Rede von
Johann
Wartner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohl kaum ein Gesetz hat schon bei seiner Ankündigung so viel Kritik der Allgemeinheit erfahren wie das Gesetz über den Lastenausgleich; Sorge, ja geradezu Angst auf der einen Seite, Hoffnungen und Enttäuschungen auf der anderen Seite. Das ist kein Wunder, weil das vorliegende Gesetz einen Eingriff in die bisherigen vermögensrechtlichen Verhältnisse des einzelnen darstellt. Wir müssen das unverbrüchliche Recht auf Hilfe und Ausgleich zugunsten derjenigen anerkennen, die durch einen brutalen, gesetzlosen Eingriff alles verloren haben. Der Hinweis, daß letzten Endes der Ausgleich nur durch die Beseitigung der Potsdamer Beschlüsse geschaffen werden kann, entbindet uns nicht von der Verpflichtung, für Beseitigung der größten Härten zu sorgen. Mit den Worten „der größten Härten" wende ich mich schon an die Adresse der Heimatvertriebenen und der Kriegssachgeschädigten mit der Bitte, mit Rücksicht auf die bereits überlastete Wirtschaft in ihren Forderungen Maß zu halten. Denn ein Zusammenbruch der bestehenden Wirtschaft würde letzten Endes
auch zum Verhängnis der Heimatvertriebenen werden.
Im Rahmen einer kurzen allgemeinen Aussprache, zu der mir nur eine Zeit von etwa 15 Minuten gegeben ist, ist es unmöglich, auf das Gesetz mit seinen 328 Paragraphen im einzelnen einzugehen. Es wird Aufgabe des Ausschusses sein, in ernster Verantwortung die einzelnen Abschnitte zu prüfen. Es wird sich nicht vermeiden lassen, daß Meinungen gegen Meinungen stehen, weil unter den Tausenden von Fällen jeder einzelne Fall anders liegt und weil man immer dann, wenn man glaubt, ein Unrecht zu beseitigen, wieder ein neues — wenn auch nur vermeintliches — Unrecht schafft.
Was die Abgabenseite angeht, so muß ich auf den § 22 des Entwurfs zu sprechen kommen, weil er eine ganz besondere Härte gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf darstellt. Der ursprüngliche Regierungsentwurf hat eine soziale Staffelung sowohl in der Abgabeschuld als solcher als auch in der Verzinsung und Tilgung derselben vorgesehen. Der Schäffersche Entwurf hat seinerzeit eine Belastung für die Landwirtschaft von 37%, 31 % und 25 %, also eine soziale Staffelung, vorgesehen, während der derzeitige Entwurf eine einheitliche Belastung von 50 % des Vermögens und eine einheitliche Verzinsung oder Tilgung von 4 % kennt. Es ist kein Geheimnis und es hat immer als Tatsache gegolten, daß die Landwirtschaft eine solche Belastung nicht tragen kann. Deshalb fordere ich, daß der § 22 eine Änderung erfährt, damit letzten Endes der ursprüngliche Antrag der Regierung zur Geltung kommt. Ich möchte sagen, daß gerade für die Landwirtschaft und für uns kleine Landwirte eine solche Staffelung kommen muß und daß es überdies ein Unrecht ist, wenn der § 22 für das ganze Bundesgebiet einheitlich gelten soll. Man soll doch daran denken, daß es nicht gleichgültig ist, ob ich mein Anwesen beispielsweise in NordrheinWestfalen oder in einem andern gesegneten Gebiet habe oder ob es sich in einem vom Bund schon längst anerkannten Notstandsgebiet befindet. Ich denke da nicht bloß an die bayerischen Notstandsgebiete, an den Bayerischen Wald, an Rhön und Spessart, sondern ich spreche allgemein von Notstandsgebieten. Ich glaube, daß diese hier eine Entlastung erfahren müssen. Ein gewisser Ausgleich ist schon dadurch gegeben, daß der Einheitswert in den Notstandsgebieten niedriger ist als anderswo. Aber der Einheitswert bzw. die Besteuerung allein kann diesen sozialen Ausgleich nicht schaffen; denn die sozialen Verhältnisse zeichnen sich am deutlichsten im Lebensstandard der einzelnen Gebiete ab. Was nützt es, wenn ich beispielsweise einem Mittellosen sage: Du brauchst keine Steuer zu bezahlen, und ich muß Steuer bezahlen, weil du steuerfrei bist; deshalb bist du mir auch gleichgestellt! Dadurch, daß die Steuer auf Grund der verschiedenen Verhältnisse niedriger ist, ist der soziale Ausgleich noch lange nicht gegeben.
