Rede von
Valentin
Baur
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 5 Absatz 2 des Wahlgesetzes zum Bundestag sieht vor, daß die Abgeordneten, die Beamte sind und Hoheitsrechte ausüben, aus ihren Ämtern auszuscheiden haben, ebenso die Angestellten der öffentlichen Anstalten usw. Aus dem Bericht des Berichterstatters haben Sie vernommen, daß die Mehrheit des Ausschusses bei den Beratungen auf dem Standpunkt stand, daß dafür ein eigenes Gesetz geschaffen werden sollte. Meine Fraktion ist gegenteiliger Meinung. Sie ist der Auffassung, daß diese Regelung gleich mit der Materie dieses Beamtengesetzes erfolgen sollte. Sie ist dieser Auffassung nicht zuletzt deshalb, weil der Kreis der Männer und Frauen, die von dieser Bestimmung betroffen worden sind, einen Anspruch darauf haben, daß sie in Bälde von den Sorgen befreit werden, die ein Ungeregeltsein ihrer persönlichen Rechte und ihrer Ansprüche an den Staat hervorruft. Wir haben ja bereits in den wenigen Monaten einige Todesfälle innerhalb unseres Parlaments erlebt. Kein Mensch weiß, wann er eines Tages aus dem Leben zu scheiden hat. Es ist daher eine Selbstverständlichkeit, daß die betreffenden Kollegen und Kolleginnen die Versorgung ihrer Hinterbliebenen geregelt wissen wollen. Wenn Sie sich die Bestimmung dieses Gesetzes genau ansehen, dann kann mit Fug und Recht gesagt werden, daß sie einer Ausnahmebestimmung gleichkommt, der die Abgeordneten, die Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienste sind, unterliegen. Es ist eine kollegiale Pflicht des Parlaments, auch die Verhältnisse dieser Kolleginnen und Kollegen raschestens zu regeln und ihre Ansprüche zu sichern.
Aus diesem Grunde bittet Sie meine Fraktion, dem Antrage zuzustimmen und die entsprechende Regelung schon bei der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs zu treffen.
Meine Fraktion hat außerdem den Antrag gestellt, daß die Bestimmung des § 83 des bisherigen Gesetzes auch für die Beamten gilt, die von den §§ 2 bis 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. April 1933 betroffen worden sind, und bei denen es sich um anerkannte Wiedergutmachungsfälle handelt. Dieses Gesetz, das den famosen Titel „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" hatte, diente nicht dieser Wiederherstellung, sondern ausschließlich dem Zwecke, die aufrechten Männer und Frauen, von denen das nationalsozialistische Regime überzeugt war, daß sie seinen
politischen Bestrebungen nicht willfährig sein würden, daß sie aufrechte Demokraten sein würden, außer Dienst zu stellen, andererseits die vie] verschrienen Parteibuchbeamten in erhöhtem Maße einzuführen, damit man in entsprechender Zahl eine Gefolgschaft für die Gemeinheiten und Verbrechen hatte, die das nationalsozialistische Regime in seinem zwölfjährigen Bestande begangen hat. Nach Auffassung meiner Fraktion ist es eine Ehrenpflicht des Parlaments und nicht zuletzt auch der Bundesregierung, sich in erster Linie der Männer und Frauen zu erinnern, die damals in all den Jahren den Mut hatten, dem nationalsozialistischen Regime zu widerstehen, die aufrechte Bürger und Bürgerinnen bleiben wollten. Mit keiner Maßnahme kann größeres Vertrauen zu der jungen deutschen Demokratie erweckt werden als dadurch, daß man diesen Menschen endlich einmal Gerechtigkeit widerfahren läßt und ihre alten Ansprüche, die sie sich vor 1933 erworben hatten, anerkennt. Je vorbehaltloser, je aufrichtiger das geschieht, um so stärker wächst das Vertrauen dieser Bürger und Bürgerinnen in die Demokratie, das Ansehen der neuen Republik in der Welt. Ich ersuche Sie daher namens meiner Fraktion, auch diesem Antrage zuzustimmen.
Lassen Sie sich im übrigen nicht durch die Kürze meiner Begründung beeinflussen!
Glauben Sie nicht, daß unsere Anträge deshalb weniger wichtig seien! Nehmen Sie vielmehr diese Anträge ernst! Denn sie werden ein Beweis dafür sein, inwieweit die Wiedergutmachung im Interesse der von mir genannten Kreise, die Anerkennung ihrer Ansprüche von Ihnen ernst genommen wird.