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ID0109701700

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    Deutscher Bundestag — 97. Sitzung. Born. Dienstag. den 7. November 1950 3535 97. Sitzung Bonn, Dienstag, den 7. November 1950. Nachruf auf den verstorbenen König Gustav V. von Schweden 3536A Nachruf auf den verstorbenen Abg. Dr. Falkner 3536B Antworttelegramm des Präsidenten des englischen Unterhauses auf den Glückwunsch zur Wiederherstellung des Sitzungssaales des britischen Parlaments . . 3536C Eintritt der Abgeordneten Dr. Luchtenberg und Willenberg in den Bundestag . . . . 3536C Austritt des Abg. Freiherrn von Fürstenberg aus der Fraktion der BP 3536D Geschäftliche Mitteilungen . . 3536D, 3537B, 3562A Zustimmung des Bundesrats zum Gesetz über Tabaksteuervergünstigungen für gewerbliche Tabakpflanzer im Erntejahr 1950 3536D Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse . . 3536D Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 vom 23. Juni 1950 3536D Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) mitsamt den dazu gefaßten Entschließungen 3536D Verlangen des Bundesrats auf Einberufung des Vermittlungsausschusses hinsichtlich des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung . 3536D Anfrage Nr. 120 der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP und DP betr. deutsches privates Auslandsvermögen und deutsche private Auslandsverschuldung (Nrn, 1427 und 1553 der Drucksachen) 3537A Anfrage Nr. 121 der Fraktion der KPD betr. Direktiven für die Verwendung der Marshallplan-Gegenwerte für Investitionen (Nrn. 1433 und 1554 der Drucksachen) 3537A Anfrage Nr. 122 der Fraktion der SPD betr. früheres Wehrmachtsvermögen (Nrn. 1441 und 1564 der Drucksachen) 3537A Anfrage Nr. 123 der Fraktion der SPD betr. Entschädigung der Eisenbahnbediensteten im Ringgau (Nrn. 1442 und 1563 der Drucksachen) 3537A Anfrage Nr. 124 der Fraktion der SPD betr. Steigerung der Kartoffelpreise (Nrn. 1444 und 1565 der Drucksachen) 3537A Anfrage Nr. 125 der Fraktion der CDU/CSU betr. Rückerstattungsgesetz Nr. 59 und Verordnung Nr. 120 (Nrn. 1455 und 1567 der Drucksachen) 3537B Anfrage Nr. 127 der Fraktion der FDP betr. Arbeiten an Bundesautobahnen (Nrn. 1463 und 1555 der Drucksachen) 3537B Anfrage Nr. 128 der Fraktion der KPD betr. Subventionen des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen an den „Deutschen Bund" (Nrn. 1468 und 1569 der Drucksachen) 3537B Bericht des Bundeskanzlers über Verhandlungen betr. Watenstedt-Salzgitter (Nr. 1570 der Drucksachen) 3537B Appell des Präsidenten an die Bundestagsabgeordneten zur Beschränkung bei Entschuldigungen von der Teilnahme an Sitzungen 3537D Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Polizei (Nr. 1498 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Parlamentarischer Beirat für den Aufbau der Polizei (Nr. 1499 der Drucksachen) und mit der ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Nr. 1515 der Drucksachen) . 3538A Dr. Menzel (SPD), Interpellant und Antragsteller 3538A, 3558C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern . . . . 3544A, 3546A, 3560B Dr. Laforet (CSU) 3547C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . . . 3549A Dr. Reismann (Z) 3550B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 3552B Müller (Frankfurt) (KPD) 3554A von Thadden (DRP) 3556A Ewers (DP) 3556D Dr. Dresbach (CDU) 3557C Dr. von Merkatz (DP) 3561C Nächste Sitzung 3562A Die Sitzung wird um 15 Uhr durch den Präsiden Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zeitliche Reihenfolge der beiden Anträge in den Drucksachen Nr. 1515 und Nr. 1499 ist einigermaßen umgestürzt. Denn der Antrag vom 20. Oktober setzt bereits die Existenz einer Bundespolizei voraus, die doch nach dem Antrag vom 26. Oktober erst geschaffen werden soll.
    Die frische Unbekümmertheit, mit der die Herren Antragsteller hier an die Änderung des Grundgesetzes herantreten, darf ich als bemerkenswert bezeichnen. Sie hat uns einigermaßen überrascht.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wir erinnern uns sehr gut, daß auch wir — die Bayernpartei — einmal einige Anträge auf Änderung des Grundgesetzes gestellt und entsprechende Gesetzesvorschläge eingebracht haben.

