Rede:
ID0103801000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Februar 1950 1245 38. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1245D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen betr. Förderung der Wirtschaft von Groß- Berlin (West) 1246A Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 . . 1246A Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 1246A Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Max Wönner 1246A Antrag des Oberstaatsanwalts in Hannover betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Franz Richter 1246B Kabinettsbeschluß über die Erhöhung der Butterpreise (Drucksache Nr. 549) . . . 1246B Interpellation der Fraktion der SPD betr. Investitionen im Gebiet der Bundesrepublik (Drucksache Nr. 403) . . . . 1246B Dr. Veit (SPD), Interpellant 1246C, 1263B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1251A Dr. Bertram (Z) 1257D Rische (KPD) . . . . . . . . 1259A Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) . . . . 1260C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Kriegsvorschriften über die Siegelung gerichtlicher und notarischer Urkunden (Drucksache Nr. 506) 1264C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse (Drucksache Nr. 507) . 1264D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Drucksache Nr. 511) 1264D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksachen Nr. 497 und 175; Abänderungsanträge Drucksachen Nr. 514, 526, 532) 1264D Zur Geschäftsordnung: Dr. Menzel (SPD) 1265A, 1270C, 1299C Dr. Wuermeling (CDU) . . 1265C, 1271A Dr. Becker (FDP) . . . . . 1265D Mellies (SPD) 1265D Schoettle (SPD) 1270D Zur Sache: Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 1266B Gundelach (KPD) 1271C Pannenbecker (Z) 1274B Dr. Menzel (SPD) . . . . . . . 1274C Frau Albrecht (SPD) . . . . . 1277A Böhm (SPD) . . . . . . . . 1278B Arnholz (SPD) . . . . . . . . 1280B Baur (SPD) 1282A Stopperich (SPD) . . . . . . . 1282D Dr. Falkner (BP) 1283B Dr. Nowack (FDP) 1284A Dr. Wuermeling (CDU) . . . . 1289A Farke (DP) . . . . . . . . . 1293A Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . 1293D Abstimmungen . . . . . . . . 1295B Zur Abstimmung: Dr. Menzel (SPD) 1297D Dr. Oellers (FDP) 1297D Euler (FDP) 1298A Dr. Bucerius (CDU) 1298A Mellies (SPD) 1298A Nächste Sitzung 1299D Die Sitzung wird um 13 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Die heutige Rede des Herrn Wirtschaftsministers war weniger optimistisch, als wir das bisher gewohnt waren. Der Herr Wirtschaftsminister sprach mit sehr großer Sorge vom Jahre 1952. Ich glaube, daß wir unter dem Druck der Ereignisse auf wirtschaftpolitischem Gebiet alle Ursache haben, die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland mit allergrößter Sorge zu beobachten.
    Das heute zur Diskussion stehende Problem, nämlich das Problem der Beschaffung von Mitteln, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau auch in Westdeutschland zu fördern, leidet unserer Auffassung nach darunter, daß hier Kräfte am Werk sind, die weniger den volkswirtschaftlichen Wert eines solchen Wiederaufbaus anerkennen, als vielmehr darauf bedacht sind, durch die Arbeit der breitesten Massen möglichst schnell zu profitablen Verhältnissen zu gelangen. Die allgemeine Auffassung, die wir auch heute wieder
    von dem Herrn Wirtschaftsminister über das Investitionsproblem gehört haben, lautet: der privatkapitalistische Unternehmer ist der beste Kapitallenker, nur der private Unternehmer gibt die Gewähr, daß neu gebildetes Kapital so gut wie möglich ausgenutzt wird. Wir möchten vielmehr sagen, daß in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gerade das Gegenteil sich immer wieder als richtig erweist. Die kapitalistische Wirtschaftsform bietet uns ein ständiges Bild unerhörter Kapitalvernichtung, ein Bild der ständigen Übersetzung der einzelnen Industriezweige, und zeigt uns, wie an vielen Stellen Kapitalfehlinvestitionen unumgänglich gerade zum, Bestand dieses Systems gehören. Ich erinnere nur daran, daß in vielen Ländern anstatt volkswirtschaftlich notwendiger Arbeit die Kriegsproduktion stärkstens forciert wird. Milliardenbeträge gehen darum ständig in einer kapitalistisch regierten Wirtschaftsordnung durch Kapitalfehlleitungen verloren. Ich habe noch in Erinnerung, wie in den Jahren 1916 bis 1923 in Deutschland die Kaliindustrie weitgehend ausgebaut wurde. Schließlich mußte man im Jahre 1924 300 Kalischächte stillegen. Hier zeigt sich auch, daß selbst in den Zeiten der Weimarer Republik Kapitalfehllenkungen ständig an der Tagesordnung waren.
