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ID0105400700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950 1979 54. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1979C, 2030D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 770 und 630) . . . . 1979C Dr. Arndt (SPD) 1979D Schröter (CDU) . . . . . . . 1980C Dr. Miessner (DRP) 1980C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplan und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Vorläufige Haushaltsordnung und vorläufiges Haushaltsgesetz 1949) (Drucksachen Nr. 768, 682, 670 bis 681 und 223) 1981A, 2004B Allgemeine Aussprache: Schoettle (SPD) 1981B Bausch (CDU) . . . . . . . . 1990A Dr. Bertram (Z) 1994A Unterbrechung der Sitzung . 1999D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 1999D Dr. Schäfer (FDP) . . . . . . 2004B Loritz (WAV) 2007D Dr. von Merkatz (DP) . . . . 2012B Dr. Leuchtgens (DRP) . . . . . 2016B Rische (KPD) . . . . . . . 2022C Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 2030C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über die Aufhebung der Immunität des Abg. Goetzendorff (Drucksache Nr. 787) . 2002C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 2002C Dr. Miessner (DRP) 2003D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2030D Die Sitzung wird um 10 Uhr 39 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herwart Miessner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DRP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Meine Ausführungen erübrigen sich insofern, als ich auch im Namen meiner Gruppe dem Antrag der SPD zustimmen wollte, nunmehr aber die Regierungsparteien ebenfalls die nochmalige Überprüfung im Ausschuß beantragt haben. Da wir aber als kleine Gruppe nicht im Ausschuß vertreten sind, bitte ich mir zu erlauben, hier im Plenum wenigstens kurz zu § 3 Abs. 3 des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof, der ja wohl der Hauptstreitpunkt ist, Stellung zu nehmen.
    Es geht da um die Frage, ob und wieweit festgelegt werden soll, daß im Obersten Reichsfinanzhof nur Richter eingestellt werden können, die die Befähigung zum Richteramt haben. Ich selbst war nach dem Kriege mehrere Jahre Mitglied eines Finanzgerichts beim Oberfinanzpräsidium und glaube, Ihnen daher folgendes sagen zu müssen: Ein Finanzgericht ist nicht in allen Teilen mit einem Zivilgericht oder einem Strafgericht gleichzusetzen, das zweifellos in seiner obersten Instanz nur mit Berufsjuristen besetzt sein sollte. In der Finanzverwaltung gibt es unter den höheren Beamten — nehmen wir mal die Kategorie der Regierungsräte — doch etwa ein Drittel, die aus dem Inspektoren- oder aus dem Angestelltenstand, insbesondere aus der Sparte der Betriebsprüfung, hervorgegangen sind. Die Reichsfinanzverwaltung hat es selbst immer begrüßt und betont, daß das sogenannte Juristenmonopol bei ihr schon längst gebrochen ist. Die Finanzverwaltung sieht sich nämlich in der Lage, Tatbestände zu prüfen, die oft weniger rein juristischer als vielmehr wirtschaftlicher und insbesondere buchtechnischer Art sind. Es wird sich also als notwendig erweisen, auch im Obersten Finanzgericht, im Reichsfinanzhof in München, Sachverständige zum Beispiel des Bilanzwesens zu haben. Ich darf wohl die Juristenkollegen hier im Hause daran erinnern, daß es dem Juristen im allgemeinen nicht sehr sympathisch ist, mit Zahlen zu jonglieren. Judex non calculat!
    Wenn Sie also im Ausschuß diesen § 3 Abs. 3 noch einmal beraten, dann möchte ich Ihnen als Angehöriger der Reichsfinanzverwaltung sagen: Beachten Sie bitte, daß in der Steuerverwaltung in erster Linie Tatbestände aus dem Wirtschaftsleben sehr komplizierter Art zu entscheiden sind, denen der reine Jurist allein nicht immer gewachsen ist. Eine gute Mischung wäre daher zu empfehlen.



