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ID0108902800

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    Deutscher Bundestag — 89. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Oktober 1950 3287 89. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. Oktober 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3288A, 3329C Änderung der Tagesordnung 3288B Niederlegung des Bundestagsmandats durch den Abg. Lübke 3288B Austritt des Abg. Dr. Miessner aus der Gruppe der DRP und Aufnahme als Hospitant der Fraktion der FDP 3288B Austritt des Abg. Dr. Friedrich aus der Fraktion der FDP 3288C Beschluß des Deutschen Bundesrats auf Einberufung des Vermittlungsausschusses hinsichtlich des Gesetzes zur Änderung des Konsulargesetzes 3288C Anfrage Nr. 112 der Abg. Bodensteiner u. Gen. betr. Förderung der Versuchsarbeiten zur Ausnutzung der Windkraft (Nr. 1301 und 1390 der Drucksachen) . . . 3288C Anfrage Nr. 113 der Abg. Strauß u. Gen. betr. Verstärkung der Arbeitslosigkeit unter den Schwerbeschädigten durch Fortsetzung der Demontage (Nr. 1313 und 1410 der Drucksachen) 3288C Anfrage Nr. 116 der Fraktion der SPD betr. Instandsetzung der Bundesstraßen Nr. 35 und Nr. 10 (Nr. 1331 und 1402 der Drucksachen) 3288C Bericht des Bundesministers der Finanzen über die Verwaltungsbeamten des Bundes in Bonn (Nr. 1394 der Drucksachen) . . . 3288D Beratung des Antrags der Fraktionen der BP, CDU/CSU, SPD, FDP, DP, WAV und des Zentrums betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 des Grundgesetzes (Nr. 1397 [neu] der Drucksachen) 3288D, 3315C, 3329C Dr. Seelos (BP), Antragsteller . . . . 3288D Paul (Düsseldorf) (KPD) 3289C Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäftsordnung) 3315C Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 3315D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Behandlung von Anträgen der KPD-Fraktion (Nr. 1403 der Drucksachen) 3290A Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 3290B Gundelach (KPD) 3291A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzes zur Anpassung der Rente der Arbeiter an die Rente der Angestellten (Nr. 1328 der Drucksachen) 3291B Frau Korspeter (SPD), Antragstellerin 3291B Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3292B Frau Kalinke (DP) 3293A Horn (CDU) 3293D Dr. Atzenroth (FDP) 3294C Richter (Frankfurt) (SPD) 3294D Erste Beratung des Entwurfs eines Heimarbeitsgesetzes (Nr. 1357 der Drucksachen) 3296A Storch, Bundesminister für Arbeit 3296A Frau Döhring (SPD) 3296C Karpf (CSU) 3297D Volkholz (BP) 3299A Frau Thiele (KPD) 3300A Dr. Atzenroth (FDP) 3300C Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung und des Entwurfs eines Gesetzes über die Wiederherstellung der Ehrenämter und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Nrn. 248, 444 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 1354 der Drucksachen) . . . . 3300D Arndgen (CDU), Berichterstatter . . . 3300D Frau Korspeter (SPD) . . . 3304A, 3320C Kohl (Stuttgart) (KPD) . . 3305A, 3311D, 3320A, 3323D Richter (Frankfurt) (SPD) 3305D, 3314A, D 3318B, 3319D, 3325C, D Dr. Atzenroth (FDP) 3312 C Degener (CDU) 3313A Horn (CDU) . 3314D, 3316A, 3318A, 3325A Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäftsordnung) 3315C Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 3315D Pohle (SPD) 3316D, 3324C Freidhof (SPD) 3317C Frau Kipp-Kaule (SPD) . . 3318D, 3321C Dannebom (SPD) 3319B Frau Kalinke (DP) 3320B, 3325D Frau Döhring (SPD) 3321D Dr. Wellhausen (FDP) 3323C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Besteuerung besonderen Aufwandes (Nr. 1345 der Drucksachen) 3326A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3326A Leonhard (CDU) 3327C Dr. Besold (BP) 3328B Schoettle (SPD) (zur Geschäftsordnung) 3329A Nächste Sitzung 3329C Die Sitzung wird um 14 Uhr 37 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Hugo Karpf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wie sich das Schicksal des Heimarbeiters weniger sichtbar vor der Öffentlichkeit abspielt, so scheint es das Schicksal der Heimarbeiterschutzgesetzgebung zu sein, daß sie erst nach vielen Schwierigkeiten zum Durchbruch kommt. Es dauerte lange, bis im sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen Schrifttum die Heimarbeiterfrage in ihrer ganzen, großen Bedeutung gesehen wurde. Und als dann der alte Reichstag nach fast zehnjähriger Beratung im Jahre 1911 das erste Heimarbeitsgesetz verabschiedete, stellte es deswegen keinen wirksamen Schutz dar, weil in ihm die Lösung der Kernfrage, nämlich die Entgeltfestsetzung und der Lohnschutz, fehlte.
    Weithin ist man heute geneigt, den Umfang der Heimarbeit für nicht mehr so groß zu halten wie vor einigen Jahrzehnten. Aber selbst aus der Begründung der Regierung zu diesem Gesetzentwurf geht hervor, daß die Regierung die Zahl der Be-


