Rede von
Dr.
Hermann
Höpker-Aschoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Es ist hier wiederholt von einem Provisorium gesprochen worden, und die Überschrift des Entwurfs, den der Herr Bundesfinanzminister uns vorgelegt hat, bezeichnet das Gesetz, das wir nunmehr verabschieden sollen, als ein vorläufiges Haushaltsgesetz. Mir will scheinen, daß diese Bezeichnung nicht ganz zutrifft, denn das Haushaltsgesetz, das hier zur Verabschiedung steht, ist in der Tat kein vorläufiges Haushaltsgesetz, sondern ist das Haushaltsgesetz, das der Wirtschaftsführung des Bundes in dem zweiten halben Jahr 1949/50 zugrunde gelegt werden soll. Insofern also ist es kein Provisorium, sondern ein Definitivum.
Richtig ist allerdings — und das haben sowohl die Verfasser des Entwurfs wie auch der Herr Vorredner gesagt —, daß diese Vorlage von dem, was wir bei Haushaltsgesetzen gewohnt sind, in einer erstaunlichen Weise abweicht. Es ist ein Haushaltsgesetz ohne Haushaltsplan und ohne Zahlen. Dieses sonderbare Verfahren ist natürlich zum Teil durch die Schwierigkeiten des Übergangs zu erklären. Wir stimmen dem Herrn Bundesfinanzminister darin zu, daß es unsere erste Aufgabe sein muß, überhaupt eine rechtliche Grundlage für die Haushaltsführung der Bundesregierung zu schaffen, denn diese rechtliche Grundlage ist vorläufig nicht vorhanden; sie muß so schnell wie möglich geschaffen werden.
Wir wollen auch keine Einwendungen dagegen erheben, daß dies nun auf einem Wege geschieht, der an die Vorschläge des Finanzausschusses der Ministerpräsidenten anknüpft und der uns eine Reihe von harten Opfern zumutet, Verzichte auf Rechte, die sonst ein Parlament zu seinen höchsten Rechten zählt. Aber die außergewöhnliche Lage mag das rechtfertigen.
Nun bestehen aber doch eine Reihe von Bedenken, auf die ich hier hinweisen möchte. Nach dem Vorschlag des Herrn Bundesfinanzministers sollen wir der Haushaltsführung des Bundes im zweiten Halbjahr 1949/50, soweit die alten Verwaltungen in Frage kommen, einfach den Haushaltsplan des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zugrunde legen. Das würde bedeuten, daß wir selber hier auf unser Recht, die Ansätze des Haushaltsplans zu prüfen, weitgehend Verzicht leisten. Der Bundesrat hat seine Zustimmung vorläufig nicht gegeben. Es wäre gut gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister uns nicht nur die Stellungnahme des Bundesrats mitgeteilt hätte, sondern auch die Begründung zu dieser Stellungnahme. Da es nun nicht geschehen ist, haben wir versuchen müssen, aus anderen Quellen zu schöpfen. Denn, Herr
Bundesfinanzminister, bekannt geworden ist uns t die Begründung natürlich doch. Die meisten von uns, die sich für diese Dinge interessieren, werden das Schreiben kennen, das Herr Finanzminister Hilpert im Auftrag des Finanzausschusses des Bundesrats an den Herrn Bundesfinanzminister gerichtet hat. Es wäre daher doch vielleicht ratsam gewesen, wenn uns dieses Schreiben als Begründung der ablehnenden Stellung des Bundesrats auch von Amts wegen zugegangen wäre.
Die Bedenken, die der Bundesrat gehabt hat, sollten uns zu einigem Nachdenken veranlassen. Der Bundesrat steht auf dem Standpunkt, daß er nicht zustimmen kann, weil nach seinem Dafürhalten die Ansätze der Ausgaben in dem Haushaltsplan des Frankfurter Wirtschaftsrats noch einer sorgfältigen Nachprüfung bedürfen. Die Herren des Bundesrats sind der Meinung, daß hier nicht mit der erforderlichen Sparsamkeit vorgegangen sei; auch die Stellenpläne seien zu aufwendig, und daher sei es gefährlich, einfach diesen Haushaltsplan zugrunde zu legen und damit womöglich nun noch ein Präjudiz für die kommenden Jahre zu schaffen. Ich glaube nicht, daß wir an diesen Bedenken ohne weiteres vorübergehen können. Wir werden versuchen müssen, wenigstens in großen Zügen eine Nachprüfung des Haushaltsplans des Wirtschaftsrats vorzunehmen und uns Gewißheit darüber zu verschaffen, daß diese Ansätze in sparsamen und vernünftigen Grenzen gehalten sind.