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Weitere Wortmeldungen erfolgen nicht. Dann darf ich nach den Erklärungen des Herrn Abgeordneten Schröter wohl das Einverständnis des Hauses feststellen, daß gemäß dem Antrag des Herrn Abgeordneten Arndt die dritte Beratung heute ausgesetzt wird und daß die Drucksachen Nr. 770 und Nr. 630 an die beiden zuständigen Ausschüsse, den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, zur nochmaligen Beratung zurückverwiesen werden. — Es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen dann zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Vorläufige Haushaltsordnung und vorläufiges Haushaltsgesetz 1949) (Drucksachen Nr. 768, 682, 670 bis 681 und 223).
Gemäß Abmachung im Ältestenrat beginnen wir mit einer Generaldebatte ohne zeitliche Beschränkung. Das heißt, nach § 87 Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Höchstredezeit eine Stunde. Nach der Generaldebatte werden wir dann in die Beratung der Einzelpläne mit folgender Maßgabe eintreten: soweit keine Abänderungsanträge vorliegen, wird über den Einzelplan abgestimmt; soweit Abänderungsanträge vorliegen, erfolgt die Einzelbesprechung und dann die Abstimmung über den betreffenden Einzelplan.
In der Generaldebatte hat als erster das Wort Herr Abgeordneter Schoettle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion benutzt die Gelegenheit der dritten Lesung des vorläufigen Haushaltsgesetzes zu Bemerkungen über die Gesamtpolitik der Regierung. Wir sind der Meinung, daß der Haushaltsplan in seinen Einzelheiten wie in seiner Gesamtheit nur ein Teil des gesamten politischen Komplexes ist.
    Was wir heute in der dritten Lesung beraten, ist schon an sich nur ein Teil, man kann noch nicht einmal sagen, ein Torso; es ist höchstens ein Glied eines Gesamtkörpers. Das sieht man schon, wenn man die Ziffern vergleicht. Wenn man sie im einzelnen analysiert, kommt man zu dem Ergebnis, daß selbst innerhalb der bescheidenen Schlußziffer von etwas über 27 Millionen DM, die diesen Haushaltsplänen zugrunde liegt, das Gleichgewicht sehr ungleichmäßig verteilt ist und daß ein erheblicher Teil auf die Etablierung der gesetzgebenden Instanzen fällt. Trotzdem glaube ich, daß es wahr bleibt, daß Haushaltspläne, selbst wenn sie in dieser fragmentarischen Form vorliegen, zwei Dinge widerspiegeln, die man bei der Kritik und bei der Auseinandersetzung mit ihnen in Rechnung stellen muß. Einmal sind es allgemeine Notwendigkeiten und Bedürfnisse, über die in der Regel sehr wenig zwischen denen zu streiten ist, die sich der sachlichen Klärung dieser Notwendigkeiten befleißigen und die deshalb anerkennen, wo anzuerkennen ist. Daneben gibt es in jedem Haushnltsplan spezielle Tendenzen die aus politischen Machtverhältnissen und vielleicht nicht zuletzt aus persönlichen Eigenarten und aus parteipolitischem Kalkül entspringen. Diese beiden Dinge finden wir auch bei den vorliegenden Plänen.
    Ich möchte gleich vorweg sagen: die Sozialdemokratie feilscht nicht, wenn es um die Erfüllung anerkannter Notwendigkeiten geht. Wir haben das bei den Beratungen im Haushaltsausschuß bewiesen. Wir sind uns darüber klar, daß die allgemeinen Voraussetzungen für eine geordnete Verwaltung gegeben sein müssen und daß es keinen Sinn hat, hier aus bloßer Freude an der Negation dagegen zu sein. In gewissen Grenzen! Um so notwendiger ist es aber, daß wir zu den politischen Fragenkomplexen Stellung nehmen, die durch die Haushaltspläne nur angedeutet werden, die aber hinter ihnen stehen, weil auch der Staatshaushalt schließlich nichts anderes ist als ein Instrument, dessen sich die Regierung und die Verwaltung bedient, um ihre besondere politische Konzeption in die Wirklichkeit umzusetzen.

