Rede von
Dr.
Erich
Köhler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft. Ich schließe die erste Beratung des Gesetzentwurfs Drucksache Nr. 444 und darf wohl das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß der Gesetzentwurf als dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen gilt. — Es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung. Ich darf dazu folgendes erläutern. Wir waren uns im Ältestenrat darüber einig — und ich darf annehmen, daß das Haus sich dem Vorschlag des Ältestenrats anschließen wird —, erstens über Punkt 3 und 4 gemeinsam Bericht erstatten zu lassen und zweitens für diese beiden Punkte die Gesamtredezeit auf 60 Minuten festzulegen. Darf ich die Zustimmung des Hauses zu diesem Vorschlag des Ältestenrats, vor allem hinsichtlich der Gesamtredezeit von 60 Minuten für die Punkte 3 und 4 in aller Form f est-stellen? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Dann rufe ich zunächst auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Ilk, Dr. Schäfer und Genossen betreffend Familienunterstützung ehemaliger Kriegsgefangener und Internierter und über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Rückerstattungspflicht von Fürsorgeaufwendungen .
Als Berichterstatterin hat Frau Abgeordnete Niggemeyer das Wort.
Frau Niggemeyer , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge hat sich in seiner Sitzung vom 19. Januar mit zwei Anträgen befaßt, dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Ilk, Dr. Schäfer und Genossen Drucksache Nr. 202 und dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 329. Der Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Ilk, Dr. Schäfer und Genossen lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundsregierung wolle bei den Länderregierungen veranlassen, baldmöglichst eine Regelung herbeizuführen, durch welche die aus Kriegsgefangenschaft und Internierung Zurückkehrenden von der Verpflichtung befreit werden, die ihren Familien gewährten Unterstützungsbeträge zurückzuzahlen.
Dieser Antrag Drucksache Nr. 202 ist, materiell gesehen, mit einbegriffen in dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 329. Dieser Antrag bezieht die Personengruppe des erstgenannten Antrags mit ein, geht aber in bezug auf den Personenkreis weiter und wünscht von der Rückerstattungspflicht zu befreien: erstens politisch, rassisch und religiös Verfolgte, zweitens ehemalige Kriegsgefangene und drittens Vertriebene und Bombengeschädigte. Er geht über den Antrag Drucksache Nr. 202 auch dadurch hinaus, daß er es in seiner Zielsetzung nicht bei einer Anregung an die Länderregierungen bewenden lassen will, die ja keine gesetzliche Bindung bedeuten würde. Vielmehr ersucht er die Bundesregierung, dem Bundestag baldmöglichst einen Gesetzentwurf zu unterbreiten, der die Rückerstattungspflicht der eben genannten Personenkreise einheitlich regelt.
Der Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge war einstimmig der Meinung, daß dem Antrag Drucksache Nr. 329 Rechnung getragen und nach einem Weg gesucht werden sollte, die genannten Personengruppen von der Rückerstattungspflicht für Fürsorgeaufwendungen zu befreien. Er sah die Gegebenheit, sich diesem Antrag anzuschließen, darin, daß der Personenkreis, der in dem Antrag Drucksache Nr. 329 erfaßt wird, nicht durch eigenes Verschulden in eine Notlage geraten ist, und weiter darin, daß der einzelne nicht nur persönlich Leid und Not der Gefangenschaft und Krankheit erduldet hat, sondern daß durch sein Erleiden auch seine Familie in eine soziale Notlage hineingeraten ist, nicht selbstverschuldet,, sondern herbeigeführt durch ein System, an dessen Folgen wir alle noch tragen —das nationalsozialistische System —, durch die Katastrophe des verlorenen Krieges, dessen Lasten wir ja auch alle zu tragen haben. So waren wir uns darin einig, nach dem Weg zu suchen, der eine gesetzliche Regelung hier vorbereiten und schaffen könne. Wir wollten es nicht bei einer Empfehlung an die Länder bewenden lassen.
Es war auch im Ausschuß kein klares Bild darüber zu erhalten, wie die Praxis in den einzelnen Ländern bisher gehandhabt wurde. Es ist nicht so, als wenn nicht schon in einigen Ländern weitgehend Rücksicht auf die Kriegsgefangenen genommen würde, wenn sie etwa aus langjähriger Haft zurückgekommen sind und zunächst einmal ihre Krankheit überwinden und um ihre Existenz ringen müssen, daß sie dann noch mit der Hypothek der Zurückzahlung empfangener Wohlfahrtsunterstützung belastet werden. Wir waren, uns aber auch klar darüber — das ergab
die Aussprache über die Handhabung in den einzelnen Ländern —, daß wir es nicht etwa dem Ermessen des Leiters eines Wohlfahrtsamtes oder des Landesbezirksfürsorgeamtes überlassen könnten, hier von sich aus zu entscheiden, ob im Einzelfall auf die Rückzahlung verzichtet werden soll. Der Ausschuß sah die Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit für die drei genannten Personengruppen, von der Rückzahlung empfangener Wohlfahrtsunterstützung befreit zu werden, in einer Änderung des § 25 der Fürsorgepflichtverordnung, jenes Paragraphen, der einmal die Rückzahlungspflicht vorsieht, aber andererseits auch die Ausnahmen behandelt, nach denen von einer Rückzahlung abgesehen wird.
So kam der Ausschuß einstimmig zu dem, Beschluß, den er Ihnen jetzt vorlegt, und er bittet darum, daß sich das gesamte Haus diesem Beschluß anschließen möge. Der Beschluß des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Rückerstattungspflicht von Fürsorgeaufwendungen gemäß § 25 der Reichsfürsorgepflichtverordnung innerhalb des Bundesgebietes für folgende Gruppen einheitlich regelt:
1. politisch, rassisch und religiös Verfolgte,
2. ehemalige Kriegsgefangene,
3. Vertriebene und Bombengeschädigte. Bis zum Erlaß dieses Gesetzes sind die Länderregierungen zu ersuchen, die Rückerstattung der Fürsorgeaufwendungen für die genannten Gruppen auszusetzen.
Ich bitte das Hohe Haus noch einmal. sich dem Beschluß des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge anzuschließen.