    Die gegenwärtige Investitionslage zeigt auch, wie widerspruchsvoll die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland ist. Hier könnte man beinahe sagen, sie geschieht nach dem Prinzip: Alles für mich, und Gott für uns alle! Die Währungsreform hat bekanntlich das Geldkapital in weitestem Umfang vernichtet. Dabei ist in erster Linie das werktätige Volk enteignet worden, während die Monopolherren und Bankkapitalisten durch die Währungsreform keinerlei Verluste erlitten haben.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Werter Herr Kollege, ich erinnere hier nur an die famose Ausgleichsforderung in Höhe von 16,5 Millarden D-Mark mit einer jährlichen Verzinsung in einer Höhe von rund 500 Millionen D-Mark. Ein glattes Geschenk an die Schwerindustrie und an das Finanzkapital! Eine weitere Hilfe erhielten die Unternehmer in Westdeutschland durch das vom Wirtschaftsrat verabschiedete D-Mark-Umstellungsgesetz. Bei einem Studium der bisher bekanntgewordenen Geschäftsberichte der großen Firmen und Konzerne hat sich gezeigt, daß die deutschen Monopolisten während der Zeit der Aufrüstung und des Krieges kräftige Kapitalsicherungen vornehmen konnten und heute über starke Fettpolster verfügen.

    (Zuruf von der CDU: Sie auch!)

    Durch Hortungsgewinne und durch Lohndrückerei vermochten sie dann ihr Reichsmark-Aktienkapital auf D-Mark umzustellen und durch Selbstfinanzierungen in größtem Ausmaß dafür zu sorgen, daß ihre Produktionsstätten auf Kosten der Kaufkraft der breitesten Bevölkerung wieder intakt wurden.
    Es besteht sicherlich noch keine echte Möglichkeit, das Ausmaß der vorgenommenen Selbstfinanzierungen in Westdeutschland richtig einzuschätzen. Der Herr Wirtschaftsminister hat uns heute hier einige Zahlen genannt. Aber ich möchte bezweifeln, daß diese Zahlen stimmen. Viel realer erscheint mir doch da die Zahl, die der Herr Kollege Veit uns genannt hat. Tatsache ist, daß in der Zeit vor und nach der Währungsreform Milliardenbeträge ohne jegliche Kontrolle zum Nutzen der großen Betriebsinhaber und O der Monopolkapitalisten gewinnbringend angelegt wurden. Es gibt heute durch das D-Mark-Umstellungsgesetz eine Möglichkeit, über doppelte Abschreibungen und auch über andere Methoden die steuerlichen Bestimmungen weitestgehend zu hintergehen. Als Ergebnis dieser Politik haben wir schließlich einen völlig ungenügenden nenmarkt mit einer weitgehenden Drosselung der Kaufkraft vor uns.
