Rede von
Friedrich
Funk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Ihnen allen bekannt, daß in einzelnen Ländern bereits Jagdgesetze geschaffen worden sind. Am 11. August dieses Jahres hat die US-Hochkommission die Jagdverordnungen Nr. 5 und Nr. 6 erlassen. In Art. 1 der Jagdverordnung Nr. 5, die für amerikanische Besatzungsangehörige gilt, ist zu lesen, daß Besatzungsangehörige auf allem Grund und Boden ohne Rücksicht auf Eigentums-, Pacht- oder sonstige Rechte jagen dürfen Wie ist die Prozedur dabei? Der betreffende amerikanische Besatzungsangehörige wendet sich an den hierfür zuständigen Offizier und sucht um eine Jagderlaubnis nach. Diese wird ihm in der Regel erteilt. Daß der Besatzungsangehörige kein Interesse daran hat, eine Jagd zu hegen und zu pflegen, ist für uns verständlich. In der Praxis kann festgestellt werden, daß da, wo amerikanische Besatzungsangehörige öfter auf einer Jagd erscheinen, in verhältnismäßig kurzer Zeit nur noch sehr wenig Wild da ist. Das Wild nimmt ab. Hasen und Rehe nehmen ab. Eine Wildart nimmt aber nicht ab; das sind die Wildschweine, weil sie besonders schwer zu schießen sind.
Die Abschußquoten für Besatzungsangehörige sind wesentlich höher als die der einheimischen Jäger. Wenn man sich noch überlegt, daß der Besitzer oder Pächter einer deutschen Jagd Pachtgeld zahlen muß, daß er in der Regel kein Gewehr hat und das Wild von den Besatzungstruppen abgeschossen wird, die das Fleisch gewissermaßen als Jagdbeute mitnehmen, dann kann man verstehen, welch tiefe Erbitterung diese Verordnung bei der deutschen Jägerschaft ausgelöst hat.
Die Verordnung Nr. 6 regelt die Jagdausübung für Zivilisten. Besitzer oder Pächter einer deutschen Jagd müssen, falls sie nicht vor ein amerikanisches Militärgericht kommen wollen, bei dem zuständigen amerikanischen Offizier melden, daß sie in einer gewissen Frist - in der Regel sind es fünf Tage - schießen wollen. Hat der deutsche Jäger in dieser Frist das angegebene Wild nicht geschossen, dann verfällt die Schießerlaubnis. Das Bedauerliche dabei ist, daß zu einem sehr hohen Prozentsatz die deutschen Jäger auch dazu nicht in der Lage sind, weil sie keine Gewehre haben. Seit einem Jahr wartet die deutsche Jägerschaft darauf, mit 250 000 Gewehren ausgerüstet zu werden. Sie wartet heute noch umsonst. Ich habe vorhin erst von einem Mitglied dieses Hauses erfahren, daß es seit einem Jahr mit Waffenbezugsschein ausgerüstet ist, daß es ihm aber nicht möglich war, ein Gewehr zu erhalten.
Meine Damen und Herren! Wenn ich hier darüber Klage führe, daß soviel geschossen wird, muß ich doch bei der Wahrheit bleiben. Ich muß auch zugestehen, daß es Jagden gibt, in denen über derartige Zustände nicht geklagt wird, die Jagden nämlich, die man mit dem Jeep nicht erreichen kann, bei denen es notwendig ist, sich vorher einige Stunden lang bergsteigerisch zu betätigen.
Seit fünf Jahren warten die Land- und Forstwirtschaft, die Gemeinden und die Jägerschaft darauf, endlich zu ihrem guten Recht zu kommen. In meiner engeren Heimat in Bayern beträgt der Jagdzinsausfall jährlich 5 Millionen DM. Man schätzt den Schaden, der durch das mitgenommene Fleisch entsteht, vorsichtig auf 2 Millionen DM.
Nach Erlaß dieser beiden Verordnungen aber kann man nichts anderes sagen, als daß sie ein Diktat bedeuten. Diese beiden Verordnungen verstoßen, wie schon erwähnt, nicht nur gegen das Bonner Grundgesetz, gegen die Verfassungen der einzelnen Länder und gegen die von den Amerikanern bereits anerkannten deutschen Jagdgesetze. Sie verstoßen ebenso gegen die Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907, die schließlich von den Vereinigten Staaten auch unterschrieben worden ist. Es ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, den Deutschen weiterhin die Jagdhoheit vorzuenthalten. Das ist aber weiterhin der Fall, wenn nicht deutsche Gesetze und Behörden, sondern amerikanische Verordnungen dem deutschen Jäger vorschreiben, ob, wann und wie er seine Jagd ausüben darf.
Meine Damen und Herren! Wir befinden uns zur Zeit in der Entwicklung auf ein gemeinsames
Europa hin. Wir wissen, daß wir, um zu diesem Ziel zu kommen, manches Zugeständnis werden machen müssen. Dieses Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn man uns Gleichberechtigung gewährt. Was man den' Deutschen auf diesem Gebiete und mit diesen Verordnungen gebracht hat, kann jedoch als nichts anderes bezeichnet werden als eine ungeheuerliche Zumutung.