    (Abg. Renner: „Klassenhaushalt" hat man das genannt!)

    Man kann den Haushalt, wie er dem Hohen Hause vorliegt, nur in Zusammenhang sehen erstens mit dem in erster Lesung bereits verabschiedeten Ergänzungshaushalt, weiter mit der Steuergesetzgebung der Regierung, mit ihrer Wirtschaftspolitik, mit ihren außenpolitischen Aktionen und Unteriassungen, kurzum mit der ganzen Atmosphäre, die unsere Bundesrepublik Deutschland erfüllt. Erst so hat man eine Grundlage für die Beurteilung der Bedeutung der .gegenwärtigen Beratung.
    Bleiben wir zunächst beim Haushaltsplan. Wir Sozialdemokraten glauben nicht, daß im personellen Aufbau der Verwaltung allzusehr über das Ziel geschossen worden ist. Wir haben im Haushaltsausschuß da, wo wir Streichungen für notwendig hielten, den Versuch gemacht, diese Streichungen durchzusetzen. Wir haben dabei gelegentlich auch die Bundesgenossenschaft von Kollegen und Kolleginnen aus dem Kreise der Regierungsparteien gefunden. Ich darf sagen: gelegentlich kamen die schärfsten Attacken sogar aus den Kreisen der Koalition. Ohne ein Geheimnis preiszugeben: man gewann manchmal den Eindruck, daß gerade diese Attacken nicht immer nur von sachlichen Überlegungen ausgingen, sondern mehr den Versuch darstellten, sich selber gegenüber der Öffentlichkeit zu salvieren.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    wir haben uns bei diesen Beratungen nie durch solche Überlegungen bestimmen lassen, sondern sind immer in der Richtung gegangen, sachliche Lösungen mit sachlichen Mitteln zu erstreben.
    Wenn wir auch nicht glauben, daß beim quantitativen Aufbau der Verwaltung sehr stark übers Ziel geschossen wurde, so haben wir doch im einzelnen gegen die persönliche Besetzung von Stellen starke Bedenken.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich im Namen meiner Fraktion aussprechen, daß wir nicht den Eindruck und die sichere Überzeugung haben, daß bei der Besetzung von Stellen, kurzum bei dem Gesamtkomplex, den man als Personalpolitik bezeichnet, stets nach sachlichen und nie nach parteipolitischen Gesichtspunkten verfahren wurde,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und ich weiß — auch da verrate ich kein Geheimnis —, daß auch bei manchen, die der Regierung näher stehen als wir Sozialdemokraten, Bedenken gegen eine gewisse autoritäre Art der Entschei-


    (Schoettle)

    dung bei Personalbesetzungen laut geworden sind. Wir haben in diesern Punkt die allersterkste Bedenken und wünschen dringend, daß hier eine Angering eintritt, soweit aas beim Vorhandensein bestimmter persönlicher Voraussetzungen denkbar und bei der Bereitschaft der Mehrheit dieses Hauses, gelegentlich beide Augen zuzudrücken, überhaupt möglich ist.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat also, wie gesagt, an dem Versuch, die Haushaltspläne im einzelnen zu korrigieren, aktiven Anteil genommen. Wir haben bei der zweiten Lesung Antrabe zu den einzelnen Plänen gestellt. Wir sind mit diesen Antragen unterlegen, aber ich kündige jetzt schon an — Sie haben es ja auch bei Ihren Drucksachen gefunden —, daß wir alle unsere Anträge bei der dritten Lesung wiederaufnehmen werden.
    Wir wenden uns ferner gegen jenen gesteigerten Aufwand, der aus politischen Motiven entstanden ist. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß aus politischen — aus koalitionspolitischen, um es genauer zu sagen — Gründen die Zahl der Ministerien unnötig vergrößert worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir sind weiter der Meinung, daß sich aus dieser unnötigen Vergrößerung der Zahl der Ministerien Unklarheiten in der Verteilung der Zuständigkeiten ergeben haben.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir sind der Meinung, daß wir auf manchen Gebieten unserer Gesamtpolitik eine Mehrspurigkeit festzustellen haben, die nicht gut ist, die gelegentlich auch öffentlich bemerkt wird und zu unangenehmen Begleiterscheinungen führt. Ich denke da
    bei insbesondere an den Drang verschiedener Minister und Ministerien, auf eigene Faust außenpolitische Exkursionen zu unternehmen,

