Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Ich darf annehmen, daß eine sofortige Besprechung gewünscht wird. Ich darf mich vergewissern, ob das 50 Abgeordnete wünschen. Ich bitte Sie, mir ein Handzeichen zu geben. — Wünschen 50 Abgeordnete die sofortige Besprechung dieser Interpellation? Ich bitte um ein Handzeichen, wer dafür ist. — Bis jetzt vermag ich beim besten Willen keine 50 Stimmen festzustellen.
— Ja, meine Damen und Herren, ich bin zu meinem Bedauern an die Geschäftsordnung gebunden. Ich möchte auch den Damen und Herren, die die Fragestellung vielleicht noch nicht verstanden haben, Gelegenheit geben, mich zu verstehen. Ich wiederhole die Frage: Wünschen 50 Abgeordnete dieses Hauses die sofortige Besprechung der Interpellation? Die Damen und Herren, die das wünschen, bitte ich, die Hand zu erheben. — Es sind keine 50 Abgeordnete. Damit wird eine Besprechung nicht gewünscht. Dann ist der Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf die Punkte 3 a und 3 b der Tagesordnung:
3 a) Beratung der Interpellation der Fraktionen der BP, des Zentrums und der WAV betreffend die neuen Jagdverordnungen des US-Hochkommissars ,
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen betreffend Jagd- und Fischereiordnung für Besatzungsangehörige .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Einbringung der Interpellation zu Punkt 3 a) 15 Minuten, für die Begründung des Antrages unter Punkt 3 b) 10 Minuten und für die gemeinsame Aussprache 60 Minuten vor. — Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Zur Begründung der Interpellation erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Etzel. 15 Minuten!
Dr. Etzel (BP), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vergangenen fünf Jahre waren für jedes redliche deutsche Jägerherz eine Periode grimmigen Leides, für das Wild, das Haar- und Feder-, das Nieder- und Hochwild eine Epoche rücksichtsloser Ausrottung, für den deutschen Haushalt eine Zeit des schmerzlichen Verzichts auf Wildbret, für die Gläubigen des Prin-
zips der Unverbrüchlichkeit des Rechts der permanente Anlaß tiefster Enttäuschung. Besonders kraß lagen die Verhältnisse in der US-Zone. Jeder Amerikaner konnte und kann in den Jagdrevieren der Zone jagen, wann und wo er will. Auf dem Gebiete der Jagd gab und gibt es für ihn weder Eigentum noch Pacht, weder Recht noch Rücksicht. Wenn Deutsche jagen wollten, mußten sie von Amerikanern eingeladen sein.
Es war die hohe Zeit der Wilddiebe, die mit Schlingen und Fallen arbeiteten, aber auch mit Gewehren jagten, die sie versteckt hielten, oder mit Waffen, die aus der russischen Zone, aus Belgien und Frankreich eingeschmuggelt wurden, und es war in jeglicher Hinsicht eine Zeit der Hausse für die Wildschweine. Die waidgerechte Ausübung der Jagd hörte ebenso auf, wie die waidgerechte Hege verfiel. Der Wildbestand ist in einer in der geschichtlichen Zeit der Deutschen nie erhörten Weise dezimiert worden. In vielen Revieren sind ganze Kategorien von Wild überhaupt ausgerottet worden. Sogar die Hasen fehlen, nur die Hasenfüße sind uns geblieben. Was heute an Wildbret auf den Markt kommt, stammt in der Hauptsache aus Jugoslawien, Ungarn, Dänemark und Holland.
Durch die am 26. August dieses Jahres verkündeten amerikanischen Jagdverordnungen vom 11. August, nämlich die Nr. 5, die Jagd- und Fischereiordnung für Besatzungsangehörige, und die Nr. 6, die Jagd- und Fischereiordnung für Personen, die nicht Besatzungsangehörige sind, denen eine ähnliche Regelung in der britischen Zone bereits ein Jahr früher vorausgegangen war, ist endlich auch den deutschen Jägern ,der US-Zone die seit langem in Aussicht gestellte Jagdausübung wieder gestattet worden.
