Rede von
August-Martin
Euler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
An die Spitze meiner Ausführungen möchte ich nicht nur mein persönliches Bekenntnis, sondern vor allem das Bekenntnis meiner politischen Freunde zur Notwendigkeit eines wirksamen strafrechtlichen Schutzes der rechtsstaatlichen Demokratie setzen. Dieser strafrechtliche Schutz eines rechtsstaatlich geordneten Gemeinschaftslebens muß unseres Erachtens insbesondere in drei Richtungen gehen. Zum ersten muß er sich gegen alle Arten von totalitären oder despotischen Bestrebungen wenden; zum zweiten muß er sich gegen alle Formen gewalttätiger Störung des friedlichen Zusammenlebens richten, auch wenn sie von Kräften ausgehen sollten, die in ihrer Tendenz demokratisch eingestellt sind; zum dritten muß er sich gegen die Verächtlichmachung des demokratischen Rechtsstaats, seiner Repräsentanten und Symbole richten, denn wir wissen aus der Zeit vor 1933 und erleben es heute in den verschiedensten demokratischen Ländern, wie die Anhänger eines diktatorischen, despotischen Systems gerade auf dem Wege über die Verächtlichmachung des Rechtsstaats versuchen, ihre Ideologien voranzutragen. Die Verächtlichmachung ist ein Mittel der Fanatisierung, und aus der Fanatisierung ergibt sich ein Hang zur Gewaltanwendung, der einem friedlichen rechtsstaatlichen Zusammenleben feindlich ist.
Aus diesen Erwägungen heraus begrüßen wir jeden Versuch und erwarten mit Dringlichkeit die Bemühung der Regierung um Fertigstellung einer Gesetzesvorlage, die dazu dienen soll, den erforderlichen strafrechtlichen Schutz der rechtsstaat-
lichen Demokratie bzw. die Ausgestaltung dieses strafrechtlichen Schutzes zu bewirken.
Gegen den jetzigen Gesetzentwurf der Sozialdemokratie haben wir zum ersten das formelle Bedenken, ob es richtig ist, den qualifizierten Schutz des rechtsstaatlichen Zusammenlebens in die Form eines Sondergesetzes zu kleiden oder aber zum Bestandteil der normalen strafrechtlichen Schutzordnung der Gemeinschaft zu machen. Wir sind der Auffassung, man sollte den Anschein vermeiden, daß Sonder- oder Ausnahmegesetze erforderlich wären. Es wird damit auch ein Aspekt vermieden, der politisch bedeutungsvoll ist, der Aspekt nämlich einer Anknüpfung an ein Gesetz, das den Zweck nicht erreicht hat, den es einmal erreichen sollte: das Republikschutzgesetz der Zeit vor 1933.
Unseres Erachtens machen es die Erfahrungen in fast allen Ländern erforderlich, einen qualifizierten, verstärkten Schutz des Rechtsstaats zum Bestandteil der normalen strafrechtlichen Ordnung zu machen. Wie sehr das erforderlich ist, beweist letzten Endes im Grunde genommen der Inhalt des Gesetzentwurfes der SPD selbst. Denn fast alle Tatbestände, die dieser Entwurf bringt, stellen Ausweitungen oder Ergänzungen von normalen Straftatbeständen dar, seien es die Tatbestände des Hochverrats und der hochverräterischen Unternehmung oder aber die Tatbestände des Landfriedensbruches und des Aufruhrs oder die Tatbestände der Klassenhetze. Wir finden in dem Entwurf schließlich eine Fortbildung des Rechts der Ahndung der Ehrverletzungen, indem beispielsweise das Widerrufsrecht von der Wiederholungsgefahr gelöst wird oder indem der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gegeben wird, indem eine besondere Bestimmung über die Wahsehr berechtigter Interessen gegeben wird.
wünschenswert, meine sehr geehrten und Herren, aber die Überlegungen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen diesen qualifizierten Tatbeständen und den Grundtatbeständen des Strafrechts zeigen, daß es richtig ist, die entsprechenden Vorschriften in das Strafrecht einzubauen. Dies läßt sich meines Erachtens auf eine Weise tun, daß dabei doch nicht der politische Zusammenhang, nämlich gesteigerter Schutz der demokratischen Grundordnung, verlorengeht, indem man versucht, diese qualifizierten Tatbestände weithin in einem besonderen Abschnitt des Strafgesetzbuches zusammenzufassen.