    (Abg. Loritz: Sehr gut!)

    die dann immer wieder durch Dementis und Rückzieher korrigiert werden müssen. Ich glaube, das gibt unserer gesamten Politik den Charakter der Unstabilität und Unsicherheit, der uns allen nicht bekömmlich ist.
    Wir haben bei den Beratungen im Haushaltsausschuß eine andere Form der Mehrspurigkeit feststellen können. Es ist zwar ein Detail, aber ich muß es erwähnen. Wir haben eine relativ sehr gut ausgebaute und sowohl personell wie materiell außerordentlich gut dotierte Bundespressestelle. Über die Bedeutung und die Wirksamkeit dieser Bundespressestelle gehen die Meinungen naturgemäß stark auseinander, obwohl ich den Eindruck habe, daß nach den bisherigen Erfahrungen eine gewisse Skepsis überwiegt. Aber wir haben auch festgestellt, daß jedes Einzelministerium noch seine besondere Pressestelle hat,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und wir haben auf die Frage, in welcher Form denn die einzelnen Ministerien sich der dafür doch eigentlich geschaffenen Bundespressestelle bedienen, nicht immer eine befriedigende und ausreichende Antwort erhalten. Wir sind dadurch zu der Überzeugung gekommen, daß auf diesem Gebiete ein Aufwand getrieben wird, der schon aus sachlichen Gründen nicht immer notwendig ist und der tatsächlich auf das notwendige Maß reduziert werden könnte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben im allgemeinen — das dürfen Sie vielleicht einem berufsmäßigen Journalisten gestatten, zu sagen — in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, daß amtliche Pressestellen nicht immer aus dem Drang, die Öffentlichkeit zu informieren, geschaffen worden sind. Man kann sehr wohl sagen, daß manche Pressestellen geradezu da sind, um die Information der Öffentlichkeit und des Staatsbürgers zu verhindern und zu kanalisieren. Wir wünschen nicht, daß die Institutionen, die im Rahmen der Bundesverwaltung zum Zwecke der Information geschaffen worden sind, nichts anderes als Sprachrohre der offiziellen Politik werden und dabei alles das hintanhalten, was die Öffentlichkeit tatsächlich interessiert.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Eine bessere Koordination, eine Zusammenfassung der Kräfte und eine wirklich wirksame Verbindung zwischen den amtlichen Organen der Bundesrepublik und den Organen der öffentlichen Meinung und damit der Öffentlichkeit halten wir für dringend notwendig. Wir glauben, daß auf diesem Gebiet noch einiges getan werden muß und getan werden kann.

