Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Ihre Aufmerksamkeit nicht lange in Anspruch nehmen. Die Abänderungen von Steuergesetzen sind Dinge, die am besten im Finanzausschuß im einzelnen besprochen werden. Wenn wir uns entschlossen haben, einen Abänderungsantrag zum Einkommensteuergesetz vorzulegen, so wird man natürlich fragen, wieso wir dazu in einem Zeitpunkt kommen, in dem die allgemeine Finanzsituation des Bundes so schlecht ist, daß bereits verschiedene neue Steuern ausgeschrieben werden mußten und daß noch weitere Steuererhöhungen bereits angekündigt worden sind. Wir sagen: Gerade in einem solchen Zeitpunkt, in dem die Steuerschraube angezogen wird oder angezogen werden soll, ist es notwendig, Ungerechtigkeiten, die sich in dem bisherigen Steuersystem befunden haben, zu beseitigen und durch die Beseitigung dieser Ungerechtigkeiten zu beweisen, daß es uns nicht nur um fiskalische Maßnahmen geht, sondern daß auch in dem gesamten Steuersystem eine gewisse Gerechtigkeit herbeigeführt werden soll. Das ist der Sinn unserer Vorschläge.
Wenn wir zunächst den Antrag gestellt haben, die Weihnachtsgratifikation bis zu einem Betrage von 300 DM steuerfrei zu lassen, so schließen wir uns damit einem fast einstimmig gefaßten Beschluß des Bundestages vom vorigen Jahre an, bringen aber diesen Antrag in Form eines Gesetzentwurfes, weil sich herausgestellt hat, daß bloße Beschlüsse des Bundestages von der Bundesregierung nicht durchgeführt worden sind. Die Einwendungen des Herrn Kollegen Degener, daß dadurch eine Verzögerung herbeigeführt werden könnte, glaube ich, sind nicht stichhaltig; im Gegenteil, wenn wir einen solchen Gesetzesantrag annehmen, so besteht ohne weiteres die Möglichkeit, dieses Gesetz noch bis Weihnachten zur Durchführung zu bringen und vor allem - und das ist ja das wesentliche — dann auch den entsprechenden Nachdruck dahinterzusetzen; denn ein Gesetz muß von der Regierung befolgt werden, während eine Entschließung nach der hier herrschenden Praxis von der Regierung nur befolgt werden k a n n. Wenn wir den Antrag Degener annehmen, so würde das nur eine Wiederholung des vorjährigen Verfahrens bedeuten, ohne daß wir effektiv einen Schritt weitergekommen wären.
Die Bestimmungen in Art. II unseres Entwurfs haben ihren Hauptgrund darin, daß vor allem bei den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben eine ungerechte Überbesteuerung darin zu erblicken ist, daß die Freibeträge und die Abzugsfähigkeit für Sonderausgaben und Werbungskosten, wie sie bei selbständigen Familienmitgliedern in der gewerblichen Wirtschaft möglich sind, bei den mithelfenden Familienmitgliedern in der Landwirtschaft weitgehend nicht zugestanden werden. Die Freibeträge, die einem Sohn, der auswärts arbeitet, zugute kommen, werden in der Landwirtschaft nicht zur Auswirkung kommen, wenn nur ein Freibetrag von 1000 DM für den gesamten Betrieb, in dem möglicherweise drei oder vier Familienmitglieder tätig sind, zugebilligt wird. Wir haben jetzt die merkwürdige Erscheinung, daß der Bauer A. seinen Sohn deshalb beim Bauern B. und der Bauer B. seinen Sohn beim Bauern A. beschäftigt, um auf diese Art und Weise einen entsprechenden Freibetrag zu erhalten. Daß derartige Zustände ungesund, aber auch ungerecht sind gegenüber den Bestimmungen über die Lohnsteuerpflichtigen, liegt auf der Hand.
Mit Art. III unseres Entwurfs wollen wir erreichen, daß endlich mit der Forderung auf Gleichberechtigung der Geschlechter ernst gemacht wird. Bisher ist es so, daß nach § 26 des Einkommensteuergesetzes das Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit einer Ehefrau bei der Zusammenveranlagung mit dem Ehemann, der einen selbständigen Betrieb hat, ausschaltet, nicht dagegen im umgekehrten Falle, daß die Ehefrau einen Gewerbebetrieb hat und der Mann irgendwo Angestellter ist. In diesem Falle wird, obwohl er doch vollkommen gleich wie der erste Fall liegt, trotzdem die Zusammenveranlagung durchgeführt. Ich glaube, hier liegt ein ganz eklatanter Verstoß gegen das Grundgesetz vor, so daß diese Bestimmung schleunigst beseitigt werden sollte. Das ist der Grund, warum wir unseren Antrag unter Art. III gestellt haben.
Ich bitte Sie, diese Anträge möglichst umgehend dem Finanzausschuß zu überweisen. Wir werden dann in der Lage sein, sie noch rechtzeitig vor Weihnachten durchzuberaten und hier im Plenum zur Annahme zu bringen.