Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation betrifft die Soforthilfeabgabe. Ich benütze die Gelegenheit, um über die Entwicklung des Aufkommens dieser Abgabe einige Bemerkungen vorauszuschicken. Das Aufkommen an allgemeiner Soforthilfeabgabe im Bundesgebiet betrug bis zum 31. März 1950 1040 Millionen DM, in der Zeit vom 1. April bis 30. September 1950 688 Millionen DM, im Oktober 1950 60 Millionen DM. Das bisherige Gesamtaufkommen im Bundesgebiet betrug also 1788 Millionen DM.
Das Aufkommen im ersten Halbjahr des Rechnungsjahres 1950/51 hat hiernach 66,2 % des Aufkommens im ganzen Rechnungsjahr 1949/50 betragen. Wenn das Aufkommen im zweiten Halbjahr des laufenden Rechnungsjahres ebensoviel betragen sollte wie das Aufkommen in seiner ersten Hälfte, würden wir somit zu einem Gesamtaufkommen in diesem Rechnungsjahr von 1377 Millionen DM gelangen, d. h. zu einem um 32 % größeren Aufkommen als im vorangegangenen Rechnungsjahr. Ich freue mich, von dieser günstigen Entwicklung des Aufkommens berichten zu können. Das Aufkommen kommt allein dem durch das Soforthilfegesetz betreuten Kreis von Kriegsgeschädigten aller Art zugute.
Die Gründe für die Verbesserung des Aufkommens liegen zum Teil darin, daß die Nachprüfungen der Finanzämter inzwischen weiter fortgeschritten sind; die Nachprüfungen werden demnächst abgeschlossen sein. Im übrigen ist die Steigerung des Aufkommens zweifellos auch darauf zurückzuführen, daß im laufenden Rechnungsjahr ein großer Teil der Rückstände des vorigen Jahres entrichtet worden ist. Die Rückstände betrugen am 31. März 1950 420 Millionen DM. Zu einer Abtragung der Rückstände haben sicherlich die inzwischen vollzogene Senkung der Einkommensteuer, ferner das Weiterauseinanderziehen der Zahlungstermine, die im ersten Rechnungsjahre auf sechs Monate zusammengedrängt waren, sowie der Fortfall der Soforthilfesonderabgabe beigetragen.
Nun zur Interpellation selbst. Sie zerfällt in zwei Teile. Die Frage, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß die Fortführung der Soforthilfeabgabe in vielen Teilen der Wirtschaft, der kleinen gewerblichen Wirtschaft und insbesondere der Landwirtschaft, zu ganz besonderen Härten führt, muß ich mit einem eindeutigen „Ja" beantworten.
Wir sehen diese Erfahrungen bestätigt aus einer Fülle täglich bei uns eingehender Eingaben aus diesen Kreisen. Sie lassen die schwere Notlage, zu der das gegenwärtige Maß der gesamten Vermögensbesteuerung neben den anderen Steuern hier führt, deutlich erkennen, oft in einer erschütternden Weise.
Die Soforthilfeabgabe beträgt grundsätzlich 3% des Vermögenswerts. Bei Vermögen bis zu 8000 DM wird ein Freibetrag von 3000 DM abgezogen. Der Freibetrag ermäßigt sich bei je 1000 DM Mehrvermögen um 1000 DM, so daß bei Vermögen über 10 000 DM kein Freibetrag mehr besteht. Für Wohngrundstücke, die zum Grundvermögen natürlicher Personen gehören, ist der Abgabesatz auf 2 °/o ermäßigt. Der Satz von 2 % gilt auch für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, wenn das ganze abgabepflichtige Vermögen den Betrag von 15 000 DM nicht übersteigt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Besteuerung bei der Soforthilfeabgabe das Rohvermögen zugrunde gelegt wird. Schulden werden also nicht abgezogen. Zu dieser Belastung durch die Soforthilfeabgabe tritt die durch die Ländervermögensteuer verursachte Belastung in Höhe von 0,75 %. Es ist meine aufrichtige Überzeugung, daß eine derartige Gesamtbelastung des Vermögens, zumal bei kleineren Vermögen, auf die Dauer untragbar ist. Ihre Aufrechterhaltung würde zu den schwersten wirtschaftlichen und politischen Erschütterungen führen. Ganz besonders gilt das für die kleine Landwirtschaft.
Wir haben aus dieser Erkenntnis bei der Aufstellung des Entwurfs eines Lastenausgleichsgesetzes die notwendigen Folgerungen gezogen. Die gesamte jährliche Vermögensbelastung, die durch dieses Gesetz den Steuerpflichtigen auf einen längeren Zeitraum auferlegt wird, muß nach unserer Ansicht niedriger sein als die gegenwärtige. Wir sind mit der Erkenntnis, daß die allgemeine jährliche Vermögensbelastung auf die Dauer zur Vermeidung schwerster Nachteile für die Wirtschaft und die Geschädigten selbst gesenkt werden muß, und der weiteren Erkenntnis, daß die jährliche Vermögensbelastung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Vermögensarten abgestuft werden muß, wie ich zu meiner Befriedigung feststellen kann, allseitig auf Verständnis gestoßen. Ich kann hier sogar vielleicht von einem Einverständnis sprechen, wieviele Meinungsverschiedenheiten auch im übrigen hinsichtlich der Gestaltung des Gesetzentwurfs über den endgültigen Lastenausgleich noch bestehen mögen.