Zum zweiten richten sich unsere Bedenken gegenüber dem Gesetzentwurf der SPD gegen die unzulängliche Formulierung einiger Tatbestände. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wirksamkeit eines solchen Gemeinschaftsschutzes gesteigerter Art hängt zu einem ganz großen Teil davon ab, daß man dem Richter scharf geschliffene Tatbestände in die Hand gibt, Tatbestände, aus denen klare Normen sprechen, deren Anwendung den Richter nicht unmöglichen Interpretationsschwierigkeiten aussetzt. Denn was hängt daran, wenn man Tatbestände, die nicht hinreichend genau formuliert, die nicht scharf genug zugespitzt sind, dem Richter in die Hand gibt? Es hängt daran die außerordentliche Gefahr, daß über richterliche Willkür eine Rechtsunsicherheit einreißt, die sich sowohl im Rechtsbewußtsein des Volkes als auch in seinen politischen Reaktionen gegen die Demokratie richtet, die geschützt werden soll. Es besteht die doppelte Gefahr, daß dann entweder Interpretationen vorgenommen werden, die zu eng und einschränkend sind, oder Interpretationen, die zu nachgiebig sind, mit dem Ergebnis, daß der Schutz des Staates, den man erreichen will, tatsächlich nicht erreicht wird. Die Folge ist in dem einen Falle eine gesteigerte Verächtlichkeit des Staates, der sich als unfähig erweist, sich über die Justiz selbst zu schützen. Als Folge einer zu ausweitenden, einer zu harten Auslegung droht, daß im Bewußtsein der Bevölkerung so etwas wie demokratischer Terror in Erscheinung tritt. Die eine wie die andere Gefahr sind im gleichen Maße unerwünscht.
Darüber hinaus finden wir in einzelnen Tatbeständen, wie sie der sozialdemokratische Gesetzentwurf zu formulieren versucht, geradezu den Verstoß gegen unverzichtbare Naturrechte. Es ist beispielsweise unmöglich, in § 12 kurzerhand zu sagen, daß jeder, der öffentlich oder geheim für die Anwendung bewaffneter Gewalt gegen andere Völker eintritt, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft werden soll. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Naturrecht der Notwehr gegen Angriffsakte anderer ist unverzichtbar, und das Eintreten für dieses Notwehrrecht darf auch hinsichtlich des Lebens eines demokratischen Volkes und des Lebens eines demokratischen Staates nicht unter Strafe gestellt werden. In der heutigen Zeit wäre ein solches Beginnen geradezu selbstmörderisch, in einer Zeit, in der alle Völker, die außerhalb des sowjetischen Einflusses leben, darauf bedacht sein müssen, sich gegen die Angriffe, die Aggressionen dieser totalitären, despotischen Macht zu wehren.
Jawohl, Sie wissen sehr genau, was damit gemeint ist; denn Sie kennen ja den Rüstungsstand in der Ostzone.
Aus - diesen grundsätzlichen Erwägungen kommen wir zu dem Ergebnis, daß 3s zwar sehr wünsehenswert ist, auch die Anregung der SPD im Ausschuß ausführlich zu behandeln, daß das aber nicht geschehen sollte, ohne daß zugleich der Entwurf vorliegt, den die Regierung demnächst hier einbringen wird.
Zum Schluß möchte ich auf eins hinweisen, was wahrscheinlich, wenn es von allen Seiten hinreichend beachtet wird, mehr dazu beitragen wird, das rechtsstaatliche friedliche Zusammenleben in unserem Volke und die Überzeugung von seiner Notwendigkeit zu verankern als strafrechtliche Verfolgung: Das ist ein beispielhaftes Verhalten aller politischen Kräfte, die sich gerade dadurch als demokratisch legitimieren müssen, daß sie sich unter allen Umständen in beispielhafter Weise demokratisch verhalten. Wenn wir auf diesen Punkt abstellen, dann können Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nicht leugnen, daß Sie in den letzten Wochen und Monaten hier durch Verleumdungen und Verächtlichmachungen, durch Tätlichkeiten wie durch Hetze in der Öffentlichkeit sehr dazu beigetragen haben, das Urteil zu vertiefen, daß gerade diejenigen sich eines beispielhaften demokratischen Verhaltens befleißigen müssen, die das von anderen verlangen.