Rede:
ID0103300600

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
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    6. Dr.: 1
    7. Wellhausen.: 1
    8. -: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Februar 1950 1025 33. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 1. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1026D, 1057C Eintritt des Abg. Kohl in den Bundestag 1026D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen zur Durchführung der Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume zweite Hälfte 1948 und das Kalenderjahr 1949 und zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer 1950 . . . . 1027A Beschluß des Bundesrats zu dem Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Dezember 1949 . 1027A Anfrage Nr. 25 der Fraktion der SPD betreffend Bau eines Sperrwerks bei Leer (Drucksachen Nr. 354 und 477) . 1027B Anfrage Nr. 28 der Zentrumsfraktion betreffend Sonderpreise für Mineralöl (Drucksachen Nr. 380 und 479) . . . . 102713 Namensänderung der Gruppe „Nationale Rechte" in „Deutsche Reichspartei" . . 1027B Einspruch des Abgeordneten Goetzendorff gegen seinen Ausschluß von den Verhandlungen des Bundestages gemäß § 92 der vorläufigen Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 475) 1027C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wiederherstellung der Ehrenämter und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Drucksache Nr. 444) 1027C Storch, Bundesminister für Arbeit 1027C Arndgen (CDU) 1028D Dr. Wellhausen (FDP) . . . . 1030A Frau Kalinke (DP) 1031D Dr. Leuchtgens (DR?) . . . . 1034A Richter (SPD) . . . . . . . 1034C Oskar Müller (KPD) 1036C von Fürstenberg (BP) . . . . 1037D Beratung des Mündlichen Berichts • des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Ilk, Dr. Schäfer und Genossen betreffend Familienunterstützung ehemaliger Kriegsgefangener und Internierter und über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Rückerstattungspflicht von Fürsorgeaufwendungen (Drucksachen Nr. 416, 202 und 329) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Auswirkungen der Leistungssteigerungen des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes (Drucksachen Nr. 453 und 106) 1038B Frau Niggemeyer (CDU), Berichterstatterin . . . . . . . . . 1038B Fischer (SPD), Berichterstatter . 1039B Renner (KPD) 1040C Frau Schanzenbach (SPD) . . . 1041A Dr. Kleindinst (CSU) 1042B Frau Dr. Ilk (FDP) 1042D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Wiederherstellung der deutschen Fischerei-Hoheit (Drucksachen Nr. 449 und 349) . . . . 1043B Tobaben (DP), Berichterstatter . . 1043B Wehner (SPD) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . 1043D Dr. Bucerius (CDU) 1044A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend besonderes Referat für in Polen und in der Tschechoslowakei lebende Deutsche (Drucksachen Nr. 459 und 78) 1044C Höfler (CDU), Berichterstatter . . 1044D Frau Dr. Hubert 1045A Oskar Müller (KPD) 1045D Dr. Trischler (FDP) 1046A von Thadden (DRP) . . . . . 1046D Krause (Z) 1047B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion der BP betreffend Sofortmaßnahmen der Bundesregierung hinsichtlich der Verteilung der illegal über die Ostgrenzen kommenden Flüchtlinge (Drucksachen Nr. 460 und 92) 1047C Kuntscher (CDU), Berichterstatter 1047C Tichi (WAV) 1048B Donhauser (BP) . . . . . . . 1049A Paul (Württemberg) (SPD) . . . . 1050B Strauss (CSU) 1050D Clausen (SSW) 1051D Beschlußfassung über den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen betreffend Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums (Drucksachen Nr. 402 und 34) 1052B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen über den Antrag der Fraktion der WAV . betreffend Baudarlehn an Schwer- und Schwerstversehrte (Drucksachen Nr. 419 und 237) . . . . 1052B Lücke (CDU), Berichterstatter . . . 1052B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend abgelaufenes Produktionspermit (Drucksache Nr. 412) . . . 1052D Storch, Bundesminister für Arbeit . 1053A Dr. Bucerius (zur Geschäfts- ordnung) 1053B Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 1053D Agatz (KPD) 1054D Meyer (Westfalen) (SPD) . . . 1055C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Bericht über die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn (Drucksache Nr. 435) 1056D Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 473) 1056D Nächste Sitzung 1057C Anmerkung zur 32. Sitzung betreffend Zustimmung der Abg. Dr. Dorls und Dr. Ott zu den Erklärungen zur Frage der Zurückhaltung von Kriegsgefangenen und Internierten . 1057 Die Sitzung wird um 14 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Anmerkung zu Punkt 4 der Tagesordnung der 32. Sitzung, Seite 1011 B ff. Die Abgeordneten Dr. Dorls und Dr. Ott haben dem Präsidenten gegenüber nach der Sitzung schriftlich und mündlich ihre Zustimmung zu der von dem Bundeskanzler abgegebenen Erklärung und zu der von dem Abgeordneten Pohle im Namen der Fraktionen des Bundestags abgegebenen Erklärung zur Frage der Zurückhaltung von Kriegsgefangenen und Internierten erklärt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Josef Arndgen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem uns von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf ist an sich nicht viel zu sagen, und zwar deswegen nicht, weil schon der Wirtschaftsrat in Frankfurt ein solches Gesetz behandelt und nach allen Seiten hin gründlich durchdiskutiert hat. Da aber dem Hohen


