Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar ganz nüchterne Worte zu diesem Problem, sagen, nicht nur deshalb, weil ich glaube, daß man das Problem an sich so behandeln sollte, sondern auch deshalb, weil ich weiß, daß die Berliner, die vielleicht, da es urn Berlin geht, am Rundfunk mithören, gar nicht das Bedürfnis haben, daß man über ihre Angelegenheiten mit großem Pathos spricht.
Wenn es bei dieser Aussprache zu einer politischen Auseinandersetzung gekommen ist, so Ist das gar nicht verwunderlich und auch gar nicht schädlich. Denn selbstverständlich ist das Berlin-Problem ein politisches Problem, und bei solchen Problemen gilt es, zu einer bestimmten Politik Stellung zu nehmen, und man muß dabei in Kauf nehmen, daß andere anderer Meinung sind und das nicht billigen. Für die Berliner und für die Welt genügt es aber zu wissen, daß eine große Mehrheit des Deutschen Bundestages bereit ist, die bisherige Berlin-Politik Westdeutschlands fortzusetzen.
In diesem Zusammenhang war es sehr wichtig und nützlich, daß der Herr Bundesfinanzminister die Leistungen dargestellt hat, die bisher für Berlin gebracht worden sind. Das ist notwendig zunächst deshalb, damit die Welt draußen weiß, daß wir nicht immer nur auf ihre Hilfe warten, sondern auch selbst etwas tun und auch schon sehr viel getan haben. Ferner ist aber auch wichtig, daß unsere Landsleute in der sowjetischen Besatzungszone wissen und auch immer wieder hören, in welchem Umfang Westdeutschland zu Berlin und damit auch zu den Bewohnern der sowjetischen Zone steht. Denn alles, was Sie für Berlin tun, meine Damen und Herren, tun Sie auch für die Menschen in der Ostzone, die ängstlich darauf warten, was für Berlin geschieht, und für die es die entsetzlichste Enttäuschung sein würde, wenn Berlin nicht geholfen würde.
Es ist wiederum. kein Fehler, wenn in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, daß es uns Berlinern auch heute wirtschaftlich noch schlecht geht; denn es gehört einfach zur Wahrheit in diesen Dingen, daß die Berliner Wirtschaft auch schon vor der Blockade ganz enorme Opfer gebracht hat. Sie wissen alle um das Berliner Demontage-Problem. Es ist ein ganz anderes Problem als hier in Westdeutschland, weil sie durch eine andere Besatzungsmacht durchgeführt wurde. Sie wissen um das Uraltkonten -Problem, das erst jetzt für uns praktisch einer Lösung entgegengeht, aber schließlich far die ersten Anfange einer Rationalisierung der Produktionsbetriebe im Westen eine so große Bedeutung gehabt hat. All diese Dinge haben die Berliner Wirtschaft belastet.
