Rede:
ID0104703300

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Metadaten
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    Vokabeln: 9
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag -- 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, ¿ei f6. März 1950 1589 47. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1590A, 1635D Anfrage Nr. 32 der Fraktion der BP betr. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Drucksachen Nr. 409 und 694) . . . . 1590B Anfrage Nr. 49 der Fraktion der BP betr. Verminderung der Überlastung der Landwirtschaft (Drucksachen Nr. 570 und 706) 1590B Anfrage Nr. 50 der Zentrumsfraktion betr. Deutsche Bundesbahn (Drucksachen Nr. 573 und 695) . . . . . . . . . . 1590B Anfrage Nr. 55 der Fraktion der SPD betr. Lehrstellen bei der Bundesbahn (Drucksachen Nr. 583 und 696) 1590C Anfrage Nr. 51 der Abg. Dr. Solleder, Kahn, Dr. Horlacher und Gen. betr. Preisbildung des Hopfens (Drucksachen Nr. 574 und 701) 1590C Zur Tagesordnung 1590C Antrag der Fraktion der SPD betr. Geschäftsführung des Präsidenten . . . 1590D Zur Geschäftsordnung: Ritzel (SPD) 1591A Schröter (CDU) 1592A Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie (Drucksache Nr. 563) 1592B Donhauser (BP) 1592C, 1607B Dr. Greve (SPD), Antragsteller . . 1593A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . . , . . 1597C Dr. Kiesinger (CDU) 1598B Frau Wessel (Z) 1600B Euler (FDP) 1601D Fisch (KPD) 1603A Dr. von Merkatz (DP) 1604D Clausen (SSW) 1606B von Thadden (DRP) s 1608B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege (Drucksache Nr. 564) . . . 1609D Zinn (SPD), Antragsteller . 1610A, 1617C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . . . . . 1611D Dr. Schneider (FDP) 1613A Dr. Mühlenfeld (DP) (zur Geschäftsordnung) . . . 1614D Ewers (DP) 1615A Dr. Kopf (CDU) 1616A Gundelach (KPD) 1617A Erste 'Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung der von der Bundesregierung auf Grund des Artikels 132 des Grundgesetzes erlassenen Ausführungsverordnung (Drucksache Nr. 589) 1618B Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Treibstoffpreise (Drucksache Nr. 620) 1618B Zur Sache: Rademacher (FDP), Antragsteller 1618C, 1623D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1619C Vesper (KPD) . . . . . . . . 1620A Loritz (WAV) . . . . . . . . 1620C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1621B Etzel (CDU) 1621B, 1624B Aumer (BP) . . . . . . . . . 1621 D Dr. Bertram (Z) 1623A Zur Geschäftsordnung: Rademacher (FDP) 1624C Dr. Horlacher (CSU) 1624C Euler (FDP) . . . . . . . . 1625A Dr. Preusker (FDP) 1625A Ritzel (SPD) 1625B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksache Nr. 630) 1625C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1625D Kiesinger (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . 1626C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle über den Warenverkehr im Bereich der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache Nr. 586) (berichtigt) . . . 1626B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1626D Rische (KPD) 1627D Juncker (FDP) . . . . . . 1628D Kalbitzer (SPD) . . . . . . . 1629B Aumer (BP) 1630B Etzel (CDU) . . . . . . . . 1630D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Entwurf eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes (Drucksachen Nr. 702 und 554) 1631A Dr. Weber (CDU), Berichterstatter 1631B Dr. Etzel (BP) 1632A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz vom 9. Januar 1950 betr. Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Marx (Drucksache Nr. 605) 1633A Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann (Drucksache Nr. 689) 1633B Kurt Müller (KPD), Antragsteller 1633B Neumann (SPD) . . . . . . . 1634B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 655) (neu) 1635D Nächste Sitzung 1635D Die Sitzung wird um 14 Uhr 36 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    An die Spitze meiner Ausführungen möchte ich nicht nur mein persönliches Bekenntnis, sondern vor allem das Bekenntnis meiner politischen Freunde zur Notwendigkeit eines wirksamen strafrechtlichen Schutzes der rechtsstaatlichen Demokratie setzen. Dieser strafrechtliche Schutz eines rechtsstaatlich geordneten Gemeinschaftslebens muß unseres Erachtens insbesondere in drei Richtungen gehen. Zum ersten muß er sich gegen alle Arten von totalitären oder despotischen Bestrebungen wenden; zum zweiten muß er sich gegen alle Formen gewalttätiger Störung des friedlichen Zusammenlebens richten, auch wenn sie von Kräften ausgehen sollten, die in ihrer Tendenz demokratisch eingestellt sind; zum dritten muß er sich gegen die Verächtlichmachung des demokratischen Rechtsstaats, seiner Repräsentanten und Symbole richten, denn wir wissen aus der Zeit vor 1933 und erleben es heute in den verschiedensten demokratischen Ländern, wie die Anhänger eines diktatorischen, despotischen Systems gerade auf dem Wege über die Verächtlichmachung des Rechtsstaats versuchen, ihre Ideologien voranzutragen. Die Verächtlichmachung ist ein Mittel der Fanatisierung, und aus der Fanatisierung ergibt sich ein Hang zur Gewaltanwendung, der einem friedlichen rechtsstaatlichen Zusammenleben feindlich ist.
    Aus diesen Erwägungen heraus begrüßen wir jeden Versuch und erwarten mit Dringlichkeit die Bemühung der Regierung um Fertigstellung einer Gesetzesvorlage, die dazu dienen soll, den erforderlichen strafrechtlichen Schutz der rechtsstaat-


