Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im April vergangenen Jahres anläßlich der Beratung einer Änderung des Soforthilfegesetzes von mir die Behauptung aufgestellt worden war, daß der Lastenausgleich erst im Jahre 1951, vielleicht Mitte 1951, zur Verabschiedung kommen werde, wurde mir von seiten der CDU — damals des Herrn Kollegen Kunze — auf das energischste widersprochen. Wir haben heute die Tatsache zu verzeichnen, daß der endgültige Lastenausgleich dem Bundestag Ende Januar 1951 zur Beratung vorliegt, und wenn ein günstiger Zeitpunkt angenommen werden soll, so wird Mitte des Jahres 1951 vielleicht mit dessen Abschluß zu rechnen sein.
Die Vertreter der Regierungsparteien haben in einer Unmenge von Erklärungen den Anspruchsberechtigten wiederholt versichert, daß sie alles tun werden, um einen gerechten Lastenausgleich im Bundestag zu verabschieden. Der nun vorliegende Gesetzentwurf, das sogenannte Lastenausgleichgesetz, kann nach unserer Meinung keinen Anspruch darauf erheben, als gerechter Lastenausgleich beurteilt zu werden. Vielmehr sollte er den Namen führen „verwässerter Lastenausgleich".
Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Dieses Gesetz ist nicht darauf abgestellt, die furchtbare Notlage der Masse der Geschädigten zu lindern und ihnen die Möglichkeit zu geben, die benötigten Bekleidungsstücke und Wohnungseinrichtungen zu beschaffen. Das Gesetz hat gemäß dem grundsätzlichen Charakter der Adenauer- und Erhardschen Wirtschafts- und Finanzpolitik die Tendenz, einem bevorzugten kleinen Kreis die Bildung von neuem Kapital und die Schaffung neuer Produktionsmittel zu ermöglichen.
Das hervorstechendste Merkmal dieses Gesetzentwurfes ist die weitestgehende Schonung des Be-
sitzes auf Kosten derjenigen, die mit Recht hofften, daß mit dem Lastenausgleichsgesetz wenigstens ein Teil ihrer berechtigten Forderungen erfüllt werden würde. Die Aktienbesitzer bleiben — das hat der Bundesfinanzminister in seiner Begründung bestätigt — nach diesem Gesetzentwurf verschont, und die Hauptentschädigung verschleppt man bis zum Jahre 1956. Die wesentlichsten Voraussetzungen, die gerade von seiten der Umsiedler an einen echten Lastenausgleich geknüpft worden sind, wurden nicht erfüllt. Der Entwurf — so wie er uns vorliegt — verzichtet auf einen Vermögensausgleich und damit zwangsläufig auf eine verbindende Vermögenszuwachsabgabe. Er legt — ich betone das trotz der Erklärung des Herrn Kollegen Horlacher von vorhin — die alten Einheitswerte vor der Zeit der Währungsreform zugrunde, während die jetzt gültigen Verkehrswerte bei ihrer Belastung eine viel höhere Summe ergeben würden, als sie in dem Gesetz vorgesehen ist.
— Sie auch nicht! — Besonders katastrophal ist es, wie die Frage der Hausratshilfe in diesem Gesetz erledigt worden ist.
Die kommunistische Bundestagsfraktion hat in allen ihren Stellungnahmen zur Frage des endgültigen Lastenausgleichs, und zwar bereits vor der Währungsreform, nie einen Zweifel darüber gelassen, daß es aus Gründen der Gerechtigkeit zweckmäßig gewesen wäre, das Gesetz über den endgültigen Lastenausgleich mit der Geldreform zu koppeln, weil damit in der Durchführung wenigstens eine gewisse Gerechtigkeit hätte Platz greifen können. Die Schuld dafür, daß das nicht so geworden ist, allein auf die für die Währungsreform Verantwortlichen abzuwälzen. erscheint uns angesichts der Haltung des Besitzbürgertums gerade in dieser Frage nur insofern verständlich, als man damit ungestört eine scheinheilige Verzögerungspolitik betreiben konnte. Die Entwicklung seit der Währungsreform hat mit aller Deutlichkeit unter Beweis gestellt, daß gerade das Besitzbürgertum mit nicht zu leugnender ökonomischer Stärke aus der Geldreform hervorgegangen ist und daß ihm die Möglichkeit gegeben wurde. mit den ihm verbliebenen Mitteln auf legalem Weg den Lastenausgleich zu sabotieren.
