Rede:
ID0104703100

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    7. Euler.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag -- 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, ¿ei f6. März 1950 1589 47. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1590A, 1635D Anfrage Nr. 32 der Fraktion der BP betr. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Drucksachen Nr. 409 und 694) . . . . 1590B Anfrage Nr. 49 der Fraktion der BP betr. Verminderung der Überlastung der Landwirtschaft (Drucksachen Nr. 570 und 706) 1590B Anfrage Nr. 50 der Zentrumsfraktion betr. Deutsche Bundesbahn (Drucksachen Nr. 573 und 695) . . . . . . . . . . 1590B Anfrage Nr. 55 der Fraktion der SPD betr. Lehrstellen bei der Bundesbahn (Drucksachen Nr. 583 und 696) 1590C Anfrage Nr. 51 der Abg. Dr. Solleder, Kahn, Dr. Horlacher und Gen. betr. Preisbildung des Hopfens (Drucksachen Nr. 574 und 701) 1590C Zur Tagesordnung 1590C Antrag der Fraktion der SPD betr. Geschäftsführung des Präsidenten . . . 1590D Zur Geschäftsordnung: Ritzel (SPD) 1591A Schröter (CDU) 1592A Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie (Drucksache Nr. 563) 1592B Donhauser (BP) 1592C, 1607B Dr. Greve (SPD), Antragsteller . . 1593A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . . , . . 1597C Dr. Kiesinger (CDU) 1598B Frau Wessel (Z) 1600B Euler (FDP) 1601D Fisch (KPD) 1603A Dr. von Merkatz (DP) 1604D Clausen (SSW) 1606B von Thadden (DRP) s 1608B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege (Drucksache Nr. 564) . . . 1609D Zinn (SPD), Antragsteller . 1610A, 1617C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . . . . . 1611D Dr. Schneider (FDP) 1613A Dr. Mühlenfeld (DP) (zur Geschäftsordnung) . . . 1614D Ewers (DP) 1615A Dr. Kopf (CDU) 1616A Gundelach (KPD) 1617A Erste 'Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung der von der Bundesregierung auf Grund des Artikels 132 des Grundgesetzes erlassenen Ausführungsverordnung (Drucksache Nr. 589) 1618B Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Treibstoffpreise (Drucksache Nr. 620) 1618B Zur Sache: Rademacher (FDP), Antragsteller 1618C, 1623D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1619C Vesper (KPD) . . . . . . . . 1620A Loritz (WAV) . . . . . . . . 1620C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1621B Etzel (CDU) 1621B, 1624B Aumer (BP) . . . . . . . . . 1621 D Dr. Bertram (Z) 1623A Zur Geschäftsordnung: Rademacher (FDP) 1624C Dr. Horlacher (CSU) 1624C Euler (FDP) . . . . . . . . 1625A Dr. Preusker (FDP) 1625A Ritzel (SPD) 1625B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksache Nr. 630) 1625C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1625D Kiesinger (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . 1626C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle über den Warenverkehr im Bereich der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache Nr. 586) (berichtigt) . . . 1626B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1626D Rische (KPD) 1627D Juncker (FDP) . . . . . . 1628D Kalbitzer (SPD) . . . . . . . 1629B Aumer (BP) 1630B Etzel (CDU) . . . . . . . . 1630D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Entwurf eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes (Drucksachen Nr. 702 und 554) 1631A Dr. Weber (CDU), Berichterstatter 1631B Dr. Etzel (BP) 1632A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz vom 9. Januar 1950 betr. Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Marx (Drucksache Nr. 605) 1633A Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann (Drucksache Nr. 689) 1633B Kurt Müller (KPD), Antragsteller 1633B Neumann (SPD) . . . . . . . 1634B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 655) (neu) 1635D Nächste Sitzung 1635D Die Sitzung wird um 14 Uhr 36 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Herren und Damen! Ich möchte zu dem Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 563 im Auftrag der Zentrumsfraktion einige grundsätzliche Ausführungen machen. Ich möchte mich dabei nicht irgendwie in die Auseinandersetzungen einmischen, in die meine beiden Herren Vorredner gekommen sind. Der uns vorliegende Gesetzentwurf gegen die Feinde der Demokratie zeigt allgemein — darin sind wir uns wohl in diesem Hohen Hause einig — die Sorge, daß Deutschland vor Entwicklungen bewahrt