    Wie ist es zu verstehen, daß wir bei aufsteigender Produktion wenigstens in den vergangenen Monaten jetzt in Westdeutschland über zwei Millionen Arbeitslose zählen? Das ist ein besonderes Problem. Teilweise wurden diese Arbeitskräfte durch eine 60- bis 70prozentige Leistungssteigerung der deutschen Arbeiter freigesetzt. Diese Leistungssteigerung schuf mit die Voraussetzungen dafür, daß die Produktionsmöglichkeiten mit einer ständig geringeren Arbeiterzahl ausgeschöpft werden konnten. Die Arbeitslosigkeit hat selbstverständlich ihre eigentliche Ursache, ihre Hauptursache in der Marshallplanpolitik in Westdeutschland und in der so verhängnisvollen Spaltung des deutschen Wirtschaftskörpers, in der Angliederung der westdeutschen Wirtschaft an die krisenerschütterte kapitalistische Weltwirtschaft. Darum ist es unserer Meinung nach nicht so sehr die Kreditpolitik, die die Hauptursache der Arbeitslosigkeit ist, sondern es sind — das sagen wir mit aller Deutlichkeit — die kolonialen Fesseln, die der deutschen Wirtschaft durch die Marshallplanpolitik angelegt wurden. Die Kreditpolitik ist nicht Ursache, sondern die hotwendige Begleiterscheinung des gegenwärtigen Zustandes. Diese Politik äußert sich, wie der Herr


    (Rische)

    Kollege Veit hier schon angeführt hat, darin, daß wir heute erst 50 Prozent der deutschen Einfuhren aus eigener Kraft abdecken können.
    Nun haben wir aus Unternehmerkreisen das große Rufen nach Krediten, nach Investitionen. Die Unternehmer haben da einen Ausweg gefunden. Sie fordern weitgehenden gesetzlichen Schutz zur Förderung der Kapitalbildung. Einen derartigen weitgehenden gesetzlichen Schutz zur Förderung der Kapitalbildung haben sie durch das von der Regierung vorgelegte Gesetz zur Neuregelung der Einkommensteuer erhalten. Durch dieses neue Einkommensteuergesetz soll rund eine Milliarde D-Mark gerade den begüterten Kreisen des Schwerkapitals zuerkannt werden. Weitere Garantien fordern heute schon große Kreise der Unternehmer durch staatlichen Schutz gegenüber allzuhohen Lohnforderungen der Arbeiter, also durch Maßnahmen, um den breiten Massen den von Herrn Erhard gewünschten Konsumverzicht staatlich aufzuzwingen. Die Einkünfte der Arbeiter sollen weiter eingeschränkt werden, um dann die eingesparte Summe für die Kapitalneubildung der Unternehmer zu verwenden. Diese Quelle ist aber nicht unerschöpflich, weil auch die Geduld der Arbeiter nicht unerschöpflich ist. Die Arbeiter in Westdeutschland haben allzu recht, wenn sie Lohnforderungen stellen, wenn sie darauf bestehen, endlich mehr konsumieren zu können. Die Arbeiter — das sage ich ebenfalls ganz deutlich — haben kein Interesse daran, durch geballten Kapitaleinsatz den Aufbau der Monopolwirtschaft in Westdeutschland zu fördern. Die Arbeiter werden vielmehr einen unversöhnlichen Kampf gerade solchen Bestrebungen in Westdeutschland ansagen.
    Beim Studium der Gutachten der Regierung erweist sich, daß wirklich echte Maßnahmen zu einer gesunden Kreditpolitik nicht ergriffen werden können. Hier hindert uns der Marshallplan daran, eine wirklich gesunde Investitionspolitik zu betreiben. Ich verweise nur darauf, daß selbst die uns zugebilligten Gegenwertmittel tatsächlich nicht der deutschen Kontrolle, sondern in erster Linie nach wie vor der Kontrolle der Besatzungsmächte unterliegen.
