben, die benötigten Bekleidungsstücke und Wohnungseinrichtungen zu beschaffen. Das Gesetz hat gemäß dem grundsätzlichen Charakter der Adenauer- und Erhardschen Wirtschafts- und Finanzpolitik die Tendenz, einem bevorzugten kleinen Kreis die Bildung von neuem Kapital und die Schaffung neuer Produktionsmittel zu ermöglichen.
    Das hervorstechendste Merkmal dieses Gesetzentwurfes ist die weitestgehende Schonung des Be-


    (Kohl [Stuttgart])

    sitzes auf Kosten derjenigen, die mit Recht hofften, daß mit dem Lastenausgleichsgesetz wenigstens ein Teil ihrer berechtigten Forderungen erfüllt werden würde. Die Aktienbesitzer bleiben — das hat der Bundesfinanzminister in seiner Begründung bestätigt — nach diesem Gesetzentwurf verschont, und die Hauptentschädigung verschleppt man bis zum Jahre 1956. Die wesentlichsten Voraussetzungen, die gerade von seiten der Umsiedler an einen echten Lastenausgleich geknüpft worden sind, wurden nicht erfüllt. Der Entwurf — so wie er uns vorliegt — verzichtet auf einen Vermögensausgleich und damit zwangsläufig auf eine verbindende Vermögenszuwachsabgabe. Er legt — ich betone das trotz der Erklärung des Herrn Kollegen Horlacher von vorhin — die alten Einheitswerte vor der Zeit der Währungsreform zugrunde, während die jetzt gültigen Verkehrswerte bei ihrer Belastung eine viel höhere Summe ergeben würden, als sie in dem Gesetz vorgesehen ist.

    (Zuruf rechts: Keine Ahnung!)

