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    Deutscher Bundestag - 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Februar 1950 1245 38. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1245D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen betr. Förderung der Wirtschaft von Groß- Berlin (West) 1246A Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 . . 1246A Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 1246A Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Max Wönner 1246A Antrag des Oberstaatsanwalts in Hannover betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Franz Richter 1246B Kabinettsbeschluß über die Erhöhung der Butterpreise (Drucksache Nr. 549) . . . 1246B Interpellation der Fraktion der SPD betr. Investitionen im Gebiet der Bundesrepublik (Drucksache Nr. 403) . . . . 1246B Dr. Veit (SPD), Interpellant 1246C, 1263B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1251A Dr. Bertram (Z) 1257D Rische (KPD) . . . . . . . . 1259A Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) . . . . 1260C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Kriegsvorschriften über die Siegelung gerichtlicher und notarischer Urkunden (Drucksache Nr. 506) 1264C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse (Drucksache Nr. 507) . 1264D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Drucksache Nr. 511) 1264D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksachen Nr. 497 und 175; Abänderungsanträge Drucksachen Nr. 514, 526, 532) 1264D Zur Geschäftsordnung: Dr. Menzel (SPD) 1265A, 1270C, 1299C Dr. Wuermeling (CDU) . . 1265C, 1271A Dr. Becker (FDP) . . . . . 1265D Mellies (SPD) 1265D Schoettle (SPD) 1270D Zur Sache: Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 1266B Gundelach (KPD) 1271C Pannenbecker (Z) 1274B Dr. Menzel (SPD) . . . . . . . 1274C Frau Albrecht (SPD) . . . . . 1277A Böhm (SPD) . . . . . . . . 1278B Arnholz (SPD) . . . . . . . . 1280B Baur (SPD) 1282A Stopperich (SPD) . . . . . . . 1282D Dr. Falkner (BP) 1283B Dr. Nowack (FDP) 1284A Dr. Wuermeling (CDU) . . . . 1289A Farke (DP) . . . . . . . . . 1293A Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . 1293D Abstimmungen . . . . . . . . 1295B Zur Abstimmung: Dr. Menzel (SPD) 1297D Dr. Oellers (FDP) 1297D Euler (FDP) 1298A Dr. Bucerius (CDU) 1298A Mellies (SPD) 1298A Nächste Sitzung 1299D Die Sitzung wird um 13 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Wirtschaftsminister hat erklärt, es sei üblich geworden, daß in Deutschland die Wirtschaftspolitik vom Balkon her gemacht würde. Ich weiß nicht, was er mit „Balkon" gemeint hat, ob er etwa dieses Hohe Haus damit meinte. Nach meiner Überzeugung ist dieses Hohe Haus jedenfalls die richtige Stätte, um Wirtschaftpolitik zu machen. Wir wollen doch nicht wieder in die Zeiten zurückfallen, in denen im geheimen Kämmerlein des Mumi, und wie ähnliche Geheimbezeichnungen hießen, Wirtschaftspolitik gemacht wurde und die Öffentlichkeit in der Wirtschaftspolitik gar nichts zu sagen hatte.

    (Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)

    Ich halte es deshalb für richtig und angebracht, daß in diesem Hohen Hause die Grundzüge der Wirtschaftspolitik in allem Freimut aufgezeigt werden.

    (Zustimmung beim Zentrum und bei der SPD.)



    (Dr. Bertram)