    (Arndgen)

    Haus ein Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache Nr. 248, vorliegt, dessen § 2 zu dem gleichen Thema vorschlägt, die Selbstverwaltungsorgane in der Kranken-, in der Renten- und in der Knappschaftsversicherung nur aus Versichertenvertretern zusammenzusetzen, möchte ich namens meiner politischen Freunde erklären, daß wir bezüglich der Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane dem Regierungsvorschlag zustimmen.

    (Abg. Renner: Das hat mich gar nicht gewundert! Das brauchen Sie gar nicht zu unterstreichen!)

    Ich glaube, daß Vertreter eines Systems, unter dem in den Gebieten, in denen sie herrschend sind, über Selbstverwaltung nicht geredet werden darf,

    (Abg. Rische: Kennen Sie das Prinzip überhaupt?)

    das Recht verwirkt haben, sich hier als Anwälte der Selbstverwaltung aufzuspielen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Wer „glauben" muß, der weiß nichts!)

    Meine Damen und Herren! Mit den Antragstellern zu Drucksache Nr. 248 gehen wir in der Auffassung einig, daß der Arbeitnehmer, dem der Versicherungsschutz gilt, naturgemäß das größere Interesse an der Verwaltung der Sozialversicherungsträger und an den Finanzmitteln derselben hat. Wir müssen uns jedoch hüten, die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber und Unternehmer ihren Arbeitern und Angestellten gegenüber aufzulockern, die in verschiedenen Paragraphen des BGB verankert ist. Wenn wir die Arbeitgeber von der Verantwortung in der Sozialversicherung ausschließen, dann haben wir den Anfang mit dieser Auflockerung gemacht. Es liegt auch im Interesse der Versicherten und auch der Versicherungsträger selbst, die Unternehmer von der Verantwortung für die Beitragshöhe und für die Leistungen beispielsweise in der Krankenversicherung nicht auszuschließen. Wir haben in der letzten Zeit mehrfach erlebt, daß die Krankenkassen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit von dem § 391 der Reichsversicherungsordnung Gebrauch machen und die Beiträge bis zu 71/2 Prozent erhöhen mußten. Gerade in schwierigen Zeiten ist es notwendig und dient es den vorgesehenen Maßnahmen, wenn die Verantwortung für diese Maßnahmen auf möglichst breite Basis verteilt wird.
    Mit dieser Auffassung, die ich hier vertreten habe, gehen auch bekannte Sozialpolitiker der Partei einig, die den Antrag, den ich vorhin skizziert habe, eingereicht hat. In seiner Broschüre „Sozialpolitik — Kernfragen des deutschen Aufbaues", in der sich Herr Dr. Preller, der jetzige Minister für Arbeit und Wirtschaft in Schleswig-Holstein, auch mit der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung beschäftigt, schreibt derselbe u. a. folgendes:
    Aber auch der Arbeitgeber muß an der Sozialversicherung interessiert werden, nicht nur weil es sich ja auch um seine nicht geringen Beiträge handelt, sondern auch deshalb, weil erreicht werden muß, daß der Arbeitgeber in seinem Betrieb schadenverhütend mitarbeitet um der Leistungskraft der Versicherten ebenso wie um der Finanzkraft der Versicherung willen. Sieht sich der Arbeitgeber in eine
    hoffnungslose Minderheit versetzt, so wird sein Interesse erlahmen.
    Das ist nichts anderes als das, was ich sinngemäß hier vorgetragen habe.
    Das Hohe Haus wird sich in absehbarer Zeit mit dem Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in der Wirtschaft und in den Betrieben beschäftigen. Den Beratungen um dieses Mitbestimmungsrecht würde es bestimmt nicht dienlich sein, wenn in der Sozialversicherung, wo das Schwergewicht auf seiten der Versicherten liegt, diese sich gegen eine Mitverantwortung der Arbeitgeber stemmen würden. Wollen wir die Demokratisierung in der Wirtschaft mit einem wesentlichen Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer, dann dürfen wir uns in der Sozialversicherung nicht gegen die Mitverantwortung der Arbeitgeber anstemmen.