    — Sie auch nicht! — Besonders katastrophal ist es, wie die Frage der Hausratshilfe in diesem Gesetz erledigt worden ist.
    Die kommunistische Bundestagsfraktion hat in allen ihren Stellungnahmen zur Frage des endgültigen Lastenausgleichs, und zwar bereits vor der Währungsreform, nie einen Zweifel darüber gelassen, daß es aus Gründen der Gerechtigkeit zweckmäßig gewesen wäre, das Gesetz über den endgültigen Lastenausgleich mit der Geldreform zu koppeln, weil damit in der Durchführung wenigstens eine gewisse Gerechtigkeit hätte Platz greifen können. Die Schuld dafür, daß das nicht so geworden ist, allein auf die für die Währungsreform Verantwortlichen abzuwälzen. erscheint uns angesichts der Haltung des Besitzbürgertums gerade in dieser Frage nur insofern verständlich, als man damit ungestört eine scheinheilige Verzögerungspolitik betreiben konnte. Die Entwicklung seit der Währungsreform hat mit aller Deutlichkeit unter Beweis gestellt, daß gerade das Besitzbürgertum mit nicht zu leugnender ökonomischer Stärke aus der Geldreform hervorgegangen ist und daß ihm die Möglichkeit gegeben wurde. mit den ihm verbliebenen Mitteln auf legalem Weg den Lastenausgleich zu sabotieren.
    Der von der Regierung vorgelegte Lastenausgleichsgesetzentwurf hat mit einem echten Vermögensausgleich aber auch nicht das mindeste zu tun. Die vorgesehene 50%ige Vermögensabgabe in jährlichen Ratenzahlungen, die sich auf 30 Jahre erstrecken, ist im Sinne der Erzbergerschen Reichsabgabenordnung, die heute noch in Kraft ist, weiter nichts als eine Steuer. Einen besonderen Nachteil für die zu entschädigenden Personen sehen wir darin, daß die Zahlungen an die Geschädigten in Geldwerten bemessen sind, deren Kaufkraft in Anbetracht der gegenwärtigen Rüstungskonjunktur und der zwangsläufig damit verbundenen Preissteigerungen von Tag zu Tag abnimmt. Parallel dazu steigt der Wert des Besitztums der Abgabepflichtigen, deren Abgaben nach dem Entwurf, besonders bei der Vermögensabgabe, weiteren Senkungen unterworfen sind. Es dürfte niemand bestreiten können, daß die Sachwerte — z. B. der Besitz von Produktionsmitteln — im Geldwert steigen, aber nicht sinken.
    Die Anspruchsberechtigten werden, wenn dieser Gesetzentwurf Wirklichkeit wird, im doppelten Sinne betrogen, je länger sich die Zeitspanne für die Vermögensabgabe erstreckt. Die „Welt am
    Sonntag" vom 17. September 1950 veröffentlicht die Zuschrift eines Anspruchsberechtigten, und was dort geschrieben steht, ist charakteristisch für die Situation:
    Bei Verlust von Wohnungseinrichtungen sieht der Lastenausgleichsentwurf nur eine Entschädigung bis 400 DM vor. Ein Heilmittel für den Erfinder dieses höchst menschenfreundlichen Ausgleichs und eventuell Gleichgesinnte dürfte der völlige Entzug ihrer Wohnungseinrichtungen gegen eine Vergütung von 400 DM sein.
    Ich glaube, man braucht die Auffassung, die in der „Welt am Sonntag" zum Ausdruck gekommen ist, wirklich nicht zu kommentieren. Sie spricht für sich und kennzeichnet den sozialen Inhalt dieses Lastenausgleichsgesetzentwurfes.
    Am Tage der Währungsreform wurde der westdeutschen Bevölkerung erklärt, daß die deutschen gesetzgebenden Organe bis zum 31. Dezember 1948 ein Lastenausgleichsgesetz verabschieden würden. Nach 15 Monaten, am 8. August 1949, acht Tage vor der Bundestagswahl, wurde das sogenannte Soforthilfegesetz bekanntgegeben, das allerdings erst im November 1949 in Kraft gesetzt wurde. Am 2. Januar 1951, als aus den versprochenen sechs Monaten mehr als zweieinhalb Jahre geworden waren, legte die Bundesregierung dem Bundesrat ein Gesetz vor, das man eigentlich auf den Nenner bringen könnte: „Laßt den Ausgleich!" Neben 144 Seiten Begründung und einer 25seitigen Wiedergabe der Stellungnahme des Bundesrates hat dieses Gesetz nicht weniger als 328 Paragraphen. Sie werden mir zugeben müssen, daß sich ein normal gebildeter Staatsbürger unmöglich durch den Irrweg bürokratischer Formulierungen durchfinden kann, Formulierungen, die eindeutig den Zweck verfolgen, den Anspruchsberechtigten die Sicherung ihrer Rechte so schwer wie möglich zu gestalten. Die andere Seite, die durch den Lastenausgleich belastet werden soll — wenn auch in bescheidenem Maße —, hat bei diesem Wust von Paragraphen die Möglichkeit, eben die für sie günstigsten in Anspruch zu nehmen. Die benötigten Rechtsanwälte stehen ihnen auf Grund ihrer finanziellen Stärke jederzeit zur Verfügung, nicht aber den Anspruchsberechtigten. Hinter diesem Paragraphengestrüpp verbirgt sich die Absicht einer Schonung des Großgrundbesitzes sowie der Kriegs- und Währungsgewinnler.
    Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß wir als eine der entscheidendsten Forderungen an den Lastenausgleich einen Eingriff in die Substanz verlangen, vor allen Dingen in die der großen Vermögen, und nicht eine auf 30 Jahre verteilte Vermögensteuer von 2 bis 3 %.
    Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf erhalten die Banken, Großkapitalisten, Großgrundbesitzer und Aktiengesellschaften noch besondere Vergünstigungen. Bei den geplanten Abgabeleistungen für den Lastenausgleich wird die bisher geleistete Vermögensteuer von 0,75 % und Körperschaftsteuer von 1,3 %, also 0,5 % nicht mehr erhoben. Die Steuerpflichtigen dieser Kategorie zahlen also nach dem vorliegenden Gesetz nicht mehr 3 %, sondern praktisch nur noch 1 1/2 % für den Lastenausgleich. Bei den Aktionären und bei den Mitgliedern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung werden ebenfalls starke Vergünstigungen gewährt. Wenn sie bisher eine gesondert zu leistende Vermögensteuer entrichten mußten, wird sie ihnen nun für ihre Leistungen zu dem Lastenausgleich erlassen,


    (Kohl [Stuttgart])