    Meine Damen und Herren, wir wollen dem SPD-Antrag die Berechtigung keinesfalls .absprechen, und wir unterstützen auch alle Bestrebungen, die einen volkswirtschaftlichen Einsatz des Kapitals in Westdeutschland erreichen sollen. Will man jedoch ein Programm des Neuaufbaus der Wirtschaft, dann geben wir allerdings noch folgendes zu bedenken. Kreditlenkung und Förderung der Wirtschaftsvorgänge bedeuten schließlich, daß die Privateigentümer der Produktionsmittel nicht einfach machen können, was sie wollen. Wenn Sie, meine Herren von der SPD, eine grundsätzliche Lösung wollen, dann müssen Sie darauf achten, daß die Unternehmer nur das produzieren dürfen, was volkswirtschaftlich zu vertreten und notwendig ist. Bei einer solchen Haltung, meine Herren Kollegen von der SPD, wird es dann notwendigerweise zum Konflikt mit den Unternehmern kommen. Wir fürchten trotz der Berechtigung der SPD-Interpellation, daß diese Regierung nicht bereit ist, einen volkswirtschaftlich vertretbaren Kapitaleinsatz im Interesse einer wirklichen volkswirtschaftlichen Gesundung durchzuführen. Dieser Regierung kommt es vielmehr darauf an, kräftige Profitanreize für die monopolisierte Wirtschaft zu bieten.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lehr.

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    Rede von Dr. Robert Lehr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Wenn ich für die drei Regierungsparteien hier spreche, so möchte ich an die Spitze meiner Ausführungen den Eindruck stellen, den der bisherige Gang der Debatte und der Wortlaut der Interpellation auf mich gemacht haben. Es handelt sich letzten Endes um nichts anderes ais um die Fortsetzung der Wirtschaftsdebatte der vorletzten Sitzung des Bundestags. Wenn auch an die Spitze das Thema der Investitionen gesetzt worden ist, so steht es ja nicht im luftleeren Raum, sondern es steht in engem Zusammenhang mit dem ganzen Wirtschaftskomplex. Den Interpellanten ist das auch völlig klar. Das zeigt nicht nur die Begründung ihrer Interpellation, sondern auch die Formulierung ihrer einzelnen Fragen und die Zuspitzung auf die letzte Frage, ob die Regierung bereit ist, künftig Fehlinvestitionen zu vermeiden. Es wird also ohne weiteres schon in der Interpellation zum Ausdruck gebracht, daß solche Fehlinvestionen bestehen.
    Nach den ausführlichen Darlegungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers kann ich mich kurz fassen. Ich möchte die positive Seite des Zahlengebäudes, das hier aufgeführt wurde, untersuchen. Der Erfolg des ersten Jahres ist von den Interpellanten zahlenmäßig richtig dahin wiedergegeben worden, daß die Investitionen rund 15,2 Milliarden betragen haben, möglicherweise sogar noch 1 bis 2 Milliarden mehr, wobei ungefähr Neuinvestitionen und Ersatzinvestitionen, das heißt Investitionen aus den Abschreibungen, sich die Waage halten mit einem gewissen Übergewicht nach der Seite der Neuinvestitionen. Es ist auch richtig, wenn der Herr Kollege Dr. Veit dabei betont hat, daß diese Erfolge in erster Linie durch den Einsatz von Menschen hervorgerufen wurden. Es ging 1948 ein befreiender Zug durch unsere gesamte Wirtschaft sowohl auf der Unternehmer- wie Arbeitnehmerseite, als es endlich wieder durch die Neuordnung unseres Geldwesens Sinn hatte, zu arbeiten, statt den Weg des Schwarzhandels zu beschreiten, während es vorher falsch war, 14 Tage an der Drehbank zu stehen, und besser, ein Pfund Butter schwarz auszuhandeln. Diese Tatsache, daß es wieder sinnvoll war, zu arbeiten, ist eben der große Antrieb sowohl auf der Unternehmerseite wie auf der Arbeitnehmerseite gewesen; es war der Anreiz, nun wieder etwas zu wagen und zu investieren.
    Diese beachtlichen Neuinvestitionen im ersten Jahr wurden durchgeführt, während gleichzeitig in besonders großem Umfange die veralteten und heruntergewirtschafteten Produktionseinrichtungen erneuert werden mußten. Damit gewinnt die Investitionstätigkeit eine stärkere Bedeutung; denn auch die Ersatzinvestitionen werden im Bereich des Bundesgebiets, gemessen am Sozialprodukt, im ersten Jahr nach der Geldreform höher zu bewerten sein als vergleichsweise die des Jahres 1936. Für die Neuinvestitionen liegen klare Rechnungsergebnisse vor. Gemessen am Sozialprodukt im Bundesgebiet betrug der Anteil der Neuinvestitionen 11,8 Prozent. Er war damit höher als die Investitionsquote des Jahres 1936 im gesamten Reichsgebiet, die nur 10,8 Prozent erreichte.