    (Zuruf von der SPD.)

    ber diese Gesetzesvorschläge bezogen sich auf Einzelfragen, auf die Wiederzulassung der Todesstrafe, auf die Beseitigung der grundrechtswidrigen Prozeßsperre gegenüber dem entrechteten Personenkreis des Art. 131 und die Aufhebung der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der Bierbesteuerung. Wir sahen uns, als wir diese „kühnen" Gesetzesvorschläge einbrachten, einem sehr ersten Stirnrunzeln aller — wie soll ich sagen — Feuerwächter des Grundgesetzes gegenüber. Hier aber handelt es sich um einen klaren, unverhüllten Angriff auf die verfassungsrechtliche Grundordnung, die Fundamente des Grundgesetzes selbst.

    (Sehr wahr! bei der BP.)

    Es geht nicht um eine Einzelfrage. Es fehlte nur, daß auch noch der kulturpolitische Sektor für den Bund und seine Gesetzgebung in Anspruch genommen wird, um die staatliche Eigenständigkeit der Länder vollkommen zu liquidieren.

    (Zuruf rechts: Das kommt alles noch!) Würde auf dem vorgeschlagenen, hoffentlich niemals eingeschlagenen Wege wirklich vorgegangen, dann würden die im Grundgesetz verbliebenen Elemente und Reste einer liberalen, föderalistischen Ordnung aufgelöst und die bündische Grundordnung in die Konstruktion eines zentralistischen Verwaltungsstaates denaturiert, den zu bilden das vergangene Jahr bereits alle Neigung und Ansätze gezeigt hat. Es würde nach unserer Auffassung auf diesem Wege wiederum für eine autoritäre Regierung und einen Diktator die Bahn frei gemacht,


    (Widerspruch links) für einen Diktator, der von dieser zentralistischen Behördenorganisation Gebrauch zu machen wissen würde.