    (Karpf)

    schäftigten ohne die mitarbeitenden Familienangehörigen und Hilfskräfte auf 140 000 schätzt. Das bedeutet, daß sehr wahrscheinlich insgesamt über 300 000 Menschen in Westdeutschland mit Heimarbeit beschäftigt sind.
    Die Lage der Heimarbeiter ist nicht nur um die Jahrhundertwende sehr schlecht gewesen, sondern es herrschen auch heute noch vielfach unbeschreibliche soziale Mißstände.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen] : Sehr richtig!)

    Nur dort, wo es gelungen ist, die Heimarbeiter in den Gewerkschaften organisatorisch zu erfassen — das ist bekanntlich nicht allzuleicht —, war es möglich, durch tarifrechtliche Regelungen eine sichtbare Besserung herbeizuführen.
    Nachdem das erste Heimarbeitsgesetz bei weitem nicht genügte, versuchte in Ergänzung dazu das Heimarbeiterlohngesetz im Jahre 1923 durch Einführung der Fachausschüsse eine Verbesserung. Hier bot sich eine Möglichkeit; aber auch dieser Apparat war noch so schwerfällig, daß kaum sichtbare Erfolge erzielt werden konnten. Ich hatte die Möglichkeit, in einem solchen Fachausschuß mitzuarbeiten. Ich muß die erschütternde Erklärung abgeben, daß wir damals festgestellt haben, daß in einem verhältnismäßig kleinen Kreis, den wir erfassen konnten, innerhalb vier Wochen 30 000 Mark an Lohn von den an sich schon niedrig festgesetzten Löhnen zu wenig gezahlt waren.
    Das Heimarbeitergesetz vom Jahre 1934, dessen Vorarbeiten in Erkenntnis dieser Zustände geleistet wurden, war eher geeignet, hier Ordnung zu schaffen. Es fehlte dann aber weithin infolge der Kriegs- und sonstigen Verhältnisse, auf die ich in diesem Zusammenhang nicht einzugehen brauche, an der Durchführungsmöglichkeit.
    Ich schildere diese Verhältnisse deswegen so eingehend, weil ich damit sagen will, daß nicht nur ein Gesetz, sondern auch seine Durchführung außerordentlich wichtig ist, und weil ich damit begründen will, daß auch die Durchführung dieses Heimarbeitsgesetzes nur dann gesichert ist, wenn alle Organe mitwirken, die dazu herangezogen werden können. Das sind neben den Körperschaften des öffentlichen Rechts in erster Linie auch die wirtschaftlichen Organisationen der Arbeitnehmer und die Arbeitgebervereinigungen. Erst in jüngster Zeit — ich muß bestätigen, was meine Vorrednerin Kollegin Döhring soeben sagte — mußte ich feststellen, daß noch Löhne von 15 Pfennig für Strickarbeiten usw. bezahlt werden. Die Gefahr der Lohnunterbietung ist beim Heimarbeiter nach wie vor gegeben. Die Kinderarbeit, die in der Industrie Gott sei Dank beseitigt werden konnte, ist in der Heimarbeit noch weithin gang und gäbe. Eine geregelte Arbeitszeit kennt man kaum; sie hängt von einer geordneten Lohnregelung ab. Nicht durch gesetzliche Vorschriften über die Arbeitszeit, sondern durch eine geordnete Lohnregelung allein kann auch hier Ordnung geschaffen werden.
    Dem vorliegenden Gesetzentwurf, bei dem ich anerkenne, daß er durch größere Klarheit und durch Hereinnahme der bei den Heimarbeitern beschäftigten fremden Hilfskräfte eine Verbesserung erfahren hat, fehlt aber leider die stärkere Mitwirkung der Gewerkschaften und der Arbeitgeberorganisationen. Ich muß namens meiner Freunde erklären, daß wir darauf bestehen müssen, daß alle Organe, die zur Durchführung des Gesetzes herangezogen werden können, wirklich mitbeteiligt werden. Das gilt insbesondere für die bereits eben genannte Einreichung der Listen. Es kann nicht genügen, wenn diesen Organisationen nur Einsicht gewährt wird, weil Einsicht in einem Gebiet, in dem zehn oder mehr Tausend Heimarbeiter sind, einfach nur eine theoretische Möglichkeit darstellt, um hier auf Abhilfe zu drängen. Deswegen muß im Gesetz die Möglichkeit geschaffen werden, diese Listen den beteiligten Organisationen auszuhändigen. Ferner ist die Frage zu prüfen, inwieweit die wirtschaftlichen Organisationen durch eigene tarifrechtliche Überwachungsstellen miteingebaut werden können.
