Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zeitliche Reihenfolge der beiden Anträge in den Drucksachen Nr. 1515 und Nr. 1499 ist einigermaßen umgestürzt. Denn der Antrag vom 20. Oktober setzt bereits die Existenz einer Bundespolizei voraus, die doch nach dem Antrag vom 26. Oktober erst geschaffen werden soll.
Die frische Unbekümmertheit, mit der die Herren Antragsteller hier an die Änderung des Grundgesetzes herantreten, darf ich als bemerkenswert bezeichnen. Sie hat uns einigermaßen überrascht.
Wir erinnern uns sehr gut, daß auch wir — die Bayernpartei — einmal einige Anträge auf Änderung des Grundgesetzes gestellt und entsprechende Gesetzesvorschläge eingebracht haben.
ber diese Gesetzesvorschläge bezogen sich auf Einzelfragen, auf die Wiederzulassung der Todesstrafe, auf die Beseitigung der grundrechtswidrigen Prozeßsperre gegenüber dem entrechteten Personenkreis des Art. 131 und die Aufhebung der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der Bierbesteuerung. Wir sahen uns, als wir diese „kühnen" Gesetzesvorschläge einbrachten, einem sehr ersten Stirnrunzeln aller — wie soll ich sagen — Feuerwächter des Grundgesetzes gegenüber. Hier aber handelt es sich um einen klaren, unverhüllten Angriff auf die verfassungsrechtliche Grundordnung, die Fundamente des Grundgesetzes selbst.
Es geht nicht um eine Einzelfrage. Es fehlte nur, daß auch noch der kulturpolitische Sektor für den Bund und seine Gesetzgebung in Anspruch genommen wird, um die staatliche Eigenständigkeit der Länder vollkommen zu liquidieren.
Würde auf dem vorgeschlagenen, hoffentlich niemals eingeschlagenen Wege wirklich vorgegangen, dann würden die im Grundgesetz verbliebenen Elemente und Reste einer liberalen, föderalistischen Ordnung aufgelöst und die bündische Grundordnung in die Konstruktion eines zentralistischen Verwaltungsstaates denaturiert, den zu bilden das vergangene Jahr bereits alle Neigung und Ansätze gezeigt hat. Es würde nach unserer Auffassung auf diesem Wege wiederum für eine autoritäre Regierung und einen Diktator die Bahn frei gemacht,
für einen Diktator, der von dieser zentralistischen Behördenorganisation Gebrauch zu machen wissen würde.
Der der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands angehörende Abgeordnete Dr. Hoch hat in der Sitzung des Ausschusses des Parlamentarischen Rates für Zuständigkeitsabgrenzung am 24. September 1949 auf den Mißbrauch hingewiesen, der während der nationalsozialistischen Zeit mit der Polizei getrieben worden sei; er hat die Kommunalisierung der Polizei für die richtige Lösung gehalten. Ich gebe ohne weiteres zu, daß sich die Verhältnisse inzwischen grundlegend geändert haben und daß insbesondere gewisse Vorbehalte, die die Besatzungsmächte sowohl in ihrem Genehmigungsschreiben vom 12. Mai 1949 als auch in dem sogenannten Polizeibrief vom 14. April 1949 gemacht haben, inzwischen durch die Entwicklung der Dinge überholt erscheinen. Allerdings erachten wir die Bestimmung der Ziffer 2 im Polizeibrief, nach der das Kriminalpolizeiamt keine Polizeibefugnis haben soll, auch heute noch als notwendig; aber den Vorbehalt in der Ziffer 3 Satz 1 des Genehmigungsschreibens halten wir nicht mehr für zeitgemäß. Bezeichnend ist die Ziffer 6, in der festgestellt ist, daß Art. 84 Abs. 5 und Art. 87 Abs, 3 dem Bund sehr weitgehende Vollmachten auf dem Gebiete der Verwaltung einräumen und daß die Hohen Kommissare der Ausübung dieser Befugnisse sorgfältige Aufmerksamkeit zuwenden müssen, um sicherzustellen, daß sie nicht zu einer übertriebenen Machtkonzentration führen. Hier ist zweifellos eine richtige Sicht vorhanden. Wie daraus im einzelnen die nötigen Folgerungen zu ziehen sind, das ist ja dann die Aufgabe des Bundes und seiner Bundesstaaten.