    Meine Damen und Herren! Soweit die sonstigen Bestimmungen des Regierungsentwurfs in Frage kommen, müßte überprüft werden, ob die Einführung der Versichertenältesten, die sich in der Knappschaftsversicherung und auch in der Angestelltenversicherung bis 1933 gut bewährt haben, für die Invalidenversicherung dienlich ist. In der Angestelltenversicherung mit nur einer Anstalt im gesamten früheren Reichsgebiet und in der Knappschaftsversicherung waren und sind die Verhältnisse sehr verschieden von denen in der Invalidenversicherung. In der Invalidenversicherung verfügen wir über Landesversicherungsanstalten in den einzelnen Gebieten.
    Was die lebendige Verbindung zwischen Versicherten und Versicherungsträgern in der Rentenversicherung angeht, so haben bis zum Jahre 1933 die sogenannten Arbeitersekretariate der Gewerkschaften und der sonstigen Sozialorganisationen recht segensreich gewirkt. Mit der Einführung der Versichertenältesten in der Invalidenversicherung könnte es dazu kommen, daß die Aufgabengebiete, die diese Arbeitersekretariate segensreich betreut haben, verlagert werden und daß dann Organisationen, die an sich außerhalb der Versicherung stehen, ihren Einfluß völlig verlieren. Es wäre daher nötig, im Ausschuß noch einmal genau zu prüfen, ob die Einführung der Versichertenältesten in der Rentenversicherung der Arbeiter notwendig ist.
    Weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren, müßte die in § 8 des Regierungsentwurfs vorgesehene Stellung der Geschäftsführer der Sozialversicherungsträger noch einmal überprüft werden. Die Bedeutung der Selbstverwaltung liegt in der eigenen Verantwortlichkeit des Versicherungsträgers. Ein ehrenamtlicher Vorstand jedoch scheidet mit dem Ablauf seiner Wahlzeit nach 4 Jahren aus der Verantwortung praktisch aus, während das Ergebnis der von ihm gefaßten Beschlüsse oft erst nach viel längerer Zeit in Erscheinung tritt. Bei den oft auch für Fachleute sehr schwierigen Materien wird ein ehrenamtlicher Vorstand nicht immer in der Lage sein, die richtige Entscheidung ohne Unterrichtung und Befragung zu treffen. Wollen wir den Gefahren begegnen, die damit der Selbstverwaltung drohen, dann muß ein Weg gesucht und gefunden werden, auf dem die Geschäftsführung, namentlich die Präsidenten der Versicherungsanstalten, in irgendeiner Form mit einem Beschlußrecht bei diesen Organen eingeschaltet werden können, auch deswegen, weil ein sehr großer Teil der Versicherungsträger Staatsaufgaben auferlegt bekommt,


    (Arndgen)

    die ordnungsmäßig und dem Auftrag des Staates entsprechend durchgeführt werden müssen.
    Endlich, meine Damen und Herren, müßte auch überprüft werden, ob der § 11 — überschrieben „Aufsicht" — in der Form, wie er in der Regierungsvorlage enthalten ist, bestehen bleiben kann, oder ob nicht auch hier einige Änderungen durchgeführt werden können.
    Schließlich muß überprüft werden, ob es zweckmäßig ist, die Urwahlen entsprechend dem Vorschlag des Regierungsentwurfs durchzuführen, nämlich Urwahlen für jeden Versicherungsträger vorzunehmen, oder ob man nicht wieder zu dem Wahlmodus zurückkehren sollte, der bis zum Jahre 1933 üblich war.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir auch mit dem Regierungsentwurf in seinen Grundzügen einig gehen, so sind wir doch der Auffassung, daß er in einer Reihe von Einzelheiten
    ich habe einiges darüber anklingen lassen — überprüft und abgeändert werden müßte. Ich stelle daher namens der CDU-Fraktion den Antrag, den Regierungsentwurf dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Durchberatung zu überweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen. -