    Es ist auch in § 1 eine meines Erachtens gründlichere Differenzierung der Begriffe Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende zu finden. Wenn es dort heißt: Hausgewerbetreibender ist, wer als Gewerbetreibender mit seinen Familienangehörigen arbeitet, dann ist in der Praxis mit diesem Begriff sehr wenig anzufangen. Zu welcher Verwirrung es führt, mußten wir zu unserem Leidwesen in den letzten Wochen in den drei Ländern Bayern, Württemberg-Baden und Hessen feststellen. Dort hat man u. a. auf Grund auch dieser Auslegung herausgefunden, daß es sich hier um selbständige Gewerbetreibende handelt, die nicht mehr wie seither der Lohnsteuer unterliegen sollen, sondern zur Gewerbeumsatzsteuer heranzuziehen sind und bereits den ersten Einkommensteuerbescheid erhalten haben. Ein solches Vorgehen ist unmöglich. Es bedeutet eine noch weitere Kürzung des an sich schon. kärglichen Lohnes.
    Ich schlage ebenfalls vor, daß dieser Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird. Wir werden im Ausschuß für Arbeit auch unserseits die nur zum Teil von mir vorgebrachten Wünsche als Abänderungen in dieses Gesetz einzubauen suchen, um nach Jahrzehnten des Arbeitens an einem echten Heimarbeiterschutz ein wirklich brauchbares Instrument zu schaffen, um diesem großen, sozial so gedrückten Personenkreis die Hilfe und den Schutz angedeihen zu lassen, den er haben muß, damit die Löhne auf die Höhe gebracht werden, die eine Existenzmöglichkeit gewährleistet, und damit die so festgelegten Löhne — ob sie tarifrechtlich oder durch die hier einzubauenden Ausschüsse festgelegt werden — auch tatsächlich gezahlt werden.
    Deswegen begrüßen wir es, daß in diesem Entwurf auch die Möglichkeit besteht, von seiten der öffentlichen Körperschaften bei den Gerichten im Namen der Heimarbeiter und an ihrer Stelle Klage zu führen, weil es eine bekannte Tatsache ist, daß die Heimarbeiter in ihrer sozialen Schwäche aus Furcht vor Entlassung nicht leicht in der Lage sind, ihre Rechte zu vertreten.
    Ich möchte ferner noch einen Wunsch anfügen: wir müßten auch bei der Beratung des Gesetzes überlegen, ob und inwieweit es möglich ist, auch für die Heimarbeiter einen echten Kündigungsschutz einzuarbeiten, den sie leider bis heute entbehren, weil diese Heimarbeiter von Woche zu Woche, obwohl sie arbeitslosenversicherungspflichtig sind, vertröstet werden, bis sie wieder Arbeit erhalten und oft nach drei bis vier Wochen erst in die Lage kommen, nachdem sie so lange arbeitslos sind, Arbeitslosenunterstützung zu beziehen.
    Zu den Ausführungen der Vorrednerin bezüglich des Gesetzes über die Mindestlöhne darf ich doch freundlichst erwähnen, daß im Ausschuß beschlossen worden ist, diese beiden Gesetze gleichzeitig zu beraten. Wir bedauern es ebenso, daß dieses Gesetz, das seinerzeit im Wirtschaftsrat in Frankfurt verhältnismäßig rasch und meines Wissens ebenfalls einstimmig beschlossen worden ist, infolge der