    In den Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers scheint mir ein Punkt besonders wichtig zu sein, und das ist die mangelnde Konsequenz. Er hat erklärt, es käme nicht in erster Linie darauf an, neue Arbeitsplätze zu schaffen, und es käme in erster Linie darauf an, zu rationalisieren; denn es seien genügend Arbeitsplätze vorhanden, und diese müßten zunächst besetzt werden. Das war eine Zwischenbemerkung, die er in seinen Ausführungen machte. Etwas später hat er dann darauf hingewiesen, daß es darauf ankäme, möglichst viel Kapital zu investieren. Die beiden Gedankengänge widersprechen einander innerlich. Wenn es richtig ist, was wir annehmen, daß zur Zeit noch in weiten Industriezweigen genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, die nur besetzt zu werden brauchten, dann ist auch das Mittel der Kreditschöpfung, wenn es in einem mäßigen und bescheidenen Umfang angewendet wird, durchaus unschädlich; denn mit dem Ansatz dieser Arbeiter in diesen Industriezweigen würden zugleich auch die Güter gebraucht werden, die in diesen Industrien erzeugt werden können. Daß diese Ansicht auch vom Herrn Wirtschaftsminister geteilt wird, ergibt sich aus der Tatsache, daß er in seinen Darlegungen ausgeführt hat, im ersten Jahr nach der Währungsreform seien 2,4 Milliarden Mark an Krediten geschöpft worden; und er hatte doch damals die Verantwortung für die Währung und weist doch auch immer darauf hin, daß er derjenige gewesen ist, der mit Erfolg die Gesundheit und Sicherheit der Währung verteidigt hat. Wenn das richtig ist und gleichzeitig 2,4 Milliarden Kredite ohne Gefahr für die Währung geschöpft werden konnten, dann sehe ich nicht ein, warum in der Zukunft nicht in einem entsprechend dosierten und bescheidenen Maße so verfahren werden könnte.
    Die gleiche Feststellung hat er auch für das folgende Jahr, für 1949 getroffen, für das ebenfalls eine echte Kreditschöpfung in Höhe von ungefähr 1,2 Milliarden von ihm angegeben worden ist. Ich glaube deshalb, es ist keineswegs richtig zu sagen: wenn wir überhaupt nur etwas in dieser Hinsicht tun, um die Arbeitslosen an die Arbeit zu bringen, dann kommt nur noch das Gespenst der Inflation oder das Gespenst der Zwangswirtschaft in Frage. Die Zwangswirtschaft war 1945 doch nur ein Erbstück des Nationalsozialismus. Wer erinnert sich nicht daran, daß uns 1939, als der Krieg ausbrach, die Lebensmittelkarten fix und fertig ins Haus gebracht wurden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ein solches System, das dann noch durch die verworrenen Nachkriegsjahre weitergeschleppt wurde, kann man uns nicht als das System, das von irgendeinem Menschen in Deutschland hinterher gewollt und gewünscht worden sei, als Schreckgespenst an die Wand malen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Worum es hier in Wirklichkeit geht, ist meiner Ansicht nach etwas ganz anderes, nämlich darum, daß wir die vorhandenen Kapazitäten, die auch nach dem Zugeständnis des Wirtschaftsministers vorhanden sind, wirklich voll ausschöpfen. Nur wenn wir das tun, können wir das gesamte Sozialprodukt so hoch treiben, daß damit auch die berechtigten Konsumwünsche der breiten Bevölkerung befriedigt werden können.
    Es ist deshalb auch unrichtig, wenn der Herr Wirtschaftsminister auf seine Steuerpolitik hingewiesen hat. Nach den Vorschlägen des Herrn