    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    Der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard hat auch durchaus richtig auf die starke Streuung dieser Investitionen über den Bereich der gesamten Wirtschaft verwiesen. Etwa die Hälfte entfällt auf die Industrie, etwa 40 Prozent entfallen auf die Bauindustrie, ohne Abschreibungen, etwa 30 Prozent stammen aus kurzfristigen Bankkrediten und 20 Prozent aus Haushaltsmitteln. Die Beteiligung des Fiskus an der Finanzierung der Investitionen ist in der ersten Zeit immer stärker geworden. Sie ist hier mit 2,5 bis 3 Milliarden angegeben, und es ist darauf hinzuweisen, daß die Investitionen für den Wiederaufbau von Verkehrsanlagen, den Wohnungsbau und für den Bau öffentlicher Gebäude verwandt worden sind, also für einen durchaus erfolgreichen Einsatz.
    Es ist nicht so, wie hier gesagt worden ist, daß ein „Laissez faire, laissez aller" des Bundeswirtschaftsministers über diesen Investitionen geschwebt habe. Auch für das zweite Investitionsjahr zeigt sich ein überlegter Einsatz. Schätzungen über das Gesamtergebnis können wir Ihnen heute nicht vortragen, weil ja erst die erste Hälfte dieses Jahres abgelaufen ist. Immerhin läßt sich sagen, daß die für das zweite Jahr von dem Herrn Wirtschaftsminister genannten Zahlen sich im wesentlichen auf die Neuinvestitionen beziehen, daß also in ihnen noch nicht einmal die Ersatzinvestitionen der Abschreibungen einbegriffen sind. Wir glauben, daß etwa 17 Prozent der Gesamtinvestitionen aus Selbstfinanzierung der Wirtschaft kommen werden, daß etwa 23 Prozent aus den öffentlichen Haushalten fließen werden und daß aus den Spareinlagen etwa 700 Millionen D-Mark zu erwarten sind. Die Kapitalbildung der Privat- und Sozialversicherungen kann mit je 300 Millionen D-Mark veranschlagt werden.
    Wenn dann noch etwa 12 Prozent an mittel- und langfristigen Bankkrediten eingesetzt werden, würden sich immerhin noch 2,5 Milliarden D-Mark, das heißt ein Betrag von 29 Prozent ergeben, der aus den Gegenwertfonds gedeckt sein würde.
    So zeigt sich auch für das zweite Jahr ein wohlüberlegter Einsatz, wenn auch durch keine starre Bindung, sondern nur durch gewisse Richtlinien. Auch die hat der Herr Wirtschaftsminister vorgetragen, wenn er Bergbau, Stromerzeugung, Mineralölwirtschaft, die übrige Energie, die eisenschaffende Industrie, die Nichteisen-Metallwirtschaft, Maschinenbau, Fahrzeuge und andere Zweige, Chemie-, Textilindustrie, Papierindustrie und Ernährungsindustrie genannt hat. Diese bisher genannten Untersuchungen sprechen auch gegen den Vorwurf der Schrumpfungstendenz der Investitionen. Die zur Verfügung kommenden Gesamtsummen für das Marshallplanjahr 1950/51 werden sogar noch etwas höher eingesetzt, wobei der Anteil der öffentlichen Haushalte und Sonderfonds zurücktritt und dafür die Nutzbarmachung der sogenannten Gegenwertmittel in den Vordergrund gerückt ist. Der Kapitalmarkt wird etwa 2,3 Milliarden bringen, die Selbstfinanzierung etwa 2,8 Milliarden, die öffentlichen Haushalte aus Sonderfonds 2,15 Milliarden und die ERP-Gegenwertmittel 2,2 Milliarden, so daß etwa 9,45 oder rund 10 Milliarden zur Verfügung stehen, also noch eine Spanne von immerhin 0,55 Milliarden da ist, die noch zu decken wären.
