Meine Damen und Herren! Die Materie, mit der wir uns heute in dieser vorgerückten Verhandlungsstunde zu befassen haben, ist etwas spröde; sie ist aber trotzdem von einer außerordentlich, großen Bedeutung. Gilt es doch, die ersten haushaltsrechtlichen Grundlagen für das positive Wirken aller Bundesorgane hier in Bonn zu schaffen. Es handelt sich heute nicht darum, einen Haushaltsplan zu besprechen oder gar zu verabschieden. Deshalb stimme ich vollkommen Herrn Abgeordneten Schoettle zu, daß heute nicht der Augenblick ist, eine große politische Debatte zu entfachen, wie Herr Abgeordneter Rische es wohl wünschte. Wir wollen nur die Grundlagen schaffen, und zwar sind es nur vorläufige Grundsätze, die wir aufstellen können.
Es ist natürlich eine überaus entscheidungsvolle Frage, ob wir uns dazu entschließen wollen, vorläufige
Grundsätze aufzustellen, oder gleich darangehen, endgültige Lösungen zu linden. Meine politischen 1 freunde stimmen durchaus dem Vorschlag der Bundesregierung und dem, was der Herr Bundesfinanzminister heute ausgeführt hat, zu, daß wir unter dem Drange der Zeit im Augenblick nur eine vorläufige Grundlage schaffen können, das heißt zunächst einmal fur den Rest des Haushaltsjahrs .1949/1950, von dem ja nur noch knapp 4 Monate übrig sind. Der Schwerpunkt der künftigen haushaltsrechtlichen Beratungen muß bei der Behandlung des Haushaltsplans für 1950 liegen. Gerade um das zu ermöglichen, ist in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung zu sagen, daß wir sehr schnell eine vorlaufige Regelung linden müssen.
Ich stimme also Herrn Abgeordneten Schoettle auch insofern zu, daß wir uns mit der Verabschiedung dieses vorläufigen Gesetzes sehr beeilen mussen. Es wäre sehr begrüßenswert gewesen, wenn wir diese wenigen 15 Paragraphen, über deren Aufbau, wie ich glaube, schon seit längerer Zeit ziemlich weitgehend Klarheit bestand, vielleicht schon etwas früher als Entwurf bekommen hätten. Jedenfalls befinden wir uns jetzt mit der Verabschiedung etwas in zeitlichem Druck. Aber wir wollen hoffen, daß wir doch noch vor Weihnachten mit der Vorlage zu Ende kommen werden.
Auf die Stellungnahme des Bundesrats ist bereits vom Herrn Bundesfinanzminister und mehreren Rednern hingewiesen worden. Es ist nicht ganz so, Herr Kollege Schoettle, daß der Bundesrat eine negative Stellung eingenommen hätte.
— Das wollte ich gerade sagen! Es war keine sehr positive! Im Gegenteil, er hat erklärt, er sei im Augenblick überhaupt nicht in der Lage, eme positive Stellung zu nehmen. Ich gebe ohne weiteres zu — und der Herr Bundesfinanzminister möge es mir nicht übelnehmen —, daß auch ich fur die Bedenken des Bundesrats vorerst Verständnis habe. Ich würde es begrüßen, wenn wir die sechs Schreibmaschinenseiten Begründung, die der Bundesrat seiner Entschließung zugrunde legte, zum mindesten im Haushaltsausschuß auch vorgelegt bekommen könnten. Immerhin hat der Bundesrat in dem Anschreiben, das uns vorliegt, im letzten Satz gesagt, er verfolge das Ziel, in gemeinsamen Verhandlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister und auch mit dem Haushaltsausschuß des Hohen Hauses zu einer Verständigung zu kommen, durch die die bestehenden Be-
denken ausgeräumt werden sollen. Ich persönlich habe keinen Zweifel, daß sich dazu in diesen gemeinsamen Beratungen, wie sie eben auch Herr Kollege Schoettle schon umrissen hat, Gelegenheit bieten wird.