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Wellhausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine verehrten Damen und Herren! Meine Freunde stehen auf dem Boden des Regierungsentwurfs, wie sie das schon im Wirtschaftrat vielfach zum Ausdruck gebracht haben. Sie werden sich im Ausschuß dafür einsetzen, daß er mit größter Beschleunigung zum Gesetz erhoben wird. Wenn das schöne Wort 1 Schillers „Wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort" wahr wäre oder einen Sinn hätte, müßte dieses Gesetz schon längst verabschiedet, in Kraft getreten und beiden Sozialpartnern zum Nutzen sein. Denn geredet, meine verehrten Damen und Herren, ist zu dieser Angelegenheit weiß Gott genug, nicht bloß zwischen und von den Sozialpartnern, sondern auch in den Parlamenten, im bayerischen Landtag wie im Wirtschaftsrat. Aber wir stellen hier ja öfter fest, daß dieses Schillersche Wort nur sehr relativ richtig ist.
    Man kann meines Erachtens geradezu von einer Leidensgeschichte dieser Gesetzesmaterie sprechen. Es ist mehr als ein Jahr her, seit die SPD-Fraktion im Wirtschaftsrat einen Initiativgesetzentwurf einbrachte, dem dann einige Wochen darauf eine Regierungsvorlage folgte. Ohne ironisch zu sein, möchte ich sagen: genau dasselbe Spiel erleben wir nun wieder, nur die Taktik ist eine etwas andere und, wie mir scheinen will, eine etwas primitive.
    Wie liegen denn die Dinge? Bis 1933 war es so, daß in wichtigen Sozialversicherungsträgern Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern herrschte. Der von mir erwähnte Initiativgesetzentwurf der SPD vom vorigen oder gar vom vorvorigen Jahre wünschte diese Parität nicht aufrechtzuerhalten, sondern wollte die Arbeitnehmer zu 75 Prozent an den Organen beteiligen. Der seinerzeitige Beschluß lautete dann auf Parität. Diesmal hat man nun in dem Gesetzentwurf der SPD — mit aller Höflichkeit sei es gesagt — ein wenig mehr vorgeboten und verlangt hundertprozentige Beteiligung; wie ich annehme, in der Hoffnung, daß es nun diesmal wenigstens zu einer
    75prozentigen Beteiligung kommt. Ich sage das so offen, mein Damen und Herren, und glossiere es etwas, weil ich Sie fragen möchte: Ist das wirklich eine Materie, bei der man solche Handelsgeschäfte oder solches Handeln betreiben sollte? Ich für meine Person möchte diese Frage energisch verneinen.
    Wie ist denn der Tatbestand? Es handelt sich doch um nicht mehr und nicht weniger als darum, hier wirklich ein Unrecht, das den Sozialpartnern schon sehr früh in der Nazizeit bereitet worden ist, zu beseitigen. Diese Beseitigung ist längst überfällig. Eigentlich hätte man annehmen können, die Alliierten würden unmittelbar nach ihrem Einzug die Folgerungen ziehen. Aber sie hielten uns damals nicht für zuständig, vielleicht auch nicht für fähig, solche Dinge zu ordnen, wiewohl sie auf einem anderen Gebiet, das mit der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer zusammenhängt, sehr frühzeitig und sehr schnell zu Entschlüssen gekommen sind. Dann kam der Wirtschaftsrat mit seinem wirklich heißen Bemühen — ich erinnere mich genau — und wollte den Dingen Gestalt geben, und wiederum haben die Alliierten es nicht genehmigt. Ich finde deshalb, daß wir heute ein wenig beschämt vor den Sozialpartnern stehen und daß wir nun doch schnellstens das Versäumte nachholen und darüber hinaus auch noch Verbesserungen vornehmen sollten. Aber auf solche Verbesserungen wollen wir uns beschränken.
    Meine Damen und Herren, Strukturveränderungen in der Sozialversicherung wollen wir - das ist der Wunsch meiner Freunde — bei dieser Gelegenheit nicht vornehmen. Um das an einem Beispiel zu illustrieren: Wir wollen die Selbständigkeit der Angestelltenversicherung gegenüber der Invalidenversicherung oder sagen wir lieber: neben der Invalidenversicherung — ein Gegensatz ist es ja nicht — mit allem Nachdruck aufrechterhalten.

