Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Interpellation der SPD Drucksache Nr. 1498 gibt eine willkommene Gelegenheit, endlich über dieses Thema, das bisher so im Zwielicht der Bundeskanzlei bearbeitet und infolgedessen in der Öffentlichkeit nur munkelnd erörtert wurde, nun einmal im vollen Licht des Tages zu sprechen. Der Antrag der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 1537, der dasselbe Ziel verfolgt, könnte deswegen zweckmäßigerweise gleichzeitig behandelt werden.
Das Zwielicht, in welchem die Polizeiangelegenheit besprochen wurde, hatte schon die unangenehme Folge, daß man nicht recht wußte: handelt es sich bei dieser ganzen Polizeidebatte eigentlich darum, daß man unter dieser Flagge eine Remilitarisierung betreiben will, oder handelt es sich wirklich um das echte Bestreben, die innere Sicherheit in unserem Lande zu gewährleisten? Der Nährboden für Gerüchte war um so fruchtbarer, als für eine echte Polizeiangelegenheit das Bundeskanzleramt doch eigentlich gar nicht zuständig war. Man mußte natürlich auch Anstoß daran nehmen, daß zu einer Zeit, wo man anläßlich der Frage der Neuregelung der Bezüge der Kriegsversehrten und der Regelung des Lastenausgleichs so tat, als wäre kein Geld verfügbar, nun über Milliarden gesprochen und sozusagen verfügt wurde,, ohne daß man auch nur die Deckungsfrage in Betracht zog. Es ist immer schon gesagt worden, man habe in Deutschland kein Geld für die Folgen des Krieges, aber man habe stets Geld genug, um aufzurüsten. Unglücklicherweise wurde dies geglaubt.
Die Auffassung, daß die Frage der Polizei nur ein Vorwand für irgendeine Art der Aufrüstung sei, wurde noch dadurch gefördert, daß das alles im Halbdunkel vor sich ging. Wenn die Regierung — ich habe mich gefreut, von dem Herrn Innenminister zu hören, daß er die Gelegenheit zur öffentlichen Erörterung der Polizeifrage begrüßt — den Wunsch nach öffentlicher Besprechung von jeher gehabt hätte, so hätte es doch nahegelegen, wenn sie dieses Thema auch von sich aus angeschnitten hätte.
Sie hätte Gelegenheit dazu gehabt, und ich glaube, niemand im Hause würde es bedauert haben, wenn man, nachdem diese Frage schon monatelang besprochen und in den Zeitungen mit Interviews erörtert sowie in Erklärungen von Beamten beleuchtet wurde, von sich aus den Mut gefunden hätte, vor den Bundestag zu treten.
Ich weiß nicht, ob dahinter mal wieder die Absicht steht, den Bundestag, dieses Hohe Haus, nach Möglichkeit beiseite zu lassen. Dieser Gedanke drängt sich namentlich dann auf, wenn man sieht, daß man angesichts der Möglichkeit, die Polizeifrage auf dem Gesetzeswege zu regeln — da ja doch zumindest ein Übereinkommen zwischen den Ländern von Anfang an erzielbar war und inzwischen erzielt worden sein soll —, doch den Weg eines Gesetzes, bei welchem der Bundesrat mitzuwirken gehabt hätte, nicht einschlug, sondern bewußt und geflissentlich vermied.
Was auch immer geschieht: wir müssen uns jedenfalls an die Regeln des Bonner Grundgesetzes halten; ob man das liebt oder nicht, spielt keine Rolle. Wenn man diesen Weg geht, so ist zunächst einmal die Schwierigkeit zu beachten, die sich daraus ergibt sich, daß Art. 91 im Rahmen dessen, was an Polizei bisher zur Verfügung steht, nur eine Länderpolizei kennt. Natürlich liegt es nahe, eine konkurrierende Gesetzgebung mindestens zu wünschen, da nach Art. 72 des Bundesgrundgesetzes Abs. 2 Ziff. 1 eine Angelegenheit, die durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann, bei konkurrierender Zuständigkeit vom Bund geregelt werden kann. Art. 74 zählt aber abschließend die konkurrierende Gesetzgebung auf, und dabei sind Vorschriften über eine Bundespolizei und über eine Regelung des Verhältnisses zwischen der Polizei des Bundes, wenn es eine solche außerdem gibt, und der Polizei der Länder bisher nicht vorgesehen. Es ist zwar anzunehmen, daß die Unvollständigkeit des Bundesgrundgesetzes in diesem Zusammenhang auf Eingriffe bzw. Wünsche, Empfehlungen oder vielleicht auf sogar noch wirksamere Einflüsse
der Besatzungsmächte zurückzuführen ist; aber gleichviel: dieser Punkt ist zumindest nicht geregelt, wenn man nicht eine entgegengesetzte Regelung bisher durch das Bundesgrundgesetz annimmt, so daß es deswegen eines abändernden Gesetzes bedarf, wenn man nunmehr eine Bundespolizei aufstellen will.