    Rückblickend läßt sich über das Gesamtgebäude der Investitionen sagen, daß in unserer Wirtschaft von 1948 bis jetzt schätzungsweise 50 Milliarden als Neuinvestitionen und Ersatzinvestitionen investiert sind, so daß durch unsere bisherige Wirtschaftspolitik eine gewaltige Leistung tatsächlich erreicht worden ist.
    Wenn ich insbesondere auf den Vorwurf, das Jahr 1949 sei nutzlos vertan, eingehe, so möchte ich demgegenüber und im Anschluß an die unter Ziffer 2 a und 3 a der Interpellation gestellten Fragen auf folgendes hinweisen: Die Steigerung einer Produktionskapazität und die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Kapitalinvestitionen kommt in ihren Erfolgen in dem Anwachsen der industriellen Produktion und in dem Anwachsen der Beschäftigtenzahlen nachdrücklichst zum Ausdruck. Die Frage, wieviel neue Produktionskapazitäten erstellt worden sind, ist in dem Stadium, in dem viele Industriezweige noch über unausgenutzte Kapazitäten verfügen und in dem es zu einem beachtlichen Teil noch an den nötigen Rohstoffen zur Verarbeitung fehlt, von durchaus sekundärer Bedeutung. Für die Beurteilung der Investitionserfolge sind in erster Linie die Produktionssteigerung auf Grund verbesserter Produktivität, das Anwachsen der Beschäftigung, das heißt das positive, das vermehrte Schaffen an den Arbeitsplätzen, und der Stand der Rationalisierung maßgebend.
    Nach diesen Gesichtspunkten muß der Erfolg der Regierung gewertet werden. Dazu möchte ich Ihnen doch in Ergänzung des bisher genannten Zahlengebäudes noch einige schlagende Beispiele hier anführen. Einen Monat vor dem Tage X betrug die Zahl der Betriebe mit 10 und mehr Beschäftigten 35 606, und im April 1949 gab es bereits 37 196, das heißt — rund gerechnet — 2400 Betriebe mehr. Im Juni 1948 hatte die Industrie 3,355 Millionen Beschäftigte, und der Anteil dieser Beschäftigten an der Gesamtzahl der beschäftigten Arbeitnehmer stellte sich auf 27,5 Prozent. Ein Jahr später waren in der Industrie zirka 600 000 Beschäftigte mehr festzustellen; im Juni 1949 waren es 3,909 Millionen, also ein Anteil von 32,3 Prozent an der Gesamtzahl der beschäftigten Arbeitnehmer.
    Die wirtschaftliche Leistung, die in diesen Zahlen zum Ausdruck kommt, erhält ihre volle Würdigung dann, wenn man noch hinzufügt, daß im Vereinigten Wirtschaftsgebiet trotz der gewaltigen Zerstörung innerhalb des Wirtschaftsgefüges im September 1949 rund 12 Prozent mehr Personen beschäftigt waren als im Juli 1938.
    Es sind auch noch folgende Zahlen von überzeugender Schlagkraft: Im ersten Halbjahr 1948 wurden monatsdurchschnittlich 326 Millionen Arbeitsstunden geleistet. Im ersten Halbjahr 1949 waren es 44 Millionen mehr, das heißt 470 Millionen. Im Juni 1949 hatten wir ebenfalls 470 Millionen Arbeitsstunden festzustellen. Die Produktion unserer Industrie, die im Monatsdurchschnitt des zweiten Vierteljahres 1948 bei 2,2 Milliarden Reichsmark lag, belief sich im ersten Halbjahr 1949 durchschnittlich auf 3,9 Milliarden D-Mark. In demselben Zeitraum erhöhte sich der Auslandsumsatz der Industrie von 83 Millionen Reichsmark auf 236 Millionen D-Mark. Die Exportquote stieg somit von 3,7 Prozent auf 6 Prozent.