    Der der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands angehörende Abgeordnete Dr. Hoch hat in der Sitzung des Ausschusses des Parlamentarischen Rates für Zuständigkeitsabgrenzung am 24. September 1949 auf den Mißbrauch hingewiesen, der während der nationalsozialistischen Zeit mit der Polizei getrieben worden sei; er hat die Kommunalisierung der Polizei für die richtige Lösung gehalten. Ich gebe ohne weiteres zu, daß sich die Verhältnisse inzwischen grundlegend geändert haben und daß insbesondere gewisse Vorbehalte, die die Besatzungsmächte sowohl in ihrem Genehmigungsschreiben vom 12. Mai 1949 als auch in dem sogenannten Polizeibrief vom 14. April 1949 gemacht haben, inzwischen durch die Entwicklung der Dinge überholt erscheinen. Allerdings erachten wir die Bestimmung der Ziffer 2 im Polizeibrief, nach der das Kriminalpolizeiamt keine Polizeibefugnis haben soll, auch heute noch als notwendig; aber den Vorbehalt in der Ziffer 3 Satz 1 des Genehmigungsschreibens halten wir nicht mehr für zeitgemäß. Bezeichnend ist die Ziffer 6, in der festgestellt ist, daß Art. 84 Abs. 5 und Art. 87 Abs, 3 dem Bund sehr weitgehende Vollmachten auf dem Gebiete der Verwaltung einräumen und daß die Hohen Kommissare der Ausübung dieser Befugnisse sorgfältige Aufmerksamkeit zuwenden müssen, um sicherzustellen, daß sie nicht zu einer übertriebenen Machtkonzentration führen. Hier ist zweifellos eine richtige Sicht vorhanden. Wie daraus im einzelnen die nötigen Folgerungen zu ziehen sind, das ist ja dann die Aufgabe des Bundes und seiner Bundesstaaten.
    Ich trenne in dem Antrag Drucksache Nr. 1515 die beiden Punkte: erstens die Frage des Aufbaus und der Organisation einer Polizei, mag sie operative oder gewöhnliche Polizei sein, und zweitens die Frage des überbundesstaatlichen Einsatzes einer Polizeitruppe, also die Frage des Art. 91 des Grundgesetzes. Wir sind der Auffassung, daß die Aufgaben der Organisation und des Aufbaus der Polizei auf Länderbasis durch eine übereinstimmende Regelung der Länder besser, rascher und auch billiger als auf dem Wege der Schaffung einer zentralisierten Bundespolizei gelöst werden können. Bis jetzt mögen die Besprechungen, die zu einem Länderabkommen führen sollten, nicht erfolgreich gewesen sein. Wir halten sie aber nicht für endgültig gescheitert, sondern für aussichtsreich, wenn nur der gute Wille dazu besteht. Dieses Länderabkommen würde zu ergänzen sein — auch das konzedieren wir — durch die Schaffung einer Koordinierungsstelle im Bundesministerium des Innern. Eine Reihe von Ländern ist im Besitz einer ausgebauten, voll funktionsfähigen Polizei, beispielsweise auch das Land Bayern. Wenn andere Länder noch nicht im Besitze derartiger Organe sind, so mögen sie angehalten werden, solche endlich zu schaffen. Sollte das ihre Kräfte übersteigen, so mögen sie auf dem Wege einer Gemeinschaftsarbeit eine gemeinsame Polizei ins Leben rufen. Das bleibt ihnen überlassen. Der Bund hat die Möglichkeit, in diesem Sinne auf die zurückgebliebenen Länder einzuwirken. Aber es besteht keinerlei Notwendigkeit dazu, nun auf dem Wege einer Umstürzung eines der Fundamente des Grundgesetzes eine Bundespolizei einrichten zu wollen. Dies gilt vor allem für die Länder, in denen die Polizei bereits zentral gelenkt


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    wird. Ich darf darauf hinweisen, daß die US-Besatzungsmacht vor wenigen Tagen ihre Bedenken gegen die zentrale Leitung durch das Präsidium der Landpolizei im bayerischen Innenministerium aufgegeben und sich damit einverstanden erklärt hat, daß die Polizei in Bayern zentral von dieser Stelle aus geleitet wird, also nicht mehr nur den Landkreisen und den Städten zu unterstellen ist.
    Im übrigen sind wir über die Bescheidenheit und die Zurückhaltung der Antragsteller, wenn ich das noch bemerken darf, einigermaßen erstaunt gewesen. Wir sind darüber verwundert, daß nur die konkurrierende Gesetzgebung erweitert werden soll. Ich glaube, man sollte dieses Feigenblatt ruhig fallen lassen.

    (Zustimmung und Heiterkeit bei der BP.)

    Ich würde den Antrag ruhig so stellen, daß man an die Stelle der in Art. 74 einzufügenden Ziff. 24 eine Ziff. 12 in Art. 73 einsetzt. Die Herren Antragsteller laufen nicht Gefahr, sich durch eine solche Freimütigkeit vielleicht des Tatbestandes eines, sei es strafbaren, sei es straflosen — Exhibitionismus schuldig zu machen.

    (Heiterkeit.)

    Denn, meine sehr verehrten Herren Antragsteller, wir wissen auch so Bescheid. Als Äußerungen einzelner Mitglieder dieses Hohen Hauses einige Male föderalistisch klangen, hatten wir manchmal noch die Hoffnung, daß hier wirklich nicht nur in einem traumhaften Unterbewußtsein, sondern ganz entschlossen, entschieden und bewußt die Notwendigkeit des Föderalismus in dieser Zeit bejaht wird.

