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ID0111403600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1951 4271 114. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4273A, 4333C Genesung des Abg. Schmidt (Bayern) nach einem Autounfall 4273A Änderungen der Tagesordnung 42'73A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Nr. 1785 der Drucksachen) 4273C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern . 4273D, 4279C, 4282D, 4286A Dr. Menzel (SPD) 4275C, 4284D Paul (Düsseldorf) (KPD) 4278C Dr. von Merkatz (DP) . . . . 4280D, 4286B Neumayer (FDP) 4281D Dr. Dresbach (CDU) 4283B, 4286A von Thadden (DRP) 4284B Dr. Hamacher (Z) 4286B Ausschußüberweisung 4287A Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Nrn. 328, 788 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1724 der Drucksachen); Änderungsanträge Umdruck Nrn. 54, 56 4287A, 4303D Dr. Laforet (CSU) . 4287C, 4297D, 4303D Fisch (KPD) 4289D, 4294A, 4300A Dr. Reismann (Z) 4292D, 4299A Ewers (DP) 4293B Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . 4294A, 4298A Jacobi (SPD) 4295D Dr. von Merkatz (DP) 4299C Schoettle (SPD) 4301C Dr. Arndt (SPD) 4302B, 4303B Abstimmungen . . . 4291C, 4295A, 4300C, 4303A Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Amtsgehalt der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes (Drucksache Nr. 1836) . . . . 4303B, C Beschlußfassung 4303D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für Sicherungs- und Überleitungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Nrn. 1510, 1679 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr.1764 der Drucksachen); Änderungsanträge Umdruck Nrn. 38, 51, 55 4273C, 4304A, 4313B Naegel (CDU), Berichterstatter 4304B, 4307D Kurlbaum (SPD) 4306D Ollenhauer (SPD) 4307D Dr. Bleiß (SPD) . . . 4313C, 4319C, 4320C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4315D, 4320A Agatz (KPD) 4318A Dr. Bertram (Z) 4318D Dr. Preusker (FDP) 4320D Abstimmungen 4307B, 4320B, 4321A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Niedersächsischen Arbeitsschutzgesetzes für Jugendliche vom 9. Dezember 1948/16. Mai 1949 (Nr. 1783 der Drucksachen) 4304A, 4308A Dr. Lauffer, Bevollmächtigter des Landes Niedersachsen, Berichterstatter 4308A Keuning (SPD) 4308D, 4312D Kohl (Stuttgart) (KPD) 4310A Mensing (CDU) 4310C Kuntscher (CDU) 4311C Storch, Bundesminister für Arbeit . 4312A Ausschußüberweisung 4313B Abstimmungen 4320B, 4321A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Grenzgänger vom 10. Juli 1950 (Nr. 1483 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 1757 der Drucksachen) . . . 4321A, 4325A Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 4325A Beschlußfassung 4325C Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Reichsautobahngesetzes vom 29. Mai 1941 (Nr. 1571 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 1781 der Drucksachen) 4321B Meyer (Bremen) (SPD), Berichterstatter 4321C Beschlußfassung 4321D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Deutsche Bundesbahn (Nrn 1776, 1533 der Drucksachen) 4321D Rümmele (CDU), Berichterstatter . 4322A Paul (Düsseldorf) (KPD) 4323C Jahn (SPD) 4323D Beschlußfassung 4325A Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Rückgabe der Insel Helgoland an ihre Bewohner (Nr. 1758 der Drucksachen) 4273B, 4325A Beratung abgesetzt 4325A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Grenzübergang Emmerich (Nrn. 1782, 1631 der Drucksachen) . . . . 4325C Günther (CDU), Berichterstatter . . 4325C Beschlußfassung 4326A Beratung der Interpellation der Abg. Dr. Frey, Dr. Dr. Müller (Bonn), Frau Dr. Weber (Essen), Hoogen u. Gen. betr. landwirtschaftlichen Grundbesitz und Traktatrecht im deutsch-holländischen Grenzgebiet (Nr. 1666 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Dr. Frey, Dr. Dr. Müller (Bonn), Frau Dr. Weber (Essen), Hoogen u. Gen. betr. landwirtschaftlichen Grundbesitz und Traktatrecht im deutsch-holländischen Grenzgebiet (Nr. 1665 der Drucksachen) . . . . 4308A, 4326A Dr. Frey (CDU), Interpellant . . . 