bleiben muß, die die Weimarer Republik nicht verhindert hat. Es liegt nun einmal im politischen Charakter des deutschen Volkes — ob wir nun links oder rechts oder in der Mitte stehen —, daß die Versuchung, andere zu täuschen, nicht so groß ist als diejenige, sich selbst zu täuschen. Ich glaube, in keinem anderen Lande der Welt wäre es nach den furchtbaren Erlebnissen des Nationalsozialismus überhaupt möglich, daß eine nationalistische Propaganda, mag sie von rechts oder von links kommen, wieder das Volk bedrohen könnte. In keinem anderen Lande der Welt, glaube ich, würde auch die Presse von dem Gebaren ehrgeiziger, unbelehrbarer Wichtigtuer, die sich auf der politischen Bühne produzieren, eine solche Kenntnis nehmen, wie es bei uns der Fall ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wer wird da nicht an die Worte eines Hegel erinnert, die gerade für uns Deutsche geschrieben zu sein scheinen: die Geschichte beweise, daß die Völker aus der Geschichte nichts lernen. Und wer
    sich umschaut, der entdeckt doch immer wieder mit Schrecken, wieviel Gestriges, ja Vorgestriges, möchte ich sagen, im politischen Leben Deutschlands zu finden ist und wieviele Deutsche sich doch durch ein kurzes Gedächtnis auszeichnen und nichts, rein gar nichts aus den Erlebnissen der vergangenen 17 Jahre gelernt haben. Deswegen scheint es uns schon notwendig zu sein, die Demokratie mit rechtsstaatlichen Mitteln zu sichern, ein Gesetz gegen Entartung der Politik zu schaffen. Wir wollen nicht ein zweites Mal die deutsche Republik zugrunde gehen lassen an dem Mangel der Demokraten, letzte Verteidigungsbereitschaft zu zeigen.
    Trotzdem bedauern wir, daß es überhaupt zu einem solchen Gesetz kommen muß, daß hier der Prüfstein für die Demokratie liegt und strafrechtliche Bestimmungen zur Sicherung des demokratischen Lebens überhaupt notwendig sind. Es wäre auch gefährlich, zu glauben, daß einzig durch ein Gesetz alle gegen die Demokratie gerichteten Handlungen unterbunden werden könnten. Auch die Weimarer Republik hatte bekanntlich ein Gesetz zu ihrem Schutz. Es hat aber den Zusammenbruch nicht verhindert, weil von den Richtern nicht selten unter Berufung auf das Recht krasses Unrecht gesprochen wurde. So konnte man sogar einen Friedrich Ebert des Landesverrats bezichtigen. Das Gegenteil davon haben wir allerdings beim Fall Hedler erlebt.
    Nachdem nun die Diskussion über den Rechtsschutz des Staates in Gang gekommen ist, scheint für uns die Frage im Vordergrund zu stehen, ob die strafrechtlichen Bestimmungen, die zum Schutze der Demokratie als notwendig erachtet werden, in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden sollen oder ob man es in Form von Sondergesetzen machen soll. In Abweichung von den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers sind meine politischen Freunde und ich der Überzeugung, daß die neuen Strafbestimmungen, die sich aus dem Grundgesetz ergeben wir denken hier in erster Linie an die Bestrafung von Handlungen zur Vorbereitung des Angriffskrieges —, selbstverständlich in das Strafgesetzbuch hineingearbeitet werden . müssen. Wir begrüßen es — der Herr Justizminister hat es hier bestätigt --, daß von seiten der Regierung Bestimmungen zum persönlichen Schutz, zum Ehrenschutz vorbereitet werden, die ebenfalls Gegenstand einer Reform des Strafgesetzbuches sein dürften. Denn neben der Sicherung der Demokratie scheint es uns vor allem aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit notwendig zu sein, dafür zu sorgen, daß die in der vorderen Linie der Politik stehenden Männer und Frauen im Ansehen des Volkes nicht durch Verleumdungen verächtlich gemacht werden können.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Was aber über diese Bestimmungen im Strafgesetzbuch hinaus zum Schutz der Demokratie
    getan werden muß, sollte unseres Erachtens in-
    Form von Sondergesetzen erlassen werden. Wir
    legen schon heute größten Wert auf die Feststellung, daß wir so bald wie möglich wieder an einen
    Abbau der Strafbestimmungen herangehen müssen,
    die heute, da sich die Demokratie unter den denkbar ungünstigsten materiellen Voraussetzungen in
    ihrem Anfangsstadium befindet, leider nicht zu
    umgehen sind. Auf die Dauer ist es nicht
    möglich, die Demokratie durch einen Paragraphenzaun zu schützen. Das kann nur für eine