Ich möchte noch auf die §§ 85 bis 138 des Gesetzes zu sprechen kommen, die die sogenannten Hypothekengewinne zum Lastenausgleich heranziehen. Wenn man sich die §§ 85 bis 170 ansieht, muß man wohl sagen, daß dies das Meisterwerk einer juristischen Prüfungsaufgabe ist. Ich bin aber der Meinung, daß es Aufgabe der Sachbearbeiter sein sollte, bei Ausarbeitung eines Gesetzestextes auch auf die Abgabepflichtigen, d. h. auf die Steuerzahler, Rücksicht zu nehmen, die ja letzten Endes ein Interesse daran haben, dieses Gesetz auch zu verstehen. Meine Herren, die Hypothekengewinnabgabe bringt zweifellos auch bestimmte Härten. Dadurch, daß in den Jahren zwischen 1945 und 1948 viele nicht mehr den notwendigsten Bedarf decken konnten und in ihren Betrieben keine Verbesserungen vornehmen, geschweige denn Neuanschaffungen machen konnten, ist es manchem möglich geworden, seine Schulden und seine Hypotheken abzutragen. Einem andern ist das bei der gleichen Lage vielleicht nicht gelungen. Jetzt wird der weniger Glückliche dafür bestraft, indem er statt seiner Abgabe aus dem Einheitswert seine bisherigen Hypotheken zum alten Zinsfuß weiter zu verzinsen hat, was eine wesentlich höhere Belastung darstellt, als wenn er die Abgabe aus dem Einheitswert leisten müßte.
Vielleicht hat mancher von Ihnen ebenso viele Zuschriften erhalten wie ich. Wir sehen, daß jeder Fall anders gelagert ist. Da schreibt mir beispielsweise einer, daß er eine Hypothek hatte, die ihn nicht besonders beunruhigt und die er infolgedessen nicht zurückgezahlt hat. Er hat sein Geld vielmehr auf die Sparkasse gelegt, um im Falle eines plötzlichen Ereignisses das Kapital abheben zu können. Das auf die Sparkasse gelegte Geld ist entwertet, während seine Hypothek geblieben ist, und er zahlt nun seine Hypothekengewinnabgabe aus voller Höhe. Aus diesem einfachen Grunde bin ich der Meinung, daß der § 85 aus dem Lastenausgleich überhaupt herausgenommen werden könnte. Dadurch würden vielen Sorgen und Härten erspart bleiben. Weil ich nun aber nicht so optimistisch bin, anzunehmen, daß dies der Fall sein wird, so bin ich der Meinung, daß bei der Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen nach § 170 in einer Rechtsverordnung auf diese Härten Rücksicht genommen werden sollte, damit nach Möglichkeit diejenigen, die so schwer betroffen worden sind, Erleichterungen erhalten.
Im allgemeinen möchte ich mich den Rednern anschließen, die immer wieder betont haben, daß wir bemüht sein müssen, einen sozialen Ausgleich herbeizuführen. Der Ausdruck „sozialer Ausgleich" ist ja heute schon als verpönt bezeichnet worden, und er ist vielleicht bereits etwas abgenützt.
Es wird Aufgabe der in den Ausschüssen sitzenden Männer sein, die sozialen Belange nach allen Seiten hin zu berücksichtigen. Mein Kollege Horlacher hat mit besonderer Schärfe darauf hingewiesen, daß in der Landwirtschaft bei der Vermögensbewertung auf die mitarbeitenden Söhne und Töchter Rücksicht genommen werden sollte. Ebenso sollten auch die Altenteile in Abzug gebracht werden. All das sind Dinge, die natürlich nur in den Ausschußverhandlungen mit Ernst besprochen und beraten werden können.
Nachdem noch ein Redner meiner Fraktion das Wort nehmen wird, muß ich mich auf diese kurzen Ausführungen beschränken.