Rede von
Dr.
Martin
Blank
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Darstellung, die der Herr Bundesfinanzminister uns gestern über die Finanzlage des Bundes gegeben hat, hat uns gezeigt, daß er trotz der steigenden Tendenz der dem Bunde in erster Linie obliegenden sozialen Aufwendungen und Leistungen die Hoffnung hat, daß der Bundeshaushalt am Ende des laufenden Jahres ausgeglichen sein wird. Wir haben vom Herrn Bundesfinanzminister erfahren, was alles geschehen ist, um den außerordentlich kritischen und technisch schwierigen Termin des 1. April dieses Jahres beim Über-
gang vieler Funktionen und Einnahmen auf den Bund glatt und geräuschlos zu überwinden, und wie sich nun allmählich zwischen Bund und Ländern auf diesem Gebiet eine Zusammenarbeit entwickelt, die ihn und uns erhoffen läßt, daß die Anwendung des ominösen Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes auch in Zukunft nicht notwendig sein wird.
Der Herr Bundesfinanzminister hat uns dargelegt, wie er bestrebt ist, zwischen Inflation und Deflation hindurchzukommen, weil sich beide Extreme letzten Endes gegen die deutsche Bevölkerung auswirken würden. Die Grundsätze, die er uns in allgemeiner Beziehung dargelegt hat, finden durchaus die Billigung meiner Freunde. Immerhin darf man anmerken, daß seit dem September vorigen Jahres, seit der Bund besteht, eine nicht unbeträchtliche Ausweitung und Aufblähung, wenn Sie wollen, Inflation unseres Geldumlauf es stattgefunden hat. Sie ist aber erfreulicherweise wesentlich durch die Ausdehnung der Warenerzeugung übertroffen worden, so daß in dieser Beziehung wohl für den Augenblick keine Besorgnisse gehegt zu werden brauchen.
Immerhin ist es nach unserer Meinung durchaus am Platze, zu prüfen, ob der Bundeshaushalt, so wie er vorliegt, tatsächlich als ausgeglichen angesehen werden kann. Es fällt uns schwer, diese Frage mit einem vorbehaltlosen Ja zu beantworten. Vielleicht hat das nicht einmal der Herr Bundesfinanzminister selbst getan. Ich gehe zwar nicht entfernt so weit, wie es der Vertreter der Zentrumsfraktion, Herr Dr. Bertram, glaubte tun zu müssen, der die Gefahr ungeheuerlicher schwarzer Milliardenfehlbeträge noch für dieses Haushaltsjahr an die Wand gemalt hat. Aber ich glaube schon, daß es einige Punkte gibt, die uns berechtigen, die I Dinge wenigstens einmal zu prüfen.
Der formale Ausgleich in Einnahmen und Ausgaben wird durch die Einsetzung eines Betrages von 300 Millionen herbeigeführt, die dem außerordentlichen Haushalt entnommen werden sollen. Es kommt also so, daß der Bund Schulden macht und das Ergebnis, den Erlös aus diesen Verpflichtungen, im Laufe des Haushaltsjahres mit verbraucht. Da nun dieser Summe von 300 Millionen auf der anderen Seite, ohne daß ein ursächlicher Zusammenhang besteht, 300 Millionen Lebensmittelsubventionen gegenüberstehen, so könnte man sagen, daß diese doch immerhin wesentliche Summe im Laufe des Haushaltsjahres verbraucht und verzehrt wird und daß dem Bund nachher nur noch übrig bleibt, die Schulden zurückzuzahlen. Es hat nach unserem Gefühl gewisse Bedenken, wenn sie auch vielleicht aus der Not der Situation zurückgestellt werden mußten, daß für diese Kredittransaktion 300 Millionen DM Gegenwertmittel stillgelegt werden müssen. Man tut das, um irgendwelchen inflationären Wirkungen vorzubeugen. Das ist vielleicht auch am Platze. Auf der anderen Seite ist natürlich festzustellen, daß diese Gegenwertmittel unserer in gewissen Bereichen doch auch heute noch stark kapitalbedürftigen Wirtschaft während der Laufzeit des Kredits fehlen werden.
Ich glaube, in diesem Zusammenhang zu den Subventionen ein Wort sagen zu sollen. Es entsteht so leicht der Eindruck, daß diese Subventionen, da sie ja für Lebensmittel gezahlt werden, unserer Landwirtschaft zufließen. Ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal betonen, daß mit Ausnahme der Summen, die der Verbilligung des Handelsdüngers dienen, diese Summen nicht etwa der deutschen Landwirtschaft zufließen, sondern im Gegenteil dazu verwendet werden müssen, diejenigen ausländischen Lebensmittel, die wir in unserer Lage einzuführen gezwungen sind, für den deutschen Konsumenten erschwinglich zu machen.