Auch von uns wird ja heute keine positive Stellungnahme zu dieser Vorlage erbeten. Es ist die erste Lesung, und wir haben noch reichlich Gelegenheit, über die einzelnen Punkte zu sprechen. Wir haben heute nur den dringenden Wunsch, daß diese Haushaltsdebatte möglichst schnell in erster Lesung beendet wird, so daß wir im Haushaltsausschuß darangehen können, wirklich sachliche Arbeit zu leisten. Um dem zu entsprechen, was der Herr Präsident gesagt hat, werde ich mich meinerseits nur auf ganz wenige Bemerkungen beschränken.
Meine politischen Freunde und ich stimmen den maßgeblichen Gedanken dieses Gesetzes zu: erstens, daß wir überhaupt erst einmal ein Provisorium für die Übergangszeit bis zum 1. April nächsten Jahres schaffen müssen, ferner daß für die Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltplans das Reichshaushaltsgesetz und das Grundgesetz zu gelten haben sowie daß für die Rechnungsprüfung der durch das Gesetz des Wirtschaftsrats eingesetzte Bizonale Rechnungshof tätig werden soll, vorläufig mit der Wahrung der Aufgaben des Bundesrechnungshofs sozusagen beauf tragt.
Auch die Aufgliederung in 25 Einzelpläne scheint gut und übersichtlich, gut auch der Einzelplan Nr. XXII, der den Sonderhaushalt der Besatzungskosten bringt, wodurch diese in ihrer ungeheuren Bedeutung für unser finanz- und wirtschaftspolitisches Ergehen klar herausgearbeitet werden. Besonders begrüßen wir, daß auch die Hilfe für Berlin im Einzelplan XXV besonders ausgewiesen wird, wodurch unsere Bereitschaft, aber auch unsere Verpflichtung, für Berlin zu sorgen, ganz besonders unterstrichen wird.
Dann ist sehr bedeutsam — das haben die Herren Vorredner ja auch bereits ausgeführt — der Vorschlag in § 3, wonach für die Bundesverwaltungen, die an die Stelle bisher schon bestehender Verwaltungen in Frankfurt getreten sind, die Frankfurter Haushaltspläne gelten sollen. Es ist keineswegs so, wie der verehrte erste Herr Vorredner — der sich hier zu Worte gemeldet hatte, ohne daß er die bizonalen Haushaltspläne kannte — sagen zu dürfen glaubte, daß wohl niemand im Hause etwas vom bizonalen Haushaltsplan wisse. Ich glaube, es gibt manchen in diesem Hohen Hause, der sogar recht viel von diesen Dingen versteht. Es ist ja in diesem Entwurf des Herrn Bundesfinanzministers ausgeführt, um welche Gesetze es sich handelt; wer es nicht weiß, kann sie sehr schnell nachlesen. Es handelt sich um die Gesetze vom 22. Juli, vom 15. und 26. August dieses Jahres. Ich nenne diese Daten mit voller Absicht, weil ich in völligem Gegensatz zu dem, was der erste Herr Vorredner sagte, hier ein Wort besonderer Anerkennung für die Arbeit des Wirtschaftsrats einflechten möchte. Ich habe dem Wirtschaftsrat nicht angehört, fühle mich aber verpflichtet, hier auszusprechen: der Wirtschaftsrat hat bis in die Wahlzeit hinein, ja bis über den 14. August hinaus an diesen Haushaltsplänen schwer geschafft, und zwar nicht seiner Existenz wegen — denn es stand ja fest, daß er in wenigen Tagen zu existieren aufhören würde —,
sondern nur, um die Voraussetzungen zu schaffen, daß jetzt die Bundesregierung hier überhaupt arbeiten kann. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit, und die schnellebigen Zeiten haben es manchmal an sich, daß die in ihr Lebenden an einer grausamen Vergeßlichkeit leiden. Deshalb möchte ich jedenfalls, nachdem es von anderer Seite nicht gesagt worden ist, dem verblichenen Wirtschaftsrat hier ein hohes Lied singen
und ihm dafür danken, daß er noch in jener Wahlzeit diese wichtige politische Arbeit geleistet hat.