4326B Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 4327B Beschlußfassung 4328D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Kohlenlieferungen für Bayern ails der Tschechoslowakei (Nr. 1825 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Dr. Etzel (Bamberg) u. Gen. betr. Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft bei Ausfall tschechoslowakischer Kohle (Nr. 1793 der Drucksachen) 4273B, 4328D Beratung abgesetzt 4328D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerwesen über den Antrag der Abg. Dr. Bertram u. Gen. betr. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Nrn. 1541 und 1834 der Drucksachen) . . . . 4273B, 4328D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Berichterstatter 4329A Beschlußfassung 4329B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Goetzendorff (Nr. 1818 der Drucksachen) 4329B Muckermann (CDU), Berichterstatter 4329B Beschlußfassung 4329C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Dorls (Nr 1819 der Drucksachen) 4329C Kahn (CSU), Berichterstatter . . . 4329D Goetzendorff (DRP-Hosp.) 4330A Beschlußfassung 4330B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Renner (Nr. 1820 der Drucksachen) 4330B Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 4330C Beschlußfassung 4330D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Schmidt (Niedersachsen) (Nr. 1821 der Drucksachen) . . 4330D Dr. Mende (FDP), Berichterstatter . . 4331A Dr. Reismann (Z) 4331C Dr. von Brentano (CDU) 4331D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 4332A Ritzel (SPD) 4332B Beschlußfassung 4332C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Mayer (Stuttgart) (Nr. 1822 der Drucksachen) 4332D Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 4332D Beschlußfassung 4333A Nächste Sitzung 4333C Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Wilhelm Laforet


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Beginn der Einzelberatung möchte ich die Berichte der Herren Referenten kurz ergänzen.
    Der Entwurf des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes gibt Ihnen den Entwurf des wichtigsten verfassungsrechtlichen Gesetzes, das im Vollzug des Grundgesetzes erlassen ist. Es zeigt Ihnen die Bedeutung der Sache, daß der Herr Bundespräsident selbst ein besonderes Interesse am Fortgang unserer Arbeiten gezeigt hat und daß die beiden Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Herr Kollege Dr. Arndt und ich, dem Herrn Bundespräsidenten am 2. Dezember 1950 über den erfolgreichen Fortgang der Arbeiten zu berichten hatten. Wir haben dabei die volle Billigung des Herrn Bundespräsidenten gefunden, als wir dargelegt haben, daß das Bundesverfassungsgerichtsgesetz so tief in unser ganzes Verfassungsleben eingreift, daß die Erlassung des Gesetzes von der Zusammenarbeit und dem Einverständnis des allergrößten Teils der Mitglieder des Bundestags getragen sein muß.
    Das letzte Jahr hat den Bundestag zu einmütigen grundsätzlichen Beschlüssen in der Frage des Wohnungsbaus sowie der Versorgung der Kriegsopfer geführt. Auch die Juristen der verschiedenen Parteien, soweit sie an den Verhandlungen im Rechtsausschuß beteiligt waren, haben bei ihrer Arbeit für das Bundesverfassungsgericht gezeigt, daß sie sich in großen Aufgaben einigen können. Da mußten auch die festgegründeten Meinungen einzelner zurücktreten. Die Meinungsverschiedenheiten bestanden, wie naturgemäß bei einem solchen Gesetzgebungswerk, bei allen Fraktionen nicht nur gegenüber Angehörigen anderer Parteien, sondern auch gegenüber Freunden in der eigenen Partei. Deshalb haben sicherlich die Mitglieder des interfraktionellen Unterausschusses, die die Einigung in allen wesentlichen Fragen herbeigeführt haben, ein besonderes Verdienst. Ich darf — ich möchte um die Erlaubnis bitten — den besonderen Dank des Vorsitzenden des Rechtsausschusses an diese Mitglieder auch hier vor dem Plenum des Bundestags aussprechen.
    Der Rechtsausschuß hat diesem Gegenstand 32 Sitzungen zuwenden müssen, davon eine größere Zahl von ganztägigen Sitzungen. Dazu treten die vielen Sitzungen des interfraktionellen Einigungsausschusses.
