Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die heutige Rede des Herrn Wirtschaftsministers war weniger optimistisch, als wir das bisher gewohnt waren. Der Herr Wirtschaftsminister sprach mit sehr großer Sorge vom Jahre 1952. Ich glaube, daß wir unter dem Druck der Ereignisse auf wirtschaftpolitischem Gebiet alle Ursache haben, die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland mit allergrößter Sorge zu beobachten.
Das heute zur Diskussion stehende Problem, nämlich das Problem der Beschaffung von Mitteln, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau auch in Westdeutschland zu fördern, leidet unserer Auffassung nach darunter, daß hier Kräfte am Werk sind, die weniger den volkswirtschaftlichen Wert eines solchen Wiederaufbaus anerkennen, als vielmehr darauf bedacht sind, durch die Arbeit der breitesten Massen möglichst schnell zu profitablen Verhältnissen zu gelangen. Die allgemeine Auffassung, die wir auch heute wieder
von dem Herrn Wirtschaftsminister über das Investitionsproblem gehört haben, lautet: der privatkapitalistische Unternehmer ist der beste Kapitallenker, nur der private Unternehmer gibt die Gewähr, daß neu gebildetes Kapital so gut wie möglich ausgenutzt wird. Wir möchten vielmehr sagen, daß in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gerade das Gegenteil sich immer wieder als richtig erweist. Die kapitalistische Wirtschaftsform bietet uns ein ständiges Bild unerhörter Kapitalvernichtung, ein Bild der ständigen Übersetzung der einzelnen Industriezweige, und zeigt uns, wie an vielen Stellen Kapitalfehlinvestitionen unumgänglich gerade zum, Bestand dieses Systems gehören. Ich erinnere nur daran, daß in vielen Ländern anstatt volkswirtschaftlich notwendiger Arbeit die Kriegsproduktion stärkstens forciert wird. Milliardenbeträge gehen darum ständig in einer kapitalistisch regierten Wirtschaftsordnung durch Kapitalfehlleitungen verloren. Ich habe noch in Erinnerung, wie in den Jahren 1916 bis 1923 in Deutschland die Kaliindustrie weitgehend ausgebaut wurde. Schließlich mußte man im Jahre 1924 300 Kalischächte stillegen. Hier zeigt sich auch, daß selbst in den Zeiten der Weimarer Republik Kapitalfehllenkungen ständig an der Tagesordnung waren.
Die gegenwärtige Investitionslage zeigt auch, wie widerspruchsvoll die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland ist. Hier könnte man beinahe sagen, sie geschieht nach dem Prinzip: Alles für mich, und Gott für uns alle! Die Währungsreform hat bekanntlich das Geldkapital in weitestem Umfang vernichtet. Dabei ist in erster Linie das werktätige Volk enteignet worden, während die Monopolherren und Bankkapitalisten durch die Währungsreform keinerlei Verluste erlitten haben.
— Werter Herr Kollege, ich erinnere hier nur an die famose Ausgleichsforderung in Höhe von 16,5 Millarden D-Mark mit einer jährlichen Verzinsung in einer Höhe von rund 500 Millionen D-Mark. Ein glattes Geschenk an die Schwerindustrie und an das Finanzkapital! Eine weitere Hilfe erhielten die Unternehmer in Westdeutschland durch das vom Wirtschaftsrat verabschiedete D-Mark-Umstellungsgesetz. Bei einem Studium der bisher bekanntgewordenen Geschäftsberichte der großen Firmen und Konzerne hat sich gezeigt, daß die deutschen Monopolisten während der Zeit der Aufrüstung und des Krieges kräftige Kapitalsicherungen vornehmen konnten und heute über starke Fettpolster verfügen.
Durch Hortungsgewinne und durch Lohndrückerei vermochten sie dann ihr Reichsmark-Aktienkapital auf D-Mark umzustellen und durch Selbstfinanzierungen in größtem Ausmaß dafür zu sorgen, daß ihre Produktionsstätten auf Kosten der Kaufkraft der breitesten Bevölkerung wieder intakt wurden.
Es besteht sicherlich noch keine echte Möglichkeit, das Ausmaß der vorgenommenen Selbstfinanzierungen in Westdeutschland richtig einzuschätzen. Der Herr Wirtschaftsminister hat uns heute hier einige Zahlen genannt. Aber ich möchte bezweifeln, daß diese Zahlen stimmen. Viel realer erscheint mir doch da die Zahl, die der Herr Kollege Veit uns genannt hat. Tatsache ist, daß in der Zeit vor und nach der Währungsreform Milliardenbeträge ohne jegliche Kontrolle zum Nutzen der großen Betriebsinhaber und O der Monopolkapitalisten gewinnbringend angelegt wurden. Es gibt heute durch das D-Mark-Umstellungsgesetz eine Möglichkeit, über doppelte Abschreibungen und auch über andere Methoden die steuerlichen Bestimmungen weitestgehend zu hintergehen. Als Ergebnis dieser Politik haben wir schließlich einen völlig ungenügenden nenmarkt mit einer weitgehenden Drosselung der Kaufkraft vor uns.