    (Zuruf von der KPD.)

    - Das überrascht Sie sicher nicht! - Wir wollen keinen Schritt zur Einheitsversicherung tun. Was wir wollen: wir wollen dem Grundgedanken, der meines Erachtens jeder Selbstverwaltung zugrunde liegen muß, zum Durchbruch verhelfen; und der sieht in unseren Augen so aus: Wenn die Beteiligten eine gemeinschaftliche Aufgabe gestellt bekommen haben, wenn sie dabei sind, sie zu lösen, und sie zum Teil schon gelöst haben, dann hat jeder von den Beteiligten — also den Sozialpartnern — das gleiche Recht, mitzusprechen. Nichts liegt dann näher, als daß sich das eben in einer Parität der Sozialpartner in den Organen auswirkt. Das ist für meine Freunde der übergeordnete Gesichtspunkt, von dem aus die Dinge geregelt werden sollten. Denn Schwerpunkte nach der einen oder anderen Richtung — dieser Ausdruck hat schon in den Debatten des Wirtschaftsrats eine große Rolle gespielt — wollen wir nicht schaffen.
    Wir sind nun deswegen nicht unerheblichen Angriffen ausgesetzt. Diejenigen der SPD habe ich schon erwähnt. Aber sie kommen auch von anderen Seiten, und ich muß mich in diesem Zusammenhang ganz kurz mit den Gedanken der Unfallversicherung auseinandersetzen. Diese Unfallversicherung ist bekanntlich keine normale Versicherung, sondern eine Ablösung der gesetzlichen Haftpflicht der Unternehmer und eine Vorsorge, eine genossenschaftliche Rückversicherung


    (Dr. Wellhausen)

