Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Euler habe ich für die Fraktion der Deutschen Partei nur wenig Grundsätzliches hinzuzufügen. Das vorliegende Gesetz steht in einem inneren Zusammenhang mit der Strafrechtsnovelle, die vorhin begründet worden ist. Die Problematik des Versammlungsschutzgesetzes ist nicht so groß wie bei der vorher debattierten Vorlage. Hier handelt es sich um sehr viel konkretere Tatbestände, die der gesetzlichen Normierung zugänglicher sind. Immerhin bleibt auch hier noch ein weiter Problemkreis offener Fragen, und es ergibt sich eine Reihe von Gefahren, die der rechtsstaatlichen Handhabung unserer Gesetzgebung daraus erwachsen können.
In der Begründung des Gesetzentwurfs wird gesagt, daß der Staat, solange sich die Spielregeln der öffentlichen Diskussion nicht aus gesundem demokratischem Geist entwickeln, entsprechende Rechtsnormen zu setzen und unter strafrechtlichen Schutz zu stellen hat. Die Praxis hat ergeben, daß
Schutzbestimmungen geschaffen werden müssen. Im Unterschied zur Strafrechtsnovelle handelt es sich hier um ein Gesetz wesentlich polizeilichen Charakters. Aber dieses Polizeigesetz enthält auch Strafbestimmungen. Besonders wenn man den Vorschlägen des Bundesrats folgen wollte, vor allem zu § 7a, geht es weit über das Notwendige hinaus. Um ein solches Versammlungsschutzgesetz im rechtsstaatlichen Sinn nach dem Legalitätsprinzip wirksam zu gestalten, käme es darauf an, möglichst nur technische und praktisch durchführbare Bestimmungen darin aufzunehmen.
Die Grenze dieses politischen Schutzrechtes liegt haargenau da, wo aus einem äußerlichen konkreten Begehungstatbestand ein Gesinnungs- und Meinungsdelikt wird. Wenn man das Hausrecht des Versammlungsleiters, das nach dem Vereinsgesetz einen sehr unwirksamen und nur negativen Inhalt gehabt hat, erweitert zu einer Pflicht, für Ordnung zu sorgen, so ist das richtig. Aber man überspannt die Möglichkeiten eines Leiters einer solchen Versammlung ganz erheblich, wenn man ihm, wie es auch in der Begründung des Regierungsentwurfs heißt, die Verantwortung für die Duldung von Äußerungen auferlegt, die der demokratischen Ordnung — oder wie man sonst diesen Tatbestand der Verfassungsmäßigkeit normieren mag, zuwiderlaufen. Das ist eine erhebliche Überspannung der Möglichkeiten des Leiters einer solchen Versammlung. Dazu kommt das Bedenken, daß hier die Polizei nach Ermessen einen Tatbestand der Gesinnung und der Meinung beurteilen soll. Unter Umständen handelt es sich manchmal nur darum, daß der Ton die Musik macht. Damit geraten wir in die Uferlosigkeit der willkürlichen Beurteilung hinein, und ich glaube nicht, daß eine solche Bestimmung — der Ausschuß wird sich damit ja noch erheblich zu beschäftigen haben — der Beruhigung dienen kann. Ich fürchte vielmehr, daß durch eine solche Überspannung des politischen Schutzrechtes die Leidenschaften nur noch mehr angestachelt werden und so das Gegenteil von dem erreicht wird, was man erreichen will.
Das gleiche gilt vom Uniformverbot, vom Verbot von Uniformteilen oder etwa vom Verbot gleichartiger Kleidungsstücke und von der Frage der Symbole. Es ist immer ein Zeichen der politischen Erkrankung und eines Verlustes der Spielregeln, wenn man sich zur Dokumentation seiner Gesinnung solcher Symbole in einem Übermaß bedient. Das ist ein deutliches Zeichen, daß das politische Leben in einem Volk krank geworden ist. Ob man aber auf polizeistaatlichem Wege durch ein politisches Schutzrecht die Substanz schaffen kann, die wir benötigen, das bleibt fraglich; und es wird von der Weisheit und Tüchtigkeit der ausführenden Organe abhängen, daß man die Kirche im Dorf läßt. Das gilt insbesondere von sehr vielen Abänderungsvorschlägen, die der Bundesrat gemacht hat. Ich möchte dem Gedanken, daß man hier eine Substanz ersetzen will, die fehlt oder von der man glaubt, daß sie fehlt, nur mit sehr großem Vorbehalt beitreten. Notwendig ist manches. Aber das Maßhalten dürfte das Wichtigste dabei sein.
Ich kann es mir nicht versagen, zu einem gewissen Vorfall, der bei der Strafrechtsnovelle vorgekommen ist, Stellung zu nehmen. Es handelt sich um den persönlichen Angriff gegen den Minister, der die mit der Vorlage zusammenhängende Strafrechtsnovelle eingebracht hat. Hier
wie dort geht es um die Spielregeln der Demokratie und damit auch um die Spielregeln des Parlaments. Nur mit sehr großem Unmut haben wir diesen persönlichen Angriff anhören müssen. Es kommt doch gerade bei diesen Gesetzen auf die Zusammenarbeit aller Parteien an, die dieser Demokratie verpflichtet sind. Es kommt auf die Zusammenarbeit an zwischen Opposition und Regierungsparteien. Das sind Positionen, die wechseln können. Das sind vorübergehende Sachen. Aber die Substanz, die Spielregeln der Demokratie, die haben wir gemeinsam zu erarbeiten; und da vergiftet ein persönlicher Angriff ungemein, zumal gegen einen Minister, der die schwierige Strafrechtsnovelle geschaffen hat. Wir würden es sehr wünschen, daß solche persönlichen Angriffe, die nur vergiften und die Sache nicht fördern können, nach Möglichkeit unterbleiben.