    Der Bundesrat hat sich in außerordentlich bedeutsamen Darlegungen zum Sachgegenstand geäußert. Der Rechtsausschuß des Bundestags hat mit der Vertretung des Bundesrats auch in der Fortentwicklung der Verhandlungen stets Fühlung gehalten.
    Über den Gang der Entwicklung und das Ergebnis haben Ihnen die Herren Referenten des Rechtsausschusses berichtet. Für die Auslegung des Gesetzes sind auch die Meinungsverschiedenheiten von Bedeutung, die heute von den einzelnen Vertretern der Parteien — auch meine Fraktion nimmt das für sich in Anspruch, und es werden andere Fraktionen folgen — hier vorgetragen werden. So möge es verstanden werden, wenn Ihnen kurz die entscheidenden Gesichtspunkte vorgetragen werden, die für die persönliche Stellungnahme Einzelner oder einer Gruppe zu den entscheidenden Fragen wesentlich waren.
    Das Bundesverfassungsgericht ist kein oberes Bundesgericht, sondern nach § 1 ein Verfassungsorgan in der Reihe der durch das Grundgesetz geschaffenen Verfassungsorgane: Bundestag, Bundes-


    (Dr. Laforet)

    rat, Bundespräsident, Bundesregierung. Aber es ist ein Gerichtshof des Bundes, der gegenüber den übrigen Verfassungsorganen selbständig und unabhängig ist. Das Bundesverfassungsgericht ist ein echtes Gericht, dessen Mitglieder nach Artikel 97 Absatz 1 unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Es ist nach meiner Ansicht unrichtig, davon zu sprechen, daß seine Entscheidungen politische Entscheidungen im Gewande eines Richterspruches seien. Unter einem politischen Akt sind Akte zu verstehen, die das öffentliche Leben nach Ermessen gestalten. Auch die Gesetzgebungsakte sind insoweit politische Akte, weil sie vom gesetzgeberischen Ermessen bestimmt werden. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben gewisse Wirkungen besonderer Art für das öffentliche Leben und für die obersten Staatsorgane, ja sie haben sogar in bestimmten Fällen aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit Gesetzeskraft. Aber das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Aufgabe, das Recht zu gestalten. Es hat keine Willensentscheidung nach gesetzgeberischem Ermessen zu treffen, sondern eine Auslegung und Anwendung des gegebenen Rechts vorzunehmen wie jedes Gericht. Es hat als Grundlage zu nehmen, was bereits rechtlich gestaltet ist. Es hat nur dieses gestaltete Recht auszulegen und für das Verfassungsleben anzuwenden.
    Es ist auch eine Rechtsentscheidung, wenn zum Beispiel festgestellt wird, ob die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigt oder ob die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse eine Regelung über das Gebiet eines Landes hinaus erfordert und ob deshalb nach Artikel 72 Absatz 2 Ziffer 3 des Grundgesetzes ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht und ein danach erlassenes Gesetz verfassungsmäßig ist. Auch die Gerichte haben darüber zu entscheiden, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen ein von der Gesetzgebung gestellter Rahmen eingehalten oder überschritten ist. Auch hier liegt nichts anderes vor als das, was man im ganzen Rechtsleben in der Anwendung der sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriffe" kennt, wie wir sie beispielsweise bei den Begriffen „Treu und Glauben", „Anforderungen des Gemeinwohls" und „angemessene Entschädigung" kennen.
    Meine Damen und Herren! Es ist heute nicht mehr darüber zu entscheiden, ob der Parlamentarische Rat nicht die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts zu umfangreich gestaltet hat. Der Blick auf den ganz außerordentlichen Umfang der Geschäftslast des Bundesverfassungsgerichts hat für einen Teil der Mitglieder des Rechtsausschusses eine Rolle gespielt, als zu entscheiden war, ob eine Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht eingeführt werden soll. Die Aufgaben mußten die Gestaltung des Gerichts, wie die Zahl und die Anforderungen entscheiden, die an die Richter zu stellen sind. Aus diesen Erwägungen ist die Einigung erfolgt, wie sie Ihnen jetzt im Gesetzentwurf vorliegt. Sie will ebenso die Einheitlichkeit des Gerichtshofs klarstellen wie das Ziel erreichen, daß nicht dieses höchste Gericht unter der Zahl und der Wucht seiner Aufgaben zusammenbricht.