    ( haben. Wir haben gegenüber dem sachlichen Aufwand nur dort wirklich ernsthafte Bedenken bezüglich der Höhe vorgebracht, wo wir der Meinung waren, daß — nicht etwa aus optischen, sondern aus sachlichen Gründen — eine Herabsetzung der Ansätze möglich wäre. Ich darf sagen, daß wir uns bei manchen unserer Vorstöße in guter Gesellschaft befanden und daß — ich spreche da vielleicht etwas zu sehr aus meiner Erfahrung als Vorsitzender des Haushaltsausschusses — diese Ansätze im allgemeinen auf ein erträgliches Maß herabgesetzt worden sind. Trotzdem möchte ich hier aussprechen, daß sich die sozialdemokratische Fraktion vorbehalten muß, die Frage der Kontrolle gewisser Fonds in einzelnen Ministerien bei passender Gelegenheit aufzugreifen. Ich will die Begründung unserer Abänderungsanträge zu den Einzelplänen der Beratung dieser Einzelpläne überlassen; ich weise Sie in diesem Zusammenhang nur auf die Drucksache Nr. 786 hin, auf der Sie eine Entschließung der Fraktion der SPD zu den Haushaltsberatungen finden. Ich werde in einem anderen Zusammenhang noch auf die Ziffer 1 dieser Entschließung zurückkommen müssen. Eine allgemeine Bemerkung über das Verhältnis von Parlament und Regierung. Es ist in der letzten Zeit die gefährliche Theorie aufgetaucht, daß die Regierung ihre Macht zu einem erheblichen Teil aus eigenem Recht ausübt. Nun wissen wir — und wir haben die Erfahrung hier in diesem Hause gemacht —, daß einzelne Ministerien — ich glaube, das gilt auch für die Gesamtregierung in manchen wichtigen Fragen eher Gott und die Welt als das Parlament unterrichten, aus dessen Entscheidung sie hervorgegangen sind. Manchmal erfährt das Parlament erst post festum von Absichten, die über den Rundfunk und durch die Presse bereits im Ausland verbreitet worden sind. Wir finden, daß das nicht gut ist. Meine Fraktion legt Wert darauf, in diesem Zusammenhang erneut festzustellen, daß auch nach dem Grundgesetz die Macht und die Befugnisse der Regierung von der Macht und den Befugnissen des Parlaments abgeleitet sind. Wir müssen eine parlamentarische Regierung im echten Sinne des Wortes bekommen, und wir müssen dem Versuch entgegentreten, in irgendeiner auch nur andeutungsweisen Form zu autoritären Methoden der Entscheidung und Willensbildung zurückzukommen. Die Regierung sollte sich möglichst schnell an den Gedanken gewöhnen, daß das Parlament — ganz gleich, wie unangenehm seine Debatten im einzelnen sein mögen, das läßt sich nicht immer verhindern — für die Regierung nicht eine Last, sondern ein Bundesgenosse sein müßte. Das kann das Parlament aber nur werden, wenn es von der Regierung auch entsprechend behandelt und gewürdigt wird. Aus dieser Haltung ergeben sich Konsequenzen, die nach unserer Auffassung in erster Linie der Regierungschef zu ziehen hätte. Vielleicht widerspricht eine allzu häufige Begegnung mit dem Parlament den persönlichen Neigungen des Herrn Bundeskanzlers zu einsamen Entschlüssen, wie es in diesem Hause einmal formuliert worden ist. Aber wir werden aus den Konflikten nicht herauskommen, wenn nicht die Konsequenzen aus dem natürlichen und