    so daß für diese Kreise das Gesetz über den Lastenausgleich ein gutes Geschäft werden wird.
    War schon das Soforthilfegesetz eine Enttäuschung für die Anspruchsberechtigten, so ist diese Gesetzesvorlage unbestreitbar eine der größten Ungerechtigkeiten, die allerdings nicht in Einklang zu bringen ist mit den Worten des Herrn Dr. Adenauer anläßlich seiner Regierungserklärung, als er zu der Frage des Lastenausgleichs erklärte, daß derselbe sinnvoll in eine kommende Steuer- und Finanzreform eingegliedert werden soll. Diese sinnvolle Eingliederung haben wir nun hier vor uns liegen. Die Hauptlast dieses Lastenausgleichs hat der kleine Hausbesitz, die kleine Familienlandwirtschaft, die durch Zufall und Glück ihr Hab und Gut über den Krieg gerettet haben, zu tragen. In keiner Form befriedigt sind die Kriegs- und Währungsgeschädigten, die Umsiedler und Fliegergeschädigten. Wenn der Herr Bundesfinanzminister Schäffer die Gesamtziffer aller Schäden mit 160 Milliarden DM angibt und nach seiner Meinung sich in dieser Summe nur 53 Milliarden DM Kriegs- und Fliegerschäden befinden, so erscheint uns diese Rechnung außerordentlich anfechtbar. In einer Zeit, in der die Bundesregierung bereit ist, gegen den Widerstand eines übergroßen Teiles der westdeutschen Bevölkerung weitere Milliarden als sogenannten Sicherheitsbeitrag Westdeutschlands zu leisten, in der dieselbe Regierung bereit ist, Hunderte von Millionen für eine deutsche Bundespolizei auszugeben, in der sie bereit ist, alle Voraussetzungen zu schaffen, um junge deutsche Menschen in eine neue europäische Armee einzugliedern, erhält dieser Gesetzentwurf seine wirklich wahre politische Bedeutung.
    In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf erklärt die Bundesregierung, daß auch der Lastenausgleich eine Leistung zur unmittelbaren militärischen Verteidigung darstellt. Es wird damit untermauert, daß die Aufnahme eines zusätzlichen Auslandskredites in Höhe von 2 1/2 Milliarden DM auf Konto Lastenausgleich in Aussicht gestellt wird. Man begründet das damit, daß mit der Aufnahme dieser Schuld eine gewisse soziale Befriedung eintreten sollte. Diese kann aber nicht durch die Aufnahme von 2 1/2 Milliarden DM Anleiheschuld erreicht werden, sondern könnte viel eher durch eine vernünftige Lohn- und Preispolitik der Regierung erreicht werden.
    Bedenklich erscheint uns weiter in diesem Gesetz die im § 190 garantierte Einbeziehung der sogenannten Ostzonengeschädigten, die angeblich wegen Gefahr an Leib und Leben die Ostzone verlassen mußten. Es wäre viel zweckmäßiger gewesen, gerade diesen Kreis aus dem Lastenausgleichsgesetz herauszulassen, besonders wenn wir die wirklich nicht bescheidene Forderung dieser Herren betrachten, die uns im Westen beglückt haben.
    Abzulehnen ist der § 10 in seiner jetzigen Fassung, der die verbrieften Forderungen an das Reich, die im Schuldbuch eingetragen sind, sicherstellt, während der § 207 nur denen etwas garantiert, deren Forderungen über 500 Mark liegen. Also auch hier eine eindeutige Schädigung der kleinen Sparer, die einmal glaubten, ihr Geld in Staatsanleihen günstig anlegen zu können.