    Es ist nicht unrichtig, wenn man gesagt hat, daß es zwei Gerichte sind, die zu einem einheitlichen Organismus vereinigt sind; denn die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts sind auf zwei Senate verteilt. Es war nur zu regeln, welcher Senat für ein anhängiges Verfahren zuständig ist, wenn nach den gestellten Anträgen sowohl der erste wie der zweite Senat zuständig sind oder wenn die Zuständigkeit sonst zweifelhaft ist. Darüber entscheidet nach § 16 Abs. 3 das Plenum. Die Mitglieder des Ausschusses waren sich darüber klar, daß dadurch namentlich in der ersten Zeit eine besondere Geschäftslast für das Plenum entsteht.
    Außer Zweifel stand, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, soweit dies überhaupt möglich ist, nur einheitlich sein kann. Der § 16 Abs. 1 gibt deshalb die klare Regelung, daß das Plenum entscheidet, wenn einer der beiden Senate von der Rechtsauffassung abweichen will, die in einer Entscheidung des anderen Senats enthalten ist. Es ist selbstverständlich, daß dies auch für jede Abweichung gilt, die gegenüber der Rechtsauffassung des Plenums eingetreten ist.
    Der Umfang der Geschäftsaufgaben des Bundesverfassungsgerichts hat die Mitglieder des Rechtsausschusses überzeugt, daß gleiche Anforderungen an alle Richter des Bundesverfassungsgerichts gestellt werden müssen. Der Gedanke nebenamtlicher Tätigkeit im Bundesverfassungsgericht, wie wir sie im Staatsgerichtshof der Länder sehen und wie sie auch im Parlamentarischen Rat als Möglichkeit erörtert worden ist, mußte aufgegeben werden.
    Für die Bildung des Bundesverfassungsgerichts waren die Bestimmungen des Art. 94 Abs. 1 des Grundgesetzes zugrunde zu legen. Die Schwierigkeiten, wie sie sich daraus ergeben, daß die eine Hälfte der Richter vom Bundestag und die andere Hälfte vom Bundesrat zu wählen ist, hat der Entwurf wohl überwunden. Bei der Wahl des Präsidenten und seines Stellvertreters ist im § 9 eine Lösung vorgeschlagen, die allerdings die Zufälligkeiten des Lebens nicht ausschließen kann, daß für die gleiche Zeit sowohl der Präsident wie sein Stellvertreter aus einer Wahl des gleichen Wahlkörpers hervorgegangen sind.
    Über die allgemeinen Verfahrensvorschriften ist Ihnen berichtet worden, vor allem auch darüber, daß für die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts die Offizialmaxime - der Grundsatz des Amtsbetriebs — entscheiden muß, der im Gegensatz zum Zivilprozeß den öffentlichen Prozeß bestimmt. Das Bundesverfassungsgericht erhebt nach § 26 Abs. 1 den zur Erforschung der Wahrheit erforderlichen Beweis von Amts wegen.
    Zu bedeutsamen Erörterungen hat, wie der Herr Referent betonte, die Frage geführt, ob es ermöglicht werden soll, daß überstimmte Richter nicht nur im inneren Geschäftsbetrieb eine Sonderäußerung abgeben, sondern diese Sonderäußerung auch nach außen mitgeteilt wird, — mitgeteilt werden kann oder auf Forderung mitgeteilt werden muß. — Es ist nicht zu verkennen, daß die Gründe der Weiterbildung des Rechts für eine solche Regelung sprechen und daß Vorbilder in fremdem Recht gegeben sind. Dagegen sprechen die Gründe der Wahrung der Rechtsautorität des Gerichtshofs als solchem und die Gefahren, die namentlich in politisch erregter Zeit aus einem solchen Sondergutachten für die Überzeugung von der unbedingten Unparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts im Volke entstehen können. Zu den Gegenständen der Einigung gehört auch der Verzicht auf solche Sonderäußerungen. Dazu gehört auch der Verzicht auf die Aufstellung des Vertreters des öffentlichen


    (Dr. Laforet)

    Interesses, so bedeutsam dieser im verwaltungsgerichtlichen Verfahren — im Gegensatz zu dem von den Beteiligten begonnenen und von ihnen geführten verfassungsgerichtlichen Verfahren — sein kann.
