Ich hatte an das Finanzamt Wolfratshausen ein Stundungsgesuch hinsichtlich der Soforthilfeabgabe gerichtet und dieses Gesuch bei einer persönlichen Vorladung erneuert. Der zuständige Herr Regierungsrat vom Finanzamt Wolfratshausen fand volles Verständnis für mein Vorbringen, bemerkte aber, ich müßte trotzdem bis zum 30. 3. 1950 200 DM von meiner Gesamtschuld in Höhe von 864 DM aufbringen und einzahlen. Da es mir aber unmöglich ist, diesen Betrag aufzubringen, erlaube ich mir, Sie zu bitten, höheren Ortes vorstellig zu werden und mir die Soforthilfe für ein Jahr aus folgenden Gründen zu erlassen:
Und jetzt sehen Sie, wie es in dem landwirtschaftlichen Betrieb innerlich wirklich aussieht.
Ich habe das elterliche Anwesen erst am 12. 4. 1949 übernommen mit einer Hypothekenschuld der Bayerischen Landeswirtschaftsbank, München, in Höhe von 13 000 DM, außerdem mit der Verpflichtung, an meine beiden Schwestern vom Elterngut den Betrag von 2400 DM und an meine Mutter 600 DM auszuzahlen, die ich laut Übergabevertrag im Jahre 1950 aufzubringen verpflichtet bin. Zudem stehen den Genannten 13 Tagwerk schlagbares Holz zu. Der übrige Wald ist zum Teil abgeholzt. Das weiter Übrige besteht aus jungem Baumbestand. Das Forstamt forderte bereits zur Anpflanzung auf, wofür ich mindestens 300 DM benötige. Außerdem ist bezüglich der Hofübergabe noch eine Schenkungssteuer in Höhe von 348 DM zu entrichten. Nun brauche ich aber noch 1500 DM für den notwendigsten Kunstdünger, Saatkartoffeln, Saatgetreide usw. Aus beiliegendem tierärztlichen Zeugnis geht weiterhin eindeutig hervor, in welcher Weise der Bazillus „Bang" in meinem Stall wütete, so daß ein Viertel meines Viehbestandes zu Verlust ge-
Bangen ist. Das Anwesen wurde am 12. Juli 1944 von einem Fliegerangriff getroffen, so daß noch ein ganz erheblicher Schaden am Gebäude sowie an Feld und Wald zu beheben ist. Von unseren sechs Kindern im Alter von 31/2 bis zu 19 Jahren ist unglücklicherweise ein Bub im Alter von 10 Jahren seit über 8 Jahren krank, wofür ich an Arzt- und Heilkosten jährlich einen Betrag von 300 bis 400 Mark aufbringen muß. Und schließlich haben unsere Kinder doch auch wirklich einmal ein Anrecht auf ein angemessenes Elterngut, wenn diese schon bis zu ihrer Verheiratung oder Selbständigmachung im elterlichen Betrieb schwere Arbeit leisten müssen.
Hier haben Sie einmal ein praktisches Beispiel, wie es bei einem übergebenen Bauernhof aussieht und welche Lasten auf einem solchen Bauernhof ruhen; und hier haben Sie ein Beispiel dafür, wie notwendig es ist, daß dieses rohe Gesetz der Soforthilfeabgabe, wie es Herr Bundesfinanzminister Schäffer selber bezeichnet hat, so bald wie möglich einem endgültigen gerechten Lastenausgleich Platz macht. Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat am 28. März dazu auch ausgeführt:
Ich habe es nie vermieden, in der Öffentlichkeit meine Überzeugung dahin auszusprechen, daß die Soforthilfeabgabe in der Form, wie sie heute erhoben wird, auf die Dauer nicht möglich ist und daß es unsere Aufgabe sein muß, diese Soforthilfeabgabe sobald wie menschenmöglich durch ein Gesetz zu ergänzen, das einen Dauerzustand und eine wirkliche Klärung der Verhältnisse der deutschen Volkswirtschaft und in dem Verhältnis von Abgabepflichtigen zu Empfangsberechtigten schafft, um nicht nur ein gefährliches Auseinandergleiten der Stimmung im deutschen Volk zu vermeiden, sondern insbesondere auch unserer Volkswirtschaft in einer Zeit, da sie mit letzter Kraft gegen Arbeitslosigkeit und derartige Erscheinungen kämpfen muß, die notwendige Klarheit darüber zu geben: Welches Vermögen ist überhaupt für mich, welches Vermögen für den Betrieb, welches Vermögen ist für das Wirtschaftsleben verfügbar?