Der von der Regierung vorgelegte Lastenausgleichsgesetzentwurf hat mit einem echten Vermögensausgleich aber auch nicht das mindeste zu tun. Die vorgesehene 50%ige Vermögensabgabe in jährlichen Ratenzahlungen, die sich auf 30 Jahre erstrecken, ist im Sinne der Erzbergerschen Reichsabgabenordnung, die heute noch in Kraft ist, weiter nichts als eine Steuer. Einen besonderen Nachteil für die zu entschädigenden Personen sehen wir darin, daß die Zahlungen an die Geschädigten in Geldwerten bemessen sind, deren Kaufkraft in Anbetracht der gegenwärtigen Rüstungskonjunktur und der zwangsläufig damit verbundenen Preissteigerungen von Tag zu Tag abnimmt. Parallel dazu steigt der Wert des Besitztums der Abgabepflichtigen, deren Abgaben nach dem Entwurf, besonders bei der Vermögensabgabe, weiteren Senkungen unterworfen sind. Es dürfte niemand bestreiten können, daß die Sachwerte — z. B. der Besitz von Produktionsmitteln — im Geldwert steigen, aber nicht sinken.
Die Anspruchsberechtigten werden, wenn dieser Gesetzentwurf Wirklichkeit wird, im doppelten Sinne betrogen, je länger sich die Zeitspanne für die Vermögensabgabe erstreckt. Die „Welt am
Sonntag" vom 17. September 1950 veröffentlicht die Zuschrift eines Anspruchsberechtigten, und was dort geschrieben steht, ist charakteristisch für die Situation:
Bei Verlust von Wohnungseinrichtungen sieht der Lastenausgleichsentwurf nur eine Entschädigung bis 400 DM vor. Ein Heilmittel für den Erfinder dieses höchst menschenfreundlichen Ausgleichs und eventuell Gleichgesinnte dürfte der völlige Entzug ihrer Wohnungseinrichtungen gegen eine Vergütung von 400 DM sein.
Ich glaube, man braucht die Auffassung, die in der „Welt am Sonntag" zum Ausdruck gekommen ist, wirklich nicht zu kommentieren. Sie spricht für sich und kennzeichnet den sozialen Inhalt dieses Lastenausgleichsgesetzentwurfes.
Am Tage der Währungsreform wurde der westdeutschen Bevölkerung erklärt, daß die deutschen gesetzgebenden Organe bis zum 31. Dezember 1948 ein Lastenausgleichsgesetz verabschieden würden. Nach 15 Monaten, am 8. August 1949, acht Tage vor der Bundestagswahl, wurde das sogenannte Soforthilfegesetz bekanntgegeben, das allerdings erst im November 1949 in Kraft gesetzt wurde. Am 2. Januar 1951, als aus den versprochenen sechs Monaten mehr als zweieinhalb Jahre geworden waren, legte die Bundesregierung dem Bundesrat ein Gesetz vor, das man eigentlich auf den Nenner bringen könnte: „Laßt den Ausgleich!" Neben 144 Seiten Begründung und einer 25seitigen Wiedergabe der Stellungnahme des Bundesrates hat dieses Gesetz nicht weniger als 328 Paragraphen. Sie werden mir zugeben müssen, daß sich ein normal gebildeter Staatsbürger unmöglich durch den Irrweg bürokratischer Formulierungen durchfinden kann, Formulierungen, die eindeutig den Zweck verfolgen, den Anspruchsberechtigten die Sicherung ihrer Rechte so schwer wie möglich zu gestalten. Die andere Seite, die durch den Lastenausgleich belastet werden soll — wenn auch in bescheidenem Maße —, hat bei diesem Wust von Paragraphen die Möglichkeit, eben die für sie günstigsten in Anspruch zu nehmen. Die benötigten Rechtsanwälte stehen ihnen auf Grund ihrer finanziellen Stärke jederzeit zur Verfügung, nicht aber den Anspruchsberechtigten. Hinter diesem Paragraphengestrüpp verbirgt sich die Absicht einer Schonung des Großgrundbesitzes sowie der Kriegs- und Währungsgewinnler.
Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß wir als eine der entscheidendsten Forderungen an den Lastenausgleich einen Eingriff in die Substanz verlangen, vor allen Dingen in die der großen Vermögen, und nicht eine auf 30 Jahre verteilte Vermögensteuer von 2 bis 3 %.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf erhalten die Banken, Großkapitalisten, Großgrundbesitzer und Aktiengesellschaften noch besondere Vergünstigungen. Bei den geplanten Abgabeleistungen für den Lastenausgleich wird die bisher geleistete Vermögensteuer von 0,75 % und Körperschaftsteuer von 1,3 %, also 0,5 % nicht mehr erhoben. Die Steuerpflichtigen dieser Kategorie zahlen also nach dem vorliegenden Gesetz nicht mehr 3 %, sondern praktisch nur noch 1 1/2 % für den Lastenausgleich. Bei den Aktionären und bei den Mitgliedern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung werden ebenfalls starke Vergünstigungen gewährt. Wenn sie bisher eine gesondert zu leistende Vermögensteuer entrichten mußten, wird sie ihnen nun für ihre Leistungen zu dem Lastenausgleich erlassen,
so daß für diese Kreise das Gesetz über den Lastenausgleich ein gutes Geschäft werden wird.
War schon das Soforthilfegesetz eine Enttäuschung für die Anspruchsberechtigten, so ist diese Gesetzesvorlage unbestreitbar eine der größten Ungerechtigkeiten, die allerdings nicht in Einklang zu bringen ist mit den Worten des Herrn Dr. Adenauer anläßlich seiner Regierungserklärung, als er zu der Frage des Lastenausgleichs erklärte, daß derselbe sinnvoll in eine kommende Steuer- und Finanzreform eingegliedert werden soll. Diese sinnvolle Eingliederung haben wir nun hier vor uns liegen. Die Hauptlast dieses Lastenausgleichs hat der kleine Hausbesitz, die kleine Familienlandwirtschaft, die durch Zufall und Glück ihr Hab und Gut über den Krieg gerettet haben, zu tragen. In keiner Form befriedigt sind die Kriegs- und Währungsgeschädigten, die Umsiedler und Fliegergeschädigten. Wenn der Herr Bundesfinanzminister Schäffer die Gesamtziffer aller Schäden mit 160 Milliarden DM angibt und nach seiner Meinung sich in dieser Summe nur 53 Milliarden DM Kriegs- und Fliegerschäden befinden, so erscheint uns diese Rechnung außerordentlich anfechtbar. In einer Zeit, in der die Bundesregierung bereit ist, gegen den Widerstand eines übergroßen Teiles der westdeutschen Bevölkerung weitere Milliarden als sogenannten Sicherheitsbeitrag Westdeutschlands zu leisten, in der dieselbe Regierung bereit ist, Hunderte von Millionen für eine deutsche Bundespolizei auszugeben, in der sie bereit ist, alle Voraussetzungen zu schaffen, um junge deutsche Menschen in eine neue europäische Armee einzugliedern, erhält dieser Gesetzentwurf seine wirklich wahre politische Bedeutung.
In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf erklärt die Bundesregierung, daß auch der Lastenausgleich eine Leistung zur unmittelbaren militärischen Verteidigung darstellt. Es wird damit untermauert, daß die Aufnahme eines zusätzlichen Auslandskredites in Höhe von 2 1/2 Milliarden DM auf Konto Lastenausgleich in Aussicht gestellt wird. Man begründet das damit, daß mit der Aufnahme dieser Schuld eine gewisse soziale Befriedung eintreten sollte. Diese kann aber nicht durch die Aufnahme von 2 1/2 Milliarden DM Anleiheschuld erreicht werden, sondern könnte viel eher durch eine vernünftige Lohn- und Preispolitik der Regierung erreicht werden.
Bedenklich erscheint uns weiter in diesem Gesetz die im § 190 garantierte Einbeziehung der sogenannten Ostzonengeschädigten, die angeblich wegen Gefahr an Leib und Leben die Ostzone verlassen mußten. Es wäre viel zweckmäßiger gewesen, gerade diesen Kreis aus dem Lastenausgleichsgesetz herauszulassen, besonders wenn wir die wirklich nicht bescheidene Forderung dieser Herren betrachten, die uns im Westen beglückt haben.
