Rede:
ID0105702200

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Schoettle.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 31. März 1950 2115 57, Sitzung Bonn, Freitag, den 31. März 1950. Geschäftliche Mittellungen . . . . . 2115 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films über den Antrag der Abg. Dr. Vogel, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) u. Gen. betr. Hilfsmaßnahmen für die deutsche Filmproduktion (Drucksachen Nr. 775 und 418) . . 2115 C Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter 2115 C Hennig (SPD) 2118 B Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 2118 C Jacobs (SPD) 2119 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache Nr. 797 neu) . . . . 2120 A Scharnberg (CDU), Berichterstatter . 2120 A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2122 B Renner (KPD) . . .. . . . . . 2122 D Loritz (WAV) 2123A Leonhard (CDU) . . . . . . . 2123 B Schoettle (SPD) 2124 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2125 D Die Sitzung wird um 16 Uhr 44 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Gottfried Leonhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Wohl jedem Abgeordneten dieses Hohen Hauses wurde schon irgendwie und irgendwo einmal die Frage nach der Höhe der Diäten vorgehalten. Phantastische Zahlen über die Höhe dieser Bezüge wurden genannt. Sie alle kennen die Höhe dieser Zahlen. Uns allen in diesem Hause wäre es wohl lieber, wenn nicht wir selbst dieses Gesetz schaffen müßten.

    (Sehr richtig!)

    Besser wäre es gewesen, wenn dieses Gesetz gleich nach dem Zusammentritt des Bundestages beschlossen worden wäre.

    (Sehr richtig!)

    Hätten wir es aber damals beschlossen, dann wäre uns wohl von allen Seiten vorgehalten worden: Das also ist den Abgeordneten das Wichtigste, daß s i e ihr Geld bekommen; das Volk kann ruhig Not leiden.
    Wenn ich heute zu dem vorliegenden Diätengesetz und den Ausführungsbestimmungen das Wort ergreife, dann darf ich für mich in Anspruch nehmen, mich jederzeit mit allem Nachdruck für eine Regelung eingesetzt zu haben, die möglichst jede Korruption ausschaltet. Dies scheint mir bei dem vorliegenden Entwurf weitgehend der Fall zu sein.
    Wie sich die Diäten aus Pauschalgebühr, Tagegeld usw. zusammensetzen, haben Sie von unserem Berichterstatter gehört. Addiert man diese Beträge, dann kommt man selbstverständlich auf eine Summe, die weiten Kreisen viel zu hoch erscheint. Aber diese Leute halten nicht auseinander, was wirkliches Einkommen und was Betriebsausgaben, also Unkosten, sind.

    (Sehr richtig!)

    Nicht einmal der ausgekochteste Buchprüfer irgendeines Landesfinanzamtes käme auf den Gedanken, einem steuerpflichtigen Geschäftsmann die Telephon- und Postgebühren, die Unkosten für den von dem Betrieb benötigten Kraftwagen oder das, was er für Übernachtungen anläßlich einer Geschäftsreise bezahlt, zu dem Einkommen zuzuschlagen, wie man es leider bei den Abgeordneten zu tun gewohnt ist.

    (Zuruf links: Die Presse!)

    Jeder mittlere oder höhere Beamte hat, falls erforderlich, einen bestimmten Sachapparat zur Verfügung, eventuell Auto, Fahrer, Büro, Schreibkräfte usw. Diesen Apparat bezahlt die Öffentlichkeit mit aller Selbstverständlichkeit, während der Abgeordnete sein Auto, sein Büro und all diese Dinge selbst finanzieren muß.
    Nehmen wir die gesamten Einnahmen und Ausgaben der Abgeordneten doch einmal unter die Lupe.

    (Abg. Dr. Reismann: Herr von Rechenberg schreibt das ab; der macht das über seine Bücher!)

    — Durch Zwischenrufe lasse ich mich dabei nicht aus dem Konzept bringen; ich möchte nur sachlich über diese Angelegenheit sprechen.
    Ein großer Teil der Abgeordneten mußte — dies sei ausdrücklich betont — Beamtenstellungen aufgeben. Andere haben durch die Abgeordnetentätigkeit große geschäftliche Nachteile; Ersatzkräfte mußten eingestellt und bezahlt werden. Nahezu alle Abgeordneten sind gezwungen, einen doppelten Haushalt zu führen. 50 bis 100 DM dürfte der Durchschnittspreis für ein Zimmer hier in Bonn sein.

    (Zuruf rechts: Das reicht nicht!)

    Die 100 DM Unkostenzuschuß für den Telephonanschluß, die Fernsprechgebühren und die Postauslagen reichen für die wenigsten Abgeordneten aus. Die 200 DM für ein Sekretariat decken in keiner Weise die tatsächlichen Unkosten eines solchen. Diejenigen Abgeordneten, die diese Ausgaben nicht haben, können diesen Betrag auch nicht erheben.
    Ein großer Teil der Abgeordneten hat keine andere Wahl, als die Nachtzeit zu benutzen, um mit der Bahn nach Bonn zu fahren. Die Schlafwagengebühren von 100 DM oder mehr im Monat gehen selbstverständlich zu Lasten des Abgeordneten. Ich glaube, kein Mensch beneidet diese Leute um ihre zirka 8 Nachtfahrten je Monat nach Bonn.


