Rede:
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    Vokabeln: 12
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. November 1950 3639 100. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. November 1950. Gedenkworte des Präsidenten aus Anlaß der 100. Sitzung des Deutschen Bundestages 3639B Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3639C, 3688D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen) 3639C Bausch (CDU) 3639D Schoettle (SPD) 3646C Dr. Wellhausen (FDP) 3659B Dr. Bertram (Z) 3665B Dr. Krone (CDU) 3669B Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . 3670D Dr. Seelos (BP) 3672C Dr. Mühlenfeld (DP) 3675A Dr. Leuchtgens (DRP) 3678D Paul (Düsseldorf) (KPD) 3681A Brandt (SPD) 3684B Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3685C Wittmann (WAV) 3687B Nächste Sitzung 3688D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers unter lebhaftem Beifall auf allen Seiten des Hauses eröffnet.
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    Rede von Paul Bausch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Diese Maßstäbe sind uns von unserem Schöpfer gegeben. Wir müssen uns nur entschließen, diese Maßstäbe auch gegen uns selbst mit allen Konsequenzen und für alle Bezirke unseres Lebens gelten zu lassen. Was meinen Sie, was es für die Hitlerzeit bedeutet hätte, wenn unser Volk sich an die einfachen Maßstäbe „gut oder böse" gehalten hätte? Gut oder böse, Wahrheit oder Lüge, Selbstlosigkeit oder Egoismus, Sauberkeit oder Unsauberkeit, Liebe oder Haß; dies sind die für uns entscheidenden Maßstäbe, die, wie ich zu behaupten wage, das wichtigste politische Faktum für unsere Zeit darstellen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Die Frage ist nur, ob wir uns an ihnen orientieren und ob wir damit bei uns selbst anfangen wollen. Tun wir dies, so bedeutet das Änderung für jeden einzelnen von uns.
    Ich möchte hier einem großen Mißverständnis vorbeugen. Ich behaupte nicht, daß der Mensch mit der Orientierung an diesen großen Maßstäben, an diesen wichtigsten Wegweisern für unser Leben schon die politische Lösung, die Lösung für die politische Einzelfrage gefunden hätte. Um sie müssen wir uns nach wie vor schinden, mühen und plagen. Aber ich glaube, daß wir mit dieser Orientierung irgendwie in einen größeren Zusammenhang mit der Welt über uns und um uns hineingestellt sind, der uns vor dem Verirren bewahrt. Ich glaube, daß durch die Ordnung unserer Beziehungen zu der Welt über uns und um uns die wichtigsten Voraussetzungen dafür geschaffen werden, ,daß überhaupt wieder echte politische Entscheidungen möglich sind.
    Ich sprach vorhin von der Notwendigkeit der Änderung. Viele haben bezweifelt, ob Menschen geändert werden können. Ich glaube, daß dies möglich ist, und ich glaube, 'daß dies auch für uns Deutsche möglich ist, was vielfach in der Welt bezweifelt wird. Wäre es nicht möglich, so gäbe es keine Zukunft und keine Hoffnung für uns.