    In den besonderen Verfahrensvorschriften ergeben sich naturgemäß dort besondere Schwierigkeiten, wo der Parlamentarische Rat als Gesetzgeber völliges Neuland betreten hat. Er hat die Auslegung des Art. 18 über die Verwirkung von Grundrechten wie des Art. 21 Abs. 2 über die Verfassungswidrigkeit von Parteien dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen. Hier wird, erst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Grundlagen für die Staatspraxis geben können.
    Die entscheidende Abweichung des Entwurfs gegenüber der Stellungnahme des Bundesrats ergibt sich in der grundsätzlichen Einführung der Verfassungsbeschwerde. Die Zulässigkeit der Bestimmung ist im Hinblick auf Art. 93 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu bestreiten. Ich gehöre zu denjenigen, für die es ein großes Opfer ist, sich der Einigung zu unterwerfen und die Verfassungsbeschwerde uneingeschränkt einzuführen, insbesondere hinzunehmen, daß nach der Wahl des Berechtigten gleichzeitig die Verfassungsbeschwerde zum Länderverfassungsgericht wie zum Bundesverfassungsgericht zulässig ist, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen für jeden Weg gegeben sind. Die Verfassungsbeschwerde ist ein Kind des alten bayrischen Verfassungsrechts. Sie hatte eine große Bedeutung in einer Zeit, als die Rechtsgrundsätze über die Rechtmäßigkeit der Verwaltung noch nicht unbeschränkt anerkannt waren. Heute ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aller Länder uneingeschränkt die Anfechtungsklage gegeben. Die Verwaltungsgerichte, zuletzt die Verwaltungsgerichtshöfe, haben zu befinden, ob ein Eingriff in die Freiheit und das Eigentum vom Recht getragen ist oder nicht, und haben den Verwaltungsakt aufzuheben, wenn er diese Anforderung eines Rechtsstaates nicht erfüllt.
    Dazu tritt, daß nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes der Rechtsschutz durch die ordentlichen bürgerlichen Gerichte gegeben ist, soweit nicht eine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit bestehen sollte. Der Rechtsschutz der Grundrechte ist gegenüber Akten der richterlichen Gewalt durch die ordentliche und sonstige Gerichtsbarkeit gegeben. Er ist heute im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Verwaltungsakte in vollem Umfang erreicht.
    Die Verfassungsbeschwerde schafft eine ganz außerordentliche Mehrung der Geschäftsaufgaben des Bundesverfassungsgerichts. Diese Last ist, wie der Bundesrat mit Recht dargelegt hat, ohne jede Minderung des Rechtsschutzes vermeidbar. Ich möchte das nur zur Feststellung der geschichtlichen Wahrheit hervorheben. Wir unterwerfen uns den Beschlüssen der Mehrheit des Rechtsausschusses. Ich bin mit dem Bundesrat einverstanden, in der Grundrechtsklage den besonderen Rechtsschutz des Bundesverfassungsgerichts gegen Akte der gesetzgebenden Gewalt einzuführen. Der Entwurf führt jedoch die Verfassungsbeschwerde auch gegenüber jedem Urteil, auch gegenüber dem Urteil eines öberen Bundesgerichtes ein. Nach meiner Überzeugung wird die Praxis zeigen, daß diese Überordnung des Bundesverfassungsgerichts über jedes Gerichtsurteil trotz seiner Rechtskraft, die Überordnung des Gedankens des Rechtsschutzes über den Gedanken der Rechtssicherheit, einen Weg führt, von dem ich nur wünsche, daß die Anwendung des Gesetzes die Gefahr mildert.