Ich trenne in dem Antrag Drucksache Nr. 1515 die beiden Punkte: erstens die Frage des Aufbaus und der Organisation einer Polizei, mag sie operative oder gewöhnliche Polizei sein, und zweitens die Frage des überbundesstaatlichen Einsatzes einer Polizeitruppe, also die Frage des Art. 91 des Grundgesetzes. Wir sind der Auffassung, daß die Aufgaben der Organisation und des Aufbaus der Polizei auf Länderbasis durch eine übereinstimmende Regelung der Länder besser, rascher und auch billiger als auf dem Wege der Schaffung einer zentralisierten Bundespolizei gelöst werden können. Bis jetzt mögen die Besprechungen, die zu einem Länderabkommen führen sollten, nicht erfolgreich gewesen sein. Wir halten sie aber nicht für endgültig gescheitert, sondern für aussichtsreich, wenn nur der gute Wille dazu besteht. Dieses Länderabkommen würde zu ergänzen sein — auch das konzedieren wir — durch die Schaffung einer Koordinierungsstelle im Bundesministerium des Innern. Eine Reihe von Ländern ist im Besitz einer ausgebauten, voll funktionsfähigen Polizei, beispielsweise auch das Land Bayern. Wenn andere Länder noch nicht im Besitze derartiger Organe sind, so mögen sie angehalten werden, solche endlich zu schaffen. Sollte das ihre Kräfte übersteigen, so mögen sie auf dem Wege einer Gemeinschaftsarbeit eine gemeinsame Polizei ins Leben rufen. Das bleibt ihnen überlassen. Der Bund hat die Möglichkeit, in diesem Sinne auf die zurückgebliebenen Länder einzuwirken. Aber es besteht keinerlei Notwendigkeit dazu, nun auf dem Wege einer Umstürzung eines der Fundamente des Grundgesetzes eine Bundespolizei einrichten zu wollen. Dies gilt vor allem für die Länder, in denen die Polizei bereits zentral gelenkt
wird. Ich darf darauf hinweisen, daß die US-Besatzungsmacht vor wenigen Tagen ihre Bedenken gegen die zentrale Leitung durch das Präsidium der Landpolizei im bayerischen Innenministerium aufgegeben und sich damit einverstanden erklärt hat, daß die Polizei in Bayern zentral von dieser Stelle aus geleitet wird, also nicht mehr nur den Landkreisen und den Städten zu unterstellen ist.
Im übrigen sind wir über die Bescheidenheit und die Zurückhaltung der Antragsteller, wenn ich das noch bemerken darf, einigermaßen erstaunt gewesen. Wir sind darüber verwundert, daß nur die konkurrierende Gesetzgebung erweitert werden soll. Ich glaube, man sollte dieses Feigenblatt ruhig fallen lassen.
Ich würde den Antrag ruhig so stellen, daß man an die Stelle der in Art. 74 einzufügenden Ziff. 24 eine Ziff. 12 in Art. 73 einsetzt. Die Herren Antragsteller laufen nicht Gefahr, sich durch eine solche Freimütigkeit vielleicht des Tatbestandes eines, sei es strafbaren, sei es straflosen — Exhibitionismus schuldig zu machen.
Denn, meine sehr verehrten Herren Antragsteller, wir wissen auch so Bescheid. Als Äußerungen einzelner Mitglieder dieses Hohen Hauses einige Male föderalistisch klangen, hatten wir manchmal noch die Hoffnung, daß hier wirklich nicht nur in einem traumhaften Unterbewußtsein, sondern ganz entschlossen, entschieden und bewußt die Notwendigkeit des Föderalismus in dieser Zeit bejaht wird.
Wir möchten — darauf will ich mich am Schluß beschränken — davor warnen, ,daß in dieser gefahrvollen Zeit der Zankapfel einer Verfassungsprobe, ich will nicht sagen, eines Verfassungskonflikts, in die hündisch in Bonn versammelten Länder geworfen wird. Wir glauben, daß es möglich ist, ein solches Wagnis, einen solchen Konflikt, eine solche Gefahr zu vermeiden. Wir bitten dringend darum, doch den föderalistischen Weg der Vereinbarung und einträchtigen Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu wählen, um das Ergebnis, das uns allen am Herzen liegt, zu erzielen.