    Denn die größten Schwierigkeiten in der Politik liegen nicht auf der technischen oder materiellen, sondern überwiegend auf der menschlichen Ebene. Die politischen Probleme sind menschliche Probleme!
    Das ist nun die Antwort, die ich auf die gestellte Schicksalsfrage geben möchte: Das schlagende Herz der Demokratie von morgen ist der geänderte und befriedete Mensch, der sich unter die Herrschaft jener höheren Macht über uns stellt, der sich an absolut gültigen sittlichen und moralischen Maßstäben orientiert, der bei sich selbst anfängt und der dadurch einen entscheidenden Beitrag für die Schaffung einer neuen Welt erbringt. Im Mittelpunkt einer erneuerten, wahrhaft inspirierten Demokratie, einer echten Renovatio, steht der Mensch, der nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist und sich zu diesem umgestalten läßt.
    Dieser Tage ist der Satz gesprochen worden: „Die soziale Gesundheit ist das Leben der Demokratie". Ich wage zu sagen: Die Änderung des Menschen ist das Leben und die Herzkammer der Demokratie, und aus der Änderung des Menschen ergibt sich die soziale Gesundheit. Wenn sich die Menschen ändern, dann ändern sich auch die Verhältnisse. Aus der persönlichen Änderung ergibt sich die soziale, die politische, die gesellschaftliche, die nationale und die internationale Änderung, die wir alle brauchen und die wir voll und ganz und uneingeschränkt bejahen.
    Die Antwort auf die totalitäre Ideologie des Ostens ist die Ideologie der Änderung. Wir müssen uns entscheiden, ob wir diese Antwort geben wollen. Diese Ideologie ist in ihren revolutionären Auswirkungen viel entscheidender als die Revolution des Ostens. Jene Revolution schafft Knechtschaft, Angst, Zwiespalt, Terror und Verzweiflung. Die neue Art zu leben, von der ich spreche, bringt Freiheit, Furchtlosigkeit, Zuversicht und Hoffnung. Sie verwandelt den Zwiespalt in Einheit. Dort wird alles erwartet von der Änderung der äußeren Verhältnisse. Der Mensch wird zum Heloten und zum Sklaven gemacht. Hier vollzieht sich die Revolution der Herzen. Der Mensch erhält den Wert, der ihm von Gottes und Rechts wegen zukommt. Aber aus der Revolution der Herzen kann sich auch eine Änderung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ergeben, die unabsehbar ist.
    Meine Damen und Herren, ich hoffe, Ihnen nicht versichern zu brauchen, daß es sich hier um keine parteipolitische Angelegenheit, etwa um eine solche der CDU handelt. Dieses Rezept zur Umwandlung unserer gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse kann überall und von j e der m a n n angewandt werden. Es handelt sich hier um höchst reale und wichtige politische Dinge.

