Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Nein; ich, sagte: bei der bekannten Loyalität rechnete ich damit, daß Sie das nicht täten, Herr Präsident.
Aber nun zu dem Thema selbst. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß nach meiner Meinung das Berlin-Thema, das wir hier nun verschiedentlich erörtert haben, bisher etwas zu kasuistisch angefaßt worden ist. Man hat heute vom Herrn Finanzminister eine Zusammenfassung verschiedener Hilfsmaßnahmen gehört, allerdings nicht so erschöpfend — oder sollte es mir entgangen sein? —, daß man von allem, auch zum Beispiel von der Portoabgabe ein zahlenmäßiges Ergebnis hätte hören können. Das ist aber nur die eine Seite. Das betrifft nämlich die Maßnahmen, die zum Schutz und zur Unterstützung der kämpfenden Berliner Bevölkerung beschlossen worden sind. Es bedürfte einmal einer systematischen Zusammenstellung, damit wir übersehen, was bisher insgesamt, wie auch was eus den einzelnen Quellen nach Berlin geflossen ist.
Wichtiger scheint mir die andere Seite zu sein. Wir leiden -- so scheint es mir -- ein wenig daran, daß wir die ganze Anlegenheit Berlin am Symptom kurieren wollen, ohne daß ein einheitlicher, großzügiger Plan vorliegt, nach welchem man vorgehen kann und in Zukunft auch vorgehen will. Man muß eimal die Notwendigkeiten von Berlin und ebenso demgegenüber die eigenen Bedürfnisse feststellen und dann abwägen; denn schließlich gibt es nicht nur in Berlin Arbeitslose, sondern leider Gottes ist die Arbeitslosigkeit eine Angelegenheit, die auch im Westen bei den bekanntermaßen 1,8 Millionen direkt Betroffenen die schwersten Sorgen hervorruft. Bekanntlich gibt es nicht bloß in Berlin, sondern auch im Westen Ausgebombte. Dazu haben wir noch Flüchtlinge und außerdem die, die alltäglich über die Zonengrenze von der russisch besetzten Zone her durchsickern. Es muß doch einmal ein Gesamtbild gegeben und ein Plan aufgestellt werden, um bei/ des miteinander abzustimmen.
Auch für die Reorganisation der Berliner Wirtschaft und für die Abstimmung ihrer Leistungen mit den Bedürfnissen des Westens muß ein Plan gemacht werden. Wenn wir nur Geld dahin leiten, besteht die Gefahr, daß dieses dort durchaus fehl investiert wird, so daß es weder der Berliner noch unserer Wirtschaft nutzt, sondern daß womöglich hinterher die beiden Wirtschaften, die aufeinander angewiesen sind und sich gegenseitig unterstützen sollen, noch gegeneinanderarbeiten. Unsere Fraktion vermißt einen solchen grundlegenden und weitsichtigen Plan, der es uns ermöglicht, festzustellen, ob und in welcher Weise das dahin geschickte Geld auch produktiv wirkt und den größten Nutzeffekt für beide Teile, für den gebenden und den nehmenden Teil, gewährleistet.
Nebenbei bemerkt würde ein solcher Plan sowohl über die Ausgaben wie über die Einnahmen geeignet sein, die Augen der Welt einmal darauf zu lenken, daß die Unterstützung von Berlin nicht allein Sache Westdeutschlands sein darf. In erster Linie ist es natürlich unsere Angelegenheit, da die Berliner Brüder unseres Volkes sind, die wegen ihrer und unserer Freiheit leiden. Zum andern ist es aber nicht allein unsere Schuld, daß diese Situation besteht. An den Reibungen unter
den Alliierten sind die Deutschen nicht schuld. Deswegen müssen wir durch die Darlegung der Vernünftigkeit unserer Maßnahmen und durch den Hinweis darauf, daß wir bis an das Äußerste unserer Leistungsfähigkeit gegangen sind und uns hinsichtlich unserer Leistungen auch nicht selber überziehen dürfen, die Welt für den Gedanken erwärmen, daß die Unterstützung von Berlin eine Angelegenheit der Weltöffentlichkeit und nicht nur eine deutsche Angelegenheit ist.