    (Frau Wessel)

    Übergangszeit zweckmäßig sein. Wir wünschen aber auch deshalb Sondergesetze, weil wir die strafbaren Tatbestände so exakt definiert wissen wollen, daß sie von den Richtern nur in der der Demokratie nützlichen Weise ausgelegt werden können. Gesetze, die das tun, sind aber auf eine ganz bestimmte Zeit und ganz bestimmte Verhältnisse zugeschnitten und unterscheiden sich dadurch von dem dauernd gültigen Strafgesetzbuch.
    Weiter legen wir Wert darauf, daß in Prozessen, die zum Schutz der Demokratie geführt werden, nicht nur Berufsjuristen die Urteilsfindung in der Hand haben. Wir halten es deshalb für richtig, daß die leichteren Fälle zum Beispiel vor den Schöffengerichten und die. schweren Fällen vor den Schwurgerichten abgeurteilt werden, um so auch den Nietjuristen die Möglichkeit der Urteilsfindung mit zu geben.
    Meine Damen und Herren! Wenn heute Gesetze zum Schutze der Demokratie notwendig sind, so muß es unser aller Bestreben sein — ich darf das wohl auch in diesem Hohen Hause ausführen —, durch demokratisches Handeln und Verhalten die jetzt notwendigen Sondergesetze so bald wie möglich überflüssig zu machen. In erster Linie wird es, wenn die Demokratie überhaupt in unser Volk Eingang finden soll, auf positive Leistungen der Demokratie und ihrer Organe ankommen. Gesunde soziale und wirtschaftliche Verhältnisse sind die Grundvoraussetzungen dafür, daß radikalen Tendenzen wirksam entgegengetreten werden kann. Es ist ein völlig aussichtsloses Beginnen, die Demokratie erhalten zu wollen, falls die Organe der Demokratie vor den praktischen politischen Aufgaben versagen. Ich bin der Überzeugung, daß der die Demokraten beseelende Wille zu positiven Leistungen zum Schutze der Demokratie in Deutschland weit mehr zu vollbringen vermag und in der Tat auch vollbringen wird, als das Strafgesetzbuch tun kann.
    Tatsächlich gibt es auch für den demokratischen Gedanken nichts Besseres als die Auseinandersetzung mit den radikalen Gruppen über die konkreten politischen Probleme, sofern diese Auseinandersetzungen in der Form echter Diskussion vor sich gehen.

    (Sehr richtig! bei der FDP und bei der BP.)

    Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade hier im Bundestag solche Diskussionen geführt werden müssen und daß es grundfalsch ist, Abgeordnete, wie zum Beispiel Herrn Hedler oder Herrn Dorls, hier nicht zu Wort kommen zu lassen. .

    (Sehr richtig! beim Zentrum und rechts.) Wenn der Herr Präsident mit den geschäftsordnungsmäßigen Mitteln unsachliche Diskussionen unterbindet und die Vertreter der radikalen Gruppen dazu zwingt, zur Sache zu sprechen, dann werden hier im Bundestag immer neue Beweise für die geistige Armut des Radikalismus geliefert werden.


    (Beifall beim Zentrum.)

    Ich kann leider diese Anregung nicht zu einem Antrag formen, ich kann sie auch nicht in Gesetzesform kleiden; aber ich wollte nicht darauf verzichten, heute auf diese Art von Schlagfertigkeit hinzuweisen, mit der man die Rechts- und auch die Linksradikalen erledigen kann, ohne sich selbst dabei ins Unrecht zu setzen. Bisher hat der
    Bundestag in dieser Beziehung versagt. Er hat es nicht verstanden, sich in den Mittelpunkt des politischen und öffentlichen Lebens unseres Volkes zu setzen, und ich meine, daß der Bundestag, wenn er Gesetze zum Schutz der Demokratie beschließen will, sich auch darüber klar werden muß, was er selbst zum Schutz der Demokratie tun kann.
    Wenn die Zentrumsfraktion Vorgänge, wie sie sich am vergangenen Freitag um den Fall Hedler abgespielt haben, nicht für eine Stärkung des Ansehens des Bundestags hält, so hat das nichts mit irgendeiner Wertschätzung des Herrn Hedler zu tun. Aber wir halten jede Prügelei unter Abgeordneten für eine Gefahr für das Ansehen der Demokratie und ihrer Repräsentation.

    (Lebhafter Beifall beim Zentrum., in der Mitte, bei der FDP und bei der DRP.)


    (Sehr gut!)

    Deshalb kann in diesem Hohen Hause die Notwendigkeit zum Maßhalten, zur Besonnenheit und zur Toleranz nicht genug betont werden, wenn unser politisches Leben trotz Staatsschutzgesetz nicht erneut entarten soll. Das, meine Damen und Herren, ist das beste Rezept, daß aus den Deutschen endlich Demokraten werden und wir die neue Demokratie ohne Strafgesetze in die Herzen der Deutschen verpflanzen können.