    Eines der schwersten Bedenken, das wir gegen das Gesetz geltend zu machen haben, stützt sich auf die Tatsache, daß ein großer Teil der Anspruchsberechtigten nach diesem Gesetz, die bisher in den Genuß der Soforthilfe gekommen waren, nun nicht mehr unter die Anspruchsberechtigten dieses Gesetzes fallen und damit der Fürsorge überantwortet werden. In der Kommentierung zu dieser Fassung wird eindeutig festgestellt, daß zwar die Absicht bestanden habe, Kriegsschädenrenten, Renten aus der Kriegsfolgehilfe und Fürsorgeleistungen in eine einheitliche Rente umzuwandeln; aber in keinem einzigen Paragraphen dieses Gesetzes ist dieser Gedanke verwirklicht worden.
    Dieser Gesetzentwurf ist ein Beweis dafür, daß in Deutschland die alten Kräfte der Vergangenheit auch heute wieder bestimmend in Politik und Wirtschaft sind. Man übersieht geflissentlich — und das soll man bei diesem Gesetzentwurf eindeutig feststellen — den großen sozialen Umschichtungsprozeß, der die Verarmung der Mittelschicht und die weitere Verelendung der Arbeiter und Neubürger in sich schließt. Rüstung und Ausgaben für Besatzung auf der einen Seite, zwei Millionen Erwerbslose als Zeichen der kapitalistischen Krisenwirtschaft, die innere Zerrissenheit Deutschlands und die Hetze — selbstverständlich fehlt auch sie nicht — gegen den Osten Europas zur Ablenkung und Verschleierung der tatsächlichen Absichten der westdeutschen Politik auf der anderen Seite. Gerade dieser Gesetzentwurf ist ein Beweis dafür, daß die kapitalistischen Kreise versuchen, auf Kosten des schaffenden Volkes ihre alte Ordnung wieder zu sanieren. Die Währungsreform mit ihrem unsozialen Charakter führte zur Enteignung der Kleinsparer und des Mittelstandes, zur Entblößung der Gemeinden von ihren laufenden Barmitteln. Man versucht in diesem Gesetzentwurf, durch eine unglaubliche Belastung gerade den Kommunalverbänden die Erfüllung kommunaler Aufgaben unmöglich zu machen. Niemand ist darüber im Zweifel, daß mit der Belastung des Grundvermögens der Betriebe der Städte und Gemeinden eine weitere Steuer- und Tariferhöhung bei Gas, Strom, Straßenbahn usw. Platz greifen muß, womit neue Belastungen breiter Volksschichten verbunden sind. Von diesen Belastungen werden auch die Kreise nicht ausgenommen, die bei dem Lastenausgleich als Anspruchsberechtigte in Erscheinung treten. Sie bezahlen also zu einem gewissen Teil ihren Anspruch selber.
    Die kommunistische Fraktion des Wirtschaftsrates hat bereits bei der Verabschiedung des Währungsgesetzes die sofortige Erfassung der Warenhortungsgewinne verlangt. Die Mehrheit dieses Gremiums kam zu einer ablehnenden Stellungnahme. Jetzt versucht man in diesem Gesetz, dem Volk in propagandistischer Weise weiszumachen, daß nach 2 1/2 Jahren die Erfassung der Währungshortungsgewinne noch möglich sein wird. In diesem Lastenausgleichsgesetz werden nicht erfaßt die Kriegsgewinnler, nicht die Gruppe von Menschen, die durch die Arisierungsmaßnahmen des Dritten Reiches ungeheure Gewinne eingeheimst haben, und nicht die Währungsgewinnler. Eine Erfassung wäre möglich gewesen, wenn man den Lastenausgleich mit der Währungsreform gekoppelt und zugleich — nicht in Form einer Vermögensteuer — versucht hätte, die Ansprüche zu befriedigen, indem man einen entscheidenden Eingriff in die Substanz gerade der hier von mir erwähnten Vermögen vornahm.
    Der Herr Finanzminister und seine übrigen Ministerkollegen haben in einer Unzahl von Reden immer wieder darauf hingewiesen, daß der Lastenausgleich nicht zu einem Eingriff in die Wirtschaft benützt werden könne, um die wirtschaftlichen Funktionen nicht lahmzulegen. Diese Umschreibung der Schonung der besitzenden Klasse bei der Er-


