Rede von
Freiherr
Anton
von
Aretin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, einleitend zum Ausdruck zu bringen, daß dieses Gesetz zumindest in dem hier heute vorgeschlagenen Wortlaut des ersten Teils ein schmerzliches Armutszeugnis für unsere heutige Zeit geworden ist. Ich gebe gern zu, daß eine gesetzliche Regelung für Versammlungen unter freiem Himmel nötig ist, und ich gebe auch gern zu, daß Ereignisse der letzten Zeit in einem Teil unseres Heimatlandes den Grund dafür abgeben können, daß wir uns darüber unterhalten. Ich stelle aber mit schmerzlichem Bedauern fest, daß die Frage der Zuständigkeit bei diesem Gesetz weder von dem Herrn Bundesinnenminister noch von den bisherigen Rednern angeschnitten wurde. Unbestritten fällt das Recht der Versammlung unter die konkurrierende Gesetzgebung, und zwar nach Art. 74 Ziffer 3. Dabei taucht die Frage auf, ob es überhaupt ein zwingendes Bedürfnis ist, daß dieses Recht der Versammlung in ganz Westdeutschland einheitlich geregelt wird, nachdem es sich zumindest denken läßt, daß zwischen Nord und Süd nicht nur im Temperament, sondern auch in der
Tat erhebliche Unterschiede in der Methode bestehen. Ich werde im Ausschuß darauf hinwirken, daß mit dieser gesetzlichen Bestimmung nicht etwa präventive Polizeimaßnahmen eingeführt werden.
Noch eine andere Bestimmung in diesem Gesetz erscheint mir etwas bedenklich. § 15 droht zu einem Kautschukparagraphen zu werden, der leicht dazu führen kann, daß das Gegenteil von dem geschieht, was der Gesetzgeber davon erwartet. Die Situation ist etwa folgende. Die Partei A hält eine Versammlung ab; die Partei B erklärt, daß sie diese Versammlung sprengen wird. Nach dem Kautschukparagraphen 15 hat dann die Polizei die Möglichkeit, ja vielleicht sogar die Pflicht, diese Versammlung zu unterbinden. Wir kommen also hier zu einer außerordentlich starken Berücksichtigung und zu einer sehr erheblichen Machtanhäufung bei der Polizei, wobei bekanntlich das Beschwerderecht wegen der Weitläufigkeit oft nicht zum Ziele führen wird.
Die Auseinandersetzung mit den einzelnen Bestimmungen überlasse ich der zweiten Lesung. Abschließend möchte ich aber doch feststellen: Mancher Gedanke des Gesetzes erscheint mir auf Grund der Praxis weltfremd. Man wird weit laufen müssen, um den Versammlungsleiter zu finden, der mit den Problemen dieses Gesetzentwurfs in souveräner Sicherheit fertigzuwerden vermag. Die schönsten gesetzlichen Bestimmungen allein schützen nicht davor, daß ein Versammlungsleiter dieses Gesetz nicht richtig durchführt.
In Übereinstimmung mit meinen Freunden trete ich also dafür ein, daß zunächst einmal im Wege der Zuständigkeitsprüfung geklärt wird, welche Rechte man den einzelnen Teilen unserer Heimat geben kann. Zum anderen würde ich begrüßen, wenn wir den Teil herausließen, durch den die Versammlungen in geschlossenen Räumen besonders geregelt werden sollen. Ich würde darin mehr als einen zufälligen Akt, ich würde darin einen Beweis für ein Vertrauen in das demokratische Verhalten unserer Bevölkerung erblicken, und Vertrauensbeweise, meine Damen und Herren, lohnen sich!