Rede von
Willy
Fischer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag Nr. 106 der kommunistischen Fraktion lag einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik und des Ausschusses für öffentliche Fürsorge zur Beratung vor. Der Antrag ist am 14. Oktober 1949 gestellt worden. Der sozialpolitische Ausschuß hat 'ebenfalls in seiner Sitzung im Oktober beschlossen, diese gemeinsame Sitzung einzuberufen, um dort den Antrag zu beraten.
Das Problem selbst dürfte eigentlich jedem Abgeordneten genügend bekannt sein, weil es nach meinen Erfahrungen nach Erlaß des Sozialverversicherungsanpassungsgesetzes doch wohl in allen Gemeinden und Länderparlamenten eine große Rolle gespielt hat. Nach weitverbreiteten
Auffassungen in den Bezirksfürsorgeverbänden und selbst in den Länderministerien war dabei nach der Reichsfürsorgepflichtverordnung jegliches Einkommen auf die Fürsorgeunterstützung anzurechnen, und daraus ergab sich eine Serie von sehr großen sozialen Härten. Insbesondere die Organisationen der Rentner haben nach wie vor immer wieder den Standpunkt vertreten, daß dem nicht so sein könne und daß deshalb gesetzliche Maßnahmen beraten und beschlossen werden müßten, um diese sozialen Härten auszuschalten. Insbesondere muß — und das brachten in dieser gemeinsamen Sitzung die verschiedensten Redner auch zum Ausdruck die berechtigte Anschauung der Rentnerkreise berücksichtigt werden, daß durch die Handhabung der Anrechnung der erhöhten Renten bei den Fürsorgeämtern eine Hand nehme, was die andere gegeben hätte. Insbesondere aber standen sich in vielen Grenzfällen die Rentner trotz der erhöhten Renten als Fürsorgeunterstützungsempfänger faktisch dadurch schlechter, daß von vornherein bei ihnen die sogenannten Sonderbeihilfen wie Brennstoff- und Kartoffelbeihilfen eingestellt wurden. Insofern erkannte auch der Ausschuß den Antrag der Kommunistischen Partei als von allgemeiner Bedeutung an. Er kann jedoch zu dem Ergebnis, daß der Antrag in dieser Form nicht passieren könne, weil er für die Durchführung etwaiger geeigneter Maßnahmen nicht klar genug gehalten war. Der Ausschuß war sich insbesondere darüber einig, daß eine Reihe von sozialen Härten zu beseitigen sei und eine geeignete Form hierfür gefunden werden müßte. Es wurde insbesondere betont, daß durch das Sozialversicherungsanpassungsgesetz — durch die Rentenerhöhung — eine Anpassung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge erreicht werden sollte, wobei gleichzeitig allerdings auch eine Entlastung der öffentlichen Fürsorge beabsichtigt war.
Ebenso stimmten sämtliche Vertreter im Ausschuß darin überein, daß die erhöhten Rentensätze ebenfalls noch nicht den unbedingten Lebensnotwendigkeiten entsprechen; um so mehr Grund läge vor, um — dem Antrag entsprechend — auf Abhilfe zu sinnen. Es ist auch betont worden, daß bereits der Wirtschaftsrat bei Erlaß des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes den Ländern empfohlen hat, nicht die gesamte Erhöhung anzurechnen. Insbesondere aber auch verdient die Tatsache Beachtung, daß der Einwand nicht anerkannt werden könne, wonach man durch eine sogenannte Sonderregelung für Rentner im Fürsorgewesen etwa zwei Gruppen oder zwei Klassen schaffen würde, weil- man ja nicht verkennen darf, daß der Rentenempfänger für seine Rente im Gegensatz zum Fürsorgeunterstützungsempfänger sein Leben lang Beiträge in die Invaliden- oder Angestelltenversicherung gezahlt hat.