Der Gedanke, diese Frage dadurch zu umgehen, daß man neben dem Bundesstaat sozusagen einen Staatenbund schaffen will, Abreden von Ländern untereinander von quasi völkerrechtlicher Bedeutung neben dem staatsrechtlichen Band des Bundesstaats, erscheint geradezu absurd. Es ist natürlich ein Behelfsmittel, wenn man durchaus den Bundestag nicht mit der Sache befassen will. Die Entschuldigung, die vorgebracht wurde, scheint mir etwas merkwürdig, immerhin aber sehr beachtlich, daß man erklärt, daß man mit Schwierigkeiten bei den Hohen Kommissaren rechnen müsse, wenn man ein Bundesgesetz mache. Ich muß also meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß zwar die Hohen Kommissare geneigt sein sollen, hintenherum die Aufstellung einer Bundespolizei zu dulden, sie aber auf dem geraden Wege eines Gesetzes, das mit verfassungändernder Kraft ausgestattet sein müßte, nicht anerkennen und dulden wollen.
Diese Schwierigkeit wäre verständlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man an dem bisherigen Verfahren haften würde, die Frage der inneren Sicherheit, die Frage der Polizei mit der des Militärs zu verquicken. Dabei weise ich besonders darauf hin, daß wir von der Zentrumsfraktion eine solche Verbindung der Polizeifrage mit militärischen Gesichtspunkten grundsätzlich und absolut und bedingungslos ablehnen. Wir haben mit größter Verwunderung davon Kenntnis genommen, daß der Bundeskanzler es für richtig gehalten hat, sich mit militärischen Beratern in der Frage der Polizei zu umgeben. Die Polizeifrage muß durch Polizeifachleute behandelt werden, und die etwaige Aufstellung einer Polizei kann nicht von Generalen und Offizieren, sondern sie muß durch Polizeioffiziere, durch Polizeifachleute und Polizeibeamte erfolgen. Wir wünschen auf gar keinen Fall, wie groß auch immer diese Truppe sei, eine Prätorianergarde, auch wenn man sie Wachkompanie nennt und gleichgültig, ob sie 400, 500, 1800 oder 4000 Mann stark ist. Wir würden darin — das sagen wir mit aller Offenheit — eine Gefahr und nicht einen Schutz für die Demokratie erblicken. Es ist uns sehr wohl zu Ohren gekommen, daß militärische Kreise in Bonn schon von der Etappe Adenauer gesprochen haben, in der sie offenbar lediglich das Sprungbrett für die zukünftige eigene Machtergreifung sehen zu können glauben.
Es ist die Frage, ob eine Bundespolizei überhaupt notwendig ist. Es gibt natürlich keinen Staat, und kein Staat kann Anspruch auf Existenzberechtigung erheben, der nicht die Macht hat, sein eigenes Recht durchzusetzen. Eine solche Notwendigkeit des Bundes, das von ihm gesetzte Recht und die von ihm garantierte Sicherheit durchzusetzen, erkennen wir dem Bund durchaus zu. Es ist aber nicht ohne weiteres darüber hinwegzugehen, daß das Bundesgrundgesetz, von föderalistischen Prinzipien ausgehend und nicht nur auf äußeren Druck hin, zunächst die Länderpolizei konstituiert hat. Es ist zunächst einmal mit allem Ernst an die Reorganisation der Länderpolizei heranzugehen und an eine Organisation der Länderpolizei, wie sie den echten deutschen Bedürfnissen entspricht. Unter dem Einfluß der Kriegsspychose und der Furcht vor allem und jedem, was hei uns irgendeine Uniform trägt, mit dem Gedanken, das könne in Militarismus ausarten, ist es zu erklären gewesen, daß man von seiten der Siegermächte eine weitgehende Dezentralisation auch auf der Länderebene für notwendig befunden hat.
Auf die Dauer ist es natürlich unmöglich, daß jeder Polizeibefehlshaber irgendeines Stadt- oder Landkreises als Zaunkönig ohne eine zentrale Befehlsstelle eingesetzt und für die Sicherheit des ganzen Landes verantwortlich gemacht werden soll. Leider sind die Kräfte, die die Demokratie bedrohen, gleichviel ob sie von links oder von der äußersten Rechten kommen, nicht so freundlich, sich nach föderalistischen Gesichtspunkten zu orientieren und sich auf die Länderebene zu beschränken. Deswegen muß zumindest eine zentrale Befehlsgewalt vorhanden sein, nicht bloß eine Weisungsbefugnis, sondern wir gehen weiter: eine zentrale Befehlsgewalt nicht nur in den Ministerien der Länder, sondern auch darüber hinaus beim Bund. Die Länderminister ohne Befehlsgewalt sind ohnehin schon ein Kuriosum. Zuerst muß in dieser Hinsicht eine Ordnung geschaffen werden.