    (Euler)

    lichen Demokratie bzw. die Ausgestaltung dieses strafrechtlichen Schutzes zu bewirken.
    Gegen den jetzigen Gesetzentwurf der Sozialdemokratie haben wir zum ersten das formelle Bedenken, ob es richtig ist, den qualifizierten Schutz des rechtsstaatlichen Zusammenlebens in die Form eines Sondergesetzes zu kleiden oder aber zum Bestandteil der normalen strafrechtlichen Schutzordnung der Gemeinschaft zu machen. Wir sind der Auffassung, man sollte den Anschein vermeiden, daß Sonder- oder Ausnahmegesetze erforderlich wären. Es wird damit auch ein Aspekt vermieden, der politisch bedeutungsvoll ist, der Aspekt nämlich einer Anknüpfung an ein Gesetz, das den Zweck nicht erreicht hat, den es einmal erreichen sollte: das Republikschutzgesetz der Zeit vor 1933.
    Unseres Erachtens machen es die Erfahrungen in fast allen Ländern erforderlich, einen qualifizierten, verstärkten Schutz des Rechtsstaats zum Bestandteil der normalen strafrechtlichen Ordnung zu machen. Wie sehr das erforderlich ist, beweist letzten Endes im Grunde genommen der Inhalt des Gesetzentwurfes der SPD selbst. Denn fast alle Tatbestände, die dieser Entwurf bringt, stellen Ausweitungen oder Ergänzungen von normalen Straftatbeständen dar, seien es die Tatbestände des Hochverrats und der hochverräterischen Unternehmung oder aber die Tatbestände des Landfriedensbruches und des Aufruhrs oder die Tatbestände der Klassenhetze. Wir finden in dem Entwurf schließlich eine Fortbildung des Rechts der Ahndung der Ehrverletzungen, indem beispielsweise das Widerrufsrecht von der Wiederholungsgefahr gelöst wird oder indem der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gegeben wird, indem eine besondere Bestimmung über die Wahsehr berechtigter Interessen gegeben wird.
    wünschenswert, meine sehr geehrten und Herren, aber die Überlegungen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen diesen qualifizierten Tatbeständen und den Grundtatbeständen des Strafrechts zeigen, daß es richtig ist, die entsprechenden Vorschriften in das Strafrecht einzubauen. Dies läßt sich meines Erachtens auf eine Weise tun, daß dabei doch nicht der politische Zusammenhang, nämlich gesteigerter Schutz der demokratischen Grundordnung, verlorengeht, indem man versucht, diese qualifizierten Tatbestände weithin in einem besonderen Abschnitt des Strafgesetzbuches zusammenzufassen.
    Zum zweiten richten sich unsere Bedenken gegenüber dem Gesetzentwurf der SPD gegen die unzulängliche Formulierung einiger Tatbestände. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wirksamkeit eines solchen Gemeinschaftsschutzes gesteigerter Art hängt zu einem ganz großen Teil davon ab, daß man dem Richter scharf geschliffene Tatbestände in die Hand gibt, Tatbestände, aus denen klare Normen sprechen, deren Anwendung den Richter nicht unmöglichen Interpretationsschwierigkeiten aussetzt. Denn was hängt daran, wenn man Tatbestände, die nicht hinreichend genau formuliert, die nicht scharf genug zugespitzt sind, dem Richter in die Hand gibt? Es hängt daran die außerordentliche Gefahr, daß über richterliche Willkür eine Rechtsunsicherheit einreißt, die sich sowohl im Rechtsbewußtsein des Volkes als auch in seinen politischen Reaktionen gegen die Demokratie richtet, die geschützt werden soll. Es besteht die doppelte Gefahr, daß dann entweder Interpretationen vorgenommen werden, die zu eng und einschränkend sind, oder Interpretationen, die zu nachgiebig sind, mit dem Ergebnis, daß der Schutz des Staates, den man erreichen will, tatsächlich nicht erreicht wird. Die Folge ist in dem einen Falle eine gesteigerte Verächtlichkeit des Staates, der sich als unfähig erweist, sich über die Justiz selbst zu schützen. Als Folge einer zu ausweitenden, einer zu harten Auslegung droht, daß im Bewußtsein der Bevölkerung so etwas wie demokratischer Terror in Erscheinung tritt. Die eine wie die andere Gefahr sind im gleichen Maße unerwünscht.
    Darüber hinaus finden wir in einzelnen Tatbeständen, wie sie der sozialdemokratische Gesetzentwurf zu formulieren versucht, geradezu den Verstoß gegen unverzichtbare Naturrechte. Es ist beispielsweise unmöglich, in § 12 kurzerhand zu sagen, daß jeder, der öffentlich oder geheim für die Anwendung bewaffneter Gewalt gegen andere Völker eintritt, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft werden soll. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Naturrecht der Notwehr gegen Angriffsakte anderer ist unverzichtbar, und das Eintreten für dieses Notwehrrecht darf auch hinsichtlich des Lebens eines demokratischen Volkes und des Lebens eines demokratischen Staates nicht unter Strafe gestellt werden. In der heutigen Zeit wäre ein solches Beginnen geradezu selbstmörderisch, in einer Zeit, in der alle Völker, die außerhalb des sowjetischen Einflusses leben, darauf bedacht sein müssen, sich gegen die Angriffe, die Aggressionen dieser totalitären, despotischen Macht zu wehren.

