Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Lastenausgleichsgesetzes müssen wir -
darüber kann wohl kein Zweifel sein — von der Voraussetzung ausgehen, daß ein Lastenausgleich vom moralischen und christlichen Standpunkt aus eine Verpflichtung ist. Dieser Gedanke muß uns durch die Verhandlungen über eine der schwierigsten aller Nachkriegsaufgaben geleiten, wobei wir
uns selbstverständlich ganz klar darüber sein müssen, daß das vorhandene Volksvermögen nicht ausreicht, um alle ermittelten Schäden auszugleichen.
Diesem Lastenausgleich kann nur eine Grenze gesetzt sein, und das ist die Produktionskraft der deutschen Wirtschaft, deren unbedingte Erhaltung ebenso im Interesse aller Geschädigten und Ausgleichsberechtigten liegt, wie auch kein Zweifel darüber bestehen kann, daß die Schädigung der Produktionskraft der Wirtschaft sich zum Schaden aller Interessenten auswirken muß.
Wenn wir den vorliegenden Gesetzentwurf nach den Gesichtspunkten der Feststellung, der Aufbringung und der Verteilung betrachten, so ist zunächst daran festzuhalten, daß zu den Anspruchsberechtigten lediglich natürliche Personen und keine juristischen Personen gehören dürfen; denn es handelt sich um den Menschen als solchen, um die Linderung einer Notlage und um die Schaffung und Ermöglichung einer neuen Existenz. Die Verluste einer juristischen Person können nur insofern für die Schadensfeststellung in Betracht kommen, als diese Feststellung notwendig ist, um die Schäden einzelner Anteilseigner bzw. Teilhaber an derartigen juristischen Personen zu ermitteln.
Es ist die Frage offen, ob die Schadensfeststellung in einem besonderen Gesetz geregelt werden soll oder ob dieselbe in den allgemeinen Lastenausgleich einzubauen ist. Entscheidend für diese Frage darf ausschließlich der Gesichtspunkt sein, daß der Lastenausgleich, der Gesetz wird, raschestens ausgewertet werden kann; denn es geht bestimmt nicht an, daß die Berechtigten durch lange technische Schwierigkeiten hingehalten werden.
Was die Aufbringung bzw. die Abgabepflicht betrifft, so wird unter allen Umständen daran festzuhalten sein, daß die Vermögensteuer im Sinne der Stellungnahme des Bundesrats den Ländern nicht weggenommen werden kann, da deren Heranziehung für den Lastenausgleich verfassungsrechtlich nicht möglich erscheint und diese Steuer von den Ländern nicht entbehrt werden kann.
Bezüglich des Eigentums der öffentlichen Hand, also der Betriebe des Staates und der Gemeinden, wird der Gesichtspunkt maßgebend sein, daß eine Befreiung nur in den Fällen möglich ist, in denen es sich um Monopolunternehmungen, d. h. um Versorgungsbetriebe handelt, die den Lastenausgleich unter Umständen durch Erhöhung von Tarifen — etwa bei Trambahnen, Gaswerken, Elektrizitätswerken — auf die breiten Massen abwälzen könnten. Etwas anders wird die Behandlung des Vermögens der öffentlichen Hand, also auch der Gemeinden sein, wenn es sich um solches Eigentum handelt, dessen Bewirtschaftung in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft steht. In diesem Falle scheint die Befreiung der Gemeinden nicht erforderlich. Die gleichen Grundsätze müssen selbstverständlich für alle Betriebe des Staates und der Gemeinden gelten, auch wenn der Besitz unter Umständen, wie das ja vorkommt, in die Form einer Aktiengesellschaft gekleidet ist.
Im allgemeinen ist es notwendig, daß in den Fällen, in denen die Kriegsschäden die Höhe der Vermögensabgabe erreichen oder übersteigen, diese Schäden weitestgehend berücksichtigt werden. Es ist ferner eine stärkere Berücksichtigung der Vermögensabgabe bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer notwendig.
Eine besondere Würdigung, meine Damen und Herren, verdient bestimmt auch der mittlere und kleinere Hausbesitz, damit der Lastenausgleich nicht etwa auf die Mieter abgewälzt wird. Das Eigentum an zerstörten Häusern und sonstigen Gebäuden ist ja im Sinne des vorliegenden Entwurfs zum Unterschied von der bisherigen Soforthilfeabgabe gesondert behandelt.
Was die Vermögensabgabe als eigentliches Kernstück des Lastenausgleichs betrifft, so ist dieselbe, wie dies ursprünglich in dem Entwurf des Bundesfinanzministeriums vorgesehen war, entsprechend der unterschiedlichen Leistungskraft der einzelnen Vermögensgruppen zu staffeln und tunlichst zinsfrei zu stellen. Dies trifft insbesondere bei land-und forstwirtschaftlichem Vermögen zu, das nach dem vorliegenden Regierungsentwurf mit einer Einheitsbelastung von 50 % des Einheitswertes und mit einer vierprozentigen Abgabe der Abgabeschuld, und zwar für die Dauer von 30 Jahren, bedacht ist.
Es hat keinen Zweck, von Fiktionen auszugehen. Wir müssen uns vielmehr an die nackte Wirklichkeit und an die Tatsache halten, daß die Land- und Forstwirtschaft heute bis an die äußerste Grenze ihrer Lebensfähigkeit steuerlich erfaßt ist, und diese steuerliche Belastung nimmt keine Rücksicht mehr auf die notwendige Produktionssteigerung und auf die allgemeine Tatsache, daß der Landwirt mit steigenden Produktionskosten zu rechnen hat und daß die Verwertung seiner Produkte gebunden bleiben soll. Es kann auch nicht übersehen werden, daß die in den bäuerlichen Betrieben ohne Barlohn mitarbeitende Kinder — das ist schon von den Vorrednern betont worden — nicht entsprechend berücksichtigt sind. Und von dem Standpunkt der landwirtschaftlichen Interessen muß auch verlangt werden, daß die Altenteilslasten bei der Feststellung des Gesamtvermögens nicht dadurch wiederum illusorisch gemacht werden, daß die Ausgleichsleistungen der Altenteiler bei vorliegender Voraussetzung zwar gestundet werden, die gestundeten Beträge aber mit dem Tode des Abgabepflichtigen wieder fällig werden.