    (Abg. Mellies: Sie haben genau so falsch geträumt wie bei Ihrer Bayernpartei! — Heiterkeit.)

    Wir möchten — darauf will ich mich am Schluß beschränken — davor warnen, ,daß in dieser gefahrvollen Zeit der Zankapfel einer Verfassungsprobe, ich will nicht sagen, eines Verfassungskonflikts, in die hündisch in Bonn versammelten Länder geworfen wird. Wir glauben, daß es möglich ist, ein solches Wagnis, einen solchen Konflikt, eine solche Gefahr zu vermeiden. Wir bitten dringend darum, doch den föderalistischen Weg der Vereinbarung und einträchtigen Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu wählen, um das Ergebnis, das uns allen am Herzen liegt, zu erzielen.

    (Beifall bei der BP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Interpellation der SPD Drucksache Nr. 1498 gibt eine willkommene Gelegenheit, endlich über dieses Thema, das bisher so im Zwielicht der Bundeskanzlei bearbeitet und infolgedessen in der Öffentlichkeit nur munkelnd erörtert wurde, nun einmal im vollen Licht des Tages zu sprechen. Der Antrag der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 1537, der dasselbe Ziel verfolgt, könnte deswegen zweckmäßigerweise gleichzeitig behandelt werden.
    Das Zwielicht, in welchem die Polizeiangelegenheit besprochen wurde, hatte schon die unangenehme Folge, daß man nicht recht wußte: handelt es sich bei dieser ganzen Polizeidebatte eigentlich darum, daß man unter dieser Flagge eine Remilitarisierung betreiben will, oder handelt es sich wirklich um das echte Bestreben, die innere Sicherheit in unserem Lande zu gewährleisten? Der Nährboden für Gerüchte war um so fruchtbarer, als für eine echte Polizeiangelegenheit das Bundeskanzleramt doch eigentlich gar nicht zuständig war. Man mußte natürlich auch Anstoß daran nehmen, daß zu einer Zeit, wo man anläßlich der Frage der Neuregelung der Bezüge der Kriegsversehrten und der Regelung des Lastenausgleichs so tat, als wäre kein Geld verfügbar, nun über Milliarden gesprochen und sozusagen verfügt wurde,, ohne daß man auch nur die Deckungsfrage in Betracht zog. Es ist immer schon gesagt worden, man habe in Deutschland kein Geld für die Folgen des Krieges, aber man habe stets Geld genug, um aufzurüsten. Unglücklicherweise wurde dies geglaubt.
    Die Auffassung, daß die Frage der Polizei nur ein Vorwand für irgendeine Art der Aufrüstung sei, wurde noch dadurch gefördert, daß das alles im Halbdunkel vor sich ging. Wenn die Regierung — ich habe mich gefreut, von dem Herrn Innenminister zu hören, daß er die Gelegenheit zur öffentlichen Erörterung der Polizeifrage begrüßt — den Wunsch nach öffentlicher Besprechung von jeher gehabt hätte, so hätte es doch nahegelegen, wenn sie dieses Thema auch von sich aus angeschnitten hätte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sie hätte Gelegenheit dazu gehabt, und ich glaube, niemand im Hause würde es bedauert haben, wenn man, nachdem diese Frage schon monatelang besprochen und in den Zeitungen mit Interviews erörtert sowie in Erklärungen von Beamten beleuchtet wurde, von sich aus den Mut gefunden hätte, vor den Bundestag zu treten.

    (Sehr wahr! beim Zentrum.)

    Ich weiß nicht, ob dahinter mal wieder die Absicht steht, den Bundestag, dieses Hohe Haus, nach Möglichkeit beiseite zu lassen. Dieser Gedanke drängt sich namentlich dann auf, wenn man sieht, daß man angesichts der Möglichkeit, die Polizeifrage auf dem Gesetzeswege zu regeln — da ja doch zumindest ein Übereinkommen zwischen den Ländern von Anfang an erzielbar war und inzwischen erzielt worden sein soll —, doch den Weg eines Gesetzes, bei welchem der Bundesrat mitzuwirken gehabt hätte, nicht einschlug, sondern bewußt und geflissentlich vermied.