    In dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz ist für die Ausgestaltung des Verfahrens nur ein allgemeiner Rahmen gegeben. Das geschieht, wie der Herr Referent ausgeführt hat und wie ich als Vorsitzender ergänzend bestätigen darf, in dem Vertrauen, daß das Bundesverfassungsgericht in den einzelnen Gruppen von Gegenständen den richtigen Weg findet.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Zu den Fragen über die besonderen Verfahrensvorschriften möchte ich von meinem Fachgebiet des Verwaltungsrechts aus nur noch einen kleinen Ergänzungsbeitrag zu den Ausführungen des verehrten Herrn Referenten, Kollegen Neumayer, im Interesse der Auslegung des Gesetzes geben. Es handelt sich um die Auswirkung der Vorschriften über die Normenkontrolle in § 79 für den Fall, daß ein Gesetz für nichtig erklärt ist, der Verwaltungsakt aber auf dem für nichtig erklärten Gesetz beruht. Stützt sich ein Verwaltungsakt, der einen Eingriff in Freiheit und Eigentum vornimmt, auf ein Gesetz, das für nichtig erklärt wird, so ist der Verwaltungsakt fehlerhaft und muß aufgehoben oder geändert werden, wenn er noch änderbar Er ist nur dann nicht mehr änderbar, wenn der Beteiligte oder ein Dritter gutgläubig aus dem Verwaltungsakt einen Rechtsanspruch oder eine rechtlich begründete Eigenschaft erlangt hat.
    Meine Damen und Herren! Die Verhandlungen über das Bundesverfassungsgericht waren sehr schwierig. Es gibt kaum eine grundsätzliche Frage des Verfassungsrechts oder Verwaltungsrechts, die nicht in den Bereich der Erörterungen einbezogen werden mußte. Ein Gesetz wie das vorliegende kann nicht fehlerlos abgeschlossen werden. Wir werden manche Lücke gelassen haben, aber es kann hier vor dem Plenum des Bundestags nur betont werden, daß die Mitglieder des Ausschusses aller Parteien einig waren in den demokratischen Grundanschauungen, in den Grundgedanken des Rechtsstaates und in dem Willen, diesen Rechtsstaat weiter zu bauen und zu sichern. Möge dieser Erfolg dem Gesetz beschieden sein!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir fahren in der Einzelberatung der zweiten Lesung fort. Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Ich möchte mich an die von dem Herrn Präsidenten vorgeschlagene Regelung halten, die grundsätzliche Debatte während der dritten Lesung und nicht während der zweiten Lesung abzuhalten. Ich möchte daher -lediglich zu den Abänderungsanträgen meiner Fraktion, die zum ersten Teil des vorliegenden Entwurfs eingebracht worden sind, Stellung nehmen und diese Anträge begründen.
    Meine Fraktion hat zunächst den Antrag gestellt, den § 1 Abs. 1 zu streichen. In dem § 1 ist der ganze Sinn des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht verkörpert. In ihm kommt zum Ausdruck, welche Rolle dieses Sondergericht über — nicht neben, sondern über — allen anderen sogenannten verfassungsmäßigen Organen des Bundes spielen soll.
    Es wird einige kluge Leute geben, die sagen, dieser § 1 sei die Verwirklichung des alten Grundsatzes einer jeden demokratischen Ordnung, nämlich des Grundsatzes der Dreiteilung der Gewalten.


    (Fisch)

    Es ist ein Aberglaube, anzunehmen, daß dieser Grundsatz gewisser bürgerlicher Staatsrechtler eine ewige Wahrheit darstellt. Der Grundsatz der Dreiteilung der Gewalten ist genau so zeitbedingt wie alle anderen Theorien von Juristen, die in ihrer Zeit jeweils die Theorie fabriziert haben, die das herrschende Regime von ihnen verlangt und erwartet hat. Die Forderung der Dreiteilung der Gewalten kam zu einer Zeit auf, als es galt, gegen den Absolutismus des französischen Königtums Front zu machen. Montesquieu, sozusagen der Erfinder der Theorie der Dreiteilung der Gewalten, war der Repräsentant einer Gruppe der damaligen Revolutionäre gegen den herrschenden Absolutismus. Nur insofern konnte damals diesem Prinzip ein gewisser fortschrittlicher Charakter beigemessen werden, als damals eine Dreiteilung der Gewalten zumindest einen kleinen gesellschaftlichen Fortschritt gegenüber der bisherigen Regelung der ungeteilten Gewalt darstellte, die durch das herrschende Königtum ausgeübt wurde. Schon nach 1789 zeigte sich sehr bald, daß die Losung der Dreiteilung der Gewalten zu der Privattheorie eines Teils der ursprünglichen Revolutionäre wurde, nämlich des Teils, der auf eine möglichst starke Erhaltung der Elemente der alten Kräfte hinstrebte. Die Forderung der Dreiteilung der Gewalten wurde die Forderung derjenigen, die die revolutionäre Entwicklung bremsen, die gewisse konservative Elemente garantieren wollten und die darum dem alleinigen Willen des Volkes, dargestellt durch die Volksvertretung, einen entscheidenden Riegel vorsetzen wollten.