    (Kohl [Stuttgart])

    füllung der Befriedigung des Lastenausgleichs
    kennzeichnet die Politik, die von der Bundesregierung auch in dieser Frage betrieben worden ist.
    Eine der ersten Forderungen, die deshalb von uns an dieses Gesetz gestellt werden, ist eine Vermögenszuwachsbesteuerung und eine Erfassung von Rüstungs-, Kriegs- und Hortungsgewinnen und deren Beschlagnahme. Darüber hinaus verlangen wir die Gewährung von vernünftigen und ausreichenden laufenden Renten und eine ernsthafte Hausratsentschädigung.
    Der § 205 des Gesetzes verlangt einen urkundlichen Nachweis des erlittenen Schadens. Eidesstattliche Erklärungen genügen nicht. Die Schadensfeststellung erfolgt in Reichsmark, und alle Möglichkeiten der Abwertung auf D-Mark bleiben offen. In Verfolg dieses Grundgesetzes zum Lastenausgleich steht uns eine Reihe von Rechtsverordnungen, Ausführungsbestimmungen und anderen derartigen Vorschriften noch bevor, die vielleicht in ihrer praktischen Ausführung das Problem des Lastenausgleichs vor allem für die Anspruchsberechtigten noch viel komplizierter gestalten.
    Eine der gröbsten Ungerechtigkeiten zeigt sich — ich habe es bereits angedeutet — in der Frage der Hausratshilfe, die, auf 400 DM festgesetzt ist, aber dann entfällt, wenn der Antragsteller inzwischen 8000 DM verdient. Bei der Kriegsschadenrente liegen die Verhältnisse ähnlich, indem bei 40 bis 50 % Erwerbsunfähigkeit 10 DM, bei 50 bis 60 % 20 DM, bei 60 bis 80 % 30 DM und bei über 80 % Erwerbsunfähigkeit 40 DM monatlich gezahlt werden sollen. Selbstverständlich wird auch hier der alte, von der Bundesregierung in einer Reihe von anderen Gesetzen vertretene Grundsatz angewendet, daß andere Renten, mögen sie auch noch so bescheiden sein, auf diesen Satz angerechnet werden.
    Man muß schon sagen, daß sich gerade in diesen Paragraphen „soziale Leistung" zeigt, für deren Realisierung man wahrlich nicht zwei Jahre benötigt hätte. Das vorliegende Lastenausgleichsgesetz, das in seinem Gefolge einen Riesenapparat bedingt, dient nur zur Verwirrung der Anspruchsberechtigten. Der Entwurf ist eine Herausforderung der werktätigen Bevölkerung. Er ist das Zerrbild eines Lastenausgleichs und eine Verhöhnung der Hoffnungen von Millionen Geschädigter. Die Großschieber und Wucherer, die Kriegsgewinnler usw., die an der Tragödie unseres Volkes Milliarden verdient haben, sollten nach unserer Auffassung enteignet werden, und dieser Erlös könnte den Grundfonds bilden, aus dem die Anspruchsberechtigten befriedigt werden könnten.
    Der einfache und klare Grundgedanke eines gerechten Lastenausgleichs ist eine gerechte Verteilung der aus dem Kriege geretteten Substanz. Um diesen einfachen und klaren Grundgedanken eines wirklichen Lastenausgleichs wird das Volk den Kampf zu führen haben. Wir sind uns dabei vollkommen im klaren, daß bei dieser Form der Abgaben die Unternehmer den Preis ihrer Waren um den Betrag der Lastenausgleichsabgaben erhöhen werden; denn irgendeinen Riegel dagegen sieht das Gesetz nicht vor. Die Anspruchsberechtigten werden also ihren eigenen Anspruch mit zu bezahlen haben. Die Abgabe leistet also im Endergebnis nicht der Kapitalbesitzer, sondern der Konsument. Konsument ist aber auch der Flüchtling, der Bombengeschädigte und der Wiedergutmachungsberechtigte.
    Die Bundestagsfraktion der Kommunistischen Partei hat bereits am 2. Dezember 1949 in einem Antrag ihre grundsätzliche Stellungnahme zu einem wirklichen und gerechten Lastenausgleich festgelegt. Dieser Antrag zeigt sowohl den Kreis der zu Entschädigenden wie den Weg, der zur Aufbringung der notwendigen Mittel beschritten werden soll. Ich darf die Forderungen, die wir damals aufgestellt und die sich nicht geändert haben, kurz skizzieren. Aus dem Lastenausgleich müssen alle in Not Geratenen, die durch Flieger- oder Kriegsschaden betroffen wurden, befriedigt werden. Neubürgern muß es ermöglicht werden, eine menschenwürdige Existenz und Unterkunft und damit die materielle und staatsbürgerliche Gleichstellung mit den Altbürgern zu finden, auf die sie ein bisher unerfülltes Anrecht haben. Wir verlangen eine vernünftige Hausratshilfe und die Einbeziehung der Währungsgeschädigten in den Lastenausgleich.
    Zur Realisierung dieser Forderungen wollen wir einen andern Weg gehen, als das vorliegende Gesetz ihn aufzeigt. Wir wollen grundsätzlich den Entzug des Vermögens der Kriegsinteressenten, Kriegsverbrecher und Nutznießer des Naziregimes, der Nachkriegsspekulanten und Großschieber und die restlose Erfassung der Hortungsgewinne. Wir verlangen weiter, daß aller Großgrundbesitz über 100 ha, bei Kriegsverbrechern und Nutznießern des Dritten Reiches der gesamte Grundbesitz enteignet und für Zwecke des Lastenausgleichs zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, daß jeder Vermögenszuwachs, der durch die Nutznießung an der Hitlersehen Kriegsrüstung, an der Ausplünderung besetzter Gebiete und durch die Ausbeutung von Fremdarbeitern zustande gekommen ist, zugunsten des Lastenausgleichs beschlagnahmt werden soll.
    Wenn in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine weitestgehende Schonung der besitzenden Kreise vorgesehen ist, so verlangen wir demgegenüber, daß das gesamte Vermögen von Arbeitern, Angestellten, Kleingewerbetreibenden, Kleinfabrikanten, Kleinbauern und Geistesschaffenden, die sich nicht am Naziverbrechen beteiligt haben, grundsätzlich von der Heranziehung zum Lastenausgleich freibleibt. Nicht entschädigt werden dürfen aus dem Lastenausgleich selbstverständlich nicht bezahlte Lieferungen im Rahmen der Rüstungs- oder Kriegswirtschaft, Forderungen an den Hitlerstaat, Demontage und Kriegsschäden der Rüstungs- und Kriegsindustrie.
    Wir sind uns aber darüber im klaren, daß die unerträglich hohen Besatzungskosten, für die die Bundesregierung mit verantwortlich ist, die Durchführung eines gerechten Lastenausgleichs illusorisch machen. Ein gerechter Lastenausgleich ist also im wesentlichen abhängig von der Ablehnung jeder Remilitarisierung, von dem baldigen Abzug der Besatzungstruppen,

    (Zurufe rechts)

    von der Herstellung der nationalen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands, von der Entwicklung einer freien, unabhängigen Friedenswirtschaft und von einem ungehinderten Handel mit allen Völkern der Welt.