Meine Damen und Herren, nun komme ich zu dem berühmten Kapitel der Verfügungssummen. Nach § 9 ist vorgesehen, daß den neuen Organen der Bundesregierung zur Bestreitung ihrer Ausgaben Verfügungssummen bewilligt werden, und zwar, wie es da heißt, durch die beiden Haushaltsausschüsse des Bundesrats und des Bundestags. Ich gebe ohne weitere zu, daß dieser Vorschlag etwas sehr Ungewohnliches an sich hat und mit der Wahrung des Budgetrechts des Parlaments eigentlich nicht recht vereinbar ist.
Aber da es sich zunächst einmal darum handelt, daß wir in dieser Not und Eile zunächst einmal einen Übergang schaffen müssen, um dann wirklich einen richtigen Haushaltsplan 1950 besprechen zu können, werden wir auch hierfür Verständnis haben. Trotz reichlicher Überlegung und Besprechungen mit manchem Sachverständigen ist mir, ehrlich gesagt, auch noch nichts Besseres eingefallen. Ich möchte glauben, daß man mit diesem Vorschlag, Verfügungssummen durch die beiden Haushaltsausschüsse, den des Bundesrats und des Bundestags, zu bewilligen, auf dem rechten Wege ist. Es ist eben tatsächlich alles noch sehr in Fluß, und eine gewisse Elastizität ist notwendig. Ich nehme an, daß durch die jetzt notwendig werdenden Verhandlungen — notwendig auf Grund der Vorschrift des § 9 — manche der Bedenken sich beheben lassen werden, die namentlich auch der Bundesrat hatte und die Herr Abgeordneter Schoettle vorhin mit Recht vorgebracht hat.
Ich meinerseits möchte zur Vorbereitung dieser Verhandlungen einige wenige Punkte unterstreichen. Wenn wir uns über Verfügungssummen unterhalten sollen, dann ist es unbedingt notwendig, einen Gesamtüberblick über den materiellen Bereich des gesamten Haushaltsplans zu erhalten. Nicht mit langen Worten, sondern wirklich durch die Tat muß auch das Parlament und muß die Bundesregierung beweisen, daß sich niemand über die Schwere der gegenwärtigen finanzpolitischen Lage hinwegtäuscht. Die in vielen Ländern zu beobachtende Bewilligungsfreudigkeit der Parlamente muß unter allen Umständen eingedämmt werden. Ebenso wie der Bundesrat es auf diesen sechs Schreibmaschinenseiten, die ich auch gelesen habe, ausgeführt hat, müssen auch wir im Haushaltsausschuß und im Plenum die absolute Überzeugung haben, daß die Haushaltspolitik der Bundesregierung diesen Erfordernissen hinreichend Rechnung trägt.
In der Vorlage wird an einer Stelle — der Herr Bundesfinanzminister hat es auch getan — auf die Empfehlungen der Herren Ministerpräsidenten hingewiesen, und die Herren Ministerpräsidenten wieder fußten auf den Vorschlägen des Organisationsausschusses in Schlangenbad. Aber ich muß auch betonen, daß die Grundlage dieser Schlangenbader Vorschläge sich ganz wesentlich verändert hat, schon allein durch die Tatsache, daß damals 8 Bundesministerien vorgesehen waren, sich jetzt aber, wie wir feststellen müssen, 14 Nothelfer um die Sorgen und Nöte unserer Bundesrepublik bemühen!