Dazu kommt, daß Berlin während der Blokkade um des sozialen Friedens, oder sagen wir besser, um der sozialen Sicherheit willen sehr große Opfer gebracht hat. Denn einen solchen Kampf kann man nicht mit Hunderttausenden von Erwerbslosen in der Stadt führen. Das ist unmöglich. Jetzt aber haben wir 300 000 Erwerbslose. Min wird gesagt, auch im Bereich der Bundesrepublik stelle das Erwerbslosenproblem ein sehr ernstes Problem dar -- und das ist es sicher —, aber, meine Damen und Herren, wenn Sie unsere Sorgen hätten, so würde das bedeuten, daß Sie mindestens 7 bis 8 Millionen Erwerbslose haben müßten. Denn diese Quote käme auf Westdeutschland, wenn man die West-Berliner Verhältnisse zum Vergleich heranzieht. Natürlich wünschen wir Ihnen das nicht; um Gottes willen! Aber wir wollen auch nicht aus der Tatsache, daß sich bei dieser ungeheuren Summe, uni die es sich für West-Berlin handelt, in der letzten Zeit der Zuwachs etwas verlangsamt hat, nun schon Schlüsse auf eine Besserung der Berliner Wirtschaftslage ziehen. Es ist genau so, wie man vielleicht davon sprechen kann, daß es in jeder Wirtschaftsorganisation irgendwie eine bestimmte Quote dauernder Erwerbslosigkeit gibt, die sich kaum irgendwie reduzieren läßt, weil eben ein gewisser Platzwechsel in der Wirtschaft immer stattfindet und stattfinden muß. So gibt es vielleicht auch irgendeine Quote der Erwerbstätigen, unter die man kaum kommen kann, es sei denn bei ganz großen Katastrophen. Wenn man sich dieser Quote nähert, dann muß sich natürlich der o Zugang an Arbeitslosen verlangsamen. Vergessen Sie nicht, was wir in Berlin leider beobachten müssen, daß eine große Menge bisheriger Kurzarbeiter nunmehr Vollerwerbslose wurde, daß also hier eine Umschichtung, und zwar nicht zum Guten, sondern zum Schlechten stattgefunden hat. Auch das müssen wir beachten. Es ist sicher, daß eine wirkliche Besserung der Berliner Wirtschaftslage nur erzielt werden kann, wenn die Zuwendungen, die der Bund erfreulicherweise der Stadt Berlin gegeben hat, durch wirtschaftspolitische Maßnahmen unterstützt werden, und es ist sicher, daß nur diese wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die eine Besserung der Wirtschaftslage herbeiführen, mit dazu helfen, den finanziellen Notstand allmählich zu überwinden.
Bei der Beurteilung der Frage des Termins der Kürzungen möchte ich bitten, daran zu denken, daß die finanziellen Unterstützungen zwar sofort, die Kürzungen nunmehr auch eingesetzt haben, daß aber die wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen, die ja eigentlich für das Ganze die Voraussetzung bilden sollten, erst jetzt anfangen, ja zum Teil erst jetzt beschlossen werden. Deshalb freuen wir uns, daß wir nun heute Gelegenheit haben, in erster Lesung und am Freitag in zweiter und dritter Lesung über einen Teil dieser Hilfsmaßnahmen zu beschließen.
Ich darf im Auftrage meiner Fraktion sagen, daß wir die uns von der Regierung vorgelegten Maßnahmen bejahen und ihnen zustimmen werden. Dem im Bundesrat gemachten Vorschlag für die Verlagerung der Umsatzsteuersenkung nach Berlin selbst werden wir nicht zustimmen, denn seine Annahme würde ja den Sinn der Maßnahme
verkehren. Die Maßnahme war als ein Anreiz für westdeutsche Käufer gedacht, Berliner Waren zu kaufen. Deshalb sollte die Umsatzsteuersenkung in Westdeutschland stattfinden. Die Maßnahme war von vornherein nicht als eine Möglichkeit des Berliner Dumpings gegenüber Westdeutschland gedacht. Das würde sie nämlich werden, wenn wir die Umsatzsteuersenkung nach Berlin veriegten. Infolgedessen halten wir den im Bundesrat gemachten Vorschlag, dem sich ja auch die Mehrheit des Bundesrats nicht angeschlossen hat, nicht für praktisch und auch nicht im. Sinne dieser Maßnahme liegend, und wir werden ihn ablehnen.
- Im übrigen aber begrüßen wir die Regierungsvorlage als einen Schritt zur wirksamen wirtschaftlichen Hilfe und damit als einen weiteren Beweis für unsere Landsleute in der sowjetischen Zone, die dauernd auf Berlin blicken, daß sie nicht enttäuscht zu sein brauchen. Wenn ich mir die kleine Allegorie erlauben darf, so möchte ich an den Kredit für die Bewag anknüpfen und sagen, daß es Aufgabe Westdeutschlands ist, in diese Stadt, die im Schatten des Kremls kämpft, etwas Licht hineinzutragen, vielleicht sogar so viel Licht wie möglich, weil von dort und nur von dort ein Schein dieses Lichts in die entfernteste und dunkelste Zone unseres Vaterlandes hinausstrahlt.