organischen Verhältnis zwischen Regierung und Parlament einmal resolut gezogen werden. Darf ich Ihnen in diesem Zusammenhang mit gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten einen Passus aus der Rede meines Freundes Ollenhauer zur Regierungserklärung ins Gedächtnis rufen? Herr Ollenhauer hat damals gesagt: Unsere Opposition — d. h. die Opposition der Sozialdemokratie gegen die Regierung ist nicht die Negation der Regierung. Unsere Opposition ist begründet auf unsere eigene Vorstellung über die zweckmäßigste Form des Aufbaus und der Verwaltung der Bundesrepublik und über den politischen und sozialen Inhalt des neuen Staatswesens. Von dieser eigenen, von uns selbst bestimmten Position allein können wir die Entscheidung über unser Verhältnis zur Regierung fällen. Es gibt in der Tat nur ein einziges Mittel für die Regierung und die Regierungsparteien, uns zu überzeugen: das sind die praktischen Handlungen der Regierung. Sie werden der Maßstab unserer Kritik oder unserer Zustimmung sein. Meine Damen und Herren, hat die Politik der Regierung in den vergangenen Monaten es vermocht die sozialdemokratische Fraktion im ganzen oder im einzelnen zu überzeugen? Ich glaube, daß die sozialdemokratische Fraktion diese Frage mit Recht verneinen kann. Es gab Oasen in der großen Wüste der Spannungen, die das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition ausmachen. Ich denke zum Beispiel an das, was wir gestern hier erlebt haben, an das Wohnungsbaugesetz. Es mag andere geben, an die ich mich im Augenblick nicht erinnere. Aber was in einem Fall möglich ist, das könnte auch in anderen Fällen möglich gemacht werden. Im allgemeinen muß man feststellen: gegenüber den großen Aufgaben, die diesem Staatswesen gestellt sind und die Regierung und Parlament gemeinsam zu lösen haben, hat die Opposition in den vergangenen Monaten in der Regel mit ihrer eigenen Initiative die Regierung um eine Nasenlänge geschlagen. denn alle die Menschen, die aus diesem oder jenem Grunde durch die Verzögerung politischer und sachlicher Entscheidungen zu leiden haben, reagieren auf diese Dinge nicht rational, sondern emotionell und werden in das große Heerlager der Unzufriedenen, der Mißvergnügten, der zu jedem Abenteuer Bereiten abgestoßen. Und deshalb, sagen wir, ist der Zeitfaktor, die Frage, ob man zur rechten Zeit das Rechte in genügendem Umfange tut, entscheidend. In wichtigen Fragen hat nach unserer Meinung die Regierung sich mehr Zeit gelassen, als gut und zweckmäßig war. Ich will nur ein Beispiel erwähnen. Es ist einmal in diesem Hause gesagt worden — bei der großen Debatte über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit —, die Regierung habe sich seit ihrem Amtsantritt mit dieser Frage befaßt. Aber, meine Damen und Herren, erinnern wir uns nicht alle daran, daß es erst des Drängens der Opposition in diesem hause und des Drängens anderer Faktoren außerhalb dieses Hauses bedurfte, um die Regierung zum tatsächlichen Handeln zu bewegen? (Sehr richtig! und Händeklatschen bei der SPD. — Abg. Renner: Und trotzdem mehr als zweieinhalb Millionen Erwerbslose!)