    (Abg. Rische: Das nennt man Kriegshetze! Sie sekundieren noch!)

    Jawohl, Sie wissen sehr genau, was damit gemeint ist; denn Sie kennen ja den Rüstungsstand in der Ostzone.
    Aus - diesen grundsätzlichen Erwägungen kommen wir zu dem Ergebnis, daß 3s zwar sehr wünsehenswert ist, auch die Anregung der SPD im Ausschuß ausführlich zu behandeln, daß das aber nicht geschehen sollte, ohne daß zugleich der Entwurf vorliegt, den die Regierung demnächst hier einbringen wird.
    Zum Schluß möchte ich auf eins hinweisen, was wahrscheinlich, wenn es von allen Seiten hinreichend beachtet wird, mehr dazu beitragen wird, das rechtsstaatliche friedliche Zusammenleben in unserem Volke und die Überzeugung von seiner Notwendigkeit zu verankern als strafrechtliche Verfolgung: Das ist ein beispielhaftes Verhalten aller politischen Kräfte, die sich gerade dadurch als demokratisch legitimieren müssen, daß sie sich unter allen Umständen in beispielhafter Weise demokratisch verhalten. Wenn wir auf diesen Punkt abstellen, dann können Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nicht leugnen, daß Sie in den letzten Wochen und Monaten hier durch Verleumdungen und Verächtlichmachungen, durch Tätlichkeiten wie durch Hetze in der Öffentlichkeit sehr dazu beigetragen haben, das Urteil zu vertiefen, daß gerade diejenigen sich eines beispielhaften demokratischen Verhaltens befleißigen müssen, die das von anderen verlangen.

    (Beifall rechts. — Abg. Dr. Greve: Das müssen Sie gerade sagen! Herr Euler, Sie haben gar kein Recht, das zu sagen! Gucken Sie sich in Ihren eigenen Reihen um! Unverschämtheit!)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fisch.

(Abg. Dr. Greve: Immer der Euler, der aus den Latschen kippen muß! — Abg. Euler: Sie wissen ja sehr genau, was gemeint ist; ich brauche das nicht weiter auszuführen! — Abg. Dr. Greve: Sie sind gemeint, Herr Euler, Sie kriegen noch mehr zu hören! Sie auch, Herr Oellers, gerade Sie beide! Sie sind diejenigen, die gemeint sind!)





(Präsident Dr. Köhler)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fisch.