Wie ist es zu verstehen, daß wir bei aufsteigender Produktion wenigstens in den vergangenen Monaten jetzt in Westdeutschland über zwei Millionen Arbeitslose zählen? Das ist ein besonderes Problem. Teilweise wurden diese Arbeitskräfte durch eine 60- bis 70prozentige Leistungssteigerung der deutschen Arbeiter freigesetzt. Diese Leistungssteigerung schuf mit die Voraussetzungen dafür, daß die Produktionsmöglichkeiten mit einer ständig geringeren Arbeiterzahl ausgeschöpft werden konnten. Die Arbeitslosigkeit hat selbstverständlich ihre eigentliche Ursache, ihre Hauptursache in der Marshallplanpolitik in Westdeutschland und in der so verhängnisvollen Spaltung des deutschen Wirtschaftskörpers, in der Angliederung der westdeutschen Wirtschaft an die krisenerschütterte kapitalistische Weltwirtschaft. Darum ist es unserer Meinung nach nicht so sehr die Kreditpolitik, die die Hauptursache der Arbeitslosigkeit ist, sondern es sind — das sagen wir mit aller Deutlichkeit — die kolonialen Fesseln, die der deutschen Wirtschaft durch die Marshallplanpolitik angelegt wurden. Die Kreditpolitik ist nicht Ursache, sondern die hotwendige Begleiterscheinung des gegenwärtigen Zustandes. Diese Politik äußert sich, wie der Herr
Kollege Veit hier schon angeführt hat, darin, daß wir heute erst 50 Prozent der deutschen Einfuhren aus eigener Kraft abdecken können.
Nun haben wir aus Unternehmerkreisen das große Rufen nach Krediten, nach Investitionen. Die Unternehmer haben da einen Ausweg gefunden. Sie fordern weitgehenden gesetzlichen Schutz zur Förderung der Kapitalbildung. Einen derartigen weitgehenden gesetzlichen Schutz zur Förderung der Kapitalbildung haben sie durch das von der Regierung vorgelegte Gesetz zur Neuregelung der Einkommensteuer erhalten. Durch dieses neue Einkommensteuergesetz soll rund eine Milliarde D-Mark gerade den begüterten Kreisen des Schwerkapitals zuerkannt werden. Weitere Garantien fordern heute schon große Kreise der Unternehmer durch staatlichen Schutz gegenüber allzuhohen Lohnforderungen der Arbeiter, also durch Maßnahmen, um den breiten Massen den von Herrn Erhard gewünschten Konsumverzicht staatlich aufzuzwingen. Die Einkünfte der Arbeiter sollen weiter eingeschränkt werden, um dann die eingesparte Summe für die Kapitalneubildung der Unternehmer zu verwenden. Diese Quelle ist aber nicht unerschöpflich, weil auch die Geduld der Arbeiter nicht unerschöpflich ist. Die Arbeiter in Westdeutschland haben allzu recht, wenn sie Lohnforderungen stellen, wenn sie darauf bestehen, endlich mehr konsumieren zu können. Die Arbeiter — das sage ich ebenfalls ganz deutlich — haben kein Interesse daran, durch geballten Kapitaleinsatz den Aufbau der Monopolwirtschaft in Westdeutschland zu fördern. Die Arbeiter werden vielmehr einen unversöhnlichen Kampf gerade solchen Bestrebungen in Westdeutschland ansagen.
Beim Studium der Gutachten der Regierung erweist sich, daß wirklich echte Maßnahmen zu einer gesunden Kreditpolitik nicht ergriffen werden können. Hier hindert uns der Marshallplan daran, eine wirklich gesunde Investitionspolitik zu betreiben. Ich verweise nur darauf, daß selbst die uns zugebilligten Gegenwertmittel tatsächlich nicht der deutschen Kontrolle, sondern in erster Linie nach wie vor der Kontrolle der Besatzungsmächte unterliegen.
Meine Damen und Herren, wir wollen dem SPD-Antrag die Berechtigung keinesfalls .absprechen, und wir unterstützen auch alle Bestrebungen, die einen volkswirtschaftlichen Einsatz des Kapitals in Westdeutschland erreichen sollen. Will man jedoch ein Programm des Neuaufbaus der Wirtschaft, dann geben wir allerdings noch folgendes zu bedenken. Kreditlenkung und Förderung der Wirtschaftsvorgänge bedeuten schließlich, daß die Privateigentümer der Produktionsmittel nicht einfach machen können, was sie wollen. Wenn Sie, meine Herren von der SPD, eine grundsätzliche Lösung wollen, dann müssen Sie darauf achten, daß die Unternehmer nur das produzieren dürfen, was volkswirtschaftlich zu vertreten und notwendig ist. Bei einer solchen Haltung, meine Herren Kollegen von der SPD, wird es dann notwendigerweise zum Konflikt mit den Unternehmern kommen. Wir fürchten trotz der Berechtigung der SPD-Interpellation, daß diese Regierung nicht bereit ist, einen volkswirtschaftlich vertretbaren Kapitaleinsatz im Interesse einer wirklichen volkswirtschaftlichen Gesundung durchzuführen. Dieser Regierung kommt es vielmehr darauf an, kräftige Profitanreize für die monopolisierte Wirtschaft zu bieten.