    (Schoettle)


    (Sehr gut! und Beifall bei der SPD.)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)


    (Sehr wahr! und Beifall bei der SPD.)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)


    (Sehr wahr! und Händeklatschen bei der SPD.) Wir verkennen ganz gewiß nicht die Anfangsschwierigkeiten, die jede Regierung in der Bundesrepublik — ganz gleich, was immer ihre Zusammensetzung gewesen sein könnte — zu überwinden gehabt hätte. Diese Anfangsschwierigkeiten unterstellen wir als gegeben. Wir wissen auch um den Grad der Abhängigkeit, in dem sich unsere Politik entwickeln kann. Aber, meine Damen und Herren, schließlich ist es doch eine Tatsache, daß alle die Fragen, die vor uns stehen, die großen Fragen der Gestaltung einer neuen, sozialen Ordnung und einer Wirtschaftspolitik, die dieser neuen sozialen Ordnung gemäß ist, letzten Endes auch vom Zeitfaktor her bestimmt werden.


    (Sehr richtig! bei der SPD.) Wir brauchen nur einmal hinauszusehen und hinauszuhören ins Land, um festzustellen., daß sich die Verzögerung von Entscheidungen in unserem Volke zu einem politischen Gefahrenherd erster Ordnung ausgewirkt hat;


    (Sehr richtig! bei der SPD)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)



    (Schoettle)

    Dabei muß man doch offen zugestehen, meine Da- men und Herren, daß die offene Arbeitslosigkeit, die wir heute in Deutschland haben — selbst wenn wir eine gewisse rückläufige Entwicklung auf diesem Gebiet gar nicht leugnen können —, und die sicher beinahe in gleichem Umfange vorhandene versteckte Arbeitslosigkeit heute ebenfalls ein eminenter politischer Faktor geworden sind. Zum Teil aus demselben Grunde, aus dem viele Menschen, die sich in sozialer Notlage befinden, durch das Verzögern von Entscheidungen politisch in ein gefährliches Lager getrieben werden, ist die Arbeitslosigkeit und die Verzögerung ihrer ernsthaften Bekämpfung ein politisches Problem geworden.
    Aber, meine Damen und Herren, auch in einem anderen Zusammenhang: Die Menschen, um die wir heute als einen Teil des künftigen einheitlichen Deutschlands ringen, die Menschen in der Ostzone, die Menschen im Saargebiet blicken auf dieses Deutschland, auf diese Bundesrepublik Deutschland, und ihr inneres Verhältnis zu diesem Lande wird nicht zuletzt von der Art und von der Methode bestimmt, mit der wir diese Probleme lösen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn wir sie nicht lösen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn eine gewisse Abkühlung eintreten würde; denn schließlich bestimmen ja Millionen Menschen ihr Verhältnis zu einem Lande nicht in erster Linie von dem Gefühl der nationalen Solidarität her, sondern auch von der Sorge um ihre eigene Existenz; und die Sorge vor der Arbeitslosigkeit — das düstere Gespenst, das heute in Deutschland hinter manchem Arbeiter steht, der noch brav und treu an seiner Werkbank steht — ist auch ein politischer Faktor, den wir nicht übersehen sollten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir sind der Auffassung, meine Damen und Herren, dan dieser Staat der Treuhänder aller Deutschen, der Treuhänder der deutschen, Einheit sein soll. Er soll es aber nicht nur in seinen Deklamationen sein.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Er soll es sein durch die Art, wie er die sozialen und wirtschaftlichen Fragen löst, wie er im Rahmen unserer allgemeinen Abhängigkeit die Beziehungen Deutschlands zu seiner Umwelt und die Beziehungen der Deutschen untereinander gestaltet. Wir wollen gar keinen Zweifel darüber lassen — selbst auf die Gefahr hin, daß der Herr Kollege Renner hier aufmuckt, will ich es sagen —: Wir betrachten das, was sieh im Osten Deutschlands als „Regierung" etabliert hat, als eine Regierung der Usurpation deutscher Staatsgewalt.

    (Starker Beifall bei der SPD.)

    Wir wissen, daß diese Regierung sich (Zurufe von der KPD)

    noch keinen Tag auf eine echte demokratische Legitimation, die aus dem frei ausgesprochenen Willen der Wähler entstanden wäre, hat stützen können.

    (Händeklatschen bei der SPD und bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)

    Wir wissen, daß diese Regierung jetzt — (Abg. Renner: Die haben Fakten geschaffen, die hier fehlen!)

    — Herr Kollege Renner, ich will mich in diesem 1 Zusammenhang nicht mit Ihnen auf Auseinandersetzungen einlassen.

    (Sehr gut! bei der CDU und SPD.)

    Ich glaube, wir haben hier Wichtigeres zu tun, als ihre vergeblichen Versuche zu beantworten, sich selber zu legitimieren.

    (Bravo! und Händeklatschen bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)

    Wir wissen, daß diese Regierung im Osten sich genau so räuspert, wie der große Einpeitscher hinter ihr spuckt!

    (Heiterkeit.)

    Wir wissen, daß sie keinen Tag leben würde, wenn dieser große Einpeitscher nicht da wäre.

    (Händeklatschen bei der SPD. — Abg. Renner: Meinen Sie die USA hier?)

    Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren,
    jede Deklamation, jede Aktion gegen diesen Zustand im Osten unseres Landes muß ins Leere
    gehen, wenn wir nicht selber in der Lage sind,
    die sozialen und ökonomischen Spannungen zu beseitigen, die das Volk in Westdeutschland zerreißen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind der Meinung, daß echte soziale Gerechtigkeit und echte wirtschaftliche Ordnung — nicht irgendeine Ordnung, die man mit theoretischen Begriffen umreißen mag, sondern eine Ordnung, in der die Menschen das Gefühl haben, daß sie in der Ordnung leben — wie ein Magnet auf alle diejenigen wirken können, die heute noch gezwungenermaßen außerhalb der freien Entscheidung eines demokratischen Volkes leben.

    (Abg. Paul [Düsseldorf] : In Westdeutschland fehlt doch die magnetische Kraft!)

    — Nun, wie stark die magnetische Kraft im Osten ist, sehen wir an dem Flüchtlingsstrom, der nach dem Westen kommt.

    (Große Heiterkeit und Händeklatschen bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Ich habe noch keinen westdeutschen Kommunisten gefunden, den es mit dem Herzen nach drüben gezogen hätte,

    (Sehr richtig! und Händeklatschen bei der SPD, in der Mitte und rechts; — Zuruf des Abg. Renner)

    vor allem wenn, er, wie mancher von Ihnen hier in diesem Hause, selber im stillen Kämmerlein leise Zweifel bekommen und gelegentlich von der Parteimaschine einen auf den Deckel bekommen hat.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der SPD, den Regierungsparteien und rechts.)


    (Allgemeine Heiterkeit.)

    Aber wir wollen zum Sachlichen zurückkommen!
    Ich sagte: echte soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Ordnung können wie ein Magnet wirken. Vertagung und unzulängliche Lösungen aber vertiefen nicht nur die Gräben hier in unserem eigenen Bereich, sie vertiefen auch den Graben, den Gewalt und fremde Interessen quer durch unser Land gezogen haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Zu den Fundamenten der Demokratie, wie wir Sozialdemokraten sie uns wünschen, gehört neben sozialer Gerechtigkeit als zweites eine stets wachsende staatsbürgerliche Freiheit. Wir sind uns wahrscheinlich im Hause im wesentlichen über die


    (Schoettle)

    Grenzen und den Inhalt staatsbürgerlicher Freiheit einig; ob wir es im Hinblick auf die Methoden sind, mit denen der Grad dieser staatsbürgerlichen Freiheit vergrößert werden kann, ist eine offene Frage.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal sagen, daß wir es als gefährlich betrachten, wenn da und dort die leise Andeutung einer Neigung zu autoritärer Entscheidung sichtbar wird. Solche Strömungen, solche Andeutungen ersticken die Bereitschaft zur inneren Freiheit, die letzten Endes — und das wollen wir unterstellen — in der großen Mehrheit der Deutschen schlummert und die nur geweckt werden will, damit sie diesen Staat mit blutvollem, echtem demokratischem Leben erfüllt.

    (Händeklatschen bei der .SPD.)

    Sie stärkt auf der andern Seite die echten und gefährlichen Gegner dieser Demokratie, auch wenn dieser Effekt nicht gewollt ist. Meine Damen und Herren, ich denke da an Debatten, die wir in diesem Hause gehabt haben, bei denen die Fronten offenkundig nicht ganz glücklich gewählt waren. Ich denke an die Debatte im Falle Hedler, bei der man den Eindruck gewinnen konnte, daß diejenigen die Demokratie verteidigen, die auf der Seite des Herrn Hedler stehen, und daß diejenigen die Feinde der Demokratie seien, die sich gegen diese Provokationen gewehrt haben.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich glaube, hier war etwas falsch im Akzent und in der Frontstellung.

    (Widerspruch rechts.)

    Ich glaube, wenn da drüben reagiert wird — —

    (Abg. Renner: Das erreicht man, wenn man die wirtschaftliche und soziale Basis zerstört, Herr Sozialist Schoettle!)