Rede von
Josef
Arndgen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem uns von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf ist an sich nicht viel zu sagen, und zwar deswegen nicht, weil schon der Wirtschaftsrat in Frankfurt ein solches Gesetz behandelt und nach allen Seiten hin gründlich durchdiskutiert hat. Da aber dem Hohen
Haus ein Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache Nr. 248, vorliegt, dessen § 2 zu dem gleichen Thema vorschlägt, die Selbstverwaltungsorgane in der Kranken-, in der Renten- und in der Knappschaftsversicherung nur aus Versichertenvertretern zusammenzusetzen, möchte ich namens meiner politischen Freunde erklären, daß wir bezüglich der Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane dem Regierungsvorschlag zustimmen.
Ich glaube, daß Vertreter eines Systems, unter dem in den Gebieten, in denen sie herrschend sind, über Selbstverwaltung nicht geredet werden darf,
das Recht verwirkt haben, sich hier als Anwälte der Selbstverwaltung aufzuspielen.
Meine Damen und Herren! Mit den Antragstellern zu Drucksache Nr. 248 gehen wir in der Auffassung einig, daß der Arbeitnehmer, dem der Versicherungsschutz gilt, naturgemäß das größere Interesse an der Verwaltung der Sozialversicherungsträger und an den Finanzmitteln derselben hat. Wir müssen uns jedoch hüten, die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber und Unternehmer ihren Arbeitern und Angestellten gegenüber aufzulockern, die in verschiedenen Paragraphen des BGB verankert ist. Wenn wir die Arbeitgeber von der Verantwortung in der Sozialversicherung ausschließen, dann haben wir den Anfang mit dieser Auflockerung gemacht. Es liegt auch im Interesse der Versicherten und auch der Versicherungsträger selbst, die Unternehmer von der Verantwortung für die Beitragshöhe und für die Leistungen beispielsweise in der Krankenversicherung nicht auszuschließen. Wir haben in der letzten Zeit mehrfach erlebt, daß die Krankenkassen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit von dem § 391 der Reichsversicherungsordnung Gebrauch machen und die Beiträge bis zu 71/2 Prozent erhöhen mußten. Gerade in schwierigen Zeiten ist es notwendig und dient es den vorgesehenen Maßnahmen, wenn die Verantwortung für diese Maßnahmen auf möglichst breite Basis verteilt wird.
Mit dieser Auffassung, die ich hier vertreten habe, gehen auch bekannte Sozialpolitiker der Partei einig, die den Antrag, den ich vorhin skizziert habe, eingereicht hat. In seiner Broschüre „Sozialpolitik — Kernfragen des deutschen Aufbaues", in der sich Herr Dr. Preller, der jetzige Minister für Arbeit und Wirtschaft in Schleswig-Holstein, auch mit der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung beschäftigt, schreibt derselbe u. a. folgendes:
Aber auch der Arbeitgeber muß an der Sozialversicherung interessiert werden, nicht nur weil es sich ja auch um seine nicht geringen Beiträge handelt, sondern auch deshalb, weil erreicht werden muß, daß der Arbeitgeber in seinem Betrieb schadenverhütend mitarbeitet um der Leistungskraft der Versicherten ebenso wie um der Finanzkraft der Versicherung willen. Sieht sich der Arbeitgeber in eine
hoffnungslose Minderheit versetzt, so wird sein Interesse erlahmen.
Das ist nichts anderes als das, was ich sinngemäß hier vorgetragen habe.
Das Hohe Haus wird sich in absehbarer Zeit mit dem Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in der Wirtschaft und in den Betrieben beschäftigen. Den Beratungen um dieses Mitbestimmungsrecht würde es bestimmt nicht dienlich sein, wenn in der Sozialversicherung, wo das Schwergewicht auf seiten der Versicherten liegt, diese sich gegen eine Mitverantwortung der Arbeitgeber stemmen würden. Wollen wir die Demokratisierung in der Wirtschaft mit einem wesentlichen Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer, dann dürfen wir uns in der Sozialversicherung nicht gegen die Mitverantwortung der Arbeitgeber anstemmen.