    Finanzministers sollen 850 Millionen D-Mark im kommenden Jahr an Steuerermäßigungen ausgeschüttet werden, ausgerechnet an diejenigen, die in den letzten Jahren zur Selbstfinanzierung in erheblichem Umfang Gelder übrig hatten, während weitere Steuerermäßigungen für die unteren Einkommensstufen nicht vorgesehen sind, mit der Behauptung, bei der Selbstfinanzierung sei von sich aus eine richtige Kapitallenkung gewährleistet, und mit der weiteren Behauptung, bei einer Stärkung der Konsumkraft sei eine richtige Kapitallenkung nicht möglich, insbesondere sei keine Stärkung des Sparwillens möglich. Wer sagt uns denn, daß das richtig ist? Wenn Sie sich einmal die Ladengeschäfte ansehen, in denen erheblich in ganz überflüssigen Luxuseinrichtungen investiert worden ist, dann sehen Sie doch, daß dieser Wille zur Selbstfinanzierung keineswegs der ideale Wille ist.
    Der Herr Wirtschaftsminister hat selbst zugegeben, daß ein großer Teil unserer Wirtschaft noch unter wirtschaftsfremden, marktfremden Einflüssen steht. Er hat sich zwar heute zur Frage der Kartelle nicht geäußert; das hat er vor einigen Wochen getan. Aber auch die Tatsache, daß die Kartelle und Monopole die Preise noch künstlich hochhalten, zeigt uns deutlich, daß entsprechende Gewinne in der Wirtschaft entstehen, die auf alle Fälle, auch wenn sie an sich unproduktiv sind, untergebracht werden müssen. Das Problem ist von meinem Vorredner auch eingehend dargelegt worden.
    Wir sind uns alle darüber klar, daß die Selbstfinanzierung mindestens ebenso große Fehler machen kann wie eine staatliche Kapitallenkung. Diese staatliche Kapitallenkung wird von dem Herrn Wirtschaftsminister auf weiten Gebieten ja bejaht. Die Mittel des Marshallplans sollen staatlich gelenkt werden. Wenn er in der Lage ist, diese Mittel staatlich zu lenken, so frage ich mich: warum will er dann nicht auch andere Mittel lenken können? Sonst müßte er sagen: auch diesen Teil kann ich nicht lenken, ich will sie dem Bankenapparat übergeben, und der soll sehen, wo er nach den klassischen Methoden des höchsten Zinses die Gelder los wird. Dann würde ich diese Ansicht als konsequent empfinden. So muß ich in diesem Punkt auch wieder mangelnde Konsequenz feststellen.
    Wenn ferner von dem Herrn Wirtschaftsminister darauf hingewiesen worden ist, daß wir in Deutschland eine außerordentliche hohe Investitionsrate von 12 Prozent gegenüber von nur 11 Prozent in England gehabt haben und eine Konsumhöhe von nur 77 Prozent gegenüber 1936, auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, so zeigt das doch, daß wir in Deutschland tatsächlich auf weiten Gebieten an Unterkonsum leiden. Was bedeutet es denn anderes, wenn heute Schuhfabriken zum großen Teil zur Kurzarbeit übergegangen sind? Heute mittag kam. im Radio durch, daß in der Gegend von Pirmasens 13 Schuhfabriken zur Kurzarbeit übergegangen sind und andere erhebliche Zahlen von Arbeitern entlassen haben. Wenn schon auf diesem. konsumnahen Sektor erhebliche Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit zu verzeichnen ist, so zeigt das doch, daß tatsächlich das gesamte Volkseinkommen der breiten Bevölkerungsschichten absolut zu niedrig ist und daß wir aus dieser Klemme der zu geringen Konsumversorgung auf der einen Seite und der immer noch nicht genügend großen Kapitalversorgung auf der anderen Seite nur dadurch herauskommen