    (Abg. Frau Thiele: Ideologische Grundlage!)

    — Sie haben das ganz richtig erfaßt. Ich glaube, die Kommunisten haben am ehesten einen Sinn für ideologische Probleme. Sie haben es richtig erkannt: Es handelt sich um die Schaffung einer ideologischen Grundlage für die Zukunft der Menschheit überhaupt.

    (Bravo! bei der CDU. — Abg. Frau Thiele: Was hat das mit dem Haushalt zu tun?)

    Ich kann Ihnen sagen, daß die Umwälzung, von der ich spreche, nicht nur in unserem Lande, sondern auch bereits in vielen Ländern Europas und in der ganzen Welt im Gange ist. Ich habe mich


    (Bausch)

    davon auf mehreren Auslandsreisen überzeugen können. In den skandinavischen Ländern, in der Schweiz, in Holland und in vielen anderen Ländern dieses Erdteiles und der ganzen Welt ist diese Umwälzung im Gange. Auch in Asien. Führende Politiker vieler Länder haben diesen Weg beschritten. Wenn wir ihn auch in Deutschland beschreiten, so kann dies zu einer völligen Erneuerung unserer internationalen Beziehungen führen. Lassen Sie mich darüber noch ein Wort sagen.
    Heute stehen allüberall noch Berge von Mißtrauen gegen uns. Deutschland kann nach allem, was geschehen ist, nicht auf stolzem Rosse einherreiten und Forderungen an die übrige Welt stellen. Ein solches Deutschland wird nach meiner Beobachtung überall im Ausland abgelehnt. Ein solches Deutschland wird in Europa nicht. benötigt! Einem geänderten Deutschland aber stehen alle Türen in der ganzen Welt offen. Alles wartet im Ausland darauf, ob wir Deutsche uns ändern und ob es uns ,diesmal gelingen wird, eine gute Demokratie einzuführen und aufzubauen. Wenn wir Deutsche bereit sind, nicht von der Welt etwas zu fordern, sondern der Welt etwas zu geben, dann werden sich uns viele Türen öffnen.
    Es ist der besondere geschichtliche Auftrag Deutschlands, der Welt, der wir Deutsche so unerhört viel Unglück und Leid zugefügt haben, durch eine neue Lebensqualität einen Beitrag zu ihrem Wiederaufbau zu geben. Wir müssen es lernen, das Mißtrauen, das uns so vielfach entgegentritt, mit Vertrauen zu erwidern. Es ist eine entscheidende politische Frage, ob wir Deutsche fähig sind und die innere Kraft besitzen, das Böse, das uns in der Welt entgegentritt, durch das Gute zu überwinden. Wenn wir die Dinge anders sehen, wenn wir von der Welt etwas fordern oder erwarten, dann werden wir auch weiterhin von einer Enttäuschung zur anderen gehen.
    Was unsere Beziehungen zur Welt des Ostens anlangt, so möchte ich nur folgendes bemerken. Jedem Terror muß mit aller Entschlossenheit, auch unter Einsatz der staatlichen Machtmittel entgegengetreten werden. Den Versuchen der östlichen Machthaber, bei uns Furcht und Schrecken zu erzeugen, muß in völliger Furchtlosigkeit begegnet werden. Wenn Herr Ulbricht unlängst erklärt hat, die Führer der Bundesrepublik würden schneller vor einen Volksgerichtshof kommen, als sie es sich nur träumen ließen, dann muß ich sagen, daß das nicht den geringsten Eindruck auf uns macht.

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Abg. Paul [Düsseldorf]: Flugzeuge stehen bereit!)

    Den menschlichen Trägern dieser Ideologie des Ostens aber soll, das ist unsere Auffassung, nicht mit Haß begegnet werden. Das ist keine leere Phrase. Ich glaube, daß wir die Kommunisten für unsere Auffassung gewinnen müssen. Nach meiner Beobachtung der Entwicklung der Verhältnisse in
    Deutschland sind wir auf dem besten Wege dazu.

    (Lachen bei der KPD.)

    Im rheinisch-westfälischen Industriegebiet gibt es heute schon eine große Anzahl ehemals führender Kommunisten, die dieser verderblichen Ideologie abgesagt und diese Ideologie der Änderung bejaht haben.

    (Abg. Dr. Seelos: Sie waren in Caux! — Heiterkeit.)

    — Herr Kollege Seelos — — —

    (Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Seelos, daß Sie das eben erst bemerkten, wundert mich eigentlich.

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    Rede von Paul Bausch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sie haben es wirklich mit untrüglichem Scharfsinn herausgefunden. Ich war in Caux. Ich weiß, daß Caux ein Zentralplatz erster Ordnung für die Erneuerung der Welt ist. Seien wir dankbar dafür, daß es so etwas gibt!

    (Abg. Dr. Seelos: Aber nicht bei der Haushaltsdebatte! — Sehr gut! und Lachen rechts.)

    — Nicht bei der Haushaltsdebatte, Herr Kollege Seelos? Wann wollen wir eigentlich einmal über diese Frage debattieren, wenn nicht aus Anlaß einer solchen Generaldebatte? Wollen wir denn warten, bis die Welt wieder in Flammen steht, ehe wir uns über solche große ideologische Fragen unterhalten?

    (Abg. Dr. Seelos: Vorgestern und beim Europarat!)

