Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu Teil III des Gesetzentwurfs drei Anträge gestellt, die sich auf die §§ 39, 42 und 46 beziehen.
Der § 39 Absatz 2 widerspricht dem klaren Wortlaut des Art. 18 des Grundgesetzes. Nach ihm sollen bestimmte Grundrechte, die enumerativ und erschöpfend aufgeführt sind, verwirkt werden, wenn sie einer zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht. Die Verwirkung selbst soll durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. Es heißt ausdrücklich in Art. 18 „verwirkt diese Grundrechte". Weiterhin ist die Möglichkeit gegeben, daß das Ausmaß und die Zeit, innerhalb dessen bzw. innerhalb deren die Verwirkung bestehen oder Platz greifen soll, in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbst festgelegt werden. Es ist undenkbar, daß außer der Zulassung einer solchen Verwirkung auf dem Wege über das Bundesverfassungsgerichtsgesetz noch weitere selbständige Grundrechte als verwirkungsfähig erklärt werden können. Das aber geschieht im Absatz 2 des § 39. Dort ist davon die Rede, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Antragsgegner auf die Dauer der Verwirkung der Grundrechte das Wahlrecht, die Wählbarkeit und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennen und bei juristischen Personen ihre Auflösung anordnen kann. Sowohl das Vereinsrecht wie das Wahlrecht, die Wählbarkeit, die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter sind innerhalb der Bundesrepublik und des Grundgesetzes selbständige Grundrechte. Der Inhalt der Grundrechte. die verwirkt werden und deren Verwirkung durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden kann, ist in den in Art. 18 des Grundgesetzes aufgeführten Artikeln genau umgrenzt und festgelegt.
Nun besteht im Gesetzentwurf selbst ein seltsamer Widerspruch. In Absatz 1 des § 39 Satz 3 ist ausdrücklich gesagt:
Es kann dem Antragsgegner auch nach Art
und Dauer genau bezeichnete Beschränkungen auferlegen, soweit sie nicht andere als
die verwirkten Grundrechte beeinträchtigen.
Also auch hier, wo es sich darum handeln kann,
dem Antragsgegner gewisse beschränkende Auflagen zu machen, darf über den Rahmen und den
Inhalt der in Art. 18 als verwirkungsfähig erklärten Grundrechte nicht hinausgegangen werden. Ich halte den Art. 39 Absatz 2 für grundgesetzwidrig. Daher haben wir uns erlaubt, die Streichung vorzuschlagen. Überdies ist in diesem Absatz 2 nicht nur der Rahmen der verwirkbaren Grundrechte überschritten, sondern auch ein Eingriff in die Länderzuständigkeiten vorgenommen, da es sich hier darum handeln soll, daß bei juristischen Personen auch ihre Auflösung angeordnet werden kann.
Die Streichung des § 42 haben wir uns deswegen vorzuschlagen erlaubt, weil wir eine solche Strafbestimmung innerhalb des Bundesverfassungsgesetzes gesetzessystematisch nicht für richtig halten. Art. 94 Absatz 2 des Grundgesetzes sagt:
Ein Bundesgesetz regelt seine Verfassung
und das Verfahren und bestimmt, in welchen Fällen seine Entscheidungen Gesetzeskraft haben.
Weiter soll der Rahmen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht gezogen werden. Es soll also nichts anderes sein als ein Gerichtsverfassungsgesetz und eine Prozeßordnung. Was aber hier in die Kompetenz des Gerichts gelegt werden will, ist nichts anderes, als daß es den Charakter eines Strafgerichts annehmen würde. Wir haben uns also gestattet, die Streichung des § 42 vorzuschlagen.
In § 46 wollen wir den Absatz 3 gestrichen wissen. In § 46 Absatz 3 ist bestimmt, daß mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei auch die Auflösung der Partei oder des selbständigen Teils der Partei und das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen, zu verbinden ist ; also eine Mußbestimmung. Das Bundesverfassungsgericht kann in diesem Falle aber auch die Einziehung des Vermögens der Partei oder des selbständigen Teils derselben zugunsten des Bundes oder des Landes zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen. Auch hier gilt unser Bedenken wegen der Gesetzessystematik. Der vorliegende Gesetzentwurf soll nichts anderes sein als ein Gerichtsverfassungsgesetz, wie ich schon sagte, und eine Prozeßordnung. Was hier vorgesehen ist, sind die Folgerungen, die aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen sind. Diese Folgerungen der Auflösung und Vermögenseinziehung aber müssen in dem doch zu Art. 21 anstehenden Parteiengesetz festgelegt und bestimmt werden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal auf die Frage des Vollzugs zurückkommen. Es ist notwendig, die Einheitlichkeit der Gesetzessprache herzustellen. Wenn in § 42 — falls er bleiben sollte — das Wort „Vollzug" gewählt ist, dann können in einer früheren Bestimmung nicht die Begriffe „Vollstreckung" und „vollstrecken" stehenbleiben.
Was die Angelegenheit der Einbeziehung der Gemeinden und Gemeindeverbände in die Verfassungsbeschwerde angeht, so darf ich dazu nur kurz folgendes sagen. Es ist nicht unbestritten, ob nach dem Grundgesetz das Bundesverfassungsgerichtsgesetz die Verfassungsbeschwerde überhaupt zubilligen kann. Das Recht, in bestimmten Fällen vor oder nach Erschöpfung des Rechtsweges eine Verfassungsbeschwerde mit den weittragenden Folgen einer solchen einzulegen, ist nach unserer Auffassung ein selbständiges Grundrecht. In der bayerischen Verfassung ist dieses selbständige Grundrecht im Art. 120 auch ausdrücklich ausgesprochen und verliehen. Es ist also sehr die
Frage, ob der Abschnitt Verfassungsbeschwerde im Grundgesetz überhaupt eine verfassungsrechtliche Grundlage hat.