Der Notlage, die vielfach durch die Regelung des Soforthilfegesetzes eingetreten ist, habe ich bereits im Rahmen der mir gegebenen Möglichkeiten Rechnung getragen. Das ist geschehen durch den Erlaß vom 2. Dezember 1949 betreffend Ermessensstundungen aus wirtschaftlichen Gründen sowie durch die drei Sondererlasse, die für die drei in Betracht kommenden Berufsgruppen — Gewerbe, Hausbesitz und Landwirtschaft — ergangen sind. Über beide Maßnahmen ist im Lastenausgleichsausschuß des Bundestages wiederholt eingehend beraten worden. Sie sind von allen Seiten gebilligt worden.
Der Erlaß vom 2. Dezember 1949 betreffs Ermessensstundungen aus Billigkeitsgründen regelt eine bis dahin offen gebliebene, aber immer dringender gewordene Frage: Wo liegt die untere Grenze der
Zumutbarkeit für die Entrichtung der Soforthilfeabgabe? Bei welchem Einkommen — nicht nach steuerrechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Begriffen — sollen die Finanzämter eine Stundung der Soforthilfeabgabe aus wirtschaftlichen Gründen bewilligen? Wir haben diese Einkommensgrenze auf 150 DM monatlich mit Zuschlägen von 30 DM für die Ehefrau und 25 DM für jeden vom Abgabepflichtigen unterhaltenen Angehörigen bemessen. Dabei konnten wir naturgemäß nur die Berufsgruppen berücksichtigen, bei denen die Einkünfte nach allgemeingültigen Gesichtspunkten feststellbar sind und in ihrer Höhe einigermaßen feststehen. Auf Gewerbetreibende und Landwirte ist die im Erlaß getroffene Regelung nicht ohne weiteres zahlenmäßig anwendbar. Man denke z. B. bei den Gewerbetreibenden, deren Gewinn- und Verlustrechnung mit einem Verlust abschließt, an die häufigen Fälle, in denen der Abgabepflichtige erhebliche Entnahmen zur Lebensführung gemacht hat. Man muß auch bei der Land- und Forstwirtschaft gerechterweise berücksichtigen, daß ihr Einkommen in den weitaus meisten hier in Betracht kommenden Fällen nach Pauschsätzen ermittelt wird und sie einen großen Teil ihres Lebensbedarfs aus der eigenen Erzeugung deckt.
Die besonderen Verhältnisse der Gewerbetreibenden wie die der Landwirtschaft werden durch die vorhin erwähnten Sondererlasse berücksichtigt. Durch Fragebogen, die die Gesuchsteller auszufüllen haben, werden sie veranlaßt ihre derzeitige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dem Finanzamt klarzulegen. Das Finanzamt erhält damit alle Unterlagen, die es für die Entscheidung über Stundungsgesuche benötigt. Rückfragen werden dadurch im beiderseitigen Interesse vermieden. Es ist damit erreicht worden, daß denen eine Stundung zugute kommt, die sie benötigen, und sie denen versagt bleibt, von denen die Abgabe den Vorschriften des Gesetzes entsprechend gefordert werden muß.
Das sind die Möglichkeiten, die dem Bundesfinanzminister, der an das Gesetz gebunden ist, zur Berücksichtigung von Härten bei der Vollziehung des Gesetzes zur Verfügung stehen. Sie gelten selbstverständlich auch für die am 20. November von der Landwirtschaft zu entrichtende Rate, die deswegen in Höhe von 1/2 festgesetzt ist, weil die an sich am 20. August fällige Rate für die Landwirtschaft bekanntlich entfallen ist.
Damit habe ich zugleich die Frage beantwortet, die im zweiten Teil der Interpellation an die Bundesregierung gerichtet worden ist. Ich habe bestätigt, daß die Notlage der Landwirtschaft der Bundesregierung bekannt ist und von ihr voll gewürdigt wird und daß nach Auffassung der Bundesregierung die Belastung der Landwirtschaft mit der Soforthilfeabgabe auf die Dauer gesehen untragbar ist. Ich habe dabei hinzugefügt, welche Konsequenzen die Bundesregierung für die Gestaltung der endgültigen Regelung, d. h. des Entwurfs eines Lastenausgleichsgesetzes, aus dieser Erkenntnis gezogen hat. Wir haben den Bundestagsbeschluß vom 23. Juni 1950, durch den die Bundesregierung ersucht wird, die Finanzämter anzuweisen, bei Anwendung des Stundungserlasses für die Landwirtschaft vom 13. Februar 1950 der Beseitigung auftretender Härtefälle bei der Soforthilfeabgabe besondere Aufmerksamkeit zu schenken und von der Heranziehung von Sachverständigen bei der Bearbeitung von Stundungsanträgen aus der Landwirtschaft in weitgehendem Umfang Gebrauch zu machen, den Finanzministern der Länder und den Oberfinanzdirektionen selbstverständlich zur Beachtung mitgeteilt. Ich habe die Finanzminister der Länder und Oberfinanzdirektionen im Hinblick auf die hohe Belastung, die den Landwirten durch die Entrichtung einer Halbjahrsrate am 20. November bevorsteht, noch einmal an diesen Bundestagsbeschluß erinnert.
Mehr zu tun, steht, wie erwähnt, nicht in meiner Macht. Ich bin als Bundesfinanzminister an die bestehenden Gesetze gebunden. Ich kann nur mein Bestreben darauf richten, trotz der Schwierigkeiten der Sache und der Möglichkeiten, die sie für Meinungsverschiedenheiten bietet, so schnell wie möglich das endgültige Lastenausgleichsgesetz zu fördern, da ich von ihm einen billigen Ausgleich zwischen den Interessen der Geschädigten und der belasteten Wirtschaft und eine gerechte Verteilung der Lasten innerhalb der Wirtschaft erwarte.