Meine Damen! Meine Herren! Angesichts der von niemand zu bestreitenden ungeheuren Notlage in den Kreisen der Wohlfahrtsunterstützungsempfänger, der Bezieher von Leistungen aus der Sozialversicherung, der Unfallversicherungsgesetzgebung, der Kriegsopferversorgung und der Bezieher von Arbeitslosenunterstützung, angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung — gedeckt durch die Koalitionsparteien — bisher auf dem Gebiet vollkommen versagt hat, angesichts der Tatsache, daß sich die Länder und die Kommunen ebenfalls außerstande erklären, etwas Durchgreifendes zu tun, angesichts auch der unverkennbaren Erhöhung der gesamten Lebenshaltungskosten und der noch ständig steigenden Preise haben wir es für notwendig erachtet, einige Anträge einzubringen, die geeignet sind, diese Not zwar nicht zu beseitigen, aber wenigstens in etwa zu lindern.
Unsere Anträge gehen im einzelnen darauf hinaus: Wir erachten eine Erhöhung der kommunalen Fürsorgesätze, der Wohlfahrtsrichtsätze um 30 vom Hundert, die Gewährung einer einmaligen Winterbeihilfe in Höhe von 75 DM aus Bundesmitteln für die Bezieher von Renten aus der Invaliden- und Angestelltenversicherung, der Unfallversicherungsgesetzgebung und für die Empfänger von kommunalen Wohlfahrtsunterstützungen für absolut notwendig, soweit die Bezüge des genannten Personenkreises den Betrag von 100 DM im Monat nicht übersteigen. Wir halten darüber hinaus die Gewährung einer einmaligen Winterbeihilfe in Höhe von 200 DM zur Beschaffung von Hausbrand, von Winterkartoffeln und zur Ergänzung der Winterbekleidung für alle Hauptunterstützungsempfänger aus der Arbeitslosenversicherung für dringend notwendig.
Wir fordern darüber hinaus eine Senkung der Preise für Strom und Gas, also der Tarife, die in den Gemeinden auf Veranlassung des Herrn Erhard, als er noch im Wirtschaftsrat die entscheidende Persönlichkeit war, erhöht worden sind.
Die Erhöhung der kommunalen Fürsorgerichtsätze für die rund 2,5 Millionen Hauptunterstützungsempfänger und Unterhaltshilfeempfänger, also für die Familienvorstände, für einen Gesamtpersonenkreis von schätzungsweise insgesamt 7. Millionen Menschen im Bundesgebiet, wurde noch kürzlich von den Wohlfahrtsspitzenverbänden, vom Deutschen Gewerkschaftsbund, vom Hauptamt für Soforthilfe, vom Sozialpolitischen Ausschuß des Deutschen Städtetages als nicht länger aufschiebbar bezeichnet.
Wir haben darüber hinaus den Antrag gestellt, daß die Steuerfreigrenze für Weihnachtsgratifikationen auf 300 DM heraufgesetzt werden soll. Wir sind der Auffassung, daß die Hungerlöhne und Hungergehälter, über deren erbärmlichen Stand ja noch in der vorigen Woche bei der Beratung des Etats hier sehr klare Worte gesprochen worden sind, ohne daß das zu Beschlüssen geführt hätte, daß also diese elenden Bezüge es rechtfertigen, die Erhöhung der Freigrenze für die Weihnachtsgratifikationen in dem von uns geforderten Maße zu verlangen. Wir möchten bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß wir nicht wieder das Theater erleben möchten, das im vorigen Jahre von der Regierung gespielt wurde, als hier die Erhöhung der Freigrenze für Weihnachtsgratifikationen auf 300 DM einstimmig beschlossen worden war.
Bedauerlicherweise wurden die von der kommunistischen Fraktion des Bundestages im Sommer dieses Jahres geforderten Verbesserungen der Leistungen der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitslosenfürsorge und der Unterhaltshilfe aus der Soforthilfe abgelehnt. Wir glauben, daß die Regierung verpflichtet ist, diese unsere Forderungen zu realisieren, die zudem den Forderungen des DGB entsprechen, wie er sie im Sommer dieses Jahres bekanntgegeben hat.
Wir sind auch nicht gewillt, die Replik der Regierung hinzunehmen, die ja unbedingt kommen wird, daß sie aus finanziellen Gründen, mangels Einnahmen, außerstande sei, diese durch unsere Anträge entstehenden Ausgaben zu finanzieren. Wir haben einen Deckungsvorschlag gemacht. Wir haben der Regierung vorgeschlagen: Wegsteuerung überhöhter Gewinne der Großindustrie und die Verwendung dieser Mittel für soziale Leistungen. Wir haben dabei aus der Bilanz der Firma Opel ein Beispiel aufgeführt. In dieser Bilanz wird ein absoluter Gewinn von 60 Millionen DM nachgewiesen, der sich folgendermaßen verteilt: Ausgewiesener Gewinn 30 Millionen DM; Gewinn, der als stille Reserve in erhöhte Abschreibungen geflossen ist, 20 Millionen DM und Rückstellung gelenkter Gewinne 10 Millionen DM. Das ist nur ein Beispiel, welche Folgen die von dieser Regierung und der hinter ihr stehenden Koalition betriebene soziale Marktwirtschaft für das Unternehmertum gezeitigt hat. Wir sind der Meinung, daß es höchste Zeit ist, das Unternehmertum von diesen Übergewinnen zu befreien und diese Gewinne dazu zu benutzen, die große Notlage unseres Volkes in etwa zu lindern. Wir sind auch der Auffassung, daß Regierungsmänner und Parteiführer, die nach einer Verstärkung der Besatzungstruppen geradezu schreien, die dann logischerweise auch gewillt sein müssen, die erhöhten Besatzungskosten zu bezahlen, die gewillt sind, der Forderung der Amerikaner stattzugeben, die uns gesagt haben, daß ein Zehntel des westdeutschen Sozialprodukts etwa der Betrag sei, den wir wohl — zur Sicherung ihrer amerikanischen Profitinteressen — aufbringen
könnten, daß diese Kräfte also einmal überlegen sollten, ob es nicht im Sinne ihrer „christlichen" Politik und im Sinne der Aufrechterhaltung ihrer eigenen Herrschaft richtiger ist, soziale Leistungen zu gewähren. Mit Kanonen macht man das Volk zwar auch still, aber man beseitigt nicht seinen Hunger.
— Ich habe schon klügere Zurufe von Ihnen gehört! — Ich bin der Auffassung, daß dem Volk klar werden muß, daß diese Regierungskoalition und diese Regierung, die zur Abwehr einer angeblichen Bedrohung, die gar nicht existiert, neue Milliarden herzugeben bereit ist, abzutreten hat.
— Ja, Korea hat stattgefunden! Die amerikanischen Gangster haben Korea verschuldet
— ein Vertreter Ihrer Fraktion hat ja heute früh von den Gangstern gesprochen —, die amerikanischen Gangster tragen die Schuld am Korea-Krieg.
Wir sind also der Auffassung, daß in Westdeutschland eine soziale Politik gemacht werden sollte. Dabei fällt mir — um das zum Schluß zu erwähnen — der lapidare Satz in der Regierungserklärung unseres Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer ein: „so sozial wie irgend möglich."
Realisieren Sie das Wort: „so sozial wie irgend möglich", und ersparen Sie dem deutschen Volke das Verbrechen einer Wiederaufrüstung, die in einem Krieg enden muß und wird!