Rede von
Richard
Stücklen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Stromschwierigkeiten in Bayern sind in der Tat außerordentlich groß. Mit Rücksicht auf die noch große Tagesordnung und auf Ihre Zeit beschränke ich mich auf rein technische Angaben und bitte Sie, mir meine dürren technischen Angaben zu verzeihen.
Ich stimme mit dem Vertreter der Bayernpartei nicht ganz darin überein, daß die Drosselung der Stromzuführung nach Bayern eine politische Frage sein könnte. Ich meine auch, daß die Sündenbockpolitik, von der man in Frankfurt häufig hörte, nicht nach Bonn verschleppt werden sollte. Ich glaube, man kann die Gründe erstens in dem Ausfall der Stromversorgung aus dem mitteldeutschen Braunkohlengebiet infolge der Demontagen der dortigen Betriebe suchen, die einen Stromausfall für Bayern von 200 000 Kilowatt darstellen, zweitens in der Demontage bayerischer Industriekraftwerke, die einen weiteren Stromausfall von 110 000 Kilowatt darstellt. Drittens sind wir auf Weisung der Besatzungsmacht verpflichtet, aus den Inn-Grenzkraftwerken 30 000 Kilowatt und auf dem Vertragswege mit OMGUS weitere 10 000 Kilowatt nach Österreich zu liefern. Die genannten Umstände ergeben für Bayern einen Stromausfall von zusammen 350 000 Kilowatt.
Auf der anderen Seite ist der Stromverbrauch in Bayern gewaltig gestiegen, allein schon durch die Vermehrung der Bevölkerung in Bayern. Der Stromverbrauch in Bayern beträgt zur Zeit 3,75 Milliarden Kilowattstunden gegenüber 2,4 Milliarden Kilowattstunden im Jahre 1937. Das ist also ein Mehrstromverbrauch von 50 Prozent.
Diese besonders ungünstigen Momente sind der Grund dafür, daß Bayern trotz namhafter Stromlieferungen aus dem Westen — und das soll hier anerkennend hervorgehoben werden — nicht in der Lage ist, den notwendigen Strombedarf zu decken. Aus außerbayerischen Dampfkraftwerken erhielten wir bis zum 21. 11. 1949 30- bis 40 000 Kilowatt, und zwar aus Hamburg über die Fernleitung der russischen Zone. Eine Verstärkung der Stromlieferungen auf dieser Leitung ist aus technischen Gründen nicht möglich, es sei denn, daß die Länder Hessen, Württemberg und Baden, die als Speisungsnetzträger für Bayern in Frage kommen, mit der gleichen Stromeinsparung einverstanden sind wie Bayern. Diese Einsparungsmaßnahmen können aller Vorausicht nach dank der zielstrebigen Arbeit der bayerischen Staatsregierung, die neue Kraftwerke mit einer Kapazität von 170 000 Kilowatt im Bau hat, in absehbarer Zeit wesentlich verkürzt werden, zumal die neue Ost-West-Leitung, eine 200 000-Kilowatt-Leitung über Nürnberg — Aschaffenburg — Frankfurt, in Betrieb genommen werden soll. In Bayern sind Kraftwerke, Dampfkraftwerke und hauptsächlich Wasserkraftwerke, mit 170 000 Kilowatt im Bau, die in den nächsten Jahren fertig werden. Es geht also darum, daß für diese Überbrückungszeit der Notstand in Bayern behoben wird. Es ist notwendig, daß die angrenzenden Länder Hessen, Württemberg und Baden mit Stromeinsparungen einverstanden sind. Das ist die einzig möglich Hilfe, die wir dem Hause vorschlagen können. Diese Hilfe deckt sich mit dem Antrag der Bayernpartei.
Daher bitten wir, diesen Antrag zu unterstützen. Ich bitte besonders die Abgeordneten der Länder Württemberg, Baden und Hessen, für die außerordentlich katastrophale Lage Bayerns Verständnis zu haben. Es kann unter gar keinen Umständen so weit kommen, daß dadurch eine weitgehende wirtschaftliche Schädigung der Industrie Bayerns herbeigeführt wird, daß nicht nur die Industrie, sondern auch unmittelbar im Zusammenhang damit die Arbeiterschaft dieser Industriebetriebe in Mitleidenschaft gezogen wird. Weiterhin ist der bayerischen Struktur entsprechend der gesamte Mittelstand, hauptsächlich die handwerklichen Betriebe, durch die Stromabschaltung weitestgehend betroffen.
Meine politischen Freunde und ich bitten Sie deshalb, den Antrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 226 anzunehmen.