Nach der Verordnung Nr. 5 ist aber den amerikanischen Jägern die Jagdausübung in der gesamten US-Zone ohne Rücksicht auf Eigentum, Pacht und sonstige Rechte an Grund und Boden erlaubt. Sie gibt den Besatzungsangehörigen in den Staatsjagden 80 %, in den Privatrevieren 40 % des Gesamtabschusses frei. Sie räumt ihnen das Recht ein, 50 % des in den Privatjagden erlegten Wildes und das gesamte in den Staatsjagden erlegte Wild ohne Entschädigung mitzunehmen. Sie erlaubt ihnen die Jagd auf Niederwild ohne jede Rücksicht auf das deutsche Reviersystem.
Die Verordnung Nr. 6 mutet den deutschen Jägern für den Abschuß von Schalenwild, d. h. von Reh-, Rot-, Gems- und Schwarzwild zu, jedesmal eine Genehmigung der amerikanischen Jagdbehörde des Resident Officer einzuholen, die noch dazu nur fünf Tage gilt. Dieser jeweils kurzfristigen Lizenz bedarf er auch, wenn er im eigenen Revier die Plage der Wildsäue bekämpfen will. Die Verordnungen sind eine bedauerliche Äußerung des leider immer noch waltenden Geistes der Politik von Casablanca und Ottawa.
Unverbesserliche Optimisten glauben, sich auf Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung von 1907, auf die von der Besatzungsmacht genehmigten deutschen Länderverfassungen und auf sonstige deutsche Rechtsvorschriften berufen zu können. Auch einige Interpellanten zählen zu ihnen. Mit welchen Hoffnungen haben sie im vorigen Jahr die Ankündigungen des US-Hochkommissars McCloy vom 9. Juli über seine Deutschland-Politik begrüßt! Sie glaubten, von a nach o, von McClay zu McCloy, vom Anfang zum Ende des Besatzungsregimes zu gelangen. Wie aber sieht die Wirklichkeit aus? Im Angesicht der Freiheitsstatue im Hafen von NewYork haben drei Außenminister gezögert, uns auch nur eine halbe Freiheit zu gewähren. Es wird immer noch demontiert, entflochten und ausgeliefert. Soeben wird mitgeteilt, daß in absehbarer Zeit ein revidiertes Besatzungsstatut durch die Hohen Kommissare erlassen und verkündet werden wird, wenn auf deutscher Seite gewisse Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt seien. Und man vergißt nicht anzudeuten, daß es sich nicht um eine Art Petersbergabkommen, sondern offenbar wiederum um ein einseitiges Dekret handeln wird. Die bisherigen Erfahrungen verbieten uns, optimistische Hoffnungen zu hegen und die Hüte in die Luft zu werfen, bevor Kirchweih ist.
Man will unseren Beitrag zur Verteidigung Rumpfeuropas, man wünscht uns als Mitstreiter in dem Bemühen um die Bewahrung des sogenannten abendländischen Ideengutes. Andererseits möchte man uns immer noch in einem politischen Status festhalten, den bitter zu kennzeichnen ich unterlasse, um dem Herrn Präsidenten keine Ungelegenheiten zu bereiten. Ich kann aber nicht darauf verzichten zu bemerken, daß ich eine solche politischpsychologische Grobmechanik nicht mehr begreife, daß ich sie für einen Anachronismus halte, daß es eher möglich ist, mit geometrischen Mitteln einen Kreis in ein Quadrat zu verwandeln und daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als daß eine solche Politik den erhofften Erfolg und die erwartete Wirkung haben könnte.
Immerhin soll in der vorliegenden Frage — und was ich ausgeführt habe, gilt für die Verordnungen, soweit sie sich auf die Fischerei beziehen, entsprechend — ein Versuch zur Güte gemacht und die rasche und gründliche Revision des geltenden Besatzungsjagdrechts erwirkt werden. Das ist die Absicht unserer Interpellation und der darin gestellten Fragen.
In diesem Zusammenhang darf ich die Bitte aussprechen, es möge die Bundesregierung bei der Alliierten Hochkommission nachdrücklichst dafür eintreten, daß die Genehmigung der Sportwaffenanordnung alsbald erfolgt, damit der deutsche Jäger nicht auf die für ihn schmähliche Verwendung von Frettchen und Fallgruben beschränkt bleibt, sondern wirklich waidgerecht jagen kann. Möge es der Bundesregierung in ihren Verhandlungen mit der Alliierten Hochkommission gelingen, dem deutschen Jäger, der deutschen Jagd und dem deutschen Wild eine wirkliche Habeas-Corpus-Akte zu erwirken!