Meine Damen und Herren! Soweit die sonstigen Bestimmungen des Regierungsentwurfs in Frage kommen, müßte überprüft werden, ob die Einführung der Versichertenältesten, die sich in der Knappschaftsversicherung und auch in der Angestelltenversicherung bis 1933 gut bewährt haben, für die Invalidenversicherung dienlich ist. In der Angestelltenversicherung mit nur einer Anstalt im gesamten früheren Reichsgebiet und in der Knappschaftsversicherung waren und sind die Verhältnisse sehr verschieden von denen in der Invalidenversicherung. In der Invalidenversicherung verfügen wir über Landesversicherungsanstalten in den einzelnen Gebieten.
Was die lebendige Verbindung zwischen Versicherten und Versicherungsträgern in der Rentenversicherung angeht, so haben bis zum Jahre 1933 die sogenannten Arbeitersekretariate der Gewerkschaften und der sonstigen Sozialorganisationen recht segensreich gewirkt. Mit der Einführung der Versichertenältesten in der Invalidenversicherung könnte es dazu kommen, daß die Aufgabengebiete, die diese Arbeitersekretariate segensreich betreut haben, verlagert werden und daß dann Organisationen, die an sich außerhalb der Versicherung stehen, ihren Einfluß völlig verlieren. Es wäre daher nötig, im Ausschuß noch einmal genau zu prüfen, ob die Einführung der Versichertenältesten in der Rentenversicherung der Arbeiter notwendig ist.
Weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren, müßte die in § 8 des Regierungsentwurfs vorgesehene Stellung der Geschäftsführer der Sozialversicherungsträger noch einmal überprüft werden. Die Bedeutung der Selbstverwaltung liegt in der eigenen Verantwortlichkeit des Versicherungsträgers. Ein ehrenamtlicher Vorstand jedoch scheidet mit dem Ablauf seiner Wahlzeit nach 4 Jahren aus der Verantwortung praktisch aus, während das Ergebnis der von ihm gefaßten Beschlüsse oft erst nach viel längerer Zeit in Erscheinung tritt. Bei den oft auch für Fachleute sehr schwierigen Materien wird ein ehrenamtlicher Vorstand nicht immer in der Lage sein, die richtige Entscheidung ohne Unterrichtung und Befragung zu treffen. Wollen wir den Gefahren begegnen, die damit der Selbstverwaltung drohen, dann muß ein Weg gesucht und gefunden werden, auf dem die Geschäftsführung, namentlich die Präsidenten der Versicherungsanstalten, in irgendeiner Form mit einem Beschlußrecht bei diesen Organen eingeschaltet werden können, auch deswegen, weil ein sehr großer Teil der Versicherungsträger Staatsaufgaben auferlegt bekommt,
die ordnungsmäßig und dem Auftrag des Staates entsprechend durchgeführt werden müssen.
Endlich, meine Damen und Herren, müßte auch überprüft werden, ob der § 11 — überschrieben „Aufsicht" — in der Form, wie er in der Regierungsvorlage enthalten ist, bestehen bleiben kann, oder ob nicht auch hier einige Änderungen durchgeführt werden können.
Schließlich muß überprüft werden, ob es zweckmäßig ist, die Urwahlen entsprechend dem Vorschlag des Regierungsentwurfs durchzuführen, nämlich Urwahlen für jeden Versicherungsträger vorzunehmen, oder ob man nicht wieder zu dem Wahlmodus zurückkehren sollte, der bis zum Jahre 1933 üblich war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir auch mit dem Regierungsentwurf in seinen Grundzügen einig gehen, so sind wir doch der Auffassung, daß er in einer Reihe von Einzelheiten
ich habe einiges darüber anklingen lassen — überprüft und abgeändert werden müßte. Ich stelle daher namens der CDU-Fraktion den Antrag, den Regierungsentwurf dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Durchberatung zu überweisen.