    So weit die Beispiele für die positiven Erfolge der Wirtschaftspolitik der Regierung.
    Ich möchte zu den Fragen 2 b und 3 b der Interpellation noch ein kurzes Wort sagen. Investitionen sind nicht nur von großem Wert, wenn sie sich auf den Export beziehen, auf die Förderung


    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    er Exportwirtschaft in der Exportindustrie. Volkswirtschaftlich können ebenso Investierungen in Betrieben wirksam werden, die dem Binnenmarkt einen neuen Auftrieb geben und dafür sorgen, daß auch dort die Produktion vergrößert und verbilligt wird. Es liegt im Interesse der Gesamtheit unserer Bevölkerung, wenn die Einfuhrwaren auf immer stärkere deutsche Konkurrenz in bezug auf Güte und auf Preis treffen. Gerade im Zeichen der Liberalisierung des europäischen Handels ist diese Stützung der heimischen Industrie ganz besonders zu begrüßen.
    Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung und insbesondere seine Tendenz zur Förderung lohnintensiver Arbeit begünstigt und schließt sich logisch an dieses eben vorgetragene System der Investitionen, der Neuinvestitionen und Ersatzinvestitionen an. Erwünscht wäre, wenn folgende Pläne noch zusätzlich Wirklichkeit werden könnten: wenn man mit einem Aufwand von etwa 7,5 Millionen D-Mark eine sogenannte Dollardrive-Organisation schaffen wollte, das heißt eine Markterforschung im Auslande, die unserer Exportförderung dienen soll, wenn ferner durch mittel- und langfristige Kredite mit niedrigem Zins der Produktionsmittelexport erleichtert werden könnte. Wenn alles daran gesetzt wird, um auch unseren früheren deutschen Walfang wieder aufzunehmen, wenn wir eine deutsche Walfangflotte bis Mitte 1951 auf drei Millionen Bruttoregistertonnen bringen könnten, so würde sich daraus eine Deviseneinnahme von mindestens 44 Millionen Dollar im Jahr ergeben.
    Ich möchte an dieser Stelle, nachdem ich bisher hauptsächlich von der Industrie gesprochen habe, auch dafür eintreten, daß man für die Landwirtschaft erhöhte Investitionen vornimmt, um Lebensmitteleinfuhren zu sparen, und daß man vielleicht manche Beträge, die ursprünglich für Lebensmittelimporte in Dollar vorgesehen waren, zusätzlich der Arbeitsintenvisierung der Landwirtschaft zuleiten möge.
    Durch das Programm der Regierung ist die Ankurbelung der öffentlichen Aufträge bereits vorgesehen. Ergänzend würde noch zu sagen sein, daß auch die Stillhalteschulden geregelt werden müßten, so daß auch sie der Investitionsfinanzierung dienstbar gemacht werden können.
    Ich möchte es nicht unterlassen, auch auf ein Hemmnis zu verweisen, das sich bisher schon für unsere Investitionspolitik nachteilig ausgewirkt hat: das ist die Atomisierung unseres Bankensystems, die Zerschlagung des vorzüglichen Apparats der früheren Reichsbank, die Zerschlagung des Apparats der großen Aktienbanken, deren Namen im Ausland uns leichter einen Kredit verbürgt

    (Abg. Rische: Das ist also das Programm!) als die große Zahl atomisierter Banken, deren Namen zu behalten selbst dem Sachkenner im Inland nicht ganz leicht fällt.

    Meine Damen und Herren! Ich habe durch diese Ausführungen zur Frage des Erfolgs in Einzelheiten Stellung genommen. Ich möchte Ihnen aber einen Erfolg noch einmal besonders nachdrücklich vor Augen stellen. Für 'das Kalenderjahr 1949 sind etwa 180 000 bis 200 000 Wohnungen neu gebaut oder wieder bezugsfähig gemacht worden. Diese Zahl kann sich mit dem Wohnungszugang in den besten Vorkriegsjahren messen. Daran mögen Sie auch die Güte des neuen Wohnungsbauprogramms beurteilen.