Die Reorganisation hat sich aber auch auf weiteres zu erstrecken. Die Reorganisation der Polizei muß sich auch auf die Sicherheit ihrer Einsatzbereitschaft erstrecken. Als die Organisation der Polizei vorgenommen wurde, ging man, namentlich was die radikalen Strömungen von links angeht, von ganz anderen Gesichtspunkten und Erwägungen aus, als das heute der Fall ist. Eine genaue Überprüfung des Personalbestandes erscheint uns absolut erforderlich.
Es muß aber nunmehr auch berücksichtigt werden, daß die Ordnungs- und Kriminalpolizei, der man bisher ganz vorwiegend das Augenmerk zugewendet hat, keineswegs ausreichend ist, die Staatssicherheit zu garantieren. Die Sicherheitspolizei verlangt zu der Bereitschaft und zu der Möglichkeit, den Umsturz und den Aufruhr zu bekämpfen, ganz anderer Ausrüstung und ganz andere Ausbildung. Sie muß in ausreichender Zahl, im äußersten Maße beweglich gestaltet und richtig stationiert werden. Das alles kann man nicht in der Ebene von verhältnismäßig kleinen, schwach bevölkerten und finanzschwachen Ländern schaffen. Länder wie Nordrhein-Westfalen und Bayern allenfalls möchten noch damit hinkommen. Aber wie sollte man beispielsweise, wenn in weit entfernten, schwach besiedelten, finanzschwachen und mit sehwachen Polizeikräften versehenen Ländern und gleichzeitig namentlich etwa im dichtbesiedelten Ruhrgebiet, das die stärkste Polizei aufzuweisen hat, umstürzlerische Bestrebungen auftreten, mit diesen Verhältnissen fertig werden? Es erscheint deswegen dringend erforderlich, daß eine übergeordnete zentrale Befehlsstelle geschaffen wird, die aber auch in der Lage ist, mit ausreichenden eigenen Kräften notfalls einzugreifen.
Ob dabei der Weg, den der SPD-Antrag in der Drucksache Nr. 1515 vorschlägt, der richtige ist, will ich hier dahingestellt sein lassen. Mir erscheint jedenfalls der eben schon gemachte Hinweis richtig, daß die Frage der Ausrüstung und Bewaffnung der Polizei besser nicht zum Gegenstand eines Gesetzes, sondern eher von Dienstanweisungen gemacht wird. Darüber zu beraten, wird im einzelnen noch Gelegenheit in den Ausschüssen genommen werden müssen.
Wenn eine Bundespolizei, was eingehend zu prüfen ist, von diesem Hohen Hause demnächst beschlossen werden sollte, so halten wir es für dringend erforderlich, daß diese Polizei in normalen Zeiten wenigstens so in der Länderebene in die Länderpolizei eingegliedert oder an sie angegliedert wird, daß sich keine Reibungen daraus ergeben. Reibungen zwischen der Polizei der Länder, die nach meiner Meinung bestehen bleiben muß, und einer Bundespolizei, wenn wir zu einer solchen kommen, sind unter allen Umständen zu vermeiden, auch wenn sie nur in der schwächsten Form, nämlich der von Kompetenzkonflikten, auftreten sollten.
Wir begrüßen es außerordentlich, daß — gleichviel in welcher Form — das Parlament durch einen Ausschuß eingeschaltet wird. Wir halten es hierbei aber für notwendig, daß alle Fraktionen dabei beteiligt sind. Deswegen halten wir einen siebenköpfigen Ausschuß nicht für ausreichend; wir würden zumindest einen fünfzehngliedrigen Ausschuß aller demokratischen Fraktionen
für notwendig und erforderlich halten.
Die Bedenken hinsichtlich der Bestimmungen des Grundgesetzes, die gegen den Verwaltungsweg des Herrn Bundeskanzlers geltend gemacht worden sind, teilt meine Fraktion in vollem Umfange. Wir würden nicht geneigt sein, es hinzunehmen, daß auf dem reinen Verwaltungsweg und unter Umgehung des Bundestages eine Polizei geschaffen wird, nicht bloß, weil es gegen die Prinzipien der Verfassung geht, das Verhältnis von Bund und Ländern in einer so wichtigen Frage ohne eine gesetzliche Regelung zu regeln, sondern auch deswegen, weil in einer so wichtigen Frage die Vertretung des Volkes nicht bloß das letzte, sondern auch das erste Wort zu sagen hat. Deswegen begrüßen wir die Initiative der SPD, wie wir ja selber durch unseren Antrag Drucksache Nr. 1537 zum Ausdruck gebracht haben, als die Bundesregierung nicht von sich aus aktiv wurde. Wir haben ein Eingreifen des Parlaments selber für notwendig gehalten. Dazu unser Antrag Nr. 1537.