Ein anderer Punkt, auf den heute schon Bezug genommen ist, ist die Frage der Ablieferung von 174 Millionen DM, die der Bundesbahn obliegt. Wir wissen alle von der schwierigen Situation und der Unfähigkeit der Bundesbahn, diesen Betrag zu entrichten. Wir achten auf der anderen Seite die gestern vom Herrn Finanzminister erwähnte gesetzliche Verplichtung, solche Einnahmen - ich möchte lieber sagen, solche Forderungen —, die ihm gesetzlich zustehen, auch tatsächlich unter den Einnahmen seines Haushaltes auszubringen. Ich glaube aber, man müßte sich überlegen, ob es nicht richtig wäre, auch im Haushaltsplan für solche dubiosen oder, man möchte beinahe sagen: uneinbringlichen Forderungen irgendwo eine Rückstellung oder einen Gegenposten zu schaffen, damit nicht praktisch ein falsches Bild entsteht. Diese Zahlungsunfähigkeit der Bundesbahn dauert ja schon länger an. Ich verdanke es der „Übersicht über den Stand der Schuld der Bundesrepublik Deutschland" mit dem Datum vom 30. September dieses Jahres, wenn ich feststellen kann, daß der Herr Bundesfinanzminister gezwungen war, von den insgesamt rund 1,4 Milliarden schwebender Schulden, die er zu diesem Zeitpunkt hatte, immerhin 232,5 Millionen für die „Deckung der Minderablieferung der deutschen Bundesbahn" zu verwenden.
Schließlich — und das ist der dritte Punkt, den ich im Vordergrund sehe — sind im Augenblick auch noch rund 200 Millionen ungedeckt, die sich aus erhöhten Aufwendungen für Berlin und aus der Mehrbelastung des Bundes durch das Bundesversorgungsgesetz in der Form ergeben, wie es von diesem Hohen Hause mit großer Mehrheit verabschiedet worden ist. Ich möchte an dieser Stelle einschalten, daß meine Freunde und ich es auf das lebhafteste begrüßen, daß nun seitens des Bundes der Stadt Berlin umfassender geholfen wird als bisher. Wir haben das Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesregierung einerseits und dem Magistrat Berlin andererseits auf das lebhafteste begrüßt und hoffen nun, daß sich in diesen Beziehungen, die früher durch die ewigen Geldsorgen und Unsicherheiten von Monat zu Monat belastet waren, allmählich eine Beruhigung ergibt, die die schwergeprüfte Reichshauptstadt so dringend nötig hat.
Der Herr Bundesfinanzminister hat, wie Sie wissen, zur Deckung der noch fehlenden 200 Millionen neue Steuergesetzentwürfe eingebracht, die in manchen Kreisen erbittertem Widerstand begegnet sind. Das parlamentarische Schicksal dieser Gesetzentwürfe steht noch nicht fest, und wir müssen abwarten, wie das ausgehen wird. Fest steht nur, daß im Augenblick auch für diese Summe kein fester Ausgleich im Haushalt vorhanden ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern die Erwartung ausgesprochen, daß schließlich das Aufkommen an Steuern im Laufe des Haushaltsjahres die Vorschätzungen, die in Erwartung der Wirtschaftsentwicklung höher angesetzt waren, auch tatsächlich erreichen wird. Nachdem in den ersten Monaten in dieser Beziehung erhebliche Rückstände zu verzeichnen sind, möchte ich mir erlauben, darauf aufmerksam zu machen, daß wir wohl den Höhepunkt der wirtschaftlichen Aktivität im Laufe dieses Haushaltjahres im Augenblick tatsächlich überschritten haben und daß wir in den
kommenden Wintermonaten, in denen die wirtschaftliche Betätigung ohnehin zurückgeht, wohl nicht allzu viel aufholen werden, um so mehr, als ja, wie der Herr Bundesfinanzminister selbst betont hat, die dem Bund zustehenden Steuern, Umsatzsteuer und Verbrauchssteuern, in unmittelbarer Weise vom Gang der Geschäfte abhängig sind.
