Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Zeit vom 8. bis 20. Mai und vom 4. bis 10. Juli haben in Paris auf Einladung der französischen Regierung Verhandlungen über den Abschluß eines deutsch-französischen Abkommens über die soziale Sicherheit stattgefunden. Die Verhandlungen haben am 10. Juni 1950 zur Unterzeichnung eines Allgemeinen Abkommens geführt, und darüber hinaus sind für die verschiedenen Versicherungsträger besondere Regelungen getroffen.
Das Allgemeine Abkommen befaßt sich mit allen Zweigen der Sozialversicherung sowie mit dem französischen System der Familienhilfe. Die Arbeitslosenversicherung ist in dieses Abkommen nicht eingeschlossen. Das Allgemeine Abkommen stellt die beiderseitigen Staatsangehörigen in ihren Rechten und Pflichten auf dem Gebiete der sozialen Sicherheit einander gleich. Es legt fest, daß grundsätzlich der Beschäftigungsort für die Zuständigkeit der beiderseitigen Versicherungen maßgebend ist. Es schließt für die beiderseitigen Staatsangehörigen alle innerstaatlichen Vorschriften aus, die die Gewährung von Leistungen in das Ausland beschränken oder die Rentenzahlung von der Staatszugehörigkeit abhängig machen.
In der Krankenversicherung ist generell festgelegt, daß der jeweilige Versicherungsträger an dem Ort, wo die Erkrankung eintritt, für die Leistungen zu haften hat. In die Leistungen eingeschlossen sind die Familienangehörigen, die mit dem Versicherten in Familiengemeinschaft leben. Wenn die Angehörigen des Versicherten außerhalb des Staates wohnen, in dem der Betreffende beschäftigt ist, muß der heimatliche Versicherungsträger die Leistungen übernehmen. Gegenseitige Finanzausgleiche finden dafür nicht statt.
In der Invalidenversicherung ist die Sache so geregelt, daß die Leistungen an den vorzeitig invalide gewordenen Menschen von dem Versicherungsträger getragen werden müssen, bei dem der Versicherte zuletzt ein volles Jahr versichert gewesen ist. Auch hier werden irgendwelche Zahlungsausgleiche nicht vorgenommen. Wenn der Versicherte 60 Jahre alt ist und er bekommt eine Altersrente, dann allerdings tritt der Zustand ein, daß die Versicherungsträger der beiden Länder nach der Dauer der Versicherungszeit in den Ländern gemeinschaftlich die Gelder aufbringen müssen.
Die deutschen Arbeitnehmer in Frankreich werden in die Familienhilfeeinrichtungen des französischen Staates eingegliedert und bekommen die gleichen Leistungen wie der französische Staatsangehörige auch.
In der Unfallversicherung werden ebenfalls alle Einschränkungen aufgehoben, und der Gastarbeiter wird dem Einheimischen gleichgestellt.
In den Zusatzvereinbarungen zu dem Allgemeinen Abkommen sind vor allem die Regelungen für die Bergleute und für die Grenzgänger berücksichtigt, und darüber hinaus ist festgelegt, daß auch die Flüchtlinge und verdrängten Personen die gleichen Leistungen und Rechtsansprüche haben wie die Angehörigen der beiden vertragschließenden Länder.
Wichtig in diesem Abkommen ist, daß eine grundsätzliche Verständigung über die Leistungen erzielt werden konnte, die sich für die französischen Arbeiter in der Kriegszeit ergeben haben. Hier ist vorgesehen, daß für fünf Jahre, und zwar vom Jahre 1940 bis zum Jahre 1945, Frankreich alle Leistungen übernimmt, die sich aus der Beitragszahlung der französischen Arbeiter in Deutschland ergeben. Als Äquivalent dafür übernimmt Deutschland alle Leistungen, die sich aus der Beitragszahlung deutscher Arbeiter in Frankreich in der Zeit von 1945-1950 ergeben.
Gerade auf diesem Gebiet standen wir in den letzten Jahren vor scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten. Sie sind überwunden worden, und ich glaube, daß diese Vereinbarungen einen wesentlichen Schritt zu einer endgültigen Versöhnung zwischen den beiden Ländern Deutschland und Frankreich darstellen.