    Wenn damals schon die Theorie der Dreiteilung der Gewalten umstritten war und schließlich zu einem Reservat der reaktionären Kräfte wurde, so gilt dies erst recht für die heutige Zeit. Wir haben es in der Weimarer Zeit erlebt. Auch damals wurde die Theorie der Dreiteilung der Gewalten zur Grundlage des Staatsrechts genommen. Ich möchte die sozialdemokratischen Sprecher fragen, wo sie in der Zeit von 1918 bis 1933 aus der Anwendung der Theorie der Dreiteilung der Gewalten auch nur die geringste Sicherung der fortschrittlichen Kräfte in der politischen Entwicklung hergenommen haben. Die Entwicklung verlief vielmehr umgekehrt. In der Weimarer Republik wurde diese Theorie und die daraus abgeleitete Praxis zu einem gewaltigen Kräftezuwachs für die Elemente der Reaktion und schließlich zu einem entscheidenden Hilfsmittel für die Vorbereitung der Machterschleichung Adolf Hitlers.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Ich möchte aus der Weimarer Zeit nur an die unselige Wirksamkeit des Art. 48 erinnern, an die unglückselige Wirksamkeit der Straf- und Verwaltungsjustiz, verkörpert in der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Ich möchte insbesondere an die Tragikomödie erinnern, die sich in den Verhandlungssälen des Reichsgerichts in Leipzig an den 20. Juli 1932 angeschlossen hat. Als damals die preußische Regierung Braun-Severing von einem Leutnant und zwei Soldaten davongejagt wurde, war bekanntlich die einzige Antwort der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion und der Parteiführung der Appell an das Reichsgericht. Wir sollten heute an die damaligen Vorgänge erinnern, als die Herren Reichsrichter für die sozialdemokratische Beschwerde nichts anderes übrig hatten als ein höhnisches Achselzucken und im übrigen die Sprache der Tatsachen als entscheidend gelten ließen.
    Schließlich muß man auch an die sogenannten Notverordnungen zum Schutz von Volk und Staat erinnern, die Adolf Hitler zur Niederschlagung einer jeden Opposition, zur Auflösung der Parteien, zur Errichtung des Konzentrationslagerregimes usw. benutzt hat, ohne der Form nach auch nur einen einzigen Artikel der Weimarer Verfassung zu brechen, indem er sich im Gegenteil ausdrücklich auf die entscheidenden Grundlagen der Weimarer Verfassung und nicht zuletzt auf das Prinzip der Dreiteilung der Gewalten sowie auf die Wirksamkeit der Justiz als sogenannten unabhängigen Faktor stützen konnte.
    Wenn damals weitreichende Lehren für unser Volk aufgestellt wurden, so sollte man heute diese Lehren nicht einfach beiseite schieben. Was sich damals in der Form der Justiz des Reichsgerichts und der von ihm beeinflußten sonstigen Rechtsprechung abgespielt hat, das soll heute durch die Vorlage des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und insbesondere durch den in § 1 niedergelegten Grundsatz nachgeahmt werden. Heute soll der § 1 die Garantie dafür geben, daß eine Sonderjustiz jederzeit Mittel anwenden kann, um die Grundrechte des Grundgesetzes außer Kraft zu setzen, um Parteien zu verbieten, um bestimmte fortschrittliche Bestimmungen einzelner Länderverfassungen und Ländergesetze unwirksam zu machen, um auf jeden Fall und überall zu jeder Zeit die autoritären Absichten der Bundesregierung und der ihr willfährigen höheren Justiz durchzusetzen.
    Meine Damen und Herren! Es handelt sich nicht um irgendwelche Rechtsfindungen nach absoluten Grundsätzen. Es handelt sich, wenn der Grundsatz des § 1 zur Anwendung gelangt, um ein eindeutiges System politischer Entscheidungen, die von den herrschenden Schichten, von den ihr hörigen Regierungsbeamten der obersten Stufe gefällt werden.