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    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Seit Bestehen der Bundesregierung haben wir den Erlaß von zwei Gesetzen erlebt, die mit dem „Schutz der demokratischen Ordnung" firmiert waren. Ich meine das alliierte Pressegesetz vom September 1949 und das Gesetz der Hohen Kommissare zum Schutze der alliierten Interessen vom November 1949. In beiden Fällen hat sich sehr bald erwiesen, wie richtig die Beurteilung dieser beiden Gesetze durch die Kommunistische Partei war, als sie erklärte, daß es sich hier um die juristische Begleitmusik zu Marshallplan und Atlantikpakt, zur Kolonialisierung Westdeutschlands, zur Politik der Demontage und der Remilitarisierung handelt. Wir haben damals erklärt, es handle sich darum, Maßnahmen zu legalisieren, die den Widerstand des deutschen Volkes gegen die Politik der Kolonialisierung niederzwingen und die breite Schichten unseres Volkes in lähmende Angst versetzen sollen, damit sie nicht ihre Interessen verteidigen. Das Urteil des britischen Militärgerichts Hannover von dieser Woche beweist, wie recht wir hatten. Es hat aufrechte Kämpfer gegen brutale Zerstörung und Konkurrenzdemontage zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.
    Meine Damen und Herren! Man sollte meinen, angesichts einer solchen Situation sei es Sache einer Partei, die sich Partei der Opposition in diesem Hause nennt, alles zu tun, um gegen die wirklichen Feinde der Freiheit und der friedlichen Arbeit des deutschen Volkes vorzugehen. Statt dessen erleben wir das sonderbare Schauspiel, daß diese Partei, die SPD, einen unbändigen Wetteifer entwickelt, um jene alliierten Gesetze zur Maßregelung und Erdrosselung der Freiheit noch zu übertrumpfen, ja um auch der Bundesregierung zuvorzukommen, die vor kurzem mitgeteilt hat, daß sie dabei sei, ein neues Staatsschutzrecht zum sogenannten Schutz der Verfassung auszuarbeiten. Wir Kommunisten sind der Meinung, daß nicht der Buchstabe, nicht das Papier für die Wirkung derartiger Gesetze entscheidend ist, sondern daß es darauf ankommt, in wessen Hände ein solches Gesetz und solche Vollmachten gelegt werden und wie der Staat aussieht, der sich solcher Sondervollmachten bedienen kann.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren! Genau einen Tag nach dem Freispruch des Herrn Hedler konnte als erste Zeitung in deutscher Sprache die amerikanische „Neue Zeitung" den Wortlaut des sozialdemokratischen Gesetzentwurfs veröffentlichen.

    (Abg. Rische: Das ist bezeichnend!)

    Meine Damen und Herren, nichts als gerade das
    zeitliche Zusammenfallen dieser beiden Ereignisse konnte besser zeigen, welche Sorte Justiz
    die Sorge um den „Schutz der Demokratie" in
    die Hände nehmen soll, ' in wessen Hände die
    Verantwortung für den sogenannten Schutz der
    Demokratie gelegt wird. Nichts könnte schlagender beweisen, von welchen Elementen künftighin
    Ihr Gesetz und Ihre Vorschläge, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, gehandhabt werden sollen.

    (Abg. Dr. Greve: Sie haben nicht zugehört!)

    Dies Gesetz wird darum, weil sich am Charakter
    des Staates der Reaktion nichts geändert hat,
    nichts anderes mit sich bringen als den Schutz
    der geheiligten Ordnung der Besitzprivilegien,
    als den Schutz der Pferdmenges, als den Schutz
    des Systems der Arbeitslosigkeit und des Krieges.

    (Beifall bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren, ich denke, die Erfahrungen der Vergangenheit sollten deutlich genug sein. Auch nach 1918 wurde die damalige Justiz in Amt und Funktion belassen, und die Folge davon war, daß in der Zeit vom November 1918 bis Ende 1922 eine Zahl von 354 politischen Morden von rechts mit einer Gesamt „sühne" von 90 Jahren und zwei Monaten Einsperrung geahndet wurde. Diesen 354 Morden von rechts standen in der gleichen Zeit 22 von links gegenüber, die mit 10 Erschießungen, 3 lebenslänglichen Zuchthausstrafen und etwa 249 Jahren Einsperrung gesühnt wurden.

    (Lebhafte Hört!-Hört!-Rufe und Zuruf von der KPD: Das ist Klassenjustiz!)

    Meine Damen und Herren, das war die Praxis einer Zeit, in der man die Justiz ebenso mit den alten Gesichtern besetzt hielt wie heute. Und ich denke, daß auch die Praxis der Handhabung des Republikschutzgesetzes gleichfalls eine deutliche Sprache spricht, unter dessen Geltung der damalige Reichspräsident von einem republikanischen Gericht offiziell als Landesverräter bezeichnet werden konnte. Das war eine Justiz, die es zuließ, daß das Reichsgericht den Begriff der „Judenrepublik" offiziell legalisierte und ihn als durch die geschichtlichen Umstände gerechtfertigt bezeichnete.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren, das Republikschutzgesetz wurde nach dem Tode Rathenaus erlassen; aber es wurde von den Freunden der Mörder Rathenaus angewandt.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Und so wie der Gesetzentwurf, der heute zur Beratung steht, einen Tag nach der Freisprechung des Herrn Hedler der Öffentlichkeit bekanntgegeben wurde, so werden seine Paragraphen von den Richtern der Herren Adenauer und Dehler angewandt werden, die nichts anderes sind als die Freunde Hitlers

    (Sehr wahr! bei der KPD; — erregte Gegenrufe von den Regierungsparteien; — Glocke des Präsidenten)

    und die Freunde des Herrn Hedler.