Es wäre zu wünschen gewesen, daß dieser endgültige Lastenausgleich jetzt vor der nächstfälligen Soforthilfabgaberate am 20. November zustande gekommen wäre. Das ist leider nicht der Fall. Es handelt sich also um eine gerechte Regelung des Lastenausgleichs unter Berücksichtigung der kleingewerblichen und landwirtschaftlichen Verhältnisse. Ich habe das Beispiel gebracht: wenn ich einem Blut spende, dann bin ich bereit, das zu tun, wenn meine gesundheitlichen Verhältnisse das zulassen. Aber ich bin nicht bereit, die Blutspende soweit vornehmen zu lassen, daß ich selber dabei zugrunde gehe. Deshalb müssen hier die entsprechenden Grenzen gefunden werden. Landwirtschaftliches Vermögen ist etwas anderes als übriges Vermögen. Landwirtschaftliches Vermögen ist höchstens etwa mit dem Hausbesitz in Vergleich zu setzen. Die Tragfähigkeit der Landwirtschaft ist durch besondere Verhältnisse bestimmt; und ich würde empfehlen, daß auch von seiten der Fraktionen Rücksicht auf die Empfehlungen genommen wird, die der Arbeitsstab des Agrarausschusses des Bundesrats zum Lastenausgleich ausgearbeitet hat. Hier sind die besonderen Momente genau hervorgehoben, die bei der Landwirtschaft zu berücksichtigen sind:
Betriebsgröße und Struktur der Landwirtschaft lassen eine allgemeine Realabgabe der Landwirtschaft nicht zu. Eine Aufbringung der Lastenausgleichsleistungen ist daher der Landwirtschaft im wesentlichen nur aus dem Ertrag möglich. Die Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft wird durch folgende Momente beeintrachtigt: Ungünstiges Verhältnis von investiertem Kapital zum Umsatz, geringe Umlaufgeschwindigkeit des investierten Kapitals, Preisbindungen mit Rücksicht auf den sozialen Charakter der Agrarkreise, Abhängigkeit von nicht zu beeinflussenden Naturfaktoren; Investitionen stehen unter dem Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs. Die Soforthilfeabgabe hat die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft überschritten.
Wenn unser Volk draußen sehen würde, wie das Parlament hier eine wichtige Frage des Bauerntums durch dieses Verhalten behandelt, dann würde manches draußen auch noch anders beurteilt werden.
— Herr Kollege Kunze, das ist eine allgemeine Eigenschaft, daß die Aufmerksamkeit des Hauses, wenn landwirtschaftliche Probleme erörtert werden, wesentlich nachläßt.
Insbesondere ist es wichtig, daß bei der Frage der Behandlung der Belastung der Landwirtschaft die Frage des Verhältnisses zwischen Kapital, Umsatz und dem zu belastenden Vermögen eine Berücksichtigung erfährt.
Hier liegen ja Berechnungen vor, daß beispielsweise bei einem Einheitspreisgeschäft der Einheitswert jährlich 15mal umgesetzt wird, bei einem Warenhaus jährlich 12mal, beim Gewerbe jährlich durchschnittlich 6,5mal, in der Landwirtschaft durchschnittlich jährlich 0,75mal, in der Forstwirtschaft alle 8 Jahre einmal. Diese Betrachtung ergibt, daß ein Umsatz von 100 000 DM einem Einheitswert von 6666 DM beim Einheitspreisgeschäft entspricht, 8333 DM beim Warenhaus, 15 384 DM beim Gewerbe, 133 333 DM in der Landwirtschaft usw. Daraus ersehen Sie, daß das Verhältnis zwischen Sachvermögen und Umsatz im landwirtschaftlichen Betrieb derart ist, daß das Sachvermögen im Verhältnis zum Umsatz in der Landwirtschaft viel stärker ins Gewicht fällt, als es in den meisten übrigen Wirtschaftszweigen der Fall ist.