    (Dr. Bertram)


    (A) können, daß das gesamte Sozialprodukt entsprechend gesteigert wird. Das ist möglich, da genügend oder jedenfalls noch zahlreiche Arbeitsplätze frei sind. Alle verfügbaren Mittel dafür einzusetzen, das heißt alle diejenigen Mittel, die möglich sind und die gleichzeitig mit ihrem Einsatz auch eine Produktion von Gütern gestatten, ist unser aller Aufgabe.

    Ich bin deshalb der Ansicht, daß die Antwort des Herrn Wirtschaftsministers auf die Interpellation uns nicht befriedigen kann.

    (Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische. 10 Minuten!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Die heutige Rede des Herrn Wirtschaftsministers war weniger optimistisch, als wir das bisher gewohnt waren. Der Herr Wirtschaftsminister sprach mit sehr großer Sorge vom Jahre 1952. Ich glaube, daß wir unter dem Druck der Ereignisse auf wirtschaftpolitischem Gebiet alle Ursache haben, die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland mit allergrößter Sorge zu beobachten.
    Das heute zur Diskussion stehende Problem, nämlich das Problem der Beschaffung von Mitteln, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau auch in Westdeutschland zu fördern, leidet unserer Auffassung nach darunter, daß hier Kräfte am Werk sind, die weniger den volkswirtschaftlichen Wert eines solchen Wiederaufbaus anerkennen, als vielmehr darauf bedacht sind, durch die Arbeit der breitesten Massen möglichst schnell zu profitablen Verhältnissen zu gelangen. Die allgemeine Auffassung, die wir auch heute wieder
    von dem Herrn Wirtschaftsminister über das Investitionsproblem gehört haben, lautet: der privatkapitalistische Unternehmer ist der beste Kapitallenker, nur der private Unternehmer gibt die Gewähr, daß neu gebildetes Kapital so gut wie möglich ausgenutzt wird. Wir möchten vielmehr sagen, daß in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gerade das Gegenteil sich immer wieder als richtig erweist. Die kapitalistische Wirtschaftsform bietet uns ein ständiges Bild unerhörter Kapitalvernichtung, ein Bild der ständigen Übersetzung der einzelnen Industriezweige, und zeigt uns, wie an vielen Stellen Kapitalfehlinvestitionen unumgänglich gerade zum, Bestand dieses Systems gehören. Ich erinnere nur daran, daß in vielen Ländern anstatt volkswirtschaftlich notwendiger Arbeit die Kriegsproduktion stärkstens forciert wird. Milliardenbeträge gehen darum ständig in einer kapitalistisch regierten Wirtschaftsordnung durch Kapitalfehlleitungen verloren. Ich habe noch in Erinnerung, wie in den Jahren 1916 bis 1923 in Deutschland die Kaliindustrie weitgehend ausgebaut wurde. Schließlich mußte man im Jahre 1924 300 Kalischächte stillegen. Hier zeigt sich auch, daß selbst in den Zeiten der Weimarer Republik Kapitalfehllenkungen ständig an der Tagesordnung waren.
    Die gegenwärtige Investitionslage zeigt auch, wie widerspruchsvoll die wirtschaftliche Entwicklung in Westdeutschland ist. Hier könnte man beinahe sagen, sie geschieht nach dem Prinzip: Alles für mich, und Gott für uns alle! Die Währungsreform hat bekanntlich das Geldkapital in weitestem Umfang vernichtet. Dabei ist in erster Linie das werktätige Volk enteignet worden, während die Monopolherren und Bankkapitalisten durch die Währungsreform keinerlei Verluste erlitten haben.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Werter Herr Kollege, ich erinnere hier nur an die famose Ausgleichsforderung in Höhe von 16,5 Millarden D-Mark mit einer jährlichen Verzinsung in einer Höhe von rund 500 Millionen D-Mark. Ein glattes Geschenk an die Schwerindustrie und an das Finanzkapital! Eine weitere Hilfe erhielten die Unternehmer in Westdeutschland durch das vom Wirtschaftsrat verabschiedete D-Mark-Umstellungsgesetz. Bei einem Studium der bisher bekanntgewordenen Geschäftsberichte der großen Firmen und Konzerne hat sich gezeigt, daß die deutschen Monopolisten während der Zeit der Aufrüstung und des Krieges kräftige Kapitalsicherungen vornehmen konnten und heute über starke Fettpolster verfügen.

    (Zuruf von der CDU: Sie auch!)

    Durch Hortungsgewinne und durch Lohndrückerei vermochten sie dann ihr Reichsmark-Aktienkapital auf D-Mark umzustellen und durch Selbstfinanzierungen in größtem Ausmaß dafür zu sorgen, daß ihre Produktionsstätten auf Kosten der Kaufkraft der breitesten Bevölkerung wieder intakt wurden.
    Es besteht sicherlich noch keine echte Möglichkeit, das Ausmaß der vorgenommenen Selbstfinanzierungen in Westdeutschland richtig einzuschätzen. Der Herr Wirtschaftsminister hat uns heute hier einige Zahlen genannt. Aber ich möchte bezweifeln, daß diese Zahlen stimmen. Viel realer erscheint mir doch da die Zahl, die der Herr Kollege Veit uns genannt hat. Tatsache ist, daß in der Zeit vor und nach der Währungsreform Milliardenbeträge ohne jegliche Kontrolle zum Nutzen der großen Betriebsinhaber und O der Monopolkapitalisten gewinnbringend angelegt wurden. Es gibt heute durch das D-Mark-Umstellungsgesetz eine Möglichkeit, über doppelte Abschreibungen und auch über andere Methoden die steuerlichen Bestimmungen weitestgehend zu hintergehen. Als Ergebnis dieser Politik haben wir schließlich einen völlig ungenügenden nenmarkt mit einer weitgehenden Drosselung der Kaufkraft vor uns.
    Wie ist es zu verstehen, daß wir bei aufsteigender Produktion wenigstens in den vergangenen Monaten jetzt in Westdeutschland über zwei Millionen Arbeitslose zählen? Das ist ein besonderes Problem. Teilweise wurden diese Arbeitskräfte durch eine 60- bis 70prozentige Leistungssteigerung der deutschen Arbeiter freigesetzt. Diese Leistungssteigerung schuf mit die Voraussetzungen dafür, daß die Produktionsmöglichkeiten mit einer ständig geringeren Arbeiterzahl ausgeschöpft werden konnten. Die Arbeitslosigkeit hat selbstverständlich ihre eigentliche Ursache, ihre Hauptursache in der Marshallplanpolitik in Westdeutschland und in der so verhängnisvollen Spaltung des deutschen Wirtschaftskörpers, in der Angliederung der westdeutschen Wirtschaft an die krisenerschütterte kapitalistische Weltwirtschaft. Darum ist es unserer Meinung nach nicht so sehr die Kreditpolitik, die die Hauptursache der Arbeitslosigkeit ist, sondern es sind — das sagen wir mit aller Deutlichkeit — die kolonialen Fesseln, die der deutschen Wirtschaft durch die Marshallplanpolitik angelegt wurden. Die Kreditpolitik ist nicht Ursache, sondern die hotwendige Begleiterscheinung des gegenwärtigen Zustandes. Diese Politik äußert sich, wie der Herr