    (Erneute Zurufe rechts.)

    Wir Kommunisten glauben, daß die Lasten des verlorenen Krieges in erster Linie von denen aufzubringen sind, die für den letzten Krieg verantwortlich zeichnen und bereit sind, durch ihre Po-


    (Kohl [Stuttgart])

    litik an der Vorbereitung eines dritten Weltkriegs aktiv mitzuhelfen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Hasemann.)

    Diese Kreise, die sich nach 1945 sowohl politisch als auch wirtschaftlich neu konsolidieren konnten, müssen, wenn es um einen gerechten Lastenausgleich geht, in erster Linie zu ihm herangezogen werden.
    Die kommunistische Fraktion vertritt eindeutig und konsequent die Meinung,

    (Zuruf rechts: Auf die kommt es nicht an!)

    daß bei der Durchführung dieses Gesetzes nicht nur ein beamteter, bürokratischer Apparat eingesetzt wird, sondern für den Kreis der Anspruchsberechtigten das weitestgehende Mitbestimmungsrecht sichergestellt werden muß.
    Wir sind mit dem übergroßen Teil der Anspruchsberechtigten der Meinung, daß dieses Gesetz in seiner jetzigen Fassung abgelehnt werden muß.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Wittmann. Er teilt sich in die Redezeit von 30 Minuten mit dem Herrn Abgeordneten Loritz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Konrad Wittmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner wies auf die Gefahr eines dritten Weltkrieges hin und möchte wahrscheinlich — das entnehme ich seinen Ausführungen — den Lastenausgleich so gestaltet sehen, daß deutscherseits diese Gefahr eines dritten Weltkriegs oder die Ursache, die von hier ausgehen könnte, beseitigt wird. Ich darf dazu auf folgendes hinweisen. Wenn die Herren vom Osten und Westen - die Siegermächte insgesamt — nicht nur über die Erledigung der Diktatur gejubelt, sondern die demokratischen Versprechungen in die Wirklichkeit umgesetzt hätten, brauchten wir uns heute erstens nicht über den Lastenausgleich in dieser Form zu unterhalten und zweitens keine Befürchtungen bezüglich eines dritten Weltkrieges zu äußern.
    Im Verlaufe der Debatte über die Lastenausgleichsentwürfe, die uns nun vorgelegt wurden, mußte ich unwillkürlich an die ersten Zeitungsmeldungen zurückdenken, die mir so im Februar, März 1948 in Mittelfranken in die Hände kamen. Dann ging mir die Eingabe des Länderrats an General Lucius Clay durch den Kopf. Ich bekam sie auch im Februar 1948 von einem Flüchtlingsvertrauensmann in die Hände; da wurden die Themata in einer ähnlichen Form behandelt, als ob daraus wörtlich zitiert worden wäre. Ich darf mir deshalb als Heimatvertriebener erlauben, dieses Problem kurz herauszugreifen und einige Punkte in Anlehnung an die heutige Debatte zu streifen.
    In der Eingabe des Länderrats an den zitierten General hieß es: das Problem der Heimatvertreibung ist das erste, größte, schwierigste Problem, vor das sich Deutschland in seiner ganzen Geschichte je gestellt sah. Es wurde auch in ähnlicher Form, wie das der amerikanische Professor Austin App getan hat, darauf hingewiesen: selbst das reiche, unzerstörte Amerika wäre, wenn eine derartige Zahl von Heimatvertriebenen — von 18 Millionen war damals die Rede — hineingepfercht würde, nicht in der Lage, die Aufgabe zu lösen; wie soll nun das Restdeutschland, zerkleinert, verarmt, zerbombt, an die Lösung dieses Problems herangehen?
    Man muß es in diesem Zusammenhang schärfstens ablehnen, daß man uns immer wieder erklärt, das Problem der Heimatvertriebenen sei ein rein deutsches Problem. Ein rein deutsches Problem — auch jetzt hinsichtlich des Lastenausgleiches — ist es nur insofern, als es auf dem Rücken der Deutschen ausgetragen wird.

    (Zustimmung bei der WAV und rechts.)