    (Lebhafter Beifall beim Zentrum undden Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.

(Abg. Rische: Aufmarsch der Demokraten!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    An die Spitze meiner Ausführungen möchte ich nicht nur mein persönliches Bekenntnis, sondern vor allem das Bekenntnis meiner politischen Freunde zur Notwendigkeit eines wirksamen strafrechtlichen Schutzes der rechtsstaatlichen Demokratie setzen. Dieser strafrechtliche Schutz eines rechtsstaatlich geordneten Gemeinschaftslebens muß unseres Erachtens insbesondere in drei Richtungen gehen. Zum ersten muß er sich gegen alle Arten von totalitären oder despotischen Bestrebungen wenden; zum zweiten muß er sich gegen alle Formen gewalttätiger Störung des friedlichen Zusammenlebens richten, auch wenn sie von Kräften ausgehen sollten, die in ihrer Tendenz demokratisch eingestellt sind; zum dritten muß er sich gegen die Verächtlichmachung des demokratischen Rechtsstaats, seiner Repräsentanten und Symbole richten, denn wir wissen aus der Zeit vor 1933 und erleben es heute in den verschiedensten demokratischen Ländern, wie die Anhänger eines diktatorischen, despotischen Systems gerade auf dem Wege über die Verächtlichmachung des Rechtsstaats versuchen, ihre Ideologien voranzutragen. Die Verächtlichmachung ist ein Mittel der Fanatisierung, und aus der Fanatisierung ergibt sich ein Hang zur Gewaltanwendung, der einem friedlichen rechtsstaatlichen Zusammenleben feindlich ist.
    Aus diesen Erwägungen heraus begrüßen wir jeden Versuch und erwarten mit Dringlichkeit die Bemühung der Regierung um Fertigstellung einer Gesetzesvorlage, die dazu dienen soll, den erforderlichen strafrechtlichen Schutz der rechtsstaat-


    (Euler)