    (Leonhard)

    Was das Leben hier kostet, ist zur Genüge bekannt; darüber ist wohl kein Wort zu verlieren. Man braucht nicht gerade die von dem Abgeordneten Loritz in einer Versammlung erwähnten Koteletts zu 4 DM zu essen, um bedeutende, Ausgaben zu haben. Siedewurst mit Rotkohl oder Sauerkohl und Fischfilet sind nach meinen Beobachtungen die Spezialgerichte der Abgeordneten.

    (Zuruf: Für Loritz nicht! — Heiterkeit.)

    Coca-Cola und Hohenastheimer Apfelsaft oder ein Glas Bier oder eine Tasse Kaffee sind die üblichen Getränke der Abgeordneten in diesem Hause. Es ist nicht so, wie leider auch Abgeordnete dieses Hauses in demagogischer Weise behaupten, daß ein großer Teil der Abgeordneten dauernd im Restaurant sitzt und dort seine Diäten verzehrt. Nein, die Abgeordneten hier kennen keinen Achtstundentag und kein freies Wochenende.

    (Allgemeine Zustimmung.)

    Den Leuten, die von den riesigen wertvollen Kristallvasen in diesem Hause sprachen, muß gesagt werden, daß es sich um alte ausgebrauchte Säureballons handelt.
    Man mag über den Bundestag sagen, was man will: die Tatsache ist nicht zu bestreiten. daß der größte Teil der Abgeordeine Fülle von Arbeit leistet, von der Uneingeweihte keine Vorstellung haben und keine haben können.
    Der Abgeordnete hat durch seine dauernden Reisen auch bedeutend höhere Ausgaben für Garderobe und Wäsche. Das ist doch selbstverständlich und dürfte von niemand bestritten werden. Die 200 DM für Fahrten im Wahlkreis decken kaum die Kosten für das Halten eines Kraftwagens. Amortisation, Verzinsung. Steuer. Versicherung, Garagenmiete und Betriebstoff verschlingen pro Monat wahrscheinlich etwas mehr als diese 200 DM.

    (Zuruf rechts: Das Vierfache!)

    Der Abgeordnete kann doch seinen Wahlkreis wirklich nicht mit dem Fahrrad oder zu Fuß bereisen. Denn die Wahlkreise der meisten Abgeordneten sind sehr groß. Manche Abgeordnete haben über 200 Dörfer zu besuchen, deren entfernteste oft mehr als 100 km auseinanderliegen. Und wehe dem Abgeordneten, wenn er nicht jederzeit kommt, wenn sein Erscheinen von seinen Wählern gewünscht wird!
    Was hat ein Abgeordneter zum Beispiel von seinem Wochenende? Zahlreiche Besucher warten mit Schmerzen auf ihn; Versammlungen, Besprechungen, Sitzungen füllen seine Zeit aus. Von seiner Familie hat ein Abgeordneter überhaupt nichts mehr. Fragen Sie die Frauen der Abgeordneten, die wissen Bescheid, oder auch umgekehrt die Männer der Frauen Abgeordneten hier in diesem Parlament.
    Wenn dieses Haus einmal nicht so besetzt ist, wie es sein sollte, so ist das bestimmt bedauerlich. Wenn man aber weiß, welch eine Fülle von Korrespondenz der Abgeordnete in diesem Hause zu erledigen hat, wenn man um die Verhandlungen weiß, die er hier mit Ministerien und anderen Stellen führt, wenn man an die Besucher denkt, die er empfängt und deren Wünsche er weitgehend erledigt und berücksichtigt, dann weiß á man auch, daß diese Aufgaben hier eine Menge Zeit in Anspruch nehmen.
    Wie oft tagen aus Zeitmangel auch noch Ausschüsse während der Plenarsitzung! Diese Tatsache verdient ebenfalls beachtet zu werden.
    Ein Abgeordneter dieses Hohen Hauses sagte unlängst in sehr billiger und demagogischer Weise in einer großen Versammlung unter dem Beifall der Menge u. a.: „Der Bundestag wirft unnötigerweise das Geld zum Fenster hinaus." 402 Abgeordnete seien viel zu viel, 200 würden durchaus genügen. Ich entgegnete diesem Herrn, zum Abstimmen wären durchaus 200 oder 50 oder auch noch weniger genug, aber ich sei nicht in der Lage, einen Wahlkreis richtig zu bearbeiten, der doppelt so groß wäre, wie dies bei meinem heutigen Wahlkreis der Fall ist. Und den anderen Herren und Damen geht es auch nicht anders.

    (Allgemeine Zustimmung.)