    Die Lastenträger waren wir 18 Millionen Menschen,

    (erneute Zustimmung bei der WAV und rechts)

    von denen nach den Angaben Gustav Stolpers, des Begleiters des Expräsidenten Hoover, 6 Millionen verschwunden sind. Wo und wie sie umgebracht, ermordet wurden, wissen wir nicht, sagte er. Wir aber, die wir es erlebt haben, die Übriggebliebenen, wir wissen es, und wir bitten immer wieder Volk und Welt, auf uns zu hören, bevor es für die andern zu spät ist. Wir bitten also, sich ein bißchen in die Lage dieser Leidgesättigten zu versetzen; dann werden die Schwierigkeiten, die bei den Entwürfen des Lastenausgleichgesetzes oder bei anderen Problemen auftauchen, schneller und leichter überbrückt werden können.
    Dieses Problem ist nicht nur ein deutsches, sondern auch ein internationales Problem, ein Weltproblem. Es geht doch nicht an, wie heute, glaube ich, von Herrn Kollegen Kriedemann erwähnt wurde, zu sagen, daß das deutsche Unglück — und ich nehme da wieder den Abschnitt der Heimatvertreibung heraus — etwa erst auf den Konferenzen von Jalta, Teheran oder eventuell von Potsdam angefangen habe, es sei schon früher dagewesen, unter den Nazis und ihrer Methode. Warum immer wieder, wie erst unlängst, sagen: Hitler ist an allem schuld, auch an dem ist er schuld! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dieser Geschichtsphilosophie, daß es einer auf den anderen schiebt, kommen wir letzten Endes auf den Brudermörder Kain zurück.

    (Na! Na! rechts.)

    Damit lösen wir aber die Probleme der Gegenwart nicht.

    (Sehr gut! rechts. — Abg. Schoettle: Ich würde noch weiter zurückgehen, bis zum Apfel! — Weitere Zurufe. — Zuruf von der SPD: Sie sind aber witzig!)

    Die Sieger beider Gattungen, die Demokraten und die Volksdemokraten, waren in der Lage, abgeschreckt von den Verbrechen, die das Nazisystem begangen hat, die Politik der Macht aufzugeben und eine Politik des Rechts zu führen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Dann stünden wir heute nicht vor dem Problem der Heimatvertriebenen.

    (Sehr gut! rechts.)

    Es ist nicht so, daß wir zwischen Ost und West zu
    wählen hätten. Gerade wir als Heimatvertriebene
    haben überhaupt nicht zu wählen, wir haben schon
    längst gewählt. Wir haben nur eine Bitte — —

    (Zurufe links unter Nachahmung der Stimme des Redners.)

    — Die Affen machen es auch so; sie äffen auch nach, wenn sie sonst nichts können! - Wir haben nur eine Bitte an die gesamte Welt: das zertretene Recht wiederherzustellen und vom Standpunkt des Rechtes aus die Neuordnung und die Neugestaltung allerorten durchzuführen.

    (Zuruf rechts: Die hat ja keine Ahnung!)



    (Wittmann)

    Darum möchten den Worten auch die Taten folgen.

    (Zuruf links: So sieht er aus!)

    Wir haben im September 1949 in der Regierungserklärung gehört, wie rasch und wie umfassend gerade den Armen und Ärmsten geholfen werden soll. Wir haben hinsichtlich der Weltkrise vernommen — und ich zitiere hier Persönlichkeiten, die wohl ganz unumstritten sind —, daß ab 1945 die Neugestaltung auch hinsichtlich der Besiegten durchgeführt werden muß, im Geiste der Bergpredigt. So wurde es nicht nur einmal, sondern öfter in die Welt hinausgeschrieen, in demselben Sinne, wie es Roosevelt 1942 in einem langen Gebet geformt hat, wie die neue Gerechtigkeit in der Welt aussehen soll und wie dann der kleine, gemarterte, bis jetzt unterdrückte Mann bei allen Völkern zu Worte kommt und wie die vier Freiheiten ein Leben — nun, nicht gerade wie im Paradies, aber doch ein schönes und erträgliches Leben gestalten sollten.
    Die Entwürfe des Lastenausgleichsgesetzes wurden von verschiedenen Gruppen abgelehnt. Ich will darauf nicht näher eingehen, sondern aus der Debatte noch eins herausgreifen. Herrn Kollegen Dr. Horlacher schien die Mobilisierung des Lastenausgleichs notwendig zu sein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was heißt denn das: die Mobilisierung des Lastenausgleichs? Die Mobilisierung der Hirne! Die ist da und wird noch weiter wirksam werden.

    (Abg. Dr. Horlacher: Leider nicht!)