Etwas besser ist unsere Lage bei den neuen Verwaltungen. Hier sollen Verfügungssummen zur Verfügung gestellt werden. Zur Begründung der Verfügungssummen wird uns der Herr Bundesfinanzminister, wie ich annehme, die einzelnen Ausgabenansätze mitteilen; er wird uns auch einen Stellenplan vorlegen. Das ist vorgesehen, und wir sollen dann diese Finanzzuweisungen bewilligen. Hier ist also unser Bewilligungsrecht an sich gewahrt, allerdings mit der bedeutsamen Einschränkung, auf die Herr Kollege Schoettle schon hingewiesen hat, daß es nun nicht durch das Plenum dieses Hauses ausgeübt wird, sondern durch zwei Ausschüsse, durch den Ausschuß des Bundestags und den Ausschuß des Bundesrats. Herr Kollege Schoettle, ich von meinem Standpunkt komme über diese Bedenken hinweg. Die Zeit drängt. Die Forderung des Bundesfinanzministers, so schnell wie möglich eine Rechtsgrundlage für die Haushaltsführung überhaupt zu schaffen, ist durchaus berechtigt, und darum könnte ich mich damit abfinden, daß das Haus selber auf das Bewilligungsrecht verzichtet und die Bewilligung einem Ausschuß überläßt. Aber ich kann hier an einem Bedenken nicht vorbeigehen: daß nämlich der Ausschuß des Bundestags und der Ausschuß des Bundesrats als gleichberechtigt nebeneinandergestellt werden. Meine Damen und Herren, das ist eine ganz merkwürdige Konstruktion. Haushaltgesetze an sich werden nach dem Grundgesetz durch den Bundestag beschlossen. Dem Bundesrate steht nicht das Recht der Zustimmung zu. Ihm muß die Vorlage zur Stellungnahme vorgelegt werden, und er kann gegen das Haushaltgesetz ein Veto einlegen. Immerhin: die eigentliche Entscheidung liegt beim Bundestag allein. Nun wird die Entscheidung an Stelle des Bundestags einem Auschuß übertragen, aber der korrespondierende Faktor auf der andern Seite, der Ausschuß des Bundesrats, hat nun nicht nur ein Veto-, sondern das volle Recht der Zustimmung. Also mir ist nicht ganz wohl bei dieser Geschichte, ob wir hier nicht etwas von den Rechten
U des Bundestags preisgeben und die Rechtsstellung des Bundesrats allzusehr erweitern.
Ein weiteres, meine Damen und Herren. Der § 10 enthält die Ermächtigung des Bundesfinanzministers, die Fehlbeträge, die sich ergeben, von den Ländern mit Zustimmung des Bundesrats in einer Globalsumme einzufordern; die Unterverteilung soll dem Bundesrat überlassen werden. Nun, dieses Wiederaufleben der Matrikularbeiträge soll von mir nicht getadelt werden. Denn da wir nun einmal noch nicht über die Bundessteuern verfügen können und nach dem Grundgesetz der Übergang der Einnahmen auf den Bund gleichzeitig mit dem Übergang der Ausgaben stattfinden soll und gegen den Gedanken, der Termin dieses Übergangs möge bis zum 1. April hinausgeschoben werden, nicht allzuviel zu sagen ist, habe ich gegen dieses Verfahren an sich nichts einzuwenden. Aber, Herr Bundesfinanzminister, ich möchte Sie dringend bitten, wenn wir hier schon keinen Plan festzustellen haben, wie das sonst bei Haushaltgesetzen der Fall ist, uns doch wenigstens im Ausschuß einen Plan — ich verlange keine Einzelpläne — in seinen großen Zügen vorzulegen, uns einmal ein Zahlenbild zu geben, aus dem hervorgehen müßte, welche Einnahmen aus dem Haushaltplan des Wirtschaftsrats anfallen, welche Ausgaben anzusetzen sind, welche Verfügungssummen für die neuen Verwaltungen in Frage kommen, welcher Fehlbetrag sich daraus ergibt; und dann müßte auch der so errechnete Fehlbetrag doch wohl in einem solchen Zahlenbild noch durch die weiteren Summen ergänzt werden, die ja auf Grund eines Ergänzungsgesetzes für Berlin und für die Nahrungsmittelsubventionen zur Verfügung gestellt werden sollen. Das gehört auch in diesen Plan hinein. Wenn wir uns dazu entschließen sollten, auf die Feststellung eines Plans zu verzichten — und ich sehe keine Möglichkeit, nach den allgemeinen Normen zu verfahren —, so möchte ich doch den Herrn Bundesfinanzminister dringend bitten, uns dieses Zahlenbild in einer möglichst eingehenden Darstellung im Ausschuß vorzulegen, weil wir ohne die Kenntnis dieses mutmaßlichen und genau abzuschätzenden Ergebnisses die Verantwortung dafür, dem Herrn Bundesfinanzminister eine solche Ermächtigung zu erteilen, kaum übernehmen könnten.