Ich habe hier noch andere Berechnungen von der sogenannten Opposition zu dem Bauernverband, von der Opposition des Herrn von Rohr, der ähnliche Berechnungen aufgestellt hat. Ich selbst habe Berechnungen machen lassen. Daraus ergibt sich, daß der Umsatz in Prozent des Rohvermögens beträgt beim Handwerk: Metzger 152 bis 204%, Bäcker 120 bis 127%, Schreiner 57 bis 86%, Schmied 88 bis 37 %, Maler 108 his 122 %, Friseur 93 bis 69 %; beim Einzelhandel: Kolonialwaren 116 bis 183 %, Butter, Eier, Käse 197 %, Milch 224 %. Beim Großhandel lauten die Prozentzahlen 288, 289, 142, 256, bei der Landwirtschaft 31, 26, bei verschiedenen Betrieben 23, 28, 53 und 30. Sie sehen daraus, wie notwendig es ist, auf die dadurch bedingten unterschiedlichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen.
Solange ich dazu berufen bin, die Interessen unseres Bauerntums mit zu vertreten, werde ich mir
erlauben, meinen eben geschilderten Standpunkt zu all diesen Fragen trotz aller Schwierigkeiten durchzusetzen zu versuchen. Denn was gerecht ist, ist gerecht, und die Gerechtigkeit muß allmählich zum Siege geführt werden.
Man kann hier nicht aus Schönheitsgründen, aus Rücksicht auf die ästhetische Gestaltung des Lastenausgleichs, aus Rücksicht darauf, daß alles gleichmäßig aussieht, eine Regelung treffen, sondern die Regelung muß den wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Ich wünsche auch, daß ich hier die Unterstützung der SPD bekomme. Denn sie hat in manchen Fragen des Bauerntums hier auch ein Ohr, und dieses geneigte Ohr möchte ich gern herüberneigen.
— Gut, um so besser. Dann kann man in das eine Ohr hineinsprechen und weiß, es geht nicht aus dem anderen hinaus, es bleibt drin.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Erlaß vom 2. Dezember betreffend Stundung der Soforthilfeabgabe wieder Anwendung finden und daß der Erlaß vom 13. Februar 1950 für die Landwirtschaft ebenfalls wieder in Kraft treten soll. Bei den Maßnahmen, die hier zu treffen sind, habe ich nun die Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister, diese Erlasse auf die neuen Verhältnisse umarbeiten zu lassen. Denn der Erlaß des Bundesfinanzministers vom 2. Dezember bedarf angesichts der veränderten Lebensverhältnisse — die Kosten für die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts sind gestiegen — einer Umarbeitung, es bedarf einer Erhöhung der Sätze, damit Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Außerdem hat ja der Bundestag dankenswerterweise auf Grund meines Antrags seinerzeit beschlossen:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Finanzämter anzuweisen, bei Anwendung des Stundungserlasses für die Landwirtschaft vom 13. Februar 1950 nach dem Soforthilfegesetz der Beseitigung auftretender Härtefälle besondere Aufmerksamkeit zu schenken und von der Heranziehung von Sachverständigen bei der Bearbeitung von Stundungsanträgen aus der Landwirtschaft in weitem Umfange Gebrauch zu machen.
