Rede von
Karl
Gengler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 14. Sitzung am 3. November 1949 beschlossen, dem § 103 der Geschäftsordnung folgende Absätze 2 und 3 anzufügen:
Auf Antrag von mindestens 70 anwesenden Mitgliedern kann die geheime Abstimmung beschlossen werden. Sie findet in der Weise statt, daß die Mitglieder auf weißen und unbeschriebenen Karten die Fragestellung des Präsidenten beantworten. Diese Karten werden von den Schriftführern in Urnen gesammelt. Im übrigen gilt für diese Abstimmung § 105 der Geschäftsordnung entsprechend.
Auf die Abstimmung über Gesetzesvorlagen findet diese Bestimmung keine Anwendung.
Äußerer Anlaß zur Aufnahme dieser Ergänzung des § 103 der Geschäftsordnung waren die aus Anlaß der Erörterung über den Bundessitz
aus dem Hause gestellten Anträge auf geheime Abstimmung. Es handelte sich um einen Sonderfall. Solchen etwa auftretenden Sonderfällen Rechnung zu tragen, ist der Sinn der Zulassung einer geheimen Abstimmung. Ich habe als Berichterstatter darauf hinzuweisen, daß Absatz 3 eine sehr wesentliche Beschränkung der Zulassung der geheimen Abstimmung enthält, indem bei einer Abstimmung über Gesetzesvorlagen diese Bestimmung keine Anwendung findet. In dieser starken Einschränkung liegt auch die Anwendung als Sonder- und Ausnahmefall.
Unsere Geschäftsordnung kennt die geheime Abstimmung sonst noch bei Personenwahlen. Diese ist nicht bestritten.
Gegenüber einer geheimen Abstimmung nach § 103 Absatz 2 und 3 der Geschäftsordnung wurde im Ausschuß eingewendet, daß der Abgeordnete für seine Haltung durch öffentliche Abstimmung einzustehen habe. Demgegenüber wurde im Ausschuß darauf hingewiesen, daß die Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der Abgeordneten gegenüber einem Druck von Interessenten, gegenüber einem Druck der Straße oder auch nur bei einem Fraktionszwang die Zulassung einer geheimen Abstimmung als Ausnahmefall erforderlich machen könne. In verschiedenen parlamentarischen Geschäftsordnungen, darunter in der des Nationalrats der Schweiz, eines anerkannt demokratischen Staates und Parlaments, ist die geheime Abstimmung enthalten, zum Teil weitgehender als bei uns.
Außerdem wurde im Ausschuß erklärt, daß, nachdem diese Bestimmung erst im November 1949 beschlossen worden sei, man fetzt nicht schon wieder ohne direkt zwingenden Grund eine Änderung der Geschäftsordnung vornehmen solle.
Man meinte, eine gewisse Beständigkeit sei hier am Platze.
Zudem hat der Geschäftsordnungsausschuß -- was besonders festgestellt wurde -- die Aufgabe, eine neue Geschäftsordnung auszuarbeiten. Gerade im Hinblick auf diese Arbeit des Geschäftsordnungsausschusses war die Mehrheit des Ausschusses der Meinung, man solle die Beschlußfassung über den Antrag auf Aufhebung der Absätze 2 und 3 des § 103 bis zur Beratung der endgültigen Geschäftsordnung zurückstellen.
Zu dem Antrag der Bayernpartei ist nach den Ausschußberatungen noch ein gleichlautender Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 476 hinzugekommen. Hätte er vorgelegen, dann wäre er natürlich sachlich in den Ausschußantrag einzugliedern gewesen.
Namens des Geschäftsordnungsausschusses beantrage ich die Zustimmung zu dem Antrag Drucksache Nr. 495: die Beschlußfassung über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei — Nr. 184 der Drucksachen — bis zur Beratung der endgültigen Geschäftsordnung zurückzustellen.