Abzulehnen ist der § 10 in seiner jetzigen Fassung, der die verbrieften Forderungen an das Reich, die im Schuldbuch eingetragen sind, sicherstellt, während der § 207 nur denen etwas garantiert, deren Forderungen über 500 Mark liegen. Also auch hier eine eindeutige Schädigung der kleinen Sparer, die einmal glaubten, ihr Geld in Staatsanleihen günstig anlegen zu können.
Eines der schwersten Bedenken, das wir gegen das Gesetz geltend zu machen haben, stützt sich auf die Tatsache, daß ein großer Teil der Anspruchsberechtigten nach diesem Gesetz, die bisher in den Genuß der Soforthilfe gekommen waren, nun nicht mehr unter die Anspruchsberechtigten dieses Gesetzes fallen und damit der Fürsorge überantwortet werden. In der Kommentierung zu dieser Fassung wird eindeutig festgestellt, daß zwar die Absicht bestanden habe, Kriegsschädenrenten, Renten aus der Kriegsfolgehilfe und Fürsorgeleistungen in eine einheitliche Rente umzuwandeln; aber in keinem einzigen Paragraphen dieses Gesetzes ist dieser Gedanke verwirklicht worden.
Dieser Gesetzentwurf ist ein Beweis dafür, daß in Deutschland die alten Kräfte der Vergangenheit auch heute wieder bestimmend in Politik und Wirtschaft sind. Man übersieht geflissentlich — und das soll man bei diesem Gesetzentwurf eindeutig feststellen — den großen sozialen Umschichtungsprozeß, der die Verarmung der Mittelschicht und die weitere Verelendung der Arbeiter und Neubürger in sich schließt. Rüstung und Ausgaben für Besatzung auf der einen Seite, zwei Millionen Erwerbslose als Zeichen der kapitalistischen Krisenwirtschaft, die innere Zerrissenheit Deutschlands und die Hetze — selbstverständlich fehlt auch sie nicht — gegen den Osten Europas zur Ablenkung und Verschleierung der tatsächlichen Absichten der westdeutschen Politik auf der anderen Seite. Gerade dieser Gesetzentwurf ist ein Beweis dafür, daß die kapitalistischen Kreise versuchen, auf Kosten des schaffenden Volkes ihre alte Ordnung wieder zu sanieren. Die Währungsreform mit ihrem unsozialen Charakter führte zur Enteignung der Kleinsparer und des Mittelstandes, zur Entblößung der Gemeinden von ihren laufenden Barmitteln. Man versucht in diesem Gesetzentwurf, durch eine unglaubliche Belastung gerade den Kommunalverbänden die Erfüllung kommunaler Aufgaben unmöglich zu machen. Niemand ist darüber im Zweifel, daß mit der Belastung des Grundvermögens der Betriebe der Städte und Gemeinden eine weitere Steuer- und Tariferhöhung bei Gas, Strom, Straßenbahn usw. Platz greifen muß, womit neue Belastungen breiter Volksschichten verbunden sind. Von diesen Belastungen werden auch die Kreise nicht ausgenommen, die bei dem Lastenausgleich als Anspruchsberechtigte in Erscheinung treten. Sie bezahlen also zu einem gewissen Teil ihren Anspruch selber.
Die kommunistische Fraktion des Wirtschaftsrates hat bereits bei der Verabschiedung des Währungsgesetzes die sofortige Erfassung der Warenhortungsgewinne verlangt. Die Mehrheit dieses Gremiums kam zu einer ablehnenden Stellungnahme. Jetzt versucht man in diesem Gesetz, dem Volk in propagandistischer Weise weiszumachen, daß nach 2 1/2 Jahren die Erfassung der Währungshortungsgewinne noch möglich sein wird. In diesem Lastenausgleichsgesetz werden nicht erfaßt die Kriegsgewinnler, nicht die Gruppe von Menschen, die durch die Arisierungsmaßnahmen des Dritten Reiches ungeheure Gewinne eingeheimst haben, und nicht die Währungsgewinnler. Eine Erfassung wäre möglich gewesen, wenn man den Lastenausgleich mit der Währungsreform gekoppelt und zugleich — nicht in Form einer Vermögensteuer — versucht hätte, die Ansprüche zu befriedigen, indem man einen entscheidenden Eingriff in die Substanz gerade der hier von mir erwähnten Vermögen vornahm.