Ich hoffe, daß diesem Ersuchen vom Herrn Bundesfinanzminister angesichts der jetzt entstandenen Schwierigkeiten Rechnung getragen wird. Die Schwierigkeiten waren schon bei der Februar- und Mai-Rate der Soforthilfeabgabe außerordentlich groß, besonders beim Kleingewerbe und bei der Landwirtschaft; sie sind jetzt noch erhöht — besonders bei der Landwirtschaft —, weil jetzt der halbe Jahresbetrag fällig wird, und zwar nach den rohen Sätzen, wie sie die Soforthilfeabgabe kennt. Hier muß meines Erachtens eine Überleitung geschaffen werden. Deswegen wird in der Interpellation gefragt, ob der Herr Finanzminister bereit ist, sich dafür einzusetzen, daß Stundungen über ein Viertel dieses Jahresbetrages hinaus gewährt werden, daß hier gewissermaßen am 20. November 1950 ein Viertel der Jahresleistung bei der Erhebung der Soforthilfeabgabe zugrunde gelegt und das übrige gestundet wird, bis der endgültige Lastenausgleich zustande gekommen ist. Denn das halte ich auch für gerecht. Alle unsere bisherigen Beratungen haben mindestens zu dem Ergebnis geführt, daß eine Entlastung der Landwirtschaft aus den Gründen, die ich angegeben habe, unbedingt eintreten muß, eine Entlastung im Verhältnis zu anderen Berufszweigen. Das kann meines Erachtens nur dadurch geschehen, daß hier eine solche Stundung Platz greift.
Zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich die Bitte, daß wir in der Frage des endgültigen Lastenausgleichs den wesentlichen Gesichtspunkten, nach denen hier eine Erleichterung geschaffen werden kann, zum Durchbruch verhelfen.
Ich darf noch auf eines hinweisen. Ich habe da so das Wort von der Naturalabgabe der Landwirtschaft gehört. Dies ist ein ganz gefährliches Wort und kann die Stimmung zwischen der einheimischen Bauernbevölkerung und den Ausgewiesenen, mit denen wir gut zusammenarbeiten wollen, unter gewissen Verhältnissen bedeutend verschärfen. Man soll hier den Arbeitsfrieden auf dem Lande unter allen Umständen erhalten. Glauben Sie mir, unsere Bauern sind sehr empfindlich, weil sie trotz aller Bemühungen heute nicht einmal die nötigen Arbeitskräfte für ihren eigenen Betrieb bekommen. Deswegen ist es notwendig, dafür zu sorgen, daß dieser Friede nicht gestört wird.
Dann soll man auch nicht so daherreden, als wenn wir hier recht viel Land zu verteilen hätten. Die Frage der Landabgabe ist eine Frage der Bodenreformgesetze. Die Frage des Lastenausgleichs ist eine davon zu unterscheidende. Beim Lastenausgleich muß darauf Rücksicht genommen werden, daß unser Bauerntum erhalten. werden kann, damit es lebensfähig bleibt. Es handelt sich hier vielfach um kleinbäuerliche und mittelbäuerliche Betriebe; Klein- und Kleinstbetriebe bis zu 2 Hektar haben wir in der Westzone 33 %, kleinbäuerliche Betriebe von 2 bis 5 Hektar 28 %, mittelbäuerliche Betriebe 33 %, großbäuerliche Betriebe 6,3 % und Großbetriebe — das sind Betriebe mit 100 Hektar und mehr — 0,1 %.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die europäische Agrarkonferenz hat sich mit Vertretern aller Staaten auf den Standpunkt gestellt, daß es ein dringendes Erfordernis ist, ein selbständiges, freies Bauerntum nicht bloß bei uns, sondern in ganz Europa zu erhalten. Das zu fördern und das zu pflegen, ist eine wichtige kulturelle, staatspolitische und wirtschaftliche Aufgabe. Wir haben bei der Koreakrise gesehen, wohin wir kommen, wenn wir selber nicht über genügend innere Reserven verfügen. Die Stärkung des Bauerntums ist eine unserer Hauptaufgaben, denen wir uns zuzuwenden haben. Deswegen darf die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung keine Unterbrechung erfahren. Man darf deshalb der Landwirtschaft nicht übermäßige Belastungen zumuten, sondern muß dafür sorgen, daß dem Landwirt auch noch das nötige Betriebskapital verbleibt, damit er seinen Betrieb fortschrittlich und rationell zugunsten des gesamten Volkes und der Ernährung auch unserer Bevölkerung betreiben kann.