    Die Tätigkeit eines Bundestagsabgeordneten dürfte doch, an den Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes gemessen, geldlich mindestens so bewertet werden, wie dies in dem vorgelegten Diätengesetz und in den Ausführungsbestimmungen geschieht. Oder sollen die Abgeordneten diese Tätigkeit etwa ohne Entschädigung ausüben? Dies würde doch dazu führen, daß nur noch Großkapitalisten, Syndici, Partei- oder Gewerkschaftsfunktionäre, Journalisten oder Angehörige ähnlicher Berufsgruppen ein Mandat annehmen und ausüben könnten. Aber dies gäbe bestimmt keine Volksvertretung aller Bevölkerungsschichten, so wie es im Interesse unseres Volkes unbedingt notwendig ist.
    Unter Berücksichtigung aller angeführten Tatsachen und Umstände ist der Betrag, den ein Abgeordneter nach der jetzigen Regelung erhalten soll, auch vor dem letzten Wähler vertretbar. Ich werde mich nicht scheuen, diese Regelung überall vor meinen Wählern, aber auch vor meinem Gewissen zu vertreten und zu verantworten.

    (Allgemeiner Beifall.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.

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    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, eine lange Rede zu halten. Sie wäre vielleicht gar nicht gehalten worden, wenn nicht die Debatte durch Herrn Kollegen von Rechenberg in Gang gebracht worden wäre. Ich verstehe durchaus, daß man zu diesem Diätengesetz einen individuellen Standpunkt einnimmt; ich will mich deshalb auch gar nicht hier mit einzelnen Äußerungen auseinandersetzen. Ich glaube, das, was der Herr Kollege Leonhard hier aus der Erfahrung eines Mannes gesagt hat, dem man nicht nachsagen kann, daß er einen üppigen Lebenswandel führt, ist vom Standpunkt des durchschnittlichen Abgeordneten dieses Hauses, der seine Pflicht erfüllt, durchaus von jedem zu unterstreichen.

    (Sehr richtig!)

    Ich möchte aber doch einiges hinzufügen, was vielleicht auch den Herren von der Presse — ich rede sonst nicht zur Galerie, wenn ich nicht muß — einmal zur Kenntnis gebracht werden müßte.

    (Zuruf von der CDU: Ihre Berufskollegen!)



    (Schoettle)

    — Ich kann nicht dafür, daß ich zu diesem Berufsstand gehöre. Ich betrachte es als eine Ehre, obwohl ich nicht alle Äußerungen meines eigenen Berufsstandes für sakrosankt halte.

    (Sehr gut!)

    Und in der Diätenfrage hat sich die deutsche
    Presse in jedem Falle nicht mit Ruhm bekleckert.

    (Sehr gut!)

    Es ist sehr billig, von den Bezügen der Abgeordneten zu reden, wenn man die Gehaltsregelungen, die in einem Teil der Presse gelten — zuzüglich der Spesen —, sorgsam der Öffentlichkeit verschweigt.

    (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

    Wer im Glashaus sitzt, der sollte beim Steinewerfen vorsichtig umgehen.
    Aber wir wollen es uns nicht so billig machen. Es ist ganz klar, daß in einem Lande wie dem unseren und bei der Not, die bei uns herrscht, die Art, wie öffentliche Gelder von öffentlichen Funktionären verwendet werden, Gegenstand der öffentlichen Kritik ist. Wir können uns gar nicht dagegen schützen, und wir sollten es auch nicht dadurch tun, daß wir irgend etwas verheimlichen. Jeder von uns sollte den Mut haben, sich draußen hinzustellen und das zu verteidigen, was hier beschlossen wird.

    (Allseitige Zustimmung.)

    Er kann es verteidigen, wenn er seine Pflicht hier erfüllt.

    (Allseitige Zustimmung. — Abg. Strauß: Das ist das richtige Wort!)

    Ich darf hier vielleicht noch ein paar Zahlen nennen, die ganz nützlich sind. Das, was der Bundestag, die gesetzgebende Körperschaft, für diesen im Aufbau befindlichen Staat den deutschen Steuerzahler kostet, beträgt zwei Zehntelprozent der gesamten Aufwendungen, die in unseren jetzt teils beratenen, teils verabschiedeten, teils noch zu beratenden Haushaltsplänen enthalten sind. Zwei Zehntelprozent! Und nun bedenken Sie das Geschrei, das darum, in einem
    Teil der Presse gemacht worden ist. Umgerechnet auf den Kopf der Bevölkerung zahlt der deutsche Steuerzahler für seinen Abgeordneten pro Jahr 33 Pfennig. Ich glaube, daß die Arbeit, die ein großer Teil der Damen und Herren dieses Hauses hier leistet, dem deutschen Steuerzahler mehr wert ist als 33 Pfennig pro Kopf und Jahr.

    (Sehr richtig!)

    Man sollte die Relationen einmal gerecht darstellen. Dann würde vielleicht die Debatte um die Diäten der Abgeordneten ein viel sachlicheres Gesicht bekommen, als sie es bisher hatte.

    (Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.)