Gerade diese hohe Zahl der Ministerien umschließt zweifellos eine sehr große Gefahr: es geht um die Schwierigkeit der Abgrenzung parallel laufender Bereiche zwischen den einzelnen Bundesministerien. Infolgedessen können leicht an verschiedenen Stellen Verwaltungskosten für gleiche Ausgaben veranschlagt werden. Ich weiß nicht, ob im Schoße der Bundesregierung über diese Dinge im Augenblick schon völlige Klarheit geschaffen ist. Man hört hin und wieder, es sei noch nicht ganz der Fall. Wenn es nicht der Fall sein sollte, kann der zuständige Herr Bundesfinanzminister unserer Mithilfe jedenfalls absolut gewiß sein.
Wir werden auch vom Haushaltsausschuß aus
seine Stellung unter allen Umständen zu stützen
und dabei gleichfalls das Budgetrecht des Parlaments zu wahren suchen. Es besteht eben zweifellos die Gefahr, daß durch solche Verfügungssummen, wenn sie nicht ganz solide überlegt und berechnet sind, leicht präjudizielle Tatbestände in der Personalwirtschaft geschaffen werden.
Im übrigen erinnere ich mich auch sehr gern der häufigen Erklärungen aus offiziellem Munde, daß der Personalbestand der Bundesministerien insgesamt keineswegs höher sein werde als der der Frankfurter Verwaltungen, wahrscheinlich sogar niedriger. Wenn - woran ich keinen Zweifel haben möchte — das auch in der Praxis durchgeführt werden wird, hat der Herr Abgeordnete Schoettle durchaus recht, daß jedenfalls für den Personalhaushalt Verfügungssummen vielleicht überhaupt nicht erforderlich wären. Aber, wie gesagt, über diese Dinge wollen wir uns sehr gern im Haushaltsausschuß bei aller Anerkennung der Richtigkeit der Grundsätze des Herrn Bundesfinanzministers und hoffentlich auch in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat unterhalten.
Der erste Herr Vorredner, Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens, hat gemeint, § 10 sei doch sehr bedenklich. In diesem § 10 heißt es, daß, soweit die Ausgaben in den Einnahmen — in dieser Übergangszeit — noch keine Deckung finden, der Bundesfinanzminister die erforderlichen Mittel mit Zustimmung des Bundesrats von den Ländern einfordern kann. Es ist zuzugeben, daß diese Bestimmung zweifellos nur für eine solche Übergangszeit verständlich ist. Aber sie ist, wie ich glaube, auch notwendig; denn der Bund verfügt eben noch nicht über die ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Einnahmen. Es wird deshalb für diese Übergangszeit, wenn dem Herrn Abgeordneten Dr. Leuchtgens nicht etwas anderes einfällt, nichts übrigbleiben, als über den § 10 mit den Ländern eine solche Einigung herbeizuführen. Ich habe auch keinen Zweifel, daß mit dem Bundesrat, der ja selber erklärt, er verfolge das Ziel der Verständigung, über diese Frage des § 10 eine völlige Einigung erzielt werden kann, wenn im übrigen über seine Bedenken, die ich ja auch kurz gestreift habe, eine Einigung erzielt sein wird.
Am Schluß habe ich noch eine kleine technische Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister zu richten, nämlich die Anregung, er möchte bereits jetzt seinen Entwurf, der sprachlich wirklich nicht
sehr schön und auch für den Sachverständigen etwas schwer zu lesen ist, vielleicht noch einmal etwas überprüfen lassen. Satzungetüme mit über 60, ja 78 und sogar 86 Wörtern mit drei bis vier Verschachtelungen sollten in deutschen Bundesgesetzen nicht zu finden sin.
Im Grundsatz also stimmen wir der Vorlage zu, wünschen dringend ihre baldige Verweisung an den Ausschuß und geben der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, daß wir auf der Basis dieser Grundsätze, die der Herr Bundesfinanzminister entwickelt hat, zusammen mit dem Ausschuß des Bundestags und dem Bundesrat zu einer Einigung kommen werden.