    (Karpf)

    uns hier geschilderten Schwierigkeiten so lange brauchte, um vorgelegt zu werden. Wir wollen im Bundestag nun unsererseits alles tun, um die an sich schon zu lange Frist, die dem Erscheinen des Gesetzes gestellt ist, durch möglichst rasche und gründliche Arbeit wieder wettzumachen, um den Heimarbeitern endlich den Schutz in ihrer Arbeit angedeihen zu lassen, dessen sie bedürfen und auf den sie seit Jahren vergeblich warten.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Volkholz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ludwig Volkholz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung heute ein Gesetz in erster Lesung vorgelegt hat, das besonders den ärmsten Teil unserer Bevölkerung und vor allen Dingen auch unsere Notstandsgebiete betrifft, Gebiete, die besonders unter der Weltabgeschiedenheit und Verkehrsferne leiden. Dieses Heimarbeitergesetz kann nicht als nebensächlich behandelt werden, da gerade die Heimarbeit in der heutigen Zeit gesamtwirtschaftlich von größter Bedeutung ist und an Bedeutung noch zunehmen wird. Ausgebombte Betriebe können ihre Produktion auch ohne den Aufbau neuer Fabrikationsstätten durch Verlegung auf Heimarbeit beginnen und damit die vorhandenen Mittel nur zur produktiven Arbeitsbeschaffung und zum Ankauf von Rohmaterial bereitstellen. Für Frauenüberschußgebiete und Flüchtlingsgebiete ist die Heimarbeit der erste Faktor zur wirtschaftlichen Versorgung dieser jetzt noch hauptsächlich auf Fürsorge angewiesenen Personengruppen. Die Bundesregierung muß deshalb außer der sozialen und arbeitsrechtlichen Regelung der Heimarbeit diese auch wirtschaftlich stützen. Wir denken hier an Steuervergünstigungen für die Heimarbeitindustrie. Desgleichen müssen besonders günstige und ausreichende Kreditbereitstellungen durch die Bundesregierung gesichert werden. Wir erinnern deshalb die Bundesregierung daran, nach diesem Heimarbeitergesetz, welches vorerst ein Sozialgesetz schafft, baldigst auch ein Schutzgesetz der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Existenz der Heimarbeiterbetriebe vorzulegen. Dabei ist auch an die Bevorzugung der Heimarbeiterindustrien bei Vergebung von Aufträgen des Bundes zu denken. Genau so darf die Heimarbeiterindustrie bei den Beratungen des zukünftigen Zolltarifgesetzes nicht vergessen werden. Auch hier werden wir darüber wachen, daß ein ausreichender Zollschutz für die Erzeugnisse unserer Heimarbeitsindustrie auf gestellt wird.
    Mit dem vorliegenden Heimarbeitergesetz soll der Arbeitnehmer in der Hauptsache sozial sichergestellt werden. Aus diesem Grunde wollen wir den vorliegenden Entwurf in einigen Punkten ändern bzw. ergänzen.
    Eine neue Bestimmung muß eingefügt werden, wonach ab einem Wochenverdienst von 20 DM für jeden einzelnen Heimarbeiter, gleichgültig ob er innerhalb einer Familie oder Hausgemeinschaft arbeitet oder nicht oder als Einzelarbeiter, die gesetzlichen Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung über Krankenversicherung, Invaliden- und Arbeitslosenunterstützung anzuwenden sind. Damit wollen wir aber ausdrücklichst betonen, daß keine Familienversicherung geschaffen werden soll, sondern jeder einzelne Arbeiter, genau so wie er für seine Arbeit in den Genuß seines Lohnes kommen muß, auch seine Arbeitslosenunterstützung erhält. Familienhilfe betrachten wir als unzulänglich und zu allgemein. Bei Witwen mit Kindern ist selbstverständlich Familienhilfe im Sinne der Reichsversicherungsordnung angebracht.