    Die besten Wirtschafts- und Sozialpolitiker, Advokaten und alle, die wirklich das Recht haben, hier in erster Linie mitzureden, werden ihr Bestes hergeben, von allen Gruppen und von allen Seiten. Darüber besteht für mich kein Zweifel. Das Wissen um den Lastenausgleich ist also da.
    Ich möchte aber auf etwas anderes hinweisen, was vielleicht etwas notwendiger ist als die Mobilisierung des Lastenausgleichs. Mir erscheint wichtiger und notwendiger die Mobilisierung der Herzen, und zwar im Volk und in der Welt, daß sich die Gebenden und noch Habenden ein bißchen in die Lage derer hineindenken, die seit 1945 in vorbildlicher Geduld ausharren, immun gegen das Gift aus dem Osten sowieso, darüber brauche ich kein Wort zu verlieren. Wenn jemand den Beweis dafür angetreten hat, daß er gegen dieses Gift immun ist, dann sind es die Millionen der Heimatvertriebenen; ihre Geduld ist allerdings auch begrenzt und beschränkt.
    Wenn man guten Willens in Volk und Welt sich in diese Notlage hineindenkt, dann werden die Schwierigkeiten, die heute von allen Seiten mit Recht angeschnitten werden, rascher überwunden werden können. Dann wird man auch nicht soviel befürchten müssen, daß die Wirtschaft geschädigt wird, daß die Wirtschaft zum Erliegen kommt.
    Oder gar die Äußerungen unseres Bundesfinanzministers: es muß ein Eingriff in die persönliche Sphäre vermieden werden! Es könnte eine Unruhe ins öffentliche Leben hineingetragen werden! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Unruhe ist ja bereits im öffentlichen Leben drin. Die Frage ist nur die, daß wir die Unruhe sistieren, daß aus der Unruhe nicht eine Art Revolution wird, sondern daß durch beschleunigte Taten der Evolution denen, die in Geduld harren und hoffen, endlich geholfen wird. Den Schädigungen der Wirtschaft wollen wir ja gerade durch den Lastenausgleich Rechnung tragen, aber nicht nach der Losung — gemäß den Worten eines Amerikaners —: .,Es lebe die Wirtschaft! Es lebe das Geld! Laßt die Menschen verrecken!" Nein, so nicht! Zuerst ist der Mensch, und die Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen! Wie wäre denn das, wenn die Gebenden, denen es so schwerfällt, in die Lage der Verzweifelten sich hineindenken würden? Dann möchten diese Schwierigkeiten von selber ein wenig geringer werden.
    Ich fasse zusammen: Die Schwierigkeiten, die aufgezeigt wurden, lassen sich überwinden, wenn wir die Sache nicht von diesem oder jenem Standpunkt aus betrachten, sondern mit der Losung: nicht gegeneinander, nicht Stammbevölkerung gegen Heimatvertriebene, nicht Geschädigte gegen Gebende, wenn wir versuchen, so zu handeln, wie es Tag für Tag Tausende schon in Vorbildlichkeit getan und bewiesen haben, die den Lastenausgleich in tätiger Nächstenliebe und Gottesliebe schon durchgeführt haben, nicht gegeneinander, sondern Volk und Welt miteinander und füreinander. In diesem Sinne darf ich auch auf den von Bundesfinanzminister Schäffer und von einigen anderen Herren angeschnittenen Gedanken hinweisen und die Bitte aussprechen, eine Anleihe von seiten der noch freien Welt gerade zur Lösung des Problems der Heimatvertriebenen zu erhalten. Wir bitten darum. Es wird das notwendig sein zur endgültigen Lösung hier und zur anfänglichen Lösung in der zurückgegebenen Heimat; denn auch dort muß irgendeine Anleihe, eine Aufbauhilfe wirksam werden.
    Die Siegermächte haben geäußert, und zwar um die Zeit der Potsdamer Konferenz durch den amerikanischen Staatspräsidenten Truman: Wenn wir das gewaltige Potential, das uns den Sieg ermöglichte, für den Frieden einsetzen, dann gehen wir den herrlichsten Zeiten der Geschichte entgegen.

    (Zuruf rechts: Das erleben wir täglich!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben dies überlebt, aber wir wollen doch auch die Verwirklichung erleben, nachdem sie ja nicht nur ihr Potential haben, sondern auch das unsere, aus dem Sudetengau allein nach Schätzungen mindestens 19 Milliarden Dollar.


    (Zuruf rechts: Richtig!)

    Dieses Potential, mit dem sie den Frieden aufbauen und der Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen wollten, wurde noch ergänzt durch den Raum, den sie uns im Frieden abgenommen haben, nicht durch das Verbrechen eines Krieges. Dieses Potential wurde erweitert und erhöht durch die Werte der Demontage, durch die Werte der deutschen Patente usw.
    So bitten und hoffen wir, daß der Appell nicht nur an die Bundesrepublik gerichtet wird — selbstverständlich —, sondern daß der Appell auch an die bis heute noch freie Welt ergeht: Laßt nichts unversucht, sondern steht opfernd zusammen, damit der Lastenausgleich nicht nur innerhalb des deutschen Volkes durchgeführt wird, sondern ein gerechter Lastenausgleich im Sinne der so oft zitierten Bergpredigt in Volk und Welt.

    (Beifall bei der WAV und rechts.)