    — Hier! Hier! Jetzt, wenn es sich um die Frage des Neuaufbaues des neuen Staates handelt, müssen wir uns über diese Fragen unterhalten.
    Ich weiß es, meine Herren von der Linken, es gibt sehr viele ehemals führende Kommunisten, die nichts mehr von Ihnen wissen wollen und die mit uns gehen. Ich bin mit einer ganzen Reihe von ihnen persönlich befreundet. Sie sind nicht mehr von Haß erfüllt. Sie haben etwas Besseres gefunden. Und darum geht es uns bei dieser ganzen Auseinandersetzung, daß Sie eines Tages merken: Wir sind auf dem falschen Wege, und hier, bei dieser Ideologie der Änderung ist der rechte Weg. Darum, diesen Weg zu finden, — darum geht es!
    Meine Damen und Herren! Auch für unsere nationalen Probleme bringt uns diese Revolution der Herzen, von der ich spreche, Lösungen auf allen Gebieten. Ich kann das jetzt nicht mehr im einzelnen hier darlegen. Ich will nur noch über ein besonders wichtiges Gebiet sprechen, von dessen Bedeutung wir alle erfüllt sind. Ich möchte darauf hinweisen, daß es heute schon in vielen Fabriken unseres Landes und ganz Europas ein Klima gibt, eine Atmosphäre gibt, die völlig verändert, völlig neu ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer arbeiten in einer ganz neuen Haltung miteinander. Im Industriegebiet von Nordrhein-Westfalen gibt es eine ganze Anzahl von Zechen, Gruben und Fabriken, in denen sich diese Änderung schon ausgewirkt hat. Ich lasse jetzt den Betriebsratsvorsitzenden eines der größten Bergwerke des Industriegebietes zu Ihnen sprechen. Ich war gestern abend mit ihm zusammen. Er hat folgendes öffentlich erklärt — wohlgemerkt, er ist der Betriebsratsvorsitzende eines Betriebes, in dem 25 000 Arbeiter beschäftigt sind —: „Innerhalb meines Betriebes wird heute demonstriert. wie man ohne Klassenkampf seine Probleme auf gleichberechtigter Basis lösen kann. Wenn bei uns im


    (Bausch)

    Ruhrgebiet im Augenblick der Kampf um die Mitbestimmung im Betriebe geht, so macht mir das bei unserem neuen Verhältnis zu unserer Betriebsführung gar keine großen Sorgen mehr.

    (Abg. Paul [Düsseldorf] : Den soll die Belegschaft zum Teufel jagen!)

    Was erst der staatliche Rahmen den anderen Betrieben bringen wird, werden wir weit mehr auch ohne den gesetzlichen Rahmen erreichen durch die Freiheit unserer Beziehungen zueinander. Darum sage ich auch als Arbeiter und als Sozialist zu dieser neuen Art zu leben ein uneingeschränktes Ja." Ich will damit gar nicht sagen, daß wir nicht ein Gesetz über das Mitbestimmungsrecht brauchen. Aber ich bin überzeugt, daß der entscheidende Fortschritt zur Umstellung der ganzen Atmosphäre in den Betrieben und zur Schaffung einer völlig neuen Position für unsere Arbeiter in den Betrieben, ich glaube, daß der entscheidende Anstoß hierzu nicht von Zwangsmaßnahmen des Staates, sondern daher kommen wird, daß die Revolution der Herzen auch in den Betrieben Platz greift, daß Arbeiter und Unternehmer ein neues Verhältnis und eine neue Ordnung zueinander finden und daß es überall in unserem Lande in steigendem Maße solche erneuerten Industriebetriebe gibt, in denen das Gemeinschaftsleben von Arbeiter und Unternehmer, von Kapital und Arbeit nicht eine Quelle ständigen Ärgers, sondern eine Quelle der Kraft, eine Quelle der Ermutigung und eine Quelle der Hoffnung für die Zukunft unseres Landes ist.
    Diese Dinge, von denen ich spreche, haben ihre Bedeutung für den Neuaufbau unserer ganzen Verwaltung, auch für die Polizei, auch, wenn wir schon von Sicherheit reden, für ein etwaiges zukünftiges Heer. Solche Dinge aufzubauen ohne eine ausreichende ideologische Grundlage, ist nach meiner Überzeugung heller Wahnsinn.

    (Glocke des Präsidenten.)