Wie sehr verschiedenartig insbesondere nach Erlaß des Gesetzes für Sozialrentenanpassung diese Angelegenheit behandelt worden ist, das zeigt ein Bericht des Regierungsvertreters in der genannten Sitzung, wonach hinsichtlich der personellen und finanziellen Auswirkungen auf die Fürsorgeleistungen seitens des Innenministeriums eine Anfrage an die einzelnen Länder ergangen sei, deren Beantwortung nur in ganz wenigen Fällen eine klare statistische Übersicht ermöglicht, insbesondere sei das nur möglich bei Bre-
men, Hamburg, Schleswig-Holstein und Württemberg-Hohenzollern. In einigen Berichtsländern würde eine Anrechnung der Rentenerhöhung erfolgen, in anderen würde generell davon Abstand genommen, während wieder andere Länder in Anlehnung an das Gesetz über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom Jahre 1941 dazu übergegangen seien, bestimmte Beträge außer Ansatz zu lassen.
Diese verschiedenartige Handhabung hat den Ausschuß veranlaßt, eine Koordinierung dieser unbedingt notwendigen Maßnahmen vorzuschlagen, und es kam unter anderem von Herrn Abgeordneten Degener von der CDU der Vorschlag, eine bestimmte Summe als sogenannten Freibetrag festzusetzen, der dann allgemeingültig im gesamten Bundesgebiet zur Anwendung gebracht werden könnte. In der Diskussion ist man allerdings zu der Auffassung gekommen, daß durch die Nennung eines bestimmten Betrages neuerdings irgendwelche Schwierigkeiten und Härten entstehen könnten und daß doch ein anderer Weg vielleicht noch geeigneter wäre, diese Schwierigkeiten zu beseitigen, um so mehr, als es in den verschiedenen Ländern, ja in den verschiedenen Kreisen verschiedenartige Fürsorgerichtsätze gibt. Ich habe von mir aus damals den Vorschlag gemacht, doch von den Fürsorgerichtsätzen auszugehen: also ein bestimmter über den Fürsorgerichtsätzen liegender Hundertsatz möge gewissermaßen freigelassen werden, und erst diese Summe übersteigende Rentenbeträge könnten dann für die Fürsorgeunterstützung nicht mehr in Frage kommen. Der Ausschuß schloß sich diesem Vorschlag in der Meinung an, daß dadurch auch lokale bzw. regionale Gesichtspunkte genügend berücksichtigt seien. Es ist zweifellos bei einer solchen Beschlußfassung auch zu beachten, daß das für die Fürsorgeämter eine wesentliche Vereinfachung der Neufestsetzung von Unterstützungssätzen darstellt, ohne daß der Begünstigte selbst dabei etwa irgendeinen Nachteil hat.
Ich glaube, es darf auch in diesem Zusammenhang betont werden, daß der Ausschuß in dieser Frage zweifellos von Einmütigkeit getragen war und daß die Vertreterin der kommunistischen Fraktion sich auf Grund des gefaßten Beschlusses mit der Erklärung des kommunistischen Antrages als „erledigt" einverstanden erklärt hat.
Der Ausschuß hat also folgenden Beschluß gefaßt:
Der Bundestag wolle beschließen,
1. die Bundesregierung zu ersuchen, alsbald dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, nach dem ein Hundertsatz der jeweiligen Fürsorgebeträge nicht angerechnet werden soll für die Empfänger von Leistungen aus der Sozialversicherung,
2. den Antrag der Fraktion der KPD — Nr. 106 der Drucksachen — als erledigt anzusehen.
Ich glaube, ich darf zum Schluß auf Wunsch des Ausschusses noch die Bitte anfügen, daß die Regierung, falls Sie diesen Antrag annehmen, dann auch entsprechend den großen Schwierigkeiten in Rentnerkreisen einen wirklich angemessenen Hundertsatz festlegen wird, der nach diesem Beschluß anrechnungsfrei bleiben soll. Ich bitte um Annahme des Ausschußantrages.