    lichen Demokratie bzw. die Ausgestaltung dieses strafrechtlichen Schutzes zu bewirken.
    Gegen den jetzigen Gesetzentwurf der Sozialdemokratie haben wir zum ersten das formelle Bedenken, ob es richtig ist, den qualifizierten Schutz des rechtsstaatlichen Zusammenlebens in die Form eines Sondergesetzes zu kleiden oder aber zum Bestandteil der normalen strafrechtlichen Schutzordnung der Gemeinschaft zu machen. Wir sind der Auffassung, man sollte den Anschein vermeiden, daß Sonder- oder Ausnahmegesetze erforderlich wären. Es wird damit auch ein Aspekt vermieden, der politisch bedeutungsvoll ist, der Aspekt nämlich einer Anknüpfung an ein Gesetz, das den Zweck nicht erreicht hat, den es einmal erreichen sollte: das Republikschutzgesetz der Zeit vor 1933.
    Unseres Erachtens machen es die Erfahrungen in fast allen Ländern erforderlich, einen qualifizierten, verstärkten Schutz des Rechtsstaats zum Bestandteil der normalen strafrechtlichen Ordnung zu machen. Wie sehr das erforderlich ist, beweist letzten Endes im Grunde genommen der Inhalt des Gesetzentwurfes der SPD selbst. Denn fast alle Tatbestände, die dieser Entwurf bringt, stellen Ausweitungen oder Ergänzungen von normalen Straftatbeständen dar, seien es die Tatbestände des Hochverrats und der hochverräterischen Unternehmung oder aber die Tatbestände des Landfriedensbruches und des Aufruhrs oder die Tatbestände der Klassenhetze. Wir finden in dem Entwurf schließlich eine Fortbildung des Rechts der Ahndung der Ehrverletzungen, indem beispielsweise das Widerrufsrecht von der Wiederholungsgefahr gelöst wird oder indem der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gegeben wird, indem eine besondere Bestimmung über die Wahsehr berechtigter Interessen gegeben wird.
    wünschenswert, meine sehr geehrten und Herren, aber die Überlegungen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen diesen qualifizierten Tatbeständen und den Grundtatbeständen des Strafrechts zeigen, daß es richtig ist, die entsprechenden Vorschriften in das Strafrecht einzubauen. Dies läßt sich meines Erachtens auf eine Weise tun, daß dabei doch nicht der politische Zusammenhang, nämlich gesteigerter Schutz der demokratischen Grundordnung, verlorengeht, indem man versucht, diese qualifizierten Tatbestände weithin in einem besonderen Abschnitt des Strafgesetzbuches zusammenzufassen.
    Zum zweiten richten sich unsere Bedenken gegenüber dem Gesetzentwurf der SPD gegen die unzulängliche Formulierung einiger Tatbestände. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wirksamkeit eines solchen Gemeinschaftsschutzes gesteigerter Art hängt zu einem ganz großen Teil davon ab, daß man dem Richter scharf geschliffene Tatbestände in die Hand gibt, Tatbestände, aus denen klare Normen sprechen, deren Anwendung den Richter nicht unmöglichen Interpretationsschwierigkeiten aussetzt. Denn was hängt daran, wenn man Tatbestände, die nicht hinreichend genau formuliert, die nicht scharf genug zugespitzt sind, dem Richter in die Hand gibt? Es hängt daran die außerordentliche Gefahr, daß über richterliche Willkür eine Rechtsunsicherheit einreißt, die sich sowohl im Rechtsbewußtsein des Volkes als auch in seinen politischen Reaktionen gegen die Demokratie richtet, die geschützt werden soll. Es besteht die doppelte Gefahr, daß dann entweder Interpretationen vorgenommen werden, die zu eng und einschränkend sind, oder Interpretationen, die zu nachgiebig sind, mit dem Ergebnis, daß der Schutz des Staates, den man erreichen will, tatsächlich nicht erreicht wird. Die Folge ist in dem einen Falle eine gesteigerte Verächtlichkeit des Staates, der sich als unfähig erweist, sich über die Justiz selbst zu schützen. Als Folge einer zu ausweitenden, einer zu harten Auslegung droht, daß im Bewußtsein der Bevölkerung so etwas wie demokratischer Terror in Erscheinung tritt. Die eine wie die andere Gefahr sind im gleichen Maße unerwünscht.
    Darüber hinaus finden wir in einzelnen Tatbeständen, wie sie der sozialdemokratische Gesetzentwurf zu formulieren versucht, geradezu den Verstoß gegen unverzichtbare Naturrechte. Es ist beispielsweise unmöglich, in § 12 kurzerhand zu sagen, daß jeder, der öffentlich oder geheim für die Anwendung bewaffneter Gewalt gegen andere Völker eintritt, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft werden soll. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Naturrecht der Notwehr gegen Angriffsakte anderer ist unverzichtbar, und das Eintreten für dieses Notwehrrecht darf auch hinsichtlich des Lebens eines demokratischen Volkes und des Lebens eines demokratischen Staates nicht unter Strafe gestellt werden. In der heutigen Zeit wäre ein solches Beginnen geradezu selbstmörderisch, in einer Zeit, in der alle Völker, die außerhalb des sowjetischen Einflusses leben, darauf bedacht sein müssen, sich gegen die Angriffe, die Aggressionen dieser totalitären, despotischen Macht zu wehren.

    (Abg. Rische: Das nennt man Kriegshetze! Sie sekundieren noch!)

    Jawohl, Sie wissen sehr genau, was damit gemeint ist; denn Sie kennen ja den Rüstungsstand in der Ostzone.
    Aus - diesen grundsätzlichen Erwägungen kommen wir zu dem Ergebnis, daß 3s zwar sehr wünsehenswert ist, auch die Anregung der SPD im Ausschuß ausführlich zu behandeln, daß das aber nicht geschehen sollte, ohne daß zugleich der Entwurf vorliegt, den die Regierung demnächst hier einbringen wird.
    Zum Schluß möchte ich auf eins hinweisen, was wahrscheinlich, wenn es von allen Seiten hinreichend beachtet wird, mehr dazu beitragen wird, das rechtsstaatliche friedliche Zusammenleben in unserem Volke und die Überzeugung von seiner Notwendigkeit zu verankern als strafrechtliche Verfolgung: Das ist ein beispielhaftes Verhalten aller politischen Kräfte, die sich gerade dadurch als demokratisch legitimieren müssen, daß sie sich unter allen Umständen in beispielhafter Weise demokratisch verhalten. Wenn wir auf diesen Punkt abstellen, dann können Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nicht leugnen, daß Sie in den letzten Wochen und Monaten hier durch Verleumdungen und Verächtlichmachungen, durch Tätlichkeiten wie durch Hetze in der Öffentlichkeit sehr dazu beigetragen haben, das Urteil zu vertiefen, daß gerade diejenigen sich eines beispielhaften demokratischen Verhaltens befleißigen müssen, die das von anderen verlangen.

    (Beifall rechts. — Abg. Dr. Greve: Das müssen Sie gerade sagen! Herr Euler, Sie haben gar kein Recht, das zu sagen! Gucken Sie sich in Ihren eigenen Reihen um! Unverschämtheit!)