Rede von
Dr.
Franz
Ott
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Plos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (Plos)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Remilitarisierungsdebatte hörte ich den schönen Satz: „Wenn ein Volk Opfer für Freiheit und Recht bringen soll, muß es zunächst einmal die Freiheit und das Recht besitzen." Dieser Feststellung kann wohl jeder Mensch seine Zustimmung geben. Wer sich daher noch ein Gefühl für Recht und Gerechtigkeit bewahrt hat, der ist entsetzt über die Jagd- und Fischereiordnung für Besatzungsangehörige des Hohen Kommissars der USA, die nach Art. 1 den Besatzungsangehörigen „nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Verordnung und der zu ihr erlassenen Durchführungsverordnung" gestattet, auf allen Grund und Boden und in sämtlichen Gewässern der amerikanischen Besatzungszone ohne Rücksicht auf Eigentum, Pacht oder sonstiges Recht an Grund
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und Boden und Gewässern Wild zu jagen und zu fischen. Es heißt dann weiter:
Sofern nicht nachstehend ausdrücklich etwas anderes vorgeschrieben ist, sind die Vorschriften des deutschen Jagd- und Fischereirechtes nicht auf Besatzungsangehörige anzuwenden.
Alles das muß jeder rechtlich denkende Mensch ablehnen.
Diese Jagdverordnungen Nr. 5 und 6 bringen zwar den deutschen Jägern der US-Zone die schon längst in Aussicht gestellte Jagdausübung, aber leider mit dem bitteren rechtswidrigen Beigeschmack, daß den Besatzungsangehörigen in der gesamten US-Zone ohne Rücksicht auf Eigentum, Pacht- oder sonstige Rechte an Grund und Boden gestattet wird, bei Staatsjagden 80 %, bei Privatjagden 40 % vom Gesamtabschuß abzuschießen, wobei sie 50 % des in den Privatjagden und sämtliches in den Staatsjagden erlegte Wild ohne jede Entschädigung sich aneignen können.
Den deutschen Jägern dagegen wird nach der Verordnung Nr. 6 zugemutet, fur den Abschuß von Schalenwild, Reh-, Rot-, Gams- und Schwarzwild jedesmal eine Genehmigung des amerikanischen Hochkommissars einzuholen, die noch dazu nur 5 Tage gilt. Daß die deutschen Jäger noch dazu unter amerikanische Gerichtsbarkeit gestellt werden sollen, ist ein Hohn im wahrsten Sinne des Wortes.
Es sei vor diesem Hohen Hause und vor aller Welt festgestellt, daß erstens diese Verordnungen gegen internationales und deutsches Recht verstoßen. Die Haager Landkriegsordnung vom 18. 10. 1907, die auch von den USA unterzeichnet wurde, besagt in den Artikeln 43, 46 und 51, daß das Privateigentum, die Ehre, die Rechte der Familie, das Leben der Bürger usw. nicht angetastet und nicht verletzt werden dürfen. Zweitens verstoßen diese Verordnungen gegen das von der US-Hochkommission genehmigte Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, und zwar gegen Art. 14. Drittens verstoßen diese Verordnungen gegen die Landesgesetze, die ebenfalls von den Besatzungsmächten gebilligt wurden. Viertens verstoßen sie gegen alle Grundsätze der Demokratie, in der gleiches Recht für alle gilt. Schließlich verstoßen sie gegen jede waidmännische Gepflogenheit und gegen jedes waidmännische Gefühl.
Kann ein Amerikaner in einen Bauernhof gehen und dort ein Schwein oder eine Kuh oder sonst irgendein Tier totschießen? Wäre das nicht Raub im wahrsten Sinne des Wortes? Genau das gleiche gilt für das Jagd- und Fischereiwesen, gleichgültig, ob es sich um Eigentum oder Pacht handelt. Kann man also dem deutschen Jäger zumuten, daß er Steuern und Pachtgelder unter diesen rechtswidrigen Umständen zahlen soll?
Solche Verordnungen tragen niemals zur Verständigung der Nationen bei; denn hier wird das Recht als solches verletzt. Ich darf deshalb das Hohe Haus bitten, meinem Antrag zuzustimmen, der wie folgt lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten für Deutschland zu veranlassen, die Verordnung Nr. 5 vom 11. August 1950 betreffend Jagd- und Fischereiordnung für Besatzungsangehörige — insbesondere Art. 1 — einer Revision zum Schutze des Eigentumsbegriffs zu unterziehen.