Die wohlerworbene Altersversorgung darf durch den Lastenausgleich nicht geschmälert werden. Das gilt für den Landwirt, und das gilt auch für jeden anderen Erwerbstätigen.
Bei Wahrung der Lebensfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft muß man gerade, wenn man den Lastenausgleich verantwortungsvoll prüfen will, zu der Überzeugung gelangen, daß die in dem vorliegenden Entwurf vorgesehenen Belastungen, die sich auf die Beschlüsse des Unkeler Kreises stützen, noch zu hoch sein werden und daß kaum noch diejenigen Sätze tragbar scheinen könnten, die der ursprüngliche Entwurf des Bundesfinanzministeriums vorgesehen hat und die sich auf Grund des am Währungsstichtag geltenden Einheitswertes ergeben.
Es muß ferner darauf hingewiesen werden, daß die Belastung des bäuerlichen Eigentums den Übergang des Eigentums an die Gesamtanwesen oder in einzelnen Teilen gemäß dem bäuerlichen Gewohnheitsrecht nicht beeinträchtigt. Eine mehr oder weniger willkürliche Erhöhung des Einheitswertes muß unter allen Umständen vermieden werden, nicht nur wegen der daraus sich ergebenden Mehrbelastung, sondern auch aus dem Grunde, weil wir sonst jeden Boden unter den Füßen verlieren und weil dann von einer exakten Wertermittlung nicht mehr die Rede sein kann,
Was nun die Verteilung anlangt. so muß als oberster Grundsatz gelten, daß es nicht auf Zuweisung von Geldern zu konsumtiven Zwecken, sondern auf Beschaffung neuer Produktionskräfte und neuer Produktionsstätten ankommt, wobei selbstverständlich das Alter und die Arbeitsunfähigkeit ganz wesentlich im Lastenausgleich berücksichtigt werden müssen.
Da die Berücksichtigung der Altsparer, die ein besonderes Anliegen meiner Partei, der Bayernpartei, ist, im Entwurf nur in sehr bescheidenem Maße vorgesehen ist, ist es zu begrüßen, daß der Bundesrat in seiner letzten Stellungnahme die Altsparer einbeziehen will.
Wenn nunmehr der Bundesrat sich in seiner jüngsten Stellungnahme für die Aufgabe des Grundsatzes der Hauptentschädigung ausspricht und dafür eine verstärkte Förderung der Eingliederung in die Wirtschaft, insbesondere die Schaffung von Wohnraum für notwendig erachtet, so entspricht dies einem sozialen Gesichtspunkt, dem wir nur beipflichten können.
Indessen ist nicht zu übersehen, daß wir um eine quotale Festsetzung des Lastenausgleiches gar nicht herumkommen, schon aus der Notwendigkeit einer gleichmäßigen Behandlung der Heimatvertriebenen und der Kriegsgeschädigten heraus.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen scheint aber ebenso wichtig wie die direkte Förderung der wirtschaftlichen Betätigung bzw. der wirtschaftlichen Existenzschaffung, die durch eine möglichst großzügige Handhabung der vorgesehenen Zertifikate zu fördern ist.
Der Stellungnahme, die der Bundesrat in bezug auf den Ausgleich der Kriegsschädenrente beschlossen hat, ist bestimmt eine Berechtigung nicht abzusprechen.
Ich möchte in diesem Zusammenhange auch noch der Hausratsentschädigung Erwähnung tun, die in dem vorliegenden Entwurf sehr kümmerlich behandelt ist und der im Interesse der geschädigten Einheimischen noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Im Interesse aller Anspruchsberechtigten ist aber auch zu hoffen, daß das Ausführungsverfahren so einfach wie möglich gestaltet wird und daß diejenigen, die einen Anspruch auf Leistungen irgendwelcher Art haben, nicht durch ein monatelanges Verwaltungsverfahren hingehalten werden. Die Not erheischt ein rasches Handeln im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
Abschließend darf ich aber noch sagen, daß wir, die wir uns der Verpflichtung zu einem Lastenausgleich bewußt sind, nicht übersehen können oder übersehen dürfen, daß die Austreibung unserer deutschen Stammesbrüder aus Gebieten, die immer deutsch waren und die, so Gott will, wieder einmal deutsch sein werden, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war, für die nicht wir allein verantwortlich gemacht werden können, sondern daß diese Vertreibung in Potsdam ausdrücklich gutgeheißen wurde.
Wir können auch nicht übersehen, daß die Währungsumstellung, die soviel Schaden und soviel Unglück heraufbeschworen hat, in ihrer groben und rohen Form nicht das Produkt deutscher Planung war. Es wäre daher nur gerechtfertigt, daß das Ausland uns unseren Lastenausgleich, sei es durch langfristige Kredite, sei es durch eine Anrechnung auf unseren Beitrag zur europäischen
Befriedung, sei es eventuell durch eine Förderung der Auswanderung, erleichtert; denn wir wollen uns doch ganz klar darüber sein, daß die Gutmachung von Schäden und die Eingliederung der Heimatvertriebenen in den deutschen Raum, in den deutschen Wirtschaftsprozeß ein Beitrag zur Befriedung eines neuen und eines geeinten Europa sein können und sein müssen.