Rede von
Arthur
Mertins
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß mein Kollege Dr. Arndt in der 54. Sitzung dieses Hohen Hauses die Bedenken der Sozialdemokratischen Partei gegen den vorliegenden Gesetzentwurf zur Sprache gebracht und die Zurückverweisung an den 23. und 11. Ausschuß zu gemeinsamer Beratung beantragt hat. Die Mehrheit dieses Hauses hat dann so beschlossen und dadurch auch dokumentiert, daß bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes Schwierigkeiten aller Art aufgetaucht sind.
Nach der Meinung meiner Fraktion bestehen diese Schwierigkeiten hauptsachlich auf drei Gebieten. Wir sind der Meinung, daß eine ordnungsmäßige Erledigung der strittigen Fragen in Finanz- und Steuersachen auf jeden Fall eine zwingende Notwendigkeit ist. Wir haben den betrüblichen Zustand zu verzeichnen, daß wir in der britischen und auch in der französischen Zone — in der britischen Zone seit Mitte 1948, in der französischen seit 1945 — keine Rechtsbeschwerdeinstanz in Finanz-und Steuersachen haben. Dadurch wächst die Ge- fahr der verschiedenartigen Gesetzesauslegung und der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung auf dem Gebiete der Finanzen und Steuern. Wir begrüßen daher jede Initiative auf diesem Gebiet.
Wir sind aber der Meinung, daß diese Initiative am verkehrten Ende eingesetzt hat. -Die richtige Reihenfolge der Abwicklung dieser Dinge wäre doch die gewesen, daß zunächst einmal ein Gesetz über die Bundesfinanzverwaltung von dem Hohen Hause verabschiedet worden wäre. Dieses Gesetz liegt dem Hohen Hause vor. Es fehlt aber das Gesetz über die Finanzgerichtsbarkeit im allgemeinen. Es ist angekündigt worden, und es soll schließlich die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Bundesfinanzhof aufnehmen. Darin liegt eine der großen Schwierigkeiten, daß wir das Gesetz, das in der' Reihenfolge eigentlich am Schlusse steht und an der Stelle behandelt werden sollte, nun vorwegnehmen müssen.
Eine zweite Schwierigkeit, auf die meine Fraktion hinzuweisen hat, ist, daß in diesem Gesetz über den Bundesfinanzhof von einem Richterwahlausschuß gesprochen worden ist, der nach Art. 95 Abs. 3 des Grundgesetzes durch ein Richterwahlgesetz eigentlich erst eingerichtet werden soll. Die einheitliche Regelung der Richterwahl für alle oberen Bundesgerichte halten wir für eine Angelegenheit, die diesem Gesetz eigentlich vorauszugehen hätte. Es liegt nämlich sonst die Gefahr der Präjudizierung dieses Richterwahlgesetzes vor. Wir begrüßen es daher, daß mit § 8 a des jetzt durch den Ausschuß neu gefaßten Gesetzes eine Zwischenlösung gefunden worden ist.
Die letzte Schwierigkeit, auf die ich hinweisen möchte, besteht im § 3, und zwar ist diese Schwierigkeit noch nicht einmal in der Ausschußberatung ausgemerzt worden. Es liegen uns zwei Fassungen vor, wie es der Herr Berichterstatter hier auch bereits bekanntgegeben hat. In der Fassung des 23. Ausschusses, des Rechtsäusschusses, wird der Bundesfinanzhof gewissermaßen zu einer Domäne der Nur- und Volljuristen gemacht. Wir werden diesem Antrag nicht folgen und unsere Stimme für den Antrag des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen abgeben, der hier — vielleicht zum erstenmal in der Geschichte der oberen Gerichte — etwas Fortschrittliches enthält, und zwar dahingehend, daß auch das fachlich versierte — ich betone ausdrücklich: das fachlich versierte — Laientum die Möglichkeit hat, in diesem oberen Gericht mitzuwirken. In diesem oberen Gericht sind tatsächlich nicht nur reine Rechtsfragen zu entscheiden, sondern es muß von den Richtern an diesem oberen Gericht auch verlangt werden, daß sie entweder alle oder wenigstens einige von ihnen auf dem Gebiete der Wirtschaft im allgemeinen und vor allen Dingen auf dem des Bilanzwesens auch genauer Bescheid wissen. Wir halten das für unerläßlich und werden daher dem Antrag des 11. Ausschusses zustimmen.
Wir haben mit Interesse festgestellt, daß die Mitglieder der CDU im Rechtsausschuß für den Antrag des Rechtsausschusses und im Finanzausschuß fur den Antrag des Finanzausschusses gestimmt haben. Ich möchte wünschen, daß die Mitglieder der CDU im Rechtsausschuß sich in der Zwischenzeit zu der Meinung ihrer Kollegen des Finanzausschusses bekehrt haben, damit wir diesen bescheidenen Fortschritt wenigstens einmal in Gesetzesform festlegen können.
Zum Schluß möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Bundesregierung das Richterwahlgesetz dem Hohen Hause möglichst schnell vorlegt. Ich erinnere daran, daß ein Entwurf der SPD für dieses Richterwahlgesetz schon seit Monaten vorliegt. Die Regierung sollte sich unserer Meinung nach etwas beeilen, damit nicht noch weitere Schwierigkeiten dieser Art bei anderen Gesetzen oder bei der Einrichtung anderer oberer Bundesgerichte auftreten.
Darüber hinaus bitten wir um die schnelle Vorlegung des Gesetzes über die allgemeine Finanzgerichtsbarkeit, damit dieses Gesetz über den Bundesfinanzhof dort eingereiht werden kann und damit endlich einmal der Beschwerdeweg durchgängig von unten bis oben gegeben ist. Unsere Wünsche bezüglich dieses Gesetzes über den Bundesfinanzhof sind nicht restlos erfüllt worden. Aber da wir die schnelle Verabschiedung des Gesetzes und die baldige Einrichtung eines solchen oberen Gerichtes für unbedingt notwendig halten, werden
2252 Deutscher Bundestag. — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Mai 1950
wir diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung geben.