Rede von
Ludwig
Volkholz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung heute ein Gesetz in erster Lesung vorgelegt hat, das besonders den ärmsten Teil unserer Bevölkerung und vor allen Dingen auch unsere Notstandsgebiete betrifft, Gebiete, die besonders unter der Weltabgeschiedenheit und Verkehrsferne leiden. Dieses Heimarbeitergesetz kann nicht als nebensächlich behandelt werden, da gerade die Heimarbeit in der heutigen Zeit gesamtwirtschaftlich von größter Bedeutung ist und an Bedeutung noch zunehmen wird. Ausgebombte Betriebe können ihre Produktion auch ohne den Aufbau neuer Fabrikationsstätten durch Verlegung auf Heimarbeit beginnen und damit die vorhandenen Mittel nur zur produktiven Arbeitsbeschaffung und zum Ankauf von Rohmaterial bereitstellen. Für Frauenüberschußgebiete und Flüchtlingsgebiete ist die Heimarbeit der erste Faktor zur wirtschaftlichen Versorgung dieser jetzt noch hauptsächlich auf Fürsorge angewiesenen Personengruppen. Die Bundesregierung muß deshalb außer der sozialen und arbeitsrechtlichen Regelung der Heimarbeit diese auch wirtschaftlich stützen. Wir denken hier an Steuervergünstigungen für die Heimarbeitindustrie. Desgleichen müssen besonders günstige und ausreichende Kreditbereitstellungen durch die Bundesregierung gesichert werden. Wir erinnern deshalb die Bundesregierung daran, nach diesem Heimarbeitergesetz, welches vorerst ein Sozialgesetz schafft, baldigst auch ein Schutzgesetz der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Existenz der Heimarbeiterbetriebe vorzulegen. Dabei ist auch an die Bevorzugung der Heimarbeiterindustrien bei Vergebung von Aufträgen des Bundes zu denken. Genau so darf die Heimarbeiterindustrie bei den Beratungen des zukünftigen Zolltarifgesetzes nicht vergessen werden. Auch hier werden wir darüber wachen, daß ein ausreichender Zollschutz für die Erzeugnisse unserer Heimarbeitsindustrie auf gestellt wird.
Mit dem vorliegenden Heimarbeitergesetz soll der Arbeitnehmer in der Hauptsache sozial sichergestellt werden. Aus diesem Grunde wollen wir den vorliegenden Entwurf in einigen Punkten ändern bzw. ergänzen.
Eine neue Bestimmung muß eingefügt werden, wonach ab einem Wochenverdienst von 20 DM für jeden einzelnen Heimarbeiter, gleichgültig ob er innerhalb einer Familie oder Hausgemeinschaft arbeitet oder nicht oder als Einzelarbeiter, die gesetzlichen Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung über Krankenversicherung, Invaliden- und Arbeitslosenunterstützung anzuwenden sind. Damit wollen wir aber ausdrücklichst betonen, daß keine Familienversicherung geschaffen werden soll, sondern jeder einzelne Arbeiter, genau so wie er für seine Arbeit in den Genuß seines Lohnes kommen muß, auch seine Arbeitslosenunterstützung erhält. Familienhilfe betrachten wir als unzulänglich und zu allgemein. Bei Witwen mit Kindern ist selbstverständlich Familienhilfe im Sinne der Reichsversicherungsordnung angebracht.
In Anbetracht des zur Zeit bestehenden Zustandes ersuchen wir die Bundesregierung, so bald als möglich den § 25 der Reichsfürsorgeverordnung abzuändern und für Heimarbeiter die Rückzahlungspflicht der öffentlichen Fürsorge abzuschaffen. Besonders liegt uns die Beseitigung der Sicherungshypotheken am Herzen. Ein großer Teil der Heimarbeiter setzt sich aus einer heimatverbundenen und kleinbesitzfreudigen Grenzbevölkerung zusammen. Diese Bevölkerung darf deshalb durch eine zweifelhafte Fürsorgepolitik und verhängnisvolle Sicherungshypotheken nicht entwurzelt werden.
Eine weitere Bestimmung muß festlegen, daß ein angemessener Freibetrag bei Fürsorgeunterstützungsempfang gewährt wird, um die Arbeitsfreudigkeit auch in einer Krisenzeit zu erhalten. Unser Ziel mit diesem Heimarbeitergesetz und mit unseren Abänderungsanträgen soll sein, den Heimarbeiter in den Genuß der Arbeitslosenunterstützung und der Arbeitslosenfürsorge zu bringen und damit schließlich auch den Bezirken, Gemeinden und Ländern hinsichtlich ihrer Fürsorgelasten eine Erleichterung zu verschaffen.
§ 11 Abs. 1 und 2 muß ergänzt werden. Der Heimarbeitsausschuß soll gehört werden, und beanstandete Erzeugnisse sollen durch Sachverständige überprüft werden. Der Unternehmer kann von sich aus keine Erzeugnisse ablehnen. Auftragsvergebungen an die Heimarbeiter können nur in Verbindung mit dem Ausschuß durchgeführt werden.
Im fünften Abschnitt muß eine Vorschrift aufgenommen werden, die besagt, daß in gewissen Betrieben, z. B. in Heimwebereien, periodisch ärztliche Untersuchungen vorzunehmen sind. Der derzeitige gesundheitliche Zustand gerade der Heimweber des unteren Bayerischen Waldes, eines Notstandsgebietes der deutschen Bundesrepublik, ist katastrophal und muß geändert werden. Ebenso stellen wir den Antrag auf Aufnahme der Heimarbeiter in die gesetzlichen Unfallberufsgenossenschaften.
Mit der Entgeltregelung nach § 17 sind wir nicht ganz einverstanden. Wir vertreten die Ansicht, daß Tarifverhandlungen grundsätzlich nur mit sämtlichen Betriebsangehörigen und Beteiligten durchgeführt werden können. Da in den meisten Fällen nicht alle bei der Gewerkschaft sind, kann den nicht organisierten Arbeitern nicht zugemutet werden, die Tarifabmachungen der Gewerkschaften anzuerkennen.
Nicht alle Tarifverträge gerade bei Stücklohnvereinbarungen der Gewerkschaften waren zufriedenstellend, da nicht jeder Funktionär der Gewerkschaft mit den verschiedenen Zweigen der Heimarbeit vertraut ist. Die Gewerkschaften sollen sich auf die Überwachung beschränken.
§ 21 muß genauer formuliert werden. Dem Unternehmer muß eine Abnahmeverpflichtung nach Auftragsvergebung auferlegt werden, um Schutz vor Augenblickskrisen zu gewähren. Dasselbe gilt für den Kündigungsschutz.
In den Strafbestimmungen des § 29 darf der Schutz der Jugendlichen vor Ausbeutung nicht vergessen werden.
Dies sind vorerst unsere Abänderungsanträge, die wir im Ausschuß für Sozialpolitik einbringen, an den wir den Entwurf zu überweisen bitten.
Vizepäsident Dr. Schmid: Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.