    In Anbetracht des zur Zeit bestehenden Zustandes ersuchen wir die Bundesregierung, so bald als möglich den § 25 der Reichsfürsorgeverordnung abzuändern und für Heimarbeiter die Rückzahlungspflicht der öffentlichen Fürsorge abzuschaffen. Besonders liegt uns die Beseitigung der Sicherungshypotheken am Herzen. Ein großer Teil der Heimarbeiter setzt sich aus einer heimatverbundenen und kleinbesitzfreudigen Grenzbevölkerung zusammen. Diese Bevölkerung darf deshalb durch eine zweifelhafte Fürsorgepolitik und verhängnisvolle Sicherungshypotheken nicht entwurzelt werden.
    Eine weitere Bestimmung muß festlegen, daß ein angemessener Freibetrag bei Fürsorgeunterstützungsempfang gewährt wird, um die Arbeitsfreudigkeit auch in einer Krisenzeit zu erhalten. Unser Ziel mit diesem Heimarbeitergesetz und mit unseren Abänderungsanträgen soll sein, den Heimarbeiter in den Genuß der Arbeitslosenunterstützung und der Arbeitslosenfürsorge zu bringen und damit schließlich auch den Bezirken, Gemeinden und Ländern hinsichtlich ihrer Fürsorgelasten eine Erleichterung zu verschaffen.
    § 11 Abs. 1 und 2 muß ergänzt werden. Der Heimarbeitsausschuß soll gehört werden, und beanstandete Erzeugnisse sollen durch Sachverständige überprüft werden. Der Unternehmer kann von sich aus keine Erzeugnisse ablehnen. Auftragsvergebungen an die Heimarbeiter können nur in Verbindung mit dem Ausschuß durchgeführt werden.
    Im fünften Abschnitt muß eine Vorschrift aufgenommen werden, die besagt, daß in gewissen Betrieben, z. B. in Heimwebereien, periodisch ärztliche Untersuchungen vorzunehmen sind. Der derzeitige gesundheitliche Zustand gerade der Heimweber des unteren Bayerischen Waldes, eines Notstandsgebietes der deutschen Bundesrepublik, ist katastrophal und muß geändert werden. Ebenso stellen wir den Antrag auf Aufnahme der Heimarbeiter in die gesetzlichen Unfallberufsgenossenschaften.
    Mit der Entgeltregelung nach § 17 sind wir nicht ganz einverstanden. Wir vertreten die Ansicht, daß Tarifverhandlungen grundsätzlich nur mit sämtlichen Betriebsangehörigen und Beteiligten durchgeführt werden können. Da in den meisten Fällen nicht alle bei der Gewerkschaft sind, kann den nicht organisierten Arbeitern nicht zugemutet werden, die Tarifabmachungen der Gewerkschaften anzuerkennen.

    (Zurufe links.)

    Nicht alle Tarifverträge gerade bei Stücklohnvereinbarungen der Gewerkschaften waren zufriedenstellend, da nicht jeder Funktionär der Gewerkschaft mit den verschiedenen Zweigen der Heimarbeit vertraut ist. Die Gewerkschaften sollen sich auf die Überwachung beschränken.
    § 21 muß genauer formuliert werden. Dem Unternehmer muß eine Abnahmeverpflichtung nach Auftragsvergebung auferlegt werden, um Schutz vor Augenblickskrisen zu gewähren. Dasselbe gilt für den Kündigungsschutz.


    (Karpf)

    In den Strafbestimmungen des § 29 darf der Schutz der Jugendlichen vor Ausbeutung nicht vergessen werden.
    Dies sind vorerst unsere Abänderungsanträge, die wir im Ausschuß für Sozialpolitik einbringen, an den wir den Entwurf zu überweisen bitten.

    (Beifall bei der BP.)

    Vizepäsident Dr. Schmid: Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.