Meine Damen und Herren! Das ist eigentlich das Wesentliche, was ich ausführen wollte. Ich bin dabei der Mahnung eingedenk, die der Herr Präsident an uns gerichtet hat. Es wird im Ausschuß noch manches zu besprechen sein. Aber, Herr Kollege Schoettle, glauben Sie nicht, daß wir am Mittwoch nachmittag oder Donnerstag fertig werden. Sehen Sie einige Tage mehr für die nächste Woche vor!
Ich glaube, wir werden sehr eingehend miteinander zu verhandeln haben, und an Meinungsverschiedenheiten wird es offenbar nicht fehlen. Nun, das schadet ja auch nichts. Im übrigen aber erscheint mir die Anregung, die der Herr Kollege Schoettle gegeben hat, sehr beachtenswert, daß nämlich unter Umständen in einem außergewöhnlichen Verfahren — also in Abweichung von den Bestimmungen des Grundgesetzes Artikel 77 — der Ausschuß von sich aus sich mit dem Ausschuß des Bundesrats in Verbindung setzt. Ich möchte mir daher den Vorschlag erlauben, daß wir, wenn wir jetzt diese Vorlage an den Haushaltsausschuß überweisen, diesem gleichzeitig die Ermächtigung erteilen, seinerseits die Verhandlungen mit dem
zuständigen Ausschuß des Bundesrats aufzunehmen, falls er es für notwendig und richtig hält. Das mag ein ungewöhnliches Verfahren sein und nicht ganz dem Gedankengang des Artikel 77 entsprechen, aber die Schwierigkeiten dieser Übergangszeit erfordern eben außergewöhnliche Maßnahmen, und ich könnte mir denken, daß durch eine solche gemeinsame Behandlung mit dem zuständigen Ausschuß des Bundesrats die möglichst schnelle Verabschiedung dieses Gesetzes außerordentlich gefördert werden könnte. Die schnelle Verabschiedung ist eine Notwendigkeit, denn die Bundesregierung braucht die haushaltsrechtliche Grundlage für ihre Geschäftsführung überhaupt und muß sie so schnell wie möglich haben. Wenn wir in normalen Zeiten lebten, müßten wir heute nicht im Plenum, sondern schon in den Ausschüssen mit der Beratung des Haushaltsplans für das Jahr 1950 beschäftigt sein. Früher wurden die Haushaltspläne den parlamentarischen Körperschaften im Reich und in Preußen am 1. November zugeleitet, und wir haben dann für die Verabschiedung über drei bis vier Monate gebraucht. Wenn ich an diese Fristen früherer Zeiten denke, bekomme ich ein bißchen Sorge: Wann werden wir die Vorlage für das nächste Jahr bekommen, und wann werden wir sie verabschiedet haben? Das sollten wir uns ja nicht leisten, daß wir am 1. April in das nächste, volle Rechnungsjahr hineingehen, ohne daß bis dahin auch der Haushaltsplan für dieses volle Jahr verabschiedet ist.