Der Herr Finanzminister und seine übrigen Ministerkollegen haben in einer Unzahl von Reden immer wieder darauf hingewiesen, daß der Lastenausgleich nicht zu einem Eingriff in die Wirtschaft benützt werden könne, um die wirtschaftlichen Funktionen nicht lahmzulegen. Diese Umschreibung der Schonung der besitzenden Klasse bei der Er-
füllung der Befriedigung des Lastenausgleichs
kennzeichnet die Politik, die von der Bundesregierung auch in dieser Frage betrieben worden ist.
Eine der ersten Forderungen, die deshalb von uns an dieses Gesetz gestellt werden, ist eine Vermögenszuwachsbesteuerung und eine Erfassung von Rüstungs-, Kriegs- und Hortungsgewinnen und deren Beschlagnahme. Darüber hinaus verlangen wir die Gewährung von vernünftigen und ausreichenden laufenden Renten und eine ernsthafte Hausratsentschädigung.
Der § 205 des Gesetzes verlangt einen urkundlichen Nachweis des erlittenen Schadens. Eidesstattliche Erklärungen genügen nicht. Die Schadensfeststellung erfolgt in Reichsmark, und alle Möglichkeiten der Abwertung auf D-Mark bleiben offen. In Verfolg dieses Grundgesetzes zum Lastenausgleich steht uns eine Reihe von Rechtsverordnungen, Ausführungsbestimmungen und anderen derartigen Vorschriften noch bevor, die vielleicht in ihrer praktischen Ausführung das Problem des Lastenausgleichs vor allem für die Anspruchsberechtigten noch viel komplizierter gestalten.
Eine der gröbsten Ungerechtigkeiten zeigt sich — ich habe es bereits angedeutet — in der Frage der Hausratshilfe, die, auf 400 DM festgesetzt ist, aber dann entfällt, wenn der Antragsteller inzwischen 8000 DM verdient. Bei der Kriegsschadenrente liegen die Verhältnisse ähnlich, indem bei 40 bis 50 % Erwerbsunfähigkeit 10 DM, bei 50 bis 60 % 20 DM, bei 60 bis 80 % 30 DM und bei über 80 % Erwerbsunfähigkeit 40 DM monatlich gezahlt werden sollen. Selbstverständlich wird auch hier der alte, von der Bundesregierung in einer Reihe von anderen Gesetzen vertretene Grundsatz angewendet, daß andere Renten, mögen sie auch noch so bescheiden sein, auf diesen Satz angerechnet werden.
Man muß schon sagen, daß sich gerade in diesen Paragraphen „soziale Leistung" zeigt, für deren Realisierung man wahrlich nicht zwei Jahre benötigt hätte. Das vorliegende Lastenausgleichsgesetz, das in seinem Gefolge einen Riesenapparat bedingt, dient nur zur Verwirrung der Anspruchsberechtigten. Der Entwurf ist eine Herausforderung der werktätigen Bevölkerung. Er ist das Zerrbild eines Lastenausgleichs und eine Verhöhnung der Hoffnungen von Millionen Geschädigter. Die Großschieber und Wucherer, die Kriegsgewinnler usw., die an der Tragödie unseres Volkes Milliarden verdient haben, sollten nach unserer Auffassung enteignet werden, und dieser Erlös könnte den Grundfonds bilden, aus dem die Anspruchsberechtigten befriedigt werden könnten.
Der einfache und klare Grundgedanke eines gerechten Lastenausgleichs ist eine gerechte Verteilung der aus dem Kriege geretteten Substanz. Um diesen einfachen und klaren Grundgedanken eines wirklichen Lastenausgleichs wird das Volk den Kampf zu führen haben. Wir sind uns dabei vollkommen im klaren, daß bei dieser Form der Abgaben die Unternehmer den Preis ihrer Waren um den Betrag der Lastenausgleichsabgaben erhöhen werden; denn irgendeinen Riegel dagegen sieht das Gesetz nicht vor. Die Anspruchsberechtigten werden also ihren eigenen Anspruch mit zu bezahlen haben. Die Abgabe leistet also im Endergebnis nicht der Kapitalbesitzer, sondern der Konsument. Konsument ist aber auch der Flüchtling, der Bombengeschädigte und der Wiedergutmachungsberechtigte.