    (Sehr wahr! beim Zentrum und bei der SPD.)

    Was auch immer geschieht: wir müssen uns jedenfalls an die Regeln des Bonner Grundgesetzes halten; ob man das liebt oder nicht, spielt keine Rolle. Wenn man diesen Weg geht, so ist zunächst einmal die Schwierigkeit zu beachten, die sich daraus ergibt sich, daß Art. 91 im Rahmen dessen, was an Polizei bisher zur Verfügung steht, nur eine Länderpolizei kennt. Natürlich liegt es nahe, eine konkurrierende Gesetzgebung mindestens zu wünschen, da nach Art. 72 des Bundesgrundgesetzes Abs. 2 Ziff. 1 eine Angelegenheit, die durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann, bei konkurrierender Zuständigkeit vom Bund geregelt werden kann. Art. 74 zählt aber abschließend die konkurrierende Gesetzgebung auf, und dabei sind Vorschriften über eine Bundespolizei und über eine Regelung des Verhältnisses zwischen der Polizei des Bundes, wenn es eine solche außerdem gibt, und der Polizei der Länder bisher nicht vorgesehen. Es ist zwar anzunehmen, daß die Unvollständigkeit des Bundesgrundgesetzes in diesem Zusammenhang auf Eingriffe bzw. Wünsche, Empfehlungen oder vielleicht auf sogar noch wirksamere Einflüsse


    (Dr. Reismann)

    der Besatzungsmächte zurückzuführen ist; aber gleichviel: dieser Punkt ist zumindest nicht geregelt, wenn man nicht eine entgegengesetzte Regelung bisher durch das Bundesgrundgesetz annimmt, so daß es deswegen eines abändernden Gesetzes bedarf, wenn man nunmehr eine Bundespolizei aufstellen will.
    Der Gedanke, diese Frage dadurch zu umgehen, daß man neben dem Bundesstaat sozusagen einen Staatenbund schaffen will, Abreden von Ländern untereinander von quasi völkerrechtlicher Bedeutung neben dem staatsrechtlichen Band des Bundesstaats, erscheint geradezu absurd. Es ist natürlich ein Behelfsmittel, wenn man durchaus den Bundestag nicht mit der Sache befassen will. Die Entschuldigung, die vorgebracht wurde, scheint mir etwas merkwürdig, immerhin aber sehr beachtlich, daß man erklärt, daß man mit Schwierigkeiten bei den Hohen Kommissaren rechnen müsse, wenn man ein Bundesgesetz mache. Ich muß also meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß zwar die Hohen Kommissare geneigt sein sollen, hintenherum die Aufstellung einer Bundespolizei zu dulden, sie aber auf dem geraden Wege eines Gesetzes, das mit verfassungändernder Kraft ausgestattet sein müßte, nicht anerkennen und dulden wollen.
    Diese Schwierigkeit wäre verständlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man an dem bisherigen Verfahren haften würde, die Frage der inneren Sicherheit, die Frage der Polizei mit der des Militärs zu verquicken. Dabei weise ich besonders darauf hin, daß wir von der Zentrumsfraktion eine solche Verbindung der Polizeifrage mit militärischen Gesichtspunkten grundsätzlich und absolut und bedingungslos ablehnen. Wir haben mit größter Verwunderung davon Kenntnis genommen, daß der Bundeskanzler es für richtig gehalten hat, sich mit militärischen Beratern in der Frage der Polizei zu umgeben. Die Polizeifrage muß durch Polizeifachleute behandelt werden, und die etwaige Aufstellung einer Polizei kann nicht von Generalen und Offizieren, sondern sie muß durch Polizeioffiziere, durch Polizeifachleute und Polizeibeamte erfolgen. Wir wünschen auf gar keinen Fall, wie groß auch immer diese Truppe sei, eine Prätorianergarde, auch wenn man sie Wachkompanie nennt und gleichgültig, ob sie 400, 500, 1800 oder 4000 Mann stark ist. Wir würden darin — das sagen wir mit aller Offenheit — eine Gefahr und nicht einen Schutz für die Demokratie erblicken. Es ist uns sehr wohl zu Ohren gekommen, daß militärische Kreise in Bonn schon von der Etappe Adenauer gesprochen haben, in der sie offenbar lediglich das Sprungbrett für die zukünftige eigene Machtergreifung sehen zu können glauben.