    der Unternehmer gegen Unfälle im Betrieb. Aus dieser Definition geht meines Erachtens schon hervor, wie wenig begründet es doch eigentlich ist, diesen Selbstverwaltungskörper der Unfallversicherung, der nur die Arbeitgeber angeht, in die Parität hineinzubeziehen, zumal ja bei den Folgemaßnahmen, bei der Unfallfürsorge selbst, bei der Heilfürsorge usw. diese Parität in besonderen Organen, die Sie durchschnittlich kennen werden, gesichert ist. Wir sind aber um des lieben Friedens willen, des übergeordneten Gesichtspunkts willen, den ich vorhin dargelegt habe, im Wirtschaftsrat der Meinung gewesen, darauf nicht bestehen zu sollen, und wir haben deshalb zugestimmt, daß auch insoweit, also in der Unfallversicherung, die Parität durchgeführt wird.
    Wie wollen wir uns nun heute verhalten? Ich bin der Meinung, daß wir doch bei dieser Materie nicht darauf aus sein sollten, dem einen oder andern eins auszuwischen oder ihn gar zu erziehen, wiewohl das ja modern ist. Das soll keineswegs unser erstes Prinzip und unser erster Gedanke sein, sondern wir wollen das Ganze fördern. Die offensichtliche Nichtachtung — ich glaube, man muß es doch schon so ausdrücken, nicht vom Kanapee-Standpunkt aus gesehen, sondern sachlich gesprochen —, die durch den vorliegenden Entwurf der SPD nun dem einen Sozialpartner und seinen Interessen widerfährt, müßte uns meines Erachtens doch zu der Überlegung führen, ob es richtig war und ist, in der Unfallversicherung die Haltung einzunehmen, die wir eingenommen haben.
    Denn, meine verehrten Freunde, ich möchte nicht so bescheiden wie mein Vorredner sein, daß man „die Arbeitgeber bei der Stange halten wolle" - das war ja das Hauptmoment —, sondern ich bin schon der Meinung, daß die Arbeitgeber von sich aus den Wunsch und die Pflicht und das Recht haben, sich in diesen Dingen zu betätigen. Ich glaube, eine Diskriminierung, die das verhindert oder unmöglich macht, können wir nicht mitmachen. Ich halte sie für völlig unverdient. Ich gehe aber einen Schritt weiter. Ich bin der Meinung, daß es viele Arbeiter gibt, die großen Wert darauf legen, die Sorgen, die die Sozialversicherungsträger ja leider zur Zeit in einem sehr großen Umfang beunruhigen, gemeinsam zu erörtern, und daran sollte niemand gehindert werden. Ich finde, daß es ein nicht sehr guter, ja ein schlechter Beitrag zur Herbeiführung des sozialen Friedens ist, wenn nun politische Wünsche, wie geschehen, in einem Initiativgesetz einer großen Partei dieses Hauses ihren Niederschlag finden. Ich finde vor allem, meine verehrten Damen und Herren, daß das nicht mit der an wichtigen Stellen in hoffnungsvoller Weise gerade in den letzten Wochen hervorgetretenen Verständigungsbereitschaft in Einklang steht. Ich beschränke mich durchaus auf diesen einen großen Komplex und bin im übrigen auch der Meinung, daß wir in den Ausschußberatungen noch sehr vieles zu den Dingen zu sagen haben werden; aber schnell!
    Erlauben Sie mir bitte, daß ich in diesem Zusammenhange noch auf die Drucksache Nr. 361 eingehe die, glaube ich, schon dem Ausschuß überwiesen ist. Es ist der Antrag der Abgeordneten Günther und Genossen, der eine wichtige Einzelfrage, nämlich die Frage der Betriebskrankenkassen, mit dem Prinzip der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung und ihrer Wiederherstellung verbinden will. Das ist vollständig richtig. Denn diese Wiederzulassung der Errichtung neuer Betriebskrankenkassen scheint mir doch eine Selbstverständlichkeit zu sein, wenn man der Selbstverwaltung grundsätzlich zustimmt. Sie scheint mir aus der Koalitions- und Organisationsfreiheit, die das Grundgesetz — und alle Verfassungen vorher außer bei Hitler; der hatte keine —sicherstellt und vorschreibt, ohne weiteres zu folgen. Ich gehe weiter: ein Verbot, wie es die Nationalsozialisten 1934 verfügt haben, steht in einem flagranten Widerspruch zu dem Grundsatz der Koalitions- und Organisationsfreiheit. Ich glaube, es wäre überflüssig, hierüber noch viel zu sagen, und ich tue mich ja eigentlich auch sehr leicht; denn den Kreisen, die in dieser Beziehung zurückhaltend oder gar ablehnend sind, ist ja durch die Ihnen bekannten Vorgänge in der französischen Zone schon eine sehr klare und deutliche Antwort erteilt worden. Dort hat man durch in allen drei Ländern gleichlautende Gesetze die Sperre aufgehoben, und das für mich keineswegs überraschende Ergebnis war das, daß eine Vielzahl von Betrieben mit außerordentlichen Mehrheiten der Errichtung oder Neuerrichtung von Betriebskrankenkassen zugestimmt haben. Damit bin ich keineswegs für ein „laissez faire, laissez aller", denn ein Paragraph, auf den ich jetzt nicht mehr eingehen will, nämlich § 248 der Reichsversicherungsordnung -' die Kenner werden verstehen, was ich meine, auch ohne daß ich die Dinge vortrage — enthält ja schon durchaus alle Kautelen, die nötig sind. Wenn es noch an etwas gefehlt hat, dann ist das, was wir im Wirtschaftsrat vorgeschlagen haben, nämlich die Erhöhung der Mindestzahl von 150 auf 300 Mitglieder, das Entsprechende und das, was noch nötig ist. Ich möchte Ihnen deswegen auf das dringendste empfehlen, der Errichtung von Betriebskrankenkassen zuzustimmen.
    Zusammengefaßt zu der ganzen Gesetzesmaterie geht der Wunsch meiner Freunde dahin, daß wir es geradezu für eine Ehrenpflicht halten, nunmehr auf dem schnellsten, dem einfachsten. aber auch auf dem modernsten Wege die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung wiederherzustellen. Denn, meine Freunde, es wird ohnehin - das möchte ich zum Schluß noch sagen — nicht leicht sein, die Kräfte auf beiden Seiten, bei den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern, zu finden, zu interessieren und mit Kenntnissen zu versehen — das gehört nämlich auch zum Ehrenamt, daß man Kenntnisse hat, das wird oft vergessen —,

    (Heiterkeit)

    Kenntnisse, die sie brauchen, um ihre Pflichten im Vorstand oder in der Vertreterversammlung solcher Körperschaften erfüllen zu können. Ich hoffe sehr, daß sich zu gegebener Zeit recht viele Leute finden, die darin eine Befriedigung sehen. Denn erst dann wird das Gesetz, das wir beschließen wollen, seinen Sinn haben und sich zum Segen beider Sozialpartner auswirken.

    (Beifall in der Mitte.)