    Ich möchte auf die Schlußfrage der Fehlinvestitionen in demselben Sinne eingehen, wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister getan hat. Es besteht gar kein Zweifel, daß Fehlinvestitionen vorgekommen sind, da sich die Wirtschaft heute eben nicht mehr an ökonomischen Maßstäben orientieren kann. Wir können im Gesamtraum der europäischen Wirtschaft feststellen, daß ein Primat der Politik über die Wirtschaft besteht, und unser Bundesgebiet speziell weist soviel Imponderabilien in dem wirtschaftlichen Ablauf auf, daß Entscheidungen über den Kapitaleinsatz, auch wenn sie mit äußerster Sorgfalt vorgenommen und mit der nötigen Gedankenschärfe vorbereitet werden, jetzt einem unverhältnismäßig größeren Risiko begegnen als jemals früher.
    Im Zeichen der Lockerung von bestehenden Verboten, im Zeichen der Aufhebung von Auflagen auch von alliierter Seite, angesichts der immer kräftiger sich durchsetzenden Liberalisierungsgedanken im europäischen Wirtschaftsraum kann es sehr gut vorkommen, daß Gedanken, die vordem richtig schienen und zum Handeln führten, sich nachträglich als nicht mehr richtig erweisen. Das soll aber keineswegs dem Werte unternehmerischer Kalkulation, der Initiative und der Anerkennung des Mutes Abtrag tun. Besser handeln und unter Umständen auch einmal später einen Pflock zurückstecken als gar nichts tun und die Dinge laufen lassen.
    Eine und vielleicht die größte Fehlerquelle für die Investitionspolitik ist die Steuerpolitik gewesen. Aber das muß nachdrücklich festgestellt werden: diese Fehlerquelle haben wir auf deutscher Seite wirklich nicht allein verschuldet. Wären die Anträge, die seinerzeit von der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets gestellt wurden, durchgegangen, so wäre viel von dem, was wir jetzt als Fehler zu beklagen haben, vermieden worden. Diese fehlerhafte Steuerpolitik verhindert die Kapitalbildung; sie verleitet zu unwirtschaftlichen Investitionen; sie verzögert den Abbau des Verwaltungsapparats. Das alles zu vermeiden liegt wirklich nicht allein in unserer Macht; sonst - davon bin ich überzeugt würde es mit Nachdruck geschehen. Wir können nur hoffen, daß nunmehr eine Steuerreform in Gang kommt, die diese größte Fehlerquelle nachhaltigst beseitigt.
    Lassen Sie mich zum Schluß noch folgendes sagen, meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Nölting hat in der letzten Sitzung ein Bild gebraucht, das mich als alten Jäger besonders interessiert hat. Er hat von den Sonntagsjägern gesprochen, die sich bemühen, Sündenböcke zu finden und zu erlegen. Ich habe mir das auch einmal überlegt und möchte für die Jagdgebiete, die für Sündenböcke in Frage kommen, in erster Linie vorschlagen, einmal auf dem umfassenden Gebiet der Planwirtschaft und der bürokratischen Wirtschaftskontrolle zu pirschen.

    (Sehr gut und Händeklatschen in der Mitte und rechts.)

    Im übrigen aber, meine Damen und Herren, ist es, glaube ich, nicht in erster Linie unsere Aufgabe - weder von den Regierungsparteien noch von der Opposition —, uns hier gegenseitig Fehler oder Sünden vorzuhalten, sondern hier geht es mehr darum, in einer gemeinsamen Front die Hemmnisse zu beseitigen, deren wir aus eigener Kraft von innen heraus nicht ohne weiteres Herr werden können, Hemmnisse, die uns von draußen auferlegt werden. Hier ist wirklich das Wort am


    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    Platze von dem Frieden, der ernährt, und dem Unfrieden, der verzehrt.
    In diesem Sinne, so bitte ich, möge das Hohe Haus aus der heutigen Besprechung der Interpellation für die Zukunft die erforderlichen Lehren ziehen.

    (Bravorufe und Händeklatschen bei der CDU.)