Die Bundestagsfraktion der Kommunistischen Partei hat bereits am 2. Dezember 1949 in einem Antrag ihre grundsätzliche Stellungnahme zu einem wirklichen und gerechten Lastenausgleich festgelegt. Dieser Antrag zeigt sowohl den Kreis der zu Entschädigenden wie den Weg, der zur Aufbringung der notwendigen Mittel beschritten werden soll. Ich darf die Forderungen, die wir damals aufgestellt und die sich nicht geändert haben, kurz skizzieren. Aus dem Lastenausgleich müssen alle in Not Geratenen, die durch Flieger- oder Kriegsschaden betroffen wurden, befriedigt werden. Neubürgern muß es ermöglicht werden, eine menschenwürdige Existenz und Unterkunft und damit die materielle und staatsbürgerliche Gleichstellung mit den Altbürgern zu finden, auf die sie ein bisher unerfülltes Anrecht haben. Wir verlangen eine vernünftige Hausratshilfe und die Einbeziehung der Währungsgeschädigten in den Lastenausgleich.
Zur Realisierung dieser Forderungen wollen wir einen andern Weg gehen, als das vorliegende Gesetz ihn aufzeigt. Wir wollen grundsätzlich den Entzug des Vermögens der Kriegsinteressenten, Kriegsverbrecher und Nutznießer des Naziregimes, der Nachkriegsspekulanten und Großschieber und die restlose Erfassung der Hortungsgewinne. Wir verlangen weiter, daß aller Großgrundbesitz über 100 ha, bei Kriegsverbrechern und Nutznießern des Dritten Reiches der gesamte Grundbesitz enteignet und für Zwecke des Lastenausgleichs zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, daß jeder Vermögenszuwachs, der durch die Nutznießung an der Hitlersehen Kriegsrüstung, an der Ausplünderung besetzter Gebiete und durch die Ausbeutung von Fremdarbeitern zustande gekommen ist, zugunsten des Lastenausgleichs beschlagnahmt werden soll.
Wenn in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine weitestgehende Schonung der besitzenden Kreise vorgesehen ist, so verlangen wir demgegenüber, daß das gesamte Vermögen von Arbeitern, Angestellten, Kleingewerbetreibenden, Kleinfabrikanten, Kleinbauern und Geistesschaffenden, die sich nicht am Naziverbrechen beteiligt haben, grundsätzlich von der Heranziehung zum Lastenausgleich freibleibt. Nicht entschädigt werden dürfen aus dem Lastenausgleich selbstverständlich nicht bezahlte Lieferungen im Rahmen der Rüstungs- oder Kriegswirtschaft, Forderungen an den Hitlerstaat, Demontage und Kriegsschäden der Rüstungs- und Kriegsindustrie.
Wir sind uns aber darüber im klaren, daß die unerträglich hohen Besatzungskosten, für die die Bundesregierung mit verantwortlich ist, die Durchführung eines gerechten Lastenausgleichs illusorisch machen. Ein gerechter Lastenausgleich ist also im wesentlichen abhängig von der Ablehnung jeder Remilitarisierung, von dem baldigen Abzug der Besatzungstruppen,
von der Herstellung der nationalen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands, von der Entwicklung einer freien, unabhängigen Friedenswirtschaft und von einem ungehinderten Handel mit allen Völkern der Welt.
Wir Kommunisten glauben, daß die Lasten des verlorenen Krieges in erster Linie von denen aufzubringen sind, die für den letzten Krieg verantwortlich zeichnen und bereit sind, durch ihre Po-
litik an der Vorbereitung eines dritten Weltkriegs aktiv mitzuhelfen.
Diese Kreise, die sich nach 1945 sowohl politisch als auch wirtschaftlich neu konsolidieren konnten, müssen, wenn es um einen gerechten Lastenausgleich geht, in erster Linie zu ihm herangezogen werden.
Die kommunistische Fraktion vertritt eindeutig und konsequent die Meinung,
daß bei der Durchführung dieses Gesetzes nicht nur ein beamteter, bürokratischer Apparat eingesetzt wird, sondern für den Kreis der Anspruchsberechtigten das weitestgehende Mitbestimmungsrecht sichergestellt werden muß.
Wir sind mit dem übergroßen Teil der Anspruchsberechtigten der Meinung, daß dieses Gesetz in seiner jetzigen Fassung abgelehnt werden muß.