    (Rische)

    Kollege Veit hier schon angeführt hat, darin, daß wir heute erst 50 Prozent der deutschen Einfuhren aus eigener Kraft abdecken können.
    Nun haben wir aus Unternehmerkreisen das große Rufen nach Krediten, nach Investitionen. Die Unternehmer haben da einen Ausweg gefunden. Sie fordern weitgehenden gesetzlichen Schutz zur Förderung der Kapitalbildung. Einen derartigen weitgehenden gesetzlichen Schutz zur Förderung der Kapitalbildung haben sie durch das von der Regierung vorgelegte Gesetz zur Neuregelung der Einkommensteuer erhalten. Durch dieses neue Einkommensteuergesetz soll rund eine Milliarde D-Mark gerade den begüterten Kreisen des Schwerkapitals zuerkannt werden. Weitere Garantien fordern heute schon große Kreise der Unternehmer durch staatlichen Schutz gegenüber allzuhohen Lohnforderungen der Arbeiter, also durch Maßnahmen, um den breiten Massen den von Herrn Erhard gewünschten Konsumverzicht staatlich aufzuzwingen. Die Einkünfte der Arbeiter sollen weiter eingeschränkt werden, um dann die eingesparte Summe für die Kapitalneubildung der Unternehmer zu verwenden. Diese Quelle ist aber nicht unerschöpflich, weil auch die Geduld der Arbeiter nicht unerschöpflich ist. Die Arbeiter in Westdeutschland haben allzu recht, wenn sie Lohnforderungen stellen, wenn sie darauf bestehen, endlich mehr konsumieren zu können. Die Arbeiter — das sage ich ebenfalls ganz deutlich — haben kein Interesse daran, durch geballten Kapitaleinsatz den Aufbau der Monopolwirtschaft in Westdeutschland zu fördern. Die Arbeiter werden vielmehr einen unversöhnlichen Kampf gerade solchen Bestrebungen in Westdeutschland ansagen.
    Beim Studium der Gutachten der Regierung erweist sich, daß wirklich echte Maßnahmen zu einer gesunden Kreditpolitik nicht ergriffen werden können. Hier hindert uns der Marshallplan daran, eine wirklich gesunde Investitionspolitik zu betreiben. Ich verweise nur darauf, daß selbst die uns zugebilligten Gegenwertmittel tatsächlich nicht der deutschen Kontrolle, sondern in erster Linie nach wie vor der Kontrolle der Besatzungsmächte unterliegen.
    Meine Damen und Herren, wir wollen dem SPD-Antrag die Berechtigung keinesfalls .absprechen, und wir unterstützen auch alle Bestrebungen, die einen volkswirtschaftlichen Einsatz des Kapitals in Westdeutschland erreichen sollen. Will man jedoch ein Programm des Neuaufbaus der Wirtschaft, dann geben wir allerdings noch folgendes zu bedenken. Kreditlenkung und Förderung der Wirtschaftsvorgänge bedeuten schließlich, daß die Privateigentümer der Produktionsmittel nicht einfach machen können, was sie wollen. Wenn Sie, meine Herren von der SPD, eine grundsätzliche Lösung wollen, dann müssen Sie darauf achten, daß die Unternehmer nur das produzieren dürfen, was volkswirtschaftlich zu vertreten und notwendig ist. Bei einer solchen Haltung, meine Herren Kollegen von der SPD, wird es dann notwendigerweise zum Konflikt mit den Unternehmern kommen. Wir fürchten trotz der Berechtigung der SPD-Interpellation, daß diese Regierung nicht bereit ist, einen volkswirtschaftlich vertretbaren Kapitaleinsatz im Interesse einer wirklichen volkswirtschaftlichen Gesundung durchzuführen. Dieser Regierung kommt es vielmehr darauf an, kräftige Profitanreize für die monopolisierte Wirtschaft zu bieten.

    (Beifall bei der KPD.)