Ich glaubte, diese Vorbehalte vorbringen zu müssen gegenüber der Annahme von einem ausgeglichenen Haushalt. Ich bin der Meinung, daß es falsch wäre, sich etwa zu beruhigen und anzunehmen, man könne die Dinge für den weiteren Verlauf dieses Haushaltsjahres sich selbst überlassen. Meine Freunde und ich haben auch gewisse Vorbehalte gegenüber der Aufstellung und Aufmachung des außerordentlichen Haushaltsplanes. Wir glauben z. B., daß der Münzgewinn, der in diesem Haushaltjahr unter den ordentlichen Einnahmen erscheint, zweckmäßigerweise bei den außerordentlichen Einnahmen einzusetzen wäre, da ja keinerlei Aussicht besteht, daß sich das etwa in gleicher Weise laufend wiederholen kann. Wir erblicken jedenfalls in dem höchst willkommenen Anfall von 400 Millionen aus dem Münzgewinn einen mehr oder weniger einmaligen Vorgang.
Meine Freunde und ich glauben auch, daß die Subventionen, die einem länger gepflogenen Brauch entsprechend im ordentlichen Haushaltplan des Bundesministeriums für Ernährung ausgewiesen werden, zweckmäßigerweise im außerordentlichen Haushaltplan erscheinen sollten; das um so mehr, als ja nicht einmal sicher erscheint, ob es möglich, vielleicht sogar, ob es überhaupt notwendig sein wird, diese Subventionen im Laufe der nächsten Jahre aus ordentlichen Einnahmen zu finanzieren. Diese Subventionen belaufen sich im ganzen immerhin auf mehr als eine halbe Milliarde.
Gewisse Fachleute waren im übrigen der Meinung, es sei richtig, daß auch das ERP-Vermögen und die Bewegungen, die sich auf diesem Konto, wenn ich so sagen darf, ergeben, im außerordenlichen Haushalt erscheinen könnten. In diesem Sinne sind ja wohl auch die Beschlüsse des ERP-Ausschusses und des Ausschusses Geld und Kredit dieses Hauses grundsätzlich aufgefaßt worden. Die Bundesregierung hat hier einen etwas anderen Weg gewählt. Es ist ein Sondervermögen beim Einzelplan V des ERP-Ministeriums ausgewiesen. Ich kann die Lektüre gerade dieser Schrift besonders empfehlen. Das Ministerium erklärt sich auch ausdrücklich damit einverstanden, daß der vorgelegte Plan von der Regierung so aufgefaßt wird, daß er in der vom Bundestag zu beschließenden Form verbindlich sein soll.
Dann habe ich in aller Geschwindigkeit noch einen Vorschlag zu machen, der nicht mir persönlich, aber unseren Freunden aus der Arbeit des Haushaltsausschusses gekommen ist. Es handelt sich darum, daß wir, wie Herr Kollege Schoettle schon erwähnt hat, uns mit unserer Arbeit in einem hoffnungslosen Rückstand befinden; dieser Zustand muß möglichst schnell geändert werden. Wir möchten zu erwägen geben, ob es nicht denkbar wäre, den uns jetzt vorliegenden Haushaltsplan für das Haushaltjahr 1950/51 zunächst einmal in der gleichen Form auch für das Haushaltjahr 1951/52 zu verabschieden. Die Bundesregierung könnte aufgefordert werden, für dieses neue Jahr schon jetzt — ähnlich dem Gedanken, den Kollege Schoettle geäußert hat — einen Nachtragshaushalt vorzubereiten. Wir würden aber, wenn wir so vorgehen und tatsächlich — das wird sich ja erreichen lassen — vor dem 31. März nächsten Jahres mit dem Haushaltsplan für 1950/51 fertig sind, gleichzeitig auch ab 1. April einen beschlossenen Haushaltplan vorliegen haben, nach dem sich dann Regierung, Parlament, Wirtschaft und Bevölkerung richten können. Damit würden wir der schauerlichen Notwendigkeit der Vorwegbewilligungen, die uns immer wieder neue Schwierigkeiten macht und auch den Überblick allmählich völlig verloren gehen läßt, enthoben sein. Natürlich muß — das steht im Grundgesetz — für jedes einzelne Haushaltjahr auch ein Haushaltgesetz gemacht werden. Aber das halte ich demgegenüber für eine technische Frage. Dazu muß noch viel überlegt werden. Wenn wir es aber riskieren, diesen entschlossenen Schritt zu tun, dann haber wir, davon sind meine Freunde und ich überzeugt, wirklich etwas gewonnen, das allen nur helfen kann.