    (Hört! Hört! und Unruhe bei der SPD.)

    Es ist die Frage, ob eine Bundespolizei überhaupt notwendig ist. Es gibt natürlich keinen Staat, und kein Staat kann Anspruch auf Existenzberechtigung erheben, der nicht die Macht hat, sein eigenes Recht durchzusetzen. Eine solche Notwendigkeit des Bundes, das von ihm gesetzte Recht und die von ihm garantierte Sicherheit durchzusetzen, erkennen wir dem Bund durchaus zu. Es ist aber nicht ohne weiteres darüber hinwegzugehen, daß das Bundesgrundgesetz, von föderalistischen Prinzipien ausgehend und nicht nur auf äußeren Druck hin, zunächst die Länderpolizei konstituiert hat. Es ist zunächst einmal mit allem Ernst an die Reorganisation der Länderpolizei heranzugehen und an eine Organisation der Länderpolizei, wie sie den echten deutschen Bedürfnissen entspricht. Unter dem Einfluß der Kriegsspychose und der Furcht vor allem und jedem, was hei uns irgendeine Uniform trägt, mit dem Gedanken, das könne in Militarismus ausarten, ist es zu erklären gewesen, daß man von seiten der Siegermächte eine weitgehende Dezentralisation auch auf der Länderebene für notwendig befunden hat.
    Auf die Dauer ist es natürlich unmöglich, daß jeder Polizeibefehlshaber irgendeines Stadt- oder Landkreises als Zaunkönig ohne eine zentrale Befehlsstelle eingesetzt und für die Sicherheit des ganzen Landes verantwortlich gemacht werden soll. Leider sind die Kräfte, die die Demokratie bedrohen, gleichviel ob sie von links oder von der äußersten Rechten kommen, nicht so freundlich, sich nach föderalistischen Gesichtspunkten zu orientieren und sich auf die Länderebene zu beschränken. Deswegen muß zumindest eine zentrale Befehlsgewalt vorhanden sein, nicht bloß eine Weisungsbefugnis, sondern wir gehen weiter: eine zentrale Befehlsgewalt nicht nur in den Ministerien der Länder, sondern auch darüber hinaus beim Bund. Die Länderminister ohne Befehlsgewalt sind ohnehin schon ein Kuriosum. Zuerst muß in dieser Hinsicht eine Ordnung geschaffen werden.
    Die Reorganisation hat sich aber auch auf weiteres zu erstrecken. Die Reorganisation der Polizei muß sich auch auf die Sicherheit ihrer Einsatzbereitschaft erstrecken. Als die Organisation der Polizei vorgenommen wurde, ging man, namentlich was die radikalen Strömungen von links angeht, von ganz anderen Gesichtspunkten und Erwägungen aus, als das heute der Fall ist. Eine genaue Überprüfung des Personalbestandes erscheint uns absolut erforderlich.
    Es muß aber nunmehr auch berücksichtigt werden, daß die Ordnungs- und Kriminalpolizei, der man bisher ganz vorwiegend das Augenmerk zugewendet hat, keineswegs ausreichend ist, die Staatssicherheit zu garantieren. Die Sicherheitspolizei verlangt zu der Bereitschaft und zu der Möglichkeit, den Umsturz und den Aufruhr zu bekämpfen, ganz anderer Ausrüstung und ganz andere Ausbildung. Sie muß in ausreichender Zahl, im äußersten Maße beweglich gestaltet und richtig stationiert werden. Das alles kann man nicht in der Ebene von verhältnismäßig kleinen, schwach bevölkerten und finanzschwachen Ländern schaffen. Länder wie Nordrhein-Westfalen und Bayern allenfalls möchten noch damit hinkommen. Aber wie sollte man beispielsweise, wenn in weit entfernten, schwach besiedelten, finanzschwachen und mit sehwachen Polizeikräften versehenen Ländern und gleichzeitig namentlich etwa im dichtbesiedelten Ruhrgebiet, das die stärkste Polizei aufzuweisen hat, umstürzlerische Bestrebungen auftreten, mit diesen Verhältnissen fertig werden? Es erscheint deswegen dringend erforderlich, daß eine übergeordnete zentrale Befehlsstelle geschaffen wird, die aber auch in der Lage ist, mit ausreichenden eigenen Kräften notfalls einzugreifen.
    Ob dabei der Weg, den der SPD-Antrag in der Drucksache Nr. 1515 vorschlägt, der richtige ist, will ich hier dahingestellt sein lassen. Mir erscheint jedenfalls der eben schon gemachte Hinweis richtig, daß die Frage der Ausrüstung und Bewaffnung der Polizei besser nicht zum Gegenstand eines Gesetzes, sondern eher von Dienstanweisungen gemacht wird. Darüber zu beraten, wird im einzelnen noch Gelegenheit in den Ausschüssen genommen werden müssen.


    (Dr. Reismann)

    Wenn eine Bundespolizei, was eingehend zu prüfen ist, von diesem Hohen Hause demnächst beschlossen werden sollte, so halten wir es für dringend erforderlich, daß diese Polizei in normalen Zeiten wenigstens so in der Länderebene in die Länderpolizei eingegliedert oder an sie angegliedert wird, daß sich keine Reibungen daraus ergeben. Reibungen zwischen der Polizei der Länder, die nach meiner Meinung bestehen bleiben muß, und einer Bundespolizei, wenn wir zu einer solchen kommen, sind unter allen Umständen zu vermeiden, auch wenn sie nur in der schwächsten Form, nämlich der von Kompetenzkonflikten, auftreten sollten.
    Wir begrüßen es außerordentlich, daß — gleichviel in welcher Form — das Parlament durch einen Ausschuß eingeschaltet wird. Wir halten es hierbei aber für notwendig, daß alle Fraktionen dabei beteiligt sind. Deswegen halten wir einen siebenköpfigen Ausschuß nicht für ausreichend; wir würden zumindest einen fünfzehngliedrigen Ausschuß aller demokratischen Fraktionen

    (Abg. Dr. Wuermeling: Splitterparteien sind eine Gefährdung des Parlamentarismus!)

    für notwendig und erforderlich halten.
    Die Bedenken hinsichtlich der Bestimmungen des Grundgesetzes, die gegen den Verwaltungsweg des Herrn Bundeskanzlers geltend gemacht worden sind, teilt meine Fraktion in vollem Umfange. Wir würden nicht geneigt sein, es hinzunehmen, daß auf dem reinen Verwaltungsweg und unter Umgehung des Bundestages eine Polizei geschaffen wird, nicht bloß, weil es gegen die Prinzipien der Verfassung geht, das Verhältnis von Bund und Ländern in einer so wichtigen Frage ohne eine gesetzliche Regelung zu regeln, sondern auch deswegen, weil in einer so wichtigen Frage die Vertretung des Volkes nicht bloß das letzte, sondern auch das erste Wort zu sagen hat. Deswegen begrüßen wir die Initiative der SPD, wie wir ja selber durch unseren Antrag Drucksache Nr. 1537 zum Ausdruck gebracht haben, als die Bundesregierung nicht von sich aus aktiv wurde. Wir haben ein Eingreifen des Parlaments selber